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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des J P in Wien, geboren am 20. Februar 1976, vertreten durch Dr. Manfred C. Müllauer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Wohllebengasse 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Februar 1999, Zl. SD 758/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 4. Februar 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Die belangte Behörde führte eingangs der Bescheidbegründung aus, dass die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides "im Ergebnis" auch für die Berufungsentscheidung maßgebend gewesen seien.
Der Beschwerdeführer sei in Wien geboren und habe sich bis 1982 in Österreich aufgehalten. Im Alter von sechs Jahren sei er dann nach Jugoslawien ausgereist und habe dort die Grundschule besucht. Erst im November 1989 sei er wieder nach Österreich gekommen und habe zunächst zwei Sichtvermerke und im Anschluss daran Aufenthaltsbewilligungen zum Zweck der unselbstständigen Erwerbstätigkeit, zuletzt bis 24. September 1997 erhalten.
Am 5. Februar 1997 sei der Beschwerdeführer vom Jugendgerichtshof Wien wegen des Verbrechens des (teils vollendeten und teils versuchten) schweren gewerbsmäßigen Diebstahles durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1, 130 4. Fall und 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass sich der Beschwerdeführer und vier weitere Mittäter im Frühjahr 1996 entschlossen hätten, einerseits die Ausstattung ihrer Fahrzeuge zu verbessern und andererseits sich eine laufende Einnahme zu verschaffen, wobei sie vorgehabt hätten, verwertbares Gut durch Einbrüche in Fahrzeuge zu stehlen und dieses dann in ihre eigenen Autos einzubauen bzw. zu verkaufen. Der Beschwerdeführer habe von Juli bis Oktober 1996 insgesamt 15 Pkw-Einbrüche begangen, wobei er sehr professionell vorgegangen sei.
Am 22. Februar 1996 sei der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht Mödling wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Am 23. März 1998 habe der Beschwerdeführer ein Fahrzeug gelenkt, obwohl ihm die hiezu erforderliche Berechtigung für den Zeitraum vom 18. Juni 1997 bis 18. April 1998 entzogen worden sei. Bei der Anhaltung habe der Beschwerdeführer erklärt, des Öfteren mit dem Auto spazieren zu fahren und dabei auch nach Ungarn und Tschechien zu kommen. Dazu müsse bemerkt werden, dass der Beschwerdeführer jedenfalls am 26. Oktober 1997 nach Tschechien ausgereist sei, obwohl er seit 18. Juni 1997 keine Lenkerberechtigung und seit 25. September 1997 keinen Aufenthaltstitel besessen habe.
Dieses Fehlverhalten gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maß, sodass die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 FrG gegeben seien.
Aufgrund des langjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und im Hinblick darauf, dass dessen gesamte Familie im Bundesgebiet lebe, liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vor. Der Beschwerdeführer habe durch das geschilderte Fehlverhalten dokumentiert, nicht gewillt zu sein, die zum Schutz fremden Vermögens und für die Sicherheit im Straßenverkehr aufgestellten Normen sowie die fremdenrechtlichen Bestimmungen zu beachten. Das Aufenthaltsverbot sei daher zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter sowie der Gesundheit dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG falle der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 1989 zu dessen Gunsten ins Gewicht. Der daraus und aus seiner Beschäftigung ableitbaren Integration komme aber deswegen kein entscheidendes Gewicht zu, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch das aufgezeigte Fehlverhalten erheblich gemindert werde. Auch die Bindung zu seiner Familie werde durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer erwachsen sei, relativiert. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen daher nicht schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen an der Verhängung des Aufenthaltsverbotes. Aus diesen Gründen könne eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des Ermessens in Kauf genommen werden.
Der Beschwerdeführer sei zwar in Wien geboren, habe jedoch nur die ersten sechs Lebensjahre in Österreich verbracht und sei anschließend nach Jugoslawien verzogen, erst seit 1989, somit seit etwa neun Jahren, lebe er wieder in Österreich, wobei er zudem seit Ablauf seiner zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung, somit seit 25. September 1997 (!), über keinen Aufenthaltstitel für Österreich verfüge. Die Dauer der rechtmäßigen Niederlassung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes sei somit keineswegs so lange, dass der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 2 FrG entgegenstünde; daran könne auch ein vom Beschwerdeführer nunmehr gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nichts ändern.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen begegnet diese Beurteilung keinem Einwand.
2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grund des § 37 FrG und macht geltend, dass der Beschwerdeführer mit seiner Familie im gemeinsamen Haushalt lebe. Er sei aufgrund einer bereits seit langem bestehenden Bewilligung berufstätig. Er sei zwar kroatischer Staatsangehöriger, sein Heimatort liege jedoch in Jugoslawien. Er laufe somit Gefahr, in ein Land abgeschoben zu werden, dass sich im Kriegszustand befinde.
2.2. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und den Umstand, dass dessen Familie in Österreich lebt, zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Wenn sie - unter gebührender Beachtung dieser persönlichen Interessen - die maßgeblichen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) für so gewichtig erachtet hat, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei, so ist dieser Beurteilung beizupflichten, manifestiert sich doch insbesondere in den vom Beschwerdeführer in der Absicht, sich durch wiederkehrende Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig im Sinn von § 70 StGB), begangenen Einbruchsdiebstählen die von ihm ausgehende massive Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität. Darüberhinaus ist die mangelnde Verbundenheit des Beschwerdeführers mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten auch daraus ersichtlich, dass er ein Fahrzeug gelenkt hat, obwohl ihm die hiefür erforderliche Berechtigung entzogen worden war.
Auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung erweist sich selbst dann als unbedenklich, wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers auch den gemeinsamen Haushalt mit seinen Familienangehörigen und die legale Beschäftigung berücksichtigt. Der Beschwerdeführer hat über einen Zeitraum von mehreren Monaten insgesamt 15 Einbruchsdiebstähle begangen, wobei er nicht nur gewerbsmäßig handelte sondern auch sehr professionell vorging. Darin zeigt sich eine sehr deutliche Minderung der sozialen Komponente seiner Integration. Aufgrund des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und der dadurch bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen hat die belangte Behörde zu Recht den ins Treffen geführten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers kein größeres Gewicht beigemessen als den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, wobei es nicht entscheidend ist, ob sich der Beschwerdeführer tatsächlich seit 25. September 1997 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder er aufgrund eines offenen Verfahrens über einen nach seinem Vorbringen rechtzeitig gestellten Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung bis zum 31. Dezember 1997 gemäß § 6 des mit diesem Tag außer Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes, BGBl. Nr. 466/1992 idF BGBl. Nr. 351/1995, und danach während des gemäß § 112 FrG als Verfahren zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels fortzusetzenden Verfahrens aufgrund der Bestimmung des § 31 Abs. 4 FrG bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war.
Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass die belangte Behörde bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 eingeräumten Ermessen, von der Erlassung dieser Maßnahme Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte.
Dem Vorbringen betreffend die befürchtete Abschiebung in einen kriegsführenden Staat ist - abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer als kroatischer Staatsangehöriger die Abschiebung nach Jugoslawien nicht zu befürchten hat - zu entgegnen, dass mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder dass er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. November 1998, Zl. 98/18/0099).
3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass gegen ihn gemäß § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG kein Aufenthaltsverbot erlassen werden dürfe. Gemäß dieser Bestimmung darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
Nach deren Abs. 2 sind Fremde jedenfalls langjährig im Bundesgebiet niedergelassen, wenn sie die Hälfte ihres Lebens im Bundesgebiet verbracht haben und zuletzt seit mindestens drei Jahren hier niedergelassen sind.
3.2. Der angefochtene Bescheid enthält keine Ausführungen zur Frage, ob der Beschwerdeführer die Kriterien für den Aufenthaltsverbots-Verbotsgrund gemäß § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG erfüllt. Die belangte Behörde, die eingangs des angefochtenen Bescheides ausführte, die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien "im Ergebnis" auch für die Berufungsentscheidung maßgeblich gewesen, hat sich hier offensichtlich der Meinung der Erstbehörde angeschlossen, wonach diese Bestimmung das Aufenthaltsverbot nicht unzulässig mache, weil sich der Beschwerdeführer längere Zeit im Ausland aufgehalten habe und sein Aufenthalt mangels rechtzeitiger Stellung eines Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung seit 25. September 1997 nicht rechtmäßig sei.
3.3. Nach den Feststellungen der belangten Behörde befand sich der im Inland geborene Beschwerdeführer zunächst sechs Jahre in Österreich. Danach verbrachte er die Zeit bis November 1989, somit etwa siebendreiviertel Jahre in Jugoslawien; seitdem - neuneinviertel Jahre bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - lebt er wieder in Österreich. (Die Feststellung der Erstbehörde, wonach sich der Beschwerdeführer auch vom 6. November 1990 bis 2. Juni 1992 in Jugoslawien aufgehalten habe, hat die belangte Behörde somit nicht übernommen.) Der 23-jährige Beschwerdeführer hat somit insgesamt nur siebendreiviertel Jahre im Ausland und daher weit mehr als die Hälfte seines Lebens in Österreich verbracht. Er wäre gemäß § 38 Abs. 1 Z. 4 iVm Abs. 2 FrG jedenfalls langjährig rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen, wenn er zuletzt seit mindestens drei Jahren hier rechtmäßig niedergelassen gewesen wäre.
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (685 BlgNR 20. GP) soll durch die Regelung des § 38 Abs. 1 Z. 4 iVm Abs. 2 bewirkt werden, dass von klein auf im Inland aufgewachsene Fremde dann nicht mit einem Aufenthaltsverbot belegt werden dürfen, wenn sie mindestens die Hälfte ihres Lebens im Bundesgebiet verbracht haben und vor Begehung der Tat, die die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würde, mindestens seit drei Jahren im Bundesgebiet niedergelassen waren. Daraus ist ersichtlich, dass ein Fremder dann im Sinn von § 38 Abs. 2 FrG "zuletzt" drei Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist, wenn er die letzten drei Jahre vor Verwirklichung des für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Sachverhaltes (vgl. zur Auslegung dieser etwa in § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG enthaltenen Wendung insbesondere das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0170) in Österreich niedergelassen war. Legte man hingegen den Begriff "zuletzt" - wie die belangte Behörde - so aus, dass damit der Zeitraum vor Bescheiderlassung gemeint ist, führte dies zu dem nicht sachgerechten Ergebnis, dass ein von Geburt an in Österreich lebender Fremder, der aufgrund des zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes führenden maßgeblichen Sachverhaltes - unter Geltung des Aufenthaltsgesetzes - zunächst sein Aufenthaltsrecht verloren hat, vor der nachfolgenden Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht geschützt wäre, während - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG - über einen Fremden, der kurz nach seiner letzten Einreise beginnt, schwere Verbrechen zu begehen, der seine Aufenthaltsberechtigung jedoch nicht innerhalb von drei Jahren ab dieser Einreise verliert, nach Ablauf dieser Zeitspanne kein Aufenthaltsverbot verhängt werden könnte.
3.4. Zum weiteren Tatbestandselement des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG, dass der Fremde "von klein auf im Inland aufgewachsen" ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass hievon nur Fremde umfasst werden, die bereits vor Vollendung des 4. Lebensjahres nach Österreich eingereist sind. (Siehe den Beschluss vom 17. September 1998, Zl. 96/18/0150, und das Erkenntnis vom 2. März 1999, Zl. 98/18/0244, jeweils mit ausführlicher Begründung.)
Nach dieser Judikatur kann man aber auch eine Person, die zwar vor Vollendung ihres 4. Lebensjahres nach Österreich einreiste, sich aber (kurz) danach wieder für längere Zeit ins Ausland begeben hat und somit nicht schon im Kleinkindalter sozial in Österreich integriert wurde, nicht als von dieser Regelung erfasst ansehen, weil eine solche Person nicht in Österreich "aufgewachsen" ist.
Dass der Gesetzgeber nicht ausschloss, auch Personen, die ihren inländischen Aufenthalt für längere Zeiträume unterbrochen haben, als "von klein auf im Inland aufgewachsen" anzusehen, ergibt sich schon daraus, dass für diesen Aufenthaltsverbots-Verbotsgrund als weiteres Kriterium der langjährige (die letzten drei Jahre im oben (3.3.) beschriebenen Sinn und insgesamt - nur - zumindest die Hälfte des Lebens umfassende) rechtmäßige Aufenthalt normiert wurde. Dies wäre nämlich sinnlos, wenn bereits der Begriff "von klein auf im Inland aufgewachsen" einen durchgehenden Aufenthalt seit der Kleinkindzeit verlangte.
Im zitierten Erkenntnis vom 2. März 1999 vertrat der Gerichtshof daher die Ansicht, dass gegen den in diesem Fall 25-jährigen Beschwerdeführer gemäß § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG kein Aufenthaltsverbot erlassen werden könnte, wenn er sich von kurz vor Vollendung seines 4. Lebensjahres bis kurz nach Vollendung seines 10. Lebensjahres in Österreich, danach fünfdreiviertel Jahre in seiner Heimat und erst danach wieder durchgehend in Österreich aufgehalten hätte.
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage soll durch die Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z. 4 verhindert werden, dass ein Fremder, der seine Kindheit und Jugend in Österreich verbracht hat, aufgrund einer schweren Straftat in seine durch den Reisepass definierte "Heimat" abgeschoben werde, die er kaum kenne, deren Sprache ihm in der Regel weniger geläufig sei als die deutsche und deren soziales Gefüge ihm fremd sei. Es soll jedoch nicht möglich sein, dass ein Fremder mit 12 Jahren einreise, bis zu seinem 24. Lebensjahr in Österreich lebe, dann jahrelang in seiner Heimat - die ihm dann wohl auch eine solche sei - zurückkehre, sich bei seinem Wiederauftauchen in Österreich als Schlepper betätige und dann vom Aufenthaltsverbot-Verbot geschützt werde.
Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt es also darauf an, ob die "Heimataufenthalte" des Fremden in ihrer Gesamtheit dazu geführt haben, dass der Fremde mit diesem Land ähnlich wie ein ständig dort Lebender vertraut ist, es somit tatsächlich als seine Heimat angesehen werden kann. Dabei kommt es jedenfalls primär auf die Dauer dieser Aufenthalte (in Relation zum Lebensalter des Fremden) an; nicht unwesentlich ist aber auch, in welchen Lebensabschnitt diese Aufenthalte jeweils fallen.
Der Beschwerdeführer hat von seinem 7. bis zu seinem 14. Lebensjahr einen durchgehenden Zeitraum von siebendreiviertel Jahren in seiner Heimat verbracht. Dieser Zeitraum umfasst nahezu die ganze Pflichtschulzeit und fällt somit in eine für das Vertrautwerden mit der Sprache, Kultur und den sonstigen Verhältnissen seiner Heimat besonders wichtige Lebensphase. Bei einem solchen Fremden ist - mangels anderer Anhaltspunkte - anzunehmen, dass er die Sprache seiner Heimat in Wort und Schrift beherrscht und mit den Gegebenheiten in diesem Land ähnlich wie ein dort Lebender vertraut ist. Ein solcher Fremder ist daher nicht im Sinn des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG von klein auf im Inland aufgewachsen. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. September 1999, Zl. 97/21/0755 ausgesprochen, dass bei einem Fremden, der zwischen seinem 7. und 16. Lebensjahr - von allfälligen Ferienaufenthalten abgesehen - nicht in Österreich war, nicht davon gesprochen werden könne, dass er von klein auf im Inland "aufgewachsen" sei.
4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. November 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999180112.X00Im RIS seit
21.02.2002