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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 2005 §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Rechtssache der Revision des O Y in B, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. April 2018, Zl. W192 2174169- 1/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 29. Jänner 2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 27. September 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 23. April 2018 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
4 Der Revisionswerber erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2018, E 2191/2018-6, abgelehnt hat. Mit Beschluss vom 13. Juni 2018 hat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zur Zulässigkeit der gegenständlichen außerordentlichen Revision bringt der Revisionswerber vor, dass es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle, ob und wie weit Ausbildungen in Lehrberufen bei Rückkehrentscheidungen zu berücksichtigen seien und dies in weiterer Folge zu einem Überwiegen der öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 EMRK bzw. § 9 BFA-VG zugunsten des Revisionswerbers führen würde.
9 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 26.6.2018, Ra 2018/20/0192, mwN). Das BVwG berücksichtigte in seiner Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG den Schulbesuch des Revisionswerbers sowie die seit Mitte März 2018 vorliegende "Beschäftigungsbewilligung für eine berufliche Tätigkeit (Lehre) als Gastronomiefachmann". Die Revision zeigt demnach nicht auf, dass die vom BVwG im vorliegenden Einzelfall vorgenommene Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leidet.
10 Soweit sich der Revisionswerber gegen die Berichte zur Situation in Afghanistan wendet, ist zu entgegnen, dass nach der hg. Rechtsprechung die Asylbehörden bei den Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen haben. Das gilt auch für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das BVwG hatte daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Es reicht nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2016/01/0012, mwN).
11 Diesen Anforderungen wird die Revision nicht gerecht, weil sie nicht aufzeigt, welcher für das Verfahrensergebnis relevante Sachverhalt sich aus der Heranziehung anderer Berichte zur Lage in Afghanistan ergeben hätte.
12 Bezüglich des vorgebrachten Verstoßes gegen die Verhandlungspflicht betreffend die Rückkehrentscheidung ist dem Revisionswerber zuzustimmen, dass der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt darauf hingewiesen hat, dass der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen insbesondere auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, mwN). Allerdings kann gemäß dem im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehenden § 21 Abs. 7 BFA-VG - trotz Vorliegens eines diesbezüglichen Antrages - (ausnahmsweise) von der Durchführung einer Verhandlung unter anderem dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (vgl. VwGH 10.8.2017, Ra 2016/20/0105 und 0106, mwN).
13 Das BVwG hat die hinreichenden Feststellungen des BFA zur Person des Revisionswerbers und der Lage in Afghanistan, denen der Revisionswerber in seiner Beschwerde nicht substantiiert entgegen getreten ist, bloß unwesentlich - im Hinblick auf seine vorgebrachte Ausbildungsmöglichkeit - ergänzt. Es ist daher nicht ersichtlich, dass im gegenständlichen Fall eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen wäre.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. August 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200386.L00Im RIS seit
20.09.2018Zuletzt aktualisiert am
28.09.2018