TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/23 W112 2112726-1

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Veröffentlicht am 23.08.2018
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Entscheidungsdatum

23.08.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z1
BFA-VG §40 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwG-AufwErsV §1
VwGVG §35

Spruch

W112 2112726-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA SYRIEN, vertreten durch XXXX , gegen die Festnahme am 15.08.2015, 08:30 Uhr, und Anhaltung im Rahmen der Festnahme am 15.08.2015 von 08:30 Uhr bis 13:45 Uhr zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 iVm § 40 Abs. 2 BFA-VG stattgegeben und festgestellt, dass die Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme rechtswidrig waren.

II. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer zu Handen seiner ausgewiesenen Vertreterin Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Eingabengebühr wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der im Beschwerdezeitpunkt seinen unbelegten Angaben zufolge mündig minderjährige Beschwerdeführer erhob durch XXXX als Rechtsberater und gesetzlicher Vertreter mit Schriftsatz vom 19.08.2015 Beschwerde gegen seine Festnahme und Anhaltung am 15.08.2018, 8:30 Uhr bis 13:45 Uhr, gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA-VG iVm Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gegen die Landespolizeidirektion

XXXX an das Bundesverwaltungsgericht.

Begründend führt die Beschwerde aus, dass unklar sei, auf welchen der fünf in § 40 Abs. 2 BFA-VG aufgelisteten Tatbestände sich die belangte Behörde gestützt habe. Voraussetzung sei nicht nur, dass der Festnahmegrund im Zeitpunkt der Festnahme objektiv vorgelegen sei, sondern auch, dass dies dem einschreitenden Organ auch subjektiv bewusst gewesen sei. Das im Fall des Beschwerdeführers einschreitende Organ habe sich aber im Zeitpunkt der Festnahme nicht mit der Frage auseinandergesetzt, welchen Festnahmegrund es als maßgeblich erachte und in Anspruch nehmen wolle, sondern pauschal auf § 40 Abs. 2 BFA-VG verwiesen. Schon daraus ergebe sich die Rechtswidrigkeit der Festnahme.

Die Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme seien nur anhand der tatsächlich herangezogenen Rechtsgrundlage zu prüfen. Im Falle des Beschwerdeführers kommen § 40 Abs. 2 Z 2 bis 4 BFA-VG schon von vornherein nicht in Betracht, da gegenüber dem Beschwerdeführer noch keine aufenthaltsbeendende Maßnahme bestanden hatte und ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme noch nicht eingeleitet worden war. § 40 Abs. 2 Z 5 BFA-VG sei nicht in Betracht gekommen, da im Zeitpunkt der Festnahme noch gar keine Befragung, erkennungsdienstliche Behandlung oder Durchsuchung durchgeführt worden sei. Als einzige denkbare Rechtsgrundlage sei § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG in Betracht gekommen.

Doch auch § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG sei im Fall des Beschwerdeführers nicht anwendbar. Diese Bestimmung korrespondiere mit der in § 42 Abs. 2 BFA-VG vorgesehenen Vorführung eines Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, ohne in Österreich zum Aufenthalt berechtigt zu sein. Mit der Novelle BGBl. I 70/2015 sei jedoch der Antrag auf internationalen Schutz nicht mehr in der Erstaufnahmestelle, sondern bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder einer Sicherheitsbehörde zu stellen. Damit entfalle aber die Vorführung vor die Erstaufnahmestelle. Die Vorführung vor das Bundesamt sei somit seit dieser Novelle nicht mehr zwingend vorgesehen. Sohin sei im Zeitpunkt der Festnahme noch gar nicht festgestanden, ob das Bundesamt überhaupt die Vorführung anordnen werde. Auch daran zeige sich, dass das Handeln des Bundesamtes im Zeitpunkt der Festnahme auf keinen konkreten Festnahmegrund gerichtet sein habe können. Selbst wenn man davon ausgehen wolle, dass die Festnahme auf Grund einer fehlenden Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet erfolgt sei, so sei - mangels Kontaktaufnahme mit dem Bundesamt - ein subjektives Wissen um die Erfüllbarkeit des gesetzlich vorgesehenen Zwecks nicht denkbar.

Weiters enthalte Art. 2 BVG PersFr keine Grundlage für diese Inhaftnahme. Das Bundesverwaltungsgericht möge einen Antrag auf Aufhebung der genannten Bestimmung stellen. Zudem stelle die Anhaltung des Beschwerdeführers eine unionsrechtswidrige Haft dar.

Zum Beweis dafür, dass im Fall des Beschwerdeführers keine Einzelfallprüfung durchgeführt worden sei, werde beantragt, das einschreitende Organ in einer mündlichen Verhandlung zu befragen. Es werde auf einen Zeitungsbericht verwiesen, wonach Asylantragsteller seit Inkrafttreten des FRÄG 2015 auf Grund einer Weisung der Bundesministerin für Inneres unmittelbar nach Antragstellung offenbar systematisch bis zu 48 Stunden festgenommen werden. Zum Beweis dafür werde die Einvernahme eines informierten Vertreters des Bundesministeriums für Inneres in einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Die Befugnis der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Personen aus eigenem festzunehmen, sei, da sie nach österreichischem Verständnis keine Behörden seien, unionsrechtswidrig. Zudem sei die Festnahme nicht schriftlich, sondern mündlich angeordnet worden. Auch aus diesem Grund sei die Festnahme unionsrechtswidrig.

Die Beschwerde führt darüber hinaus auch aus, dass die Anhaltung im Rahmen der Festnahme auf Grund Ihrer Dauer rechtswidrig gewesen sei. Die Landespolizeidirektion XXXX habe auf eine möglichst kurze Anhaltung hinwirken müssen. Das einschreitende Organ hätte die Erstbefragung unverzüglich durchführen müssen. Der um 08:30 Uhr festgenommene Beschwerdeführer sei erst um 13:03 Uhr erstbefragt worden. Die belangte Behörde habe aber die notwendigen und zumutbaren organisatorischen und personellen Maßnahmen treffen müssen, um die Anhaltedauer so kurz wie möglich zu halten. Im Amtsgebäude halten sich mehrere Dolmetscher auf, die zu einer Erstbefragung herangezogen werden könne. Selbst wenn kein Dolmetscher vor Ort gewesen sei, wäre die Organisation eines Dolmetschers zumutbar gewesen, da es die Polizeiinspektion XXXX rund um die Uhr mit nicht deutsch sprechenden Antragstellern zu tun habe und immer wieder Dolmetscher beizuziehen seien. Die Landespolizeidirektion XXXX sei als zuständige Behörde jedenfalls dazu verpflichtet gewesen, ihre interne Organisation so zu gestalten, dass die erforderlichen Verfahrensschritte zeitnah erfolgen hätten können. Eine unzureichende personelle Ausstattung oder die Überlastung eines Organs seien bei der Angemessenheitsprüfung ebenso wenig zu veranschlagen, wie etwa Gerichtsferien. Nach sofortiger Durchführung der Erstbefragung, erkennungsdienstlicher Behandlung und allenfalls Durchsuchung und Konsultierung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt), die im selben Gebäude gewesen sei, hätte die Anhaltung jedenfalls nach wenigen Stunden beendet werden können. Es sei absolut nicht nachvollziehbar, dass in der Zeit von 12:00 Uhr bis 13:00 Uhr keine Erstbefragungen durchgeführt worden seien, weshalb der minderjährige Beschwerdeführer eine Stunde länger als absolut nötig angehalten worden sei. Die Dauer der Anhaltung sei daher unverhältnismäßig und rechtswidrig gewesen.

Es werde daher beantragt festzustellen, dass die Festnahme gemäß § 40 Abs. 2 BFA-VG in rechtswidriger bzw. unionsrechtswidriger Weise erfolgt sei, die Anhaltung gemäß § 40 Abs. 4 BFA-VG am 15.08.2018 von 08:30 Uhr bis 13:45 Uhr in rechtswidriger Weise erfolgt sei, eine mündliche Beschwerdeverhandlung des Beschwerdeführers und des "Herrn xxx" als Zeugen durchzuführen, den Beschwerdeführer von der Eingabengebühr gemäß § 2 Abs. 1 BulVwG Eingabengebühr zu befreien, dem Beschwerdeführer die Aufwendungen gemäß § 35 VwGVG iVm Art. 1 VwG-Aufwandersatzverordnung zu ersetzen sowie etwaige Dolmetschkosten und im Falle des Obsiegens der Belangten Behörde den Beschwerdeführer vom Ersatz des Aufwandersatzes iSd VwG-Aufwandersatzverordnung zu befreien.

2. Die Landespolizeidirektion XXXX legte noch am selben Tag als Akt das Anhalteprotokoll vom 15.08.2015 vor, ebenso das Protokoll der Erstbefragung, das bereits der Beschwerde beigelegen war.

Die für das Asylverfahren des Beschwerdeführers zuständige Regionaldirektion XXXX teilte am 21.08.2015 mit, über keine bezughabenden Akten zu verfügen.

Die Anfrage des Gerichts betreffend eine Meldung im Hinblick auf die Festnahme des Beschwerdeführers wurde von der Erstaufnahmestelle XXXX nicht beantwortet.

Mit Schreiben vom 02.10.2015 erstattete der Direktor des Bundesamtes eine Gegenschrift, in der er ausführt, dass das Bundesamt die belangte Behörde sei, da die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in diesem Bereich gemäß §§ 6 und 40 BFA-VG für das Bundesamt einschreiten; die Beschwerde falle daher unter § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 FPG.

Das Bundesamt führte aus, dass gemäß § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt seien, einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen bis zu 48 Stunden anzuhalten. Auch wenn im Anhalteprotokoll nur § 40 Abs. 2 BFA-VG als Rechtsgrundlage vermerkt sei, bewirke dies keine Rechtswidrigkeit. Die vom Beschwerdeführer angeführte Rechtsprechung beziehe sich auf Fälle, in denen es um vollkommen unterschiedliche Materien gegangen sei und daher kein klarer Wille des Organs zur Festnahme auf der konkreten Rechtsgrundlage angenommen werden habe können. In derartigen Fällen werde der Partei die Rechtsverfolgung erschwert. Im vorliegenden Fall gehe es dagegen nur darum, dass am Anhalteprotokoll nicht die genaue Ziffer des § 40 Abs. 2 BFA-VG vermerkt sei. Schon aus dem Gesamtzusammenhang ergebe sich zweifelsfrei, dass die Festnahme auf Grund der Z 1 leg.cit. erfolgt sei, da der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Es können daher keine Zweifel am konkreten Organwillen und an der konkreten Rechtsgrundlage bestehen. Es liege zudem in der Natur einer Festnahme und Anhaltung gemäß § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG, dass zum Zeitpunkt der Festnahme noch nicht abgeschätzt werden könne, ob eine Vorführung vor das Bundesamt tatsächlich erfolgen werde. Würde man der Argumentation der Beschwerde folgen, dass mangels zwingender Vorführung vor das Bundesamt eine Festnahme hier nicht in Betracht käme, wäre die Bestimmung des § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG sinnentleert. Es komme auf die Betrachtung zum Zeitpunkt der Amtshandlung ex ante an.

Betreffend die Beschwerde gegen die Dauer der Anhaltung führt die Gegenschrift aus, dass die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt seien, Fremde gemäß § 40 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 BFA-VG bis zu 48 Stunden anzuhalten. Die gesamte Anhaltung des Beschwerdeführers habe 5 Stunden und 15 Minuten gedauert. Damit erweise sich die Dauer der Anhaltung nicht als rechtswidrig. Zudem sei davon auszugehen, dass auf Grund der Novelle der §§ 17 Abs. 1, 29 Abs. 2 AsylG 2005 und des § 42 Abs. 1 BFA-VG durch das FRÄG 2015 und die dadurch verpflichtende Kontaktaufnahme mit dem Bundesamt nach der Asylantragstellung die Anhaltung gemäß § 40 Abs. 2 Z 1 FPG innerhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen grundsätzlich länger verhältnismäßig sei als zuvor. Darüber hinaus sei im maßgeblichen Zeitraum auf Grund des enormen Anstiegs an Anträgen auf internationalen Schutz und Engpässen bei den Ressourcen generell nicht möglich gewesen, die ersten Maßnahmen innerhalb kürzester Zeit vorzunehmen. So sei auch nach der Rechtsprechung des zu berücksichtigen, wieviele Fremde zum gleichen oder ähnlichen Zeitpunkt Anträge stellen und ob Dolmetscher zur Verfügung stehen. Es bestehe keine Verpflichtung, die Erstbefragung etc. unmittelbar bei Antragstellung oder Festnahme durchzuführen. Bei der hohen Zahl von täglichen Anträgen, von denen ein großer Teil in XXXX bei der dortigen Polizeiinspektion gestellt worden seien, habe eine sofortige Erstbefragung kaum erfolgen können.

Die Festnahme gemäß § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG diene zur Erzwingung der Verpflichtungen gemäß § 13 Abs. 1 iVm §§ 42 f. BFA-VG und finde somit in dem Art. 5 Abs. 1 lit. b EMRK entsprechenden Art. 2 Abs. 1 Z 4 BVG PersFr seine Deckung.

Betreffend die in der Beschwerde relevierte Unionsrechtswidrigkeit verkenne diese die Trennung zwischen kurzzeitigen Anhaltungen in Polizeigewahrsam zur Sicherung der Überstellung an das Bundesamt einerseits und die Anhaltung in Schubhaft andererseits. Die von der AufnahmeRL verlangten strengeren Kriterien knüpfen an die Verhängung der Schubhaft an. Die Neufassung der AufnahmeRL verdeutliche dies im Verhältnis zu Ihrer Vorgängerversion durch den Ersatz des Begriffes "Gewahrsam" durch den Begriff "Haft".

Es werde daher beantragt, die Beschwerde abzuweisen und dem Bund den Schriftsatzaufwand gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-AufwErsV zuzusprechen.

Als Akt legte die belangte Behörde nur das Anhalteprotokoll vor, in dem die Amtshandlung wie folgt beschrieben wird:

" X Verwaltung 0 Gericht 0 ID-Feststellung

[...] Delikt/Gründe: Festnahme ohne Auftrag gem. § 40 Abs. 2 BFA-VG," Vorfall: 15.08.2015, 08:30 Uhr, 2514 Traiskirchen, OTTO GLÖCKEL-STRASSE 24

Beschreibung: PI TRAISKIRCHEN EAST Kurzsachverhalt: "

Eine Anzeige oder Meldung wurde nicht vorgelegt.

3. Der Beschwerdeführer replizierte durch XXXX als Rechtsberater und gesetzlicher Vertreter mit Schriftsatz vom 22.10.2015 auf die Gegenschrift der belangten Behörde und führte aus, dass Art. 2 Abs. 1 Z 3 BVG PersFr keine taugliche Grundlage für § 40 Abs. 2 BFA-VG darstelle, der nur die Verwendung freiheitsentziehender Beugemittel wie zB Beugehaft oder zwangsweise Vorführungen vorsehe. Zum Zeitpunkt maßgeblichen Zeitpunkt sei noch gar nicht festgestanden, ob das Bundesamt überhaupt die Vorführung an das Bundesamt angeordnet hätte, da die Vorführung seit dem FRÄG 2015 nicht mehr zwingend vorgesehen sei. Die Vorführung vor das Bundesamt sei im Übrigen gar nicht möglich gewesen, da sie nur zur Sicherung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erfolgen dürfe und eine solche gegen den Beschwerdeführer nicht bestanden habe und ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 AsylG 2005 nicht eingeleitet worden sei. § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG dürfe nicht als generelle Ermächtigung zur Festnahme und Anhaltung von nicht aufenthaltsberechtigten Fremden, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, ausgelegt werden. Eine solche Regelung wäre angesichts der im maßgeblichen Zeitraum angespannten behördlichen Ressourcen sinnentleert und verfassungswidrig. Wenn § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG nicht als verfassungswidrig zu qualifizieren sei, sei er zumindest restriktiv auszulegen und dürfe sohin nur angewendet werden, wenn der Zweck der Vorführung vor das Bundesamt zum Zeitpunkt der Amtshandlung tatsächlich möglich und erforderlich sei. Da er ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling gewesen sei, sei eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen ihn nicht in Frage gekommen und das zuständige Organ der Landespolizeidirektion hätte das erkennen müssen. Es sei zudem sinnwidrig, die Erfüllung der Mitwirkungspflicht des § 13 BFA-VG durch die Freiheitsentziehung zu erzwingen, da an die Verletzung der Mitwirkungspflicht negative Konsequenzen geknüpft seien und die Erfüllung dieser Pflichten sohin im Interesse des Verpflichteten sei. Eine Festnahme sei in diesem Zusammenhang allenfalls dann zulässig, wenn der Verpflichtete der Verpflichtung nicht aus eigenem nachgekommen sei. Außderdem fehle die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Art. 2 Abs. 1 Z 4 BVG PersFr, die Vorführung vor das Bundesamt diene nämlich nicht der Durchsetzung der Mitwirkungsverpflichtung des § 13 BFA-VG. Hinzukomme, dass der Zweck der Festnahme auch durch weniger eingreifende Mittel erreicht werden könne, wenn Personen freiwillig an die Behörden herantreten, um einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Es seien ex ante keine Anzeichen vorgelegen, die den Schluss zuließen, der Beschwerdeführer hätte sich dem Verfahren entzogen. Zur Kooperationswilligkeit des Beschwerdeführers werde die Einvernahme des Rechtsberaters des Beschwerdeführers beantragt.

Die Festnahme des Beschwerdeführers und Anhaltung in einem abgesperrten Raum der Landespolizeidirektion Niederösterreich wäre somit nicht erforderlich gewesen. Es sei dem Verfahren und der Gegenschrift nicht zu entnehmen, aus welchem konkreten Grund gerade der Beschwerdeführer festgenommen worden sei, obwohl er an sämtlichen Verfahrensschritten von sich aus ohne Gegenwehr mitgewirkt habe. Dies untermauere die in der Beschwerde aufgestellte Vermutung, dass die Organe der Landespolizeidirektion XXXX ystematisch Antragsteller festgenommen habe, möglicherweise auf Grund einer Weisung. Zur Klärung, ob die Festnahmen von Personen unmittelbar nach Stellung eines Antrages auf internationalen Schutzes seit 20.07.2015 systematisch auf Grund eines Erlasses der Bundesministerin für Inneres erfolgt seien, werde die zeugenschaftliche Einvernahme eines informierten Vertreters der Bundesministerin für Inneres im Rahmen einer mündlichen Verhandlung beantragt. Für den Fall, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers sowie die Durchführung weiterer Verfahrensschritte zum Zeitpunkt der Asylantragstellung nicht möglich gewesen wäre, hätte der Beschwerdeführer angewiesen werden können, in einer Notschlafstelle oder einem Verteilerquartier eines Bundeslandes Unterkunft zu nehmen. Dabei hätte ihm eine Ladung ausgehändigt werden können, wann und wo er sich zur Erstbefragung, erkennungsdienstlichen Behandlung und Durchsuchung einzufinden gehabt hätte.

Unionsrechtlich sei der Begriff "Haft" eigenständig auszulegen, der Argumentation des Bundesamtes sei nicht zu folgen, da der Begriff für "Haft" in den anderen Sprachfassungen im Vergleich der Neufassung der Aufnahmerichtlinie im Verhältnis zu ihrer Vorgängerregelung gleichgeblieben sei. Daher sei unter der unionsrechtlichen Haft auch die Festnahme und Anhaltung iSd § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG zu verstehen. Daher sei die Festnahme und Anhaltung eines Fremden unmittelbar im Anschluss an die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz von vornherein unabhängig von der Dauer der Anhaltung als verfassungswidrig und unverhältnismäßig sowie unionsrechtswidrig zu qualifizieren.

Mangels Vorlage der Verwaltungsakten sei es dem Beschwerdeführer nicht möglich, von seinem Recht auf Wahrung des Parteiengehörs mittels Akteneinsicht Gebrauch zu machen. Es ergehe daher der Antrag, das Bundesamt zur Aktenvorlage aufzufordern.

4. Das Bundesamt duplizierte mit Schriftsatz vom 24.11.2015 auf die Replik des Beschwerdeführers und führte aus, dass das Verfahren des Beschwerdeführers in Österreich zugelassen und dass er in die Landesgrundversorgung XXXX aufgenommen worden sei. Durch die Verfahrenszulassung habe die gesetzliche Vertretung der XXXX gem. GmbH geendet, diese obliege nunmehr der Bezirkshauptmannschaft XXXX . Ohne Bevollmächtigung durch diese sei XXXX gem. GmbH als Rechtsberater nicht mehr vertretungsbefugt. Daher sei die Replik bereits ohne Vertretungsbefugnis erfolgt, es handle sich hierbei um einen Fall des unzulässigen amicus curiae.

5. Mit Schriftsatz vom 09.12.2015 genehmigte der Rechtsvertreter für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Auftrag des Landes XXXX - Abteilung Kinder- und Jungendhilfe den Schriftsatz der XXXX gem. GmbH vom 22.10.2015 und bevollmächtigte diese mit der Vertretung des Beschwerdeführers im gesamten gegenständlichen Verfahren.

Dieser Schriftsatz wurde dem Bundesamt am 21.12.2015 zugestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer wurde am 15.08.2015 um 08:30 Uhr gemäß § 40 Abs. 2 BFA-VG in der Polizeiinspektion XXXX festgenommen.

Der genaue Grund der Festnahme und der Tatbestand, auf den die belangte Behörde die Festnahme stützte, können nicht festgestellt werden.

Er stellte als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling am 15.08.2015 um 09:10 Uhr einen Antrag auf internationalen Schutz in der Polizeiinspektion XXXX .

Der Beschwerdeführer wurde am 15.08.2015, 13:03 Uhr bis 13:45 Uhr, zu seinem Antrag unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache ARABISCH in Anwesenheit der XXXX als gesetzlicher Vertreter unter Aushändigung einer Reihe von Merkblättern in ARABISCHER Sprache in der Polizeiinspektion XXXX erstbefragt.

Er wurde am 15.08.2015, 13:45 Uhr, entlassen, im NOTQUARTIER für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge am Gelände der Sicherheitsakademie XXXX in die Grundversorgung aufgenommen und noch am selben Tag in die Erstaufnahmestelle XXXX überstellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Angaben zur Festnahme des Beschwerdeführers beruhen auf dem Anhalteprotokoll. Dass Grund und Tatbestand für die Festnahme nicht festgestellt werden können, resultiert aus der Nichtvorlage einer Meldung oder Anzeige sowie dem Umstand, dass im Anhalteprotokoll der konkrete Tatbestand nicht angegeben wurde, weder ein Kurzsachverhalt noch eine über "Polizeiinspektion XXXX " hinausgehende Beschreibung geschildert wird. Die Feststellungen zur Asylantragstellung und Erstbefragung ergeben sich aus dem Protokoll der Erstbefragung. Die Feststellungen zur Grundversorgung des Beschwerdeführers fußen auf dem Auszug aus dem Grundversorgungssystem, wobei einmal offensichtlich falsch eingegeben war, der Beschwerdeführer sei bereits am 14.08.2018 in Grundversorgung aufgenommen worden; zu diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer jedoch noch nicht in XXXX

.

Über den Antrag, die belangte Behörde zur Vorlage der Akten aufzufordern, braucht nicht abgesprochen zu werden, da die belangte Behörde bereits zuvor zur Aktenvorlage aufgefordert worden war. Über das Protokoll der Erstbefragung verfügte der Beschwerdeführer bereits zuvor selbst, da er es der Beschwerde beilegte, zumindest jede zweite Seite davon, das Anhalteprotokoll wurde ihm mit der Gegenschrift zugestellt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A.I.) Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme

1. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a leg.cit. die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Behörde im Inland nach diesem Bundesgesetz ist gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG das Bundesamt mit bundesweiter Zuständigkeit. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben das Bundesamt gemäß § 6 BFA-VG bei der Erfüllung seiner Aufgaben, insbesondere durch Wahrnehmung der ihnen gemäß §§ 36 bis 47 leg.cit. eingeräumten Aufgaben und Befugnisse, zu unterstützen.

Das Bundesamt ist daher betreffend die Festnahme gemäß § 40 Abs. 2 BFA-VG die belangte Behörde, wie auch die belangte Behörde in der Gegenschrift ausführt und sich im Übrigen auch inhaltlich aus der Beschwerde ergibt, nicht wie am Deckblatt der Beschwerde angegeben die Landespolizeidirektion XXXX (vgl. VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0335).

2. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind gemäß § 40 Abs. 2 BFA-VG ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist (Z 1), gegen diesen eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde (Z 2), gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde (Z 3), gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde (Z 4) oder auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird (Z 5).

Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind gemäß § 5 Abs. 2 SPG Angehörige des Wachkörpers Bundespolizei (Z 1), Angehörige der Gemeindewachkörper (Z 2), Angehörige des rechtskundigen Dienstes bei Sicherheitsbehörden, wenn diese Organe zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt sind (Z 3), und sonstige Angehörige der Landespolizeidirektionen und des Bundesministeriums für Inneres, wenn diese Organe die Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) absolviert haben und zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt sind (Z 4).

2. Der Beschwerdeführer wurde ausweislich des Anhalteprotokolls von Angehörigen des Wachkörpers Bundespolizei der Polizeiinspektion XXXX am 15.08.2018, 08:30 Uhr, gemäß § 40 Abs. 2 BFA-VG festgenommen und bis 13:35 Uhr angehalten.

Die bloße Nennung von § 40 Abs. 2 BFA-VG ohne Angabe eines konkreten Tatbestandes oder Beschreibung des Grundes für die Festnahme in einer der gerichtlichen Nachprüfung zugänglichen Weise reicht aber nicht aus, die Rechtmäßigkeit der Festnahme zu begründen (vgl. VwGH 16.05.2012, 2010/21/0304).

Dies trifft im vorliegenden Fall umso mehr zu, als die Festnahme gegen den Beschwerdeführer um 08:30 Uhr gemäß der auf Asylwerber und Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, anzuwendenden Bestimmung des § 40 Abs. 2 BFA-VG ausgesprochen wurde, dieser den Antrag auf internationalen Schutz aber dem Protokoll der Erstbefragung zufolge aber erst 40 Minuten später, aus dem Stande der Festnahme stellte, sohin im Zeitpunkt der Festnahme noch kein Fremder war, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.

Die auf eine untaugliche Grundlage gestützte Festnahme wird nicht dadurch zu einer rechtmäßigen Maßnahme, dass eine andere (aber nicht herangezogene) Rechtsgrundlage (§ 40 Abs. 1 Z 3 BFA-VG) zur Verfügung gestanden wäre (VwGH 20.10.2011, 2009/21/0248; 19.05.2011, 2009/21/0214, 0224).

Die Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme (vgl. VwGH 25.10.2012, 2010/21/0047; 19.09.2012, 2012/01/0017) sind daher für rechtswidrig zu erklären, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

5. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG - der diesbezüglich § 24 Abs. 4 VwGVG vorgeht (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) - kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Das ist hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhalts auf Grund des von der belangten Behörde vorgelegten Aktes - des Protokolls der Erstbefragung und des Anhalteprotokolls - der von keiner der beiden Parteien in Zweifel gezogen wurde, der Fall.

Im Übrigen beantragte die belangte Behörde die Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht und der Beschwerdeführer stellte mit dem Antrag auf Befragung des "Herrn xxx" in der mündlichen Verhandlung einen tauglichen Antrag auf Zeugenbefragung.

Dem Antrag, zum Beweis der Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers seinen Vertreter in einer mündlichen Verhandlung zu hören, ist bereits aus dem Grund nicht zu entsprechen, dass sich das Gericht nicht mit dem mittelbaren Beweis begnügen darf, wo es den Zeugen - oder die Partei - selbst vernehmen kann (vgl. VwGH 25.11.1991, 91/19/0282). Warum der Beschwerdeführer nicht selbst zu seiner Kooperationsbereitschaft hätte aussagen können, sondern nur sein Vertreter hiezu befragt hätte werden können, wurde in der Beschwerde auch nicht ausgeführt. Einer Befragung des Beschwerdeführers bedurfte es nicht, da es der Feststellung der Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht erforderlich war.

Dem Antrag, einen informierten Vertreter des Bundesministeriums für Inneres in einer mündlichen Verhandlung zum Beweis dafür einzuvernehmen, ob Asylantragsteller seit Inkrafttreten des FRÄG 2015 auf Grund einer Weisung der Bundesministerin für Inneres unmittelbar nach Antragstellung offenbar systematisch bis zu 48 Stunden festgenommen werden, ist bereits aus dem Grund nicht zu entsprechen, dass es sich bei der Frage des generellen Vorgehens über den Fall des Beschwerdeführers hinaus um keinen hg. relevanten Sachverhalt handelt und ungeachtet des Umstandes, dass inländische generelle Rechtsvorschriften nicht Gegenstand des Ermittlungsverfahrens sind (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 37 Rz 3), eine Weisung keine gesetzliche Grundlage für die Festnahme des Beschwerdeführers darstellen hätte können.

Zu A.II. und A.III.) Kostenanträge

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1 BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Nach Abs. 4 gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat (Z 1), die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren (Z 2), sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand (Z 3). Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat gemäß Abs. 5 den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Aufwandersatz ist laut Abs. 7 auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Sowohl das Bundesamt als auch der Beschwerdeführer beantragen Kostenersatz. Da der Beschwerde im vollen Umfang stattgegeben wurde, ist der Beschwerdeführer obsiegende Partei und die belangte Behörde unterlegene Partei. Der belangten Behörde gebührt als unterlegener Partei gemäß Abs. 1 kein Kostenersatz.

3. Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 VwG-AufwErsV wie folgt festgesetzt:

1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei € 737,60

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei € 922,-

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei € 57,40 4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei € 368,80

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei €461,00

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) € 553,20 7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) € 276,60

Eine mündliche Verhandlung fand nicht statt. Somit gebührt dem Beschwerdeführer der Ersatz von Schriftsatzaufwand iHv € 737,60.

4. Dem Bundesverwaltungsgericht sind mangels Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine Barauslagen entstanden.

5. Der Beschwerdeführer stellt den Antrag, ihn von der Eingabengebühr zu befreien. Einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der Gebühren stellte er nicht; ein solcher könnte auch nicht mehr gestellt werden (vgl. VfGH 28.02.2012, B 825/11).

Eine sachliche Gebührenbefreiung iSd § 1 Abs. 1 BuLVwG-EGebV für Verfahren nach dem BFA-VG besteht nicht. Ebensowenig besteht - abgesehen von der Möglichkeit der Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umgang der Gebühren - eine Kompetenz des Bundesverwaltungsgerichts zur Befreiung von der Eingabengebühr iHv € 30,- nach § 2 Abs. 1 BuLVwG-EGebV.

Die Gebühr für Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht beträgt gemäß § 2 Abs. 1 BuLVwG-EGebV € 30,-. Sie entsteht gem. § 1 Abs. 2 BuLVwG-EGebV im Zeitpunkt der Einbringung der Eingabe und wird mit diesem Zeitpunkt fällig. Ihre Bezahlung ist allerdings kein Zulässigkeitserfordernis im Beschwerdeverfahren. Dieser Gebührensatz kann nicht als prohibitiv hoch angesehen werden (vgl. Fister, Gebühren und Ersatz der Aufwendungen, in Holoubek/Lang [Hrsg.]; ders., Kosten und Gebühren im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, ÖJZ 2013, 1049 f.).

Der Antrag auf Befreiung von der Eingabengebühr ist daher zurückzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im Hinblick auf Spruchpunkt A.I. ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil im Hinblick auf das Vorhandenseins von Rechtsschutz gegen Festnahmen gemäß § 40 BFA-VG auch vor Inkrafttreten des FRÄG 2015 eine klare Rechtslage vorliegt und die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (VwGH 19.05.2011, 2009/21/0214, 0224; 20.10.2011, 2009/21/0248; 16.05.2012, 2010/21/0304; 19.09.2012, 2012/01/0017; 25.10.2012, 2010/21/0047; 18.01.2017, Ra 2016/18/0335).

Dass § 35 VwGVG in Verfahren gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG anzuwenden ist, ist nach der Erlassung des § 22a Abs. 1a BFA-VG klar und wurde für die Zeit vor dessen Inkrafttreten durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes klargestellt (vgl. VwGH 19.05.2015, Ro 2015/21/0008).

Im Hinblick auf den Antrag auf Befreiung von der Eingabengebühr liegt eine klare Rechtslage vor, die keinen Raum für Zweifel oder Interpretationsfragen lässt (vgl. OGH 22.03.21992, 5 Ob 105/90).

Schlagworte

Anhaltung, Asylantragstellung, Befreiungsantrag, Eingabengebühr,
Einvernahme, Festnahme, gesetzlicher Vertreter, Kostenersatz,
Maßnahmenbeschwerde, Minderjährigkeit, Rechtsgrundlage,
Rechtsvertreter, Rechtswidrigkeit, Vollmacht, Zeitpunkt,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W112.2112726.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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