Entscheidungsdatum
08.08.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W128 2126315-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Studienbeihilfenbehörde, Stipendienstelle Wien vom 09.03.2016, Zl. 1351281, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben.
Im Studienzeitraum Wintersemester 2015, Sommersemester 2016 beträgt die Höhe der Studienbeihilfe ab September 2015 EUR 194,00 monatlich.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 14.01.2016 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung einer Studienbeihilfe ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der durchgeführten Einkommensberechnung nicht sozial bedürftig sei.
2. Mit Schreiben vom 27.01.2016 erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung gegen diesen Bescheid. Begründend führte sie aus, dass die Schätzung des Einkommens ihres Vaters nicht nachvollziehbar sei. In den vorangegangenen Anträgen im Wintersemester 13 und 14 sei kein Einkommen geschätzt worden. Ihr Vater lebe in Rumänien, zahle keine Alimente und würde bereits ein Unterhaltsverfahren bei Gericht anhängig sein. Sie habe auch keinen Kontakt zu ihrem Vater.
3. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid gab der Senat der Studienbeihilfenbehörde der Vorstellung keine Folge und bestätigte den Bescheid vom 14.01.2016. In der Begründung wird ausgeführt, dass die Stipendienstelle den Vater der Beschwerdeführerin amtswegig angeschrieben habe, dieser jedoch keine Einkommensdokumentation geschickt habe. Um eine Schätzung durchführen zu können seien daher Recherchen durchgeführt worden. Der Vater der Beschwerdeführerin sei in Rumänien Geschäftsführer von 2 Unternehmen im Bereich Wirtschaftsprüfung, Unternehmensberatung und Kreditkarten. Unter einer näher angeführten Webseite sei in einer Grafik das durchschnittliche Geschäftsführergehalt in europäischen Ländern angegeben. Dieses liege in Österreich bei EUR 150.000 bis 200.000 im Jahr, in Rumänien betrage es um 1/3 weniger. Eine Schätzung mit EUR 35.000,00 im Jahr sei deshalb bestimmt nicht zu hoch angesetzt. Die daraus errechnete Unterhaltsleistung sei auf jeden Fall bei der Berechnung zu berücksichtigen. Die Tatsache, dass ein Elternteil seiner Verpflichtung zur Unterhaltsleistung gegenüber in Ausbildung befindlichen Kindern nicht nachkomme, obwohl er die finanziellen Mittel dazu hätte, könne nicht dazu führen, dass der Staat diese Aufgabe übernehme. Dem Bescheid beigefügt war ein Berechnungsblatt, aus dem ein Einkommen des Vaters von EUR 35.000,00 zu entnehmen ist, sowie ein Einkommen der Mutter der Beschwerdeführerin in der Höhe von EUR 12.678,54.
Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 23.03.2016 zugestellt.
4. Mit Schreiben vom 08.04.2016 erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In der Begründung führte sie aus, dass ihr Vater nicht von einer österreichischen Firma nach Rumänien entsendet worden sei, und daher internationale Bemessungsgrundlagen nicht herangezogen werden könnten. Ihren Informationen nach liege das Durchschnitts Gehalt brutto in Rumänien im Oktober 2015 bei EUR 576,00 monatlich. Nach einem Konkurs sei es ihrem Vater in Österreich nicht mehr möglich gewesen, eine Anstellung zu finden. Daher sei er nach Rumänien gezogen und habe dort eine neue Familie gegründet. Die Beschwerdeführerin habe erfolglos versucht, Unterhaltsansprüche geltend zu machen. Der Vater der Beschwerdeführerin habe versucht, sich mit verschiedenen Geschäftsideen zu verwirklichen, dies sei jedoch nicht von Erfolg gekrönt gewesen und habe es sich durchwegs um sehr kleine Unternehmen gehandelt. Bei der von der belangten Behörde ins Treffen geführten Unternehmung sei er seit Ende 2015 laut Facebook nicht mehr beschäftigt. Er sei in seinem gesamten beruflichen Leben immer nur sehr kurz in diversen Firmen tätig gewesen.
5. Mit Schreiben vom 13.05.2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.
6. Im Beweisverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde der Beschwerdeführerin vorgehalten, dass auf Facebook ein Foto vom 09.10.2017 existiere, auf dem sie gemeinsam mit ihrem Vater abgebildet sei und somit das Vorbringen, wonach kein Kontakt zum Vater bestehe, zu hinterfragen sei.
Mit Schreiben vom 26.05.2018 nahm die Beschwerdeführerin dazu Stellung und führte aus, dass das Foto im letzten Herbst entstanden sei, als ihr Vater sie angerufen habe und mitgeteilt habe, dass es seiner Mutter sehr schlecht gehe und sie im Spital im Sterben liege. Es sei daher zu dem Treffen, bei dem das Foto entstand sei, gekommen. Dies sei der 1. Kontakt mit ihm seit längerer Zeit gewesen. Der nächste Kontakt habe stattgefunden nachdem die Großmutter verstorben sei. Beim Begräbnis der Großmutter habe die Beschwerdeführerin erfahren, dass ihr Vater seit geraumer Zeit arbeitslos sei. Der Beschwerdeführerin sei nur sein Wohnort, nicht jedoch die genaue Adresse bekannt, eine alte Firmenadresse sei nicht mehr aktuell.
Mit Schreiben vom 10.07.2018 wurde der Beschwerdeführerin vorgehalten, dass laut bisheriger Beweisaufnahme ihr Vater über einen MBA-Abschluss in General Management am Josef-Schumpeter-Institut Wels verfüge. Dies stelle einen Abschluss auf Masterniveau dar. Ihr Vater sei im Jahre 2014 bei einem kleineren Finanzdienstleistungsunternehmen tätig gewesen. Eine Abfrage der Eurostat Datenbank nach Jahreseinkommen, Geschlecht, Branche und Bildungsabschluss habe einen durchschnittlichen Betrag von EUR 21.663,00 ergeben. Da keine sonstigen Anhaltspunkte für das tatsächliche wirtschaftliche verfügbare Einkommen ihres Vaters im Jahr 2014 gegeben seien, gehe das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass dieser Betrag abzgl. 30 % (das sind EUR 15.164,10) als Einkommen im Sinne des Studienförderungsgesetzes anzusetzen sei.
Dazu äußerte sich die Beschwerdeführerin nicht.
7. Mit Email vom 09.07.2018 kam die belangte Behörde dem hg Rechtshilfeersuchen nach, die Studienbeihilfe an Hand der vom Bundesverwaltungsgericht vorgegebenen Parameter automationsunterstützt zu berechnen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
XXXX ist als Vater gegenüber der Beschwerdeführerin unterhaltspflichtig. Dieser ist in Rumänien wohnhaft und besteht nur loser Kontakt zur Beschwerdeführerin. Am Bezirksgericht Döbling ist ein Unterhaltsverfahren (8 Nc 8/15d) anhängig.
Belege über das Einkommen von XXXX , für das verfahrensmaßgebliche Jahr 2014 können nicht beigeschafft werden.
Im Jahr 2014 war XXXX in Rumänien bei einem kleineren Finanzdienstleistungsunternehmen tätig. Er verfügt über einen Abschluss auf Masterniveau.
Im Jahr 2014 betrug das Durchschnittseinkommen in Rumänien im Finanzen und Versicherungssektor für einen Mann mit einem Bildungsabschluss, der jenem von XXXX entspricht, brutto EUR 21.663,00.
Das Einkommen der Mutter der Beschwerdeführerin betrug im Jahr 2014 EUR 12.678,54.
Die Beschwerdeführerin hat bis Ende Wintersemester 2016 Anspruch auf Studienbeihilfe, sofern die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt werden.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.
XXXX verfügt, über einen MBA-Abschluss in General Management am Joseph Schumpeter Institut Wels. Laut den Materialien zur 35. MBA-Verordnung, BGBl. II Nr. 431/2005, können zur Teilnahme an dieser Ausbildung Personen zugelassen werden, die den Abschluss eines Universitäts- oder Fachhochschulstudiums und eine mindestens zweijährige Berufspraxis oder den Abschluss eines Universitätslehrganges oder Lehrganges universitären Charakters und eine mindestens dreijährige Berufspraxis vorweisen können.
Laut Abfrage der EUROSTAT-Datenbank nach Jahreseinkommen, Geschlecht, Branche und Bildungsabschluss konnte festgestellt werden, dass im Jahr 2014 das Durchschnittseinkommen in Rumänien im Finanzen und Versicherungssektor für einen Mann mit einem Bildungsabschluss, der jenem des Vaters der Beschwerdeführerin entspricht, brutto EUR 21.663,00 betrug (http://ec.europa.eu/eurostat/web/labour-market/earnings, Einschau gehalten am 10.07.2018).
Eurostat ist das statistische Amt der Europäischen Union mit Sitz in Luxemburg, es bildet eine Generaldirektion der europäischen Kommission. Für das erkennende Gericht scheint es daher geboten, die von dieser Institution aufbereiteten Daten als Grundlage für die hier vorzunehmende Schätzung heranzuziehen.
Die von der belangten Behörde herangezogenen Daten entstammen hingegen einer privaten Plattform für Human Resources. Die dort dargestellten Gehälter betreffen Unternehmen mit 200-300 Mitarbeiter und sind daher für eine Schätzung des Einkommens des Vaters der Beschwerdeführerin untauglich.
Das Einkommen der Mutter ist unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A)
3.1.1. Gemäß § 6 ff Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG), BGBl. Nr. 305/1992, in der am Tag der Antragstellung geltenden Fassung, ist soziale Bedürftigkeit Voraussetzung für den Anspruch auf Studienbeihilfe. Bei der Berechnung ist das Einkommen der Eltern heranzuziehen.
Gemäß § 8 Abs. 3 StudFG ist das Einkommen vom Personen, die für die Beurteilung der sozialen Bedürftigkeit maßgeblich sind und im Inland weder einen Wohnsitz haben noch einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, zu schätzen.
Maßstab für die Beurteilung der "sozialen Bedürftigkeit" im Sinne des Studienförderungsgesetzes ist die tatsächliche "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" der unterhaltspflichtigen Person. (vgl. zB VwGH 2002/10/0114 vom 19. Dezember 2005, RV 1992 zu § 39 Abs. 7 StudFG oder Egger/Marinovic, Studienförderungsgesetz, 5. Auflage, S. 47, Erläuterungen zu § 8)
3.1.2. Gegenständlich konnte nur das durchschnittliche Bruttoeinkommen 2014 in Rumänien im Finanzen und Versicherungssektor für einen Mann mit einem Bildungsabschluss, der jenem des Vaters der Beschwerdeführerin entspricht ermittelt werden. Dieses betrug EUR 21.663,00. Da keine sonstigen Anhaltspunkte für das tatsächliche wirtschaftlich verfügbare Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin im Jahr 2014 gegeben sind, ist dieser Betrag abzüglich 30% (das sind 15.164,1 €) als Einkommen im Sinne des Studienförderungsgesetzes (vgl. BVwG vom 20.02.2014, W203 2000847-1/2E) anzusetzen.
Somit ergibt sich gemäß § 30 ff StudFG folgende Berechnung:
Bild kann nicht dargestellt werden
Dementsprechend war der Beschwerde stattzugeben und eine Studienbeihilfe in der errechneten Höhe zu gewähren.
3.2. Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen - unter Punkt 3.1 dargestellten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
3.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden
Schlagworte
Auslandswohnsitz - Eltern, Jahreseinkommen, soziale Bedürftigkeit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W128.2126315.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.09.2018