TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/22 G302 2172587-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.08.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.08.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G302 2172587-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Manfred ENZI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Deutschland, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Martin CORAZZA, in 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom 14.09.2017,

Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol (im Folgenden: belangte Behörde oder kurz BFA), vom 14.09.2017, Zl. XXXX, wurde gegen XXXX, geb. XXXX, StA. Deutschland (im Folgenden: BF), gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub gewährt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Mit der fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde eine mündliche Verhandlung beantragt sowie den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und die sofortige Durchsetzbarkeit auszuschließen. Begründend führt der rechtsfreundliche Vertreter an, dass die belangte Behörde lediglich auf die Generalprävention verweise und sich nicht mit dem konkreten Gefährdungspotenzial auseinandergesetzt habe. Die belangte Behörde übergehe das Faktum, das ein sehr erheblicher Teil der verhängten Strafe bedingt nachgesehen worden sei. Der BF habe auch alle vom Gericht angeordneten Auflagen eingehalten.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) von der belangten Behörde vorgelegt und am 06.10.2017 der Gerichtsabteilung G302 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist deutscher Staatsangehöriger und somit EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Der BF lebt in Deutschland/München. Er war von 07.08.2015 bis 02.08.2016 mit Nebenwohnsitz in Wörgl gemeldet. Von 14.06.2016 bis 10.08.2016 wurde er in Justizanstalt Innsbruck angehalten.

Der BF ist ledig und verfügt über keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in sozialer, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Zuletzt war der BF bis Ende Mai 2016 für eine englische Firma im Raum Süddeutschland, Ostdeutschland und Österreich, Tirol, als Vertriebsleiter tätig, wobei es infolge des zu befürchtenden Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung 31.05.2016 kam. Bei seiner vorletzten Arbeitsstelle war der BF ebenfalls als Vertriebsleiter im Außendienst tätig und wurde ihm damals das Angebot gemacht, als Vertriebsleiter für Tirol tätig zu werden. Aus diesem Grund mietete BF eine Wohnung in Wörgl. Als Vertriebsleiter verdiente der BF zuletzt EUR 3.000,00 netto im Monat; dies 12-mal jährlich. Der BF hat Betriebswirtschaftslehre studiert und einen Bachelorabschluss.

Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 10.08.2016, Zl. XXXX wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 SMG iVm § 28a Abs. 3 SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtmittel nach §§ 27 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 SMG und nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter und dritter Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von acht Monaten verurteilt. Aufgrund einer Berufung der Staatsanwaltschaft wurde mit Urteil des OLG Innsbruck vom 13.12.2016, Zl. XXXX die Freiheitsstrafe auf zwölf Monate erhöht. Zehn Monate wurden unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen und zwei Monate Vorhaft wurden dem BF angerechnet.

Der Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF in Wörgl ab Frühjahr 2016 bis zum 13.06.2016 vorschriftswidrig 152 Cannabispflanzen zum Zwecke der Gewinnung von Cannabiskraut, sohin Suchtgift, in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz angebaut hat, dass diese in Verkehr gesetzt wird und ab Frühjahr 2016 bis 13.06.2016 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut mit einem Gesamtgewicht von ca. 1.693,50 g (enthaltend 271,5 g reines THC) ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen hat.

Der BF ist aufgrund mehrerer vor allem sportlich verursachter Verletzungen chronischer Schmerzpatient, er sprach auf herkömmliche Schmerzmedikamente nicht gut an, wobei erschwerend hinzukam, dass er unter den Nebenwirkungen der herkömmlichen Schmerzmedikamente litt und diese ihn durch insbesondere Kopfschmerzen auch bei seiner beruflichen Tätigkeit stärker beeinträchtigten, als er es hinzunehmen gewillt war. Vor etwa 8 bis 10 Jahren bemerkte der BF, dass Cannabis gegen seine Schmerzen sehr hilfreich ist und begann mit Cannabiskonsum.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Gründe vorliegen, die einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten, sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakts.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum) sowie zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde, sowie den strafgerichtlichen Feststellungen.

Die Feststellungen zur Verurteilung ergeben sich aus den oben angeführten Urteilen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF beruhen auf dessen eigenen Angaben.

Die Feststellungen zum bisherigen Wohnsitz des BF basieren auf dem Beschwerdevorbringen sowie den Meldedaten des Zentralen Melderegisters (ZMR).

Weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde wurden konkrete Angaben dahingehend getätigt, die eine hinreichende Integration in Österreich in beruflicher, sozialer oder gesellschaftlicher Hinsicht annehmen lassen würden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Abweisung der Beschwerde betreffend Aufenthaltsverbot:

3.1.1. Die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten - auszugsweise - wie folgt:

"§ 67 (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Beschwerde als unbegründet:

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Bei Unionsbürgern, die nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a NAG und Art 16 Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs. 4 Z 18 FPG) erworben haben, ist nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots der in Art 28 Abs. 2 Freizügigkeitsrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG angesiedelt ist - heranzuziehen (VwGH 19.05.2015, Ra 2014/21/0057). Ein Aufenthaltsverbot gegen Personen, denen das Recht auf Daueraufenthalt zukommt, setzt demnach auch voraus, dass ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Die BF wurde unbestritten vom OLG Innsbruck wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetzt verurteilt.

Bei diesen Delikten handelt es sich ohne Zweifel um ein die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten des BF (vgl. VwGH 12.09.2012, 2011/23/0311; 18.10.2012, 2011/23/0318 (Suchtgiftdelikte) sowie VwGH 17.07.2008, AW 2009/18/0242 (Suchtgift- und Gewaltdelikte) und VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603; vgl. VwGH vom 21.01.2013, Zahl 2011/23/0190 VwGH 19.12.2012, Zahl 2012/22/0215) welches auf eine hohe Bereitschaft der Negierung österreichscher Gesetze und gesellschaftlicher Regeln hin weist. Insbesondere weist die Bereitwilligkeit des BF Suchtmittel an dritte Personen weiterzugeben und die durch die Tat allfällig geförderten körperlichen und seelischen Folgen der Drogenkonsumenten in Kauf zu nehmen, auf eine hohe kriminelle Energie sowie eine beachtliche Herabsetzung der inneren Hemmschwelle des BF hin.

Der BF bestreitet den Anbau von 152 Cannabispflanzen zum Zwecke der Gewinnung von Cannabiskraut nicht. Er hat zudem schon nach seiner eigenen Verantwortung im Umgang mit Cannabisprodukten erfahren, er konsumiert Cannabisprodukte regelmäßig seit Jahren. Daraus folgt das anzunehmende Wissen und Wollen um die Vorschriftswidrigkeit des Anbaus von Cannabispflanzen zum Zwecke der Gewinnung von Cannabiskraut, mithin Suchtgift. In der Wohnung des BF erfolgten Sicherstellung von bereits im Anbau befindlichen 70 Cannabispflanzen mit Blüten- und Fruchtständen und 82 Setzlingen noch ohne Blüten und Fruchtstände und der Auswertung des Wirkstoffgehaltes der bereits in Blüte befindlichen Pflanzen nach dem Abernten durch die Kriminalpolizei, die eine Nettomenge von 2.800 g mit einer absoluten Menge an THC von 296 bis 375 g an reiner Base (bei einem Wirkstoffgehalt von 10,6 bis 13,4 % ergab. Allein schon die Quantität und hohe Qualität dieses professionellen Anbaus durch den im Umgang mit Cannabisprodukten durchaus erfahrenen BF, der sich zu dem vor der Inbetriebnahme der Indooranlage noch fachkundig beraten ließ und sich professionelles Equipment zum Zwecke der Erzeugung von Suchtgiften beschaffte, lässt keinen Zweifel daran, dass der BF den Anbau der gegenständlichen Cannabis pflanzen mit dem Wissen und Wollen der Erzeugung von Cannabiskraut in einer die Grenzmenge jedenfalls übersteigenden Menge betrieb.

Mit Blick auf die Verfahrens- und Beweisergebnisse im strafrechtlichen Verfahren geht der erkennende Richter vielmehr davon aus, dass das im zweiten Produktionsvorgang durch den Anbau von Cannabispflanzen zu erzeugende Cannabiskraut zumindest in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge auch durch gewinnorientiertes Überlassen in Verkehr gesetzt werden sollte, dies vom zumindest bedingten Vorsatz des BF auch mitumfasst war und zudem der BF diese Straftat nicht vorwiegend deswegen beging, um sich Suchtmittel für den persönlichen Gebrauch oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.

Zum Zeitpunkt der Vornahme der Hausdurchsuchung in der Wohnung in Wörgl befand sich der BF noch immer im Besitz von 1.693,9 g Cannabiskraut und 26,9 g Cannabisharz, die nach den Depositionen des BF aus dem ersten Produktionsvorgang stammen. Selbst wenn man in Ansehung der behaupteten Schmerztherapie von einem täglichen Bedarf von ca. 2,5 g ausgeht, hätte die Ernte aus dem ersten Anbau für fast zwei Jahre ausgereicht. Ungeachtet eines solchen enormen Vorrats hat der BF gleich darauf noch den Anbau von weiteren 152 Cannabisstauden weiterbetrieben. Sein fortgesetztes Tatgeschehen ließ wiederum einen hohen Ertrag (wenn nicht sogar mehr als im Zuge des vorangegangenen Zyklus erwarten. Damit hätte der BF im Fall der planmäßigen Ernte allein der schon in Blüte befindlichen 70 Cannabisstauden innerhalb weniger Monate insgesamt deutlich jedenfalls über 4 kg Cannabiskraut von durchaus überdurchschnittlicher Qualität zur Verfügung gehabt. In dieser Menge ist der voraussichtliche Ertrag aus dem Anbau von 82 Setzlingen noch nicht einmal enthalten.

Eine lebensnahe Betrachtung dieses Tatgeschehens und die die Tatverübung begleitenden Umstände (hoch professioneller Betrieb zweier Indooranlagen und einer Trocknungsanlage zur Erzeugung von Cannabiskraut in einer angemieteten Wohnung, die nicht als Hauptwohnsitz dient, enorme Quantität und Qualität des tatverfangenen Suchtgiftes, nicht unbeträchtlicher finanzieller Aufwand zur Anschaffung der Indooranlage und deren Betrieb, Digitalwaage und Folienschweißgerät in der Wohnung) lassen keinen Zweifel an der konstatierten inneren Tatseite. Mit dem Betrieb einer solchen Indooranlage ist schon aus kriminologischen Aspekten ein hohes Risiko verbunden. Niemand nimmt bei einem solchen Risiko beträchtliche finanzielle Aufwendungen ohne Rentabilitätserwägungen in Kauf. Damit mag es zwar sein, dass der BF das im Zuge des ersten Produktionsvorganges bereits erzeugte Cannabiskraut zum eigenen Gebrauch herstellte, der weitere nahtlos daran anschließende Anbau von weiteren 152 Cannabispflanzen ist damit aber lebensnah nicht mehr mit einer "weiteren Bevorratung" erklärbar.

Wenn der Rechtsvertreter des BF darauf verweist, dass das OLG ein umfassendes Nachsehen der Strafe verfügt hat, so muss dem entgegengehalten werden, dass das OLG die verhängte Strafe auf zwölf Monate anhob. Das bedingte Nachsehen der Freiheitsstrafe wurde auch in der Höhe des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt. Die Ansicht des rechtsfreundlichen Vertreter des BF, dass das OLG kein Gefährdungspotential im BF gesehen habe, kann nicht nachvollzogen werden. Lässt sich doch aus der Verhängung einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe sehr wohl die Annahme eines erheblichen Gefährdungspotentials ablesen.

Sofern der Rechtsvertreter ausführt, dass der BF eine Therapie begonnen hat, ist auszuführen, dass dies noch nicht ausreicht, um daraus eine grundsätzliche Verhaltensänderung abzuleiten. Vielmehr steht diesem schließlich ein jahrelanger Suchtmittelkonsum und die Tatsache der Weitergabe von Suchtmittel entgegen. Somit geht der erkennende Richter noch immer von einer aktuellen gegenwärtigen erheblichen Gefahr aus.

Da ein großes öffentliches Interesse an einem geregelten Fremdenwesen in Österreich vorherrscht und die Nichtbeachtung von Rechtsnormen, insbesondere, jener dem Schutze der Gesellschaft und den Interessen einzelner, dienlicher Strafrechtsnormen im Bereich der Suchtgiftdelikte (vgl. VwGH 12.09.2012, 2011/23/0311; 18.10.2012, 2011/23/0318) einem gedeihlichem gesellschaftlichem Zusammenleben massiv zuwiderläuft, ist gegenständlich der Schluss zu ziehen, dass der BF durch sein gezeigtes Verhalten (Suchtmittelkonsum und Weitergabe von Suchtmittel) - und der sich daraus resultierenden negativen Zukunftsprognose - den Beweis für deren nachhaltige und schwerwiegende Gefährdung österreichischer - in Art 8 Abs. 2 EMRK genannter - öffentlicher Interessen erbracht hat und die Verhängung eines Aufenthaltsverbots als notwendiges Mittel zu dessen Begegnung zu betrachten ist.

Letztlich war zu berücksichtigen, dass sich auch im Lichte der nach § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung nicht ergeben hat, dass allenfalls vorhandene nachhaltige familiäre oder private Bindungen in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts überwiegen würden.

Aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der vom BF begangenen Straftaten und unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe kann davon ausgegangen werden, dass ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zwei Jahren eine nachhaltige Änderung seines Verhaltens und seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten bewirken wird.

Somit war die Beschwerde abzuweisen.

3.2. Zu den Spruchpunkten II. und II. des angefochtenen Bescheides:

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub erteilt und gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG der Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgen, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortigen Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Der BF ist in der Beschwerde der Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht substantiiert entgegengetreten.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht dargelegt hat und wie sich aus den oben dargelegten Ausführungen ergibt, erweist sich die sofortige Ausreise bzw. die sofortige Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als erforderlich. Der BF hat durch sein Gesamtfehlverhalten unzweifelhaft gezeigt, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich der Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet abzuweisen und dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zu entsprechen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).

Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Letztlich wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der - rechtlich vertretenen - BF auch nicht beantragt.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, EU-Bürger, Gefährdungsprognose, öffentliches
Interesse, strafrechtliche Verurteilung, Suchtgifthandel, Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G302.2172587.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten