Entscheidungsdatum
18.07.2018Norm
AZG §7 Abs4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin
HR Mag. Parich-Gabler über die Beschwerde des A, vertreten durch die B Rechtsanwälte OG in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 01.08.2017, Zl. ***, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
1. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 231 Euro zu leisten.
3. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Zahlungshinweis:
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 1.501,50 Euro und ist gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen
einzuzahlen.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 01.08.2017, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführer zu den spruchgenannten Zeiten als verantwortlicher Beauftragter der Firma C AG mit Sitz in ***, ***, ***, zu Spruchpunkt 1. bis 5. der Übertretungen des § 9 Abs. 1 AZG für schuldig erkannt und über ihn gemäß § 28 Abs. 2 Z. 1 AZG zu Spruchpunkt 1. eine Geldstrafe in der Höhe von 215 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 21 Stunden), zu Spruchpunkt 2. und 5. eine Geldstrafe in der Höhe von jeweils 145 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe je 14 Stunden), zu Spruchpunkt 3. eine Geldstrafe in der Höhe von 290 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 29 Stunden) und zu Spruchpunkt 4. eine Geldstrafe in der Höhe von 360 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt. Es wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer angelastet, dafür verantwortlich zu sein, dass in der C Filiale in ***, ***, Top ***, die spruchgenannten ArbeiternehmerInnen mehr als 10 Stunden täglich gearbeitet hätten.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte durch seine ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und darin im Wesentlichen die Begehung der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen bestritten. Behauptet wurden die mangelnde Tatbildverwirklichung sowie Konkretisierungsmängel im Sinn des
§ 44a VStG sowie die Verletzung des Parteiengehörs. Im Hinblick auf das Verschulden wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer habe die Anweisung erteilt, die Bestimmungen des AZG einzuhalten, die Mitarbeiter regelmäßig kontrolliert und Sanktionen bei Nichteinhaltung angedroht, womit ein ausreichendes Kontrollsystem installiert worden sei. Der Beschwerde wurde die Betriebsvereinbarung vom 10.11.1998 betreffend Arbeitszeiten bei vorübergehend auftretenden besonderen Arbeitsbedarf gemäß § 7 Abs. 4 AZG beigelegt, wonach die Verlängerung der täglichen bzw. wöchentlichen Arbeitszeit bei vorübergehend auftretendem erhöhten Arbeitsbedarf im Unternehmen vereinbart worden sei.
Diese Betriebsvereinbarung lautet wie folgt:
„Betriebsvereinbarung
Betreffend Arbeitszeiten bei vorübergehend auftretendem besonderen Arbeitsbedarf Gem. § 7 Abs 4 AZG
1. Geltungsbereich
(1)
Die gegenständliche Vereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer in den Verkaufsstellen der Firma C AG im gesamten Bundesgebiet.
(2)
Ausgenommen von dieser Vereinbarung sind jugendliche Arbeitnehmer und schwangere Arbeitsnehmerinnen.
2. Geltungsbeginn und Geltungsdauer
Die Betriebsvereinbarung tritt mit 01.12.1998 in Kraft und wird zwischen den Vertragspartnern unbefristet vereinbart. Die Betriebsvereinbarung kann unter Einhaltung einer 1-monatigen Kündigungsfrist mittels eingeschriebenem Brief gekündigt werden. Für den Fall einer Kündigung gilt diese Vereinbarung bis zum Abschluß einer neuen Regelung weiter.
3. Regelungsinhalt
Gegenstand der Vereinbarung ist die Verlängerung der täglichen bzw. wöchentlichen Arbeitszeit, bei vorübergehend auftretendem erhöhten Arbeitsbedarfs im Sinne des
§ 7 Abs 4 AZG. Die Vereinbarung dient zur Verhinderung eines wirtschaftlichen Nachteils während der unter Punkt 4. festgelegten Zeiträume durch Erhöhung der höchstzulässigen Arbeitszeiten im Rahmen der gesetzlichen Bestimmung.
4. Arbeitszeit
Bei Auftreten eines erhöhten Arbeitsbedarf in den Verkaufsstellen während der zwei den Weihnachtsfeiertagen vorangehenden Kalenderwochen, der den Weihnachtsfeiertagen folgenden Kalenderwoche, sowie der den Osterfeiertagen vorangehenden Kalenderwoche kann zur Verhinderung eines wirtschaftlichen Nachteiles die Arbeitszeit wie folgt ausgedehnt werden:
Die Tagesarbeitszeit darf in den genannten Zeiträumen maximal 12 Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit maximal 60 Stunden betragen.“
Es wurde beantragt nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung das Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen, in eventu eine Ermahnung auszusprechen, bzw. die Mindeststrafe zu verhängen.
3. Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat in Entsprechung des Parteienantrages eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers auf die Betriebsvereinbarung verwies, der Vertreter des Arbeitsinspektorates *** auf die Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen vom 01.09.2017, insbesondere auf die Ausführungen betreffend die Betriebsvereinbarung hinwies.
Verlesen wurde in der Verhandlung der Verwaltungsstrafakt der Behörde. Seitens des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers wurde nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer zur Tatzeit als verantwortlicher Beauftragter der C AG zur Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen in der gegenständlichen Filiale verantwortlich war, wurde auch nicht behauptet, dass die gegenständliche Betriebsvereinbarung den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bzw. dem zuständigen Arbeitsinspektorat übermittelt wurde. Weiters wurde das seitens des Arbeitsinspektorates festgestellte Ausmaß betreffend die Tagesarbeitszeit, die wöchentliche Arbeitszeit und das Ausmaß der Ruhezeiten nicht bestritten.
Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens stellt das erkennende Gericht folgenden Sachverhalt als erwiesen fest:
Der Beschwerdeführer war zu den Tatzeitpunkten verantwortlicher Beauftragter der C AG, FN ***, ***, ***, ***, ***, und für die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften in der C Filiale in ***, ***, ***, hinsichtlich aller Mitarbeiter verantwortlich.
Die tägliche Arbeitszeit am 23.12.2016 betrug bei D dreizehn Stunden und fünfzig Minuten, bei E und F dreizehn Stunden, bei G vierzehn Stunden und fünfzig Minuten und bei H sechzehn Stunden.
Die Betriebsvereinbarung vom 10.11.1998 wurde den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie dem zuständigen Arbeitsinspektorat nicht übermittelt.
4. Beweiswürdigung:
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer zur Tatzeit verantwortlicher Beauftragter der C AG und zur Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen in der gegenständlichen Filiale verantwortlich war.
Weiters ist unbestritten, dass die gegenständliche Betriebsvereinbarung den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie dem zuständigen Arbeitsinspektorat nicht übermittelt wurde.
Dass die genannten Personen zur Tatzeit in der gegenständlichen Filiale beschäftigt waren und die Tagesarbeitszeit das festgestellte Ausmaß betragen hat ergibt sich eindeutig aus den von der Dienstgeberin selbst dem Arbeitsinspektorat übermittelten Arbeitszeitaufzeichnungen.
5. Rechtlich folgt dazu:
§ 9 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (AZG) bestimmt:
„(1) Die Tagesarbeitszeit darf zehn Stunden und die Wochenarbeitszeit 50 Stunden nicht überschreiten, sofern die Abs. 2 bis 4 nicht anderes bestimmen. Diese Höchstgrenzen der Arbeitszeit dürfen auch beim Zusammentreffen einer anderen Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit mit Arbeitszeitverlängerungen nicht überschritten werden.“
§ 7 Abs. 4 AZG lautet:
„(4) Bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf können zur Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils durch Betriebsvereinbarung, die den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie dem zuständigen Arbeitsinspektorat zu übermitteln ist, in höchstens 24 Wochen des Kalenderjahres Überstunden bis zu einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden zugelassen werden, wenn andere Maßnahmen nicht zumutbar sind. Wurde die Arbeitszeit in acht aufeinander folgenden Wochen nach dieser Bestimmung verlängert, sind solche Überstunden in den beiden folgenden Wochen unzulässig. Die Tagesarbeitszeit darf zwölf Stunden nicht überschreiten.“
Gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 und Z 3 lit. a sind Arbeitgeber, die Arbeitnehmer über die Höchstgrenzen der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 2, § 7,
§ 8 Abs. 1, 2 oder 4, § 9, § 12a Abs. 5, § 18 Abs. 2 oder 3, § 18b Abs. 5 oder 6,
§ 19a Abs. 2 oder 6, § 20a Abs. 2 Z 1 oder § 20b Abs. 6 hinaus einsetzen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die tägliche Ruhezeit, den Ausgleich für Ruhezeitverkürzungen sowie sonstige vorgeschriebene Ausgleichsmaßnahmen gemäß § 12 Abs. 1 bis 2d, § 18a, § 18b Abs. 1 und 3, § 18c Abs. 1, § 18d, § 18g,
§ 19a Abs. 8, § 20a Abs. 2 Z 2 oder § 20b Abs. 4 nicht gewähren, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 1.815 Euro, im Wiederholungsfall von 145 Euro bis 1.815 Euro zu bestrafen.
§ 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) bestimmt:
„(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.“
Wie oben festgestellt, wurden der im angefochtenen Straferkenntnis in den Spruchpunkten 1. – 5. genannter ArbeitnehmerInnen zu Arbeiten in einem, die tägliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden überschreitenden Ausmaß herangezogen.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, auf Grund der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Betriebsvereinbarung gemäß § 7 Abs. 4 AZG, datierend vom 10.11.1998, rechtmäßig gehandelt zu haben, ist dem zunächst entgegenzuhalten, dass – unter der Annahme der Rechtswirksamkeit dieser Vereinbarung – die dann gültige tägliche Höchstarbeitszeit von 12 Stunden jeweils und zum Teil auch beträchtlich überschritten wurde.
Entgegen der Rechtsansicht des Beschwerdeführers bzw. seiner Rechtsvertretung kommt dieser angezogenen Betriebsvereinbarung keinerlei rechtliche Wirksamkeit zu.
Gegenständliche Betriebsvereinbarung stützt sich auf die Bestimmung des § 7
Abs. 4 AZG.
§ 7 Abs. 4 leg. cit. normiert die Zulässigkeit der Verlängerung der Arbeitszeit bei Vorliegen eines höheren Arbeitsbedarfes.
Bei vorübergehend auftretendem, besonderen Arbeitsbedarf, können zur Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils durch Betriebsvereinbarung, die den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie dem zuständigen Arbeitsinspektorat zu übermitteln ist, in höchstens 24 Wochen des Kalenderjahre Überstunden bis zu einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden zugelassen werden, wenn andere Maßnahmen nicht zumutbar sind.
Wurde die Arbeitszeit an 8 aufeinanderfolgenden Wochen nach dieser Bestimmung verlängert, sind solche Überstunden in den beiden folgenden Wochen unzulässig.
Die Tagesarbeitszeit darf 12 Stunden nicht überschreiten.
Dieser Bestimmung zu Grunde zu legen ist der Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag namentlich genannter Abgeordneter betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden (408/A) sollte. (622 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP)
Diesem Initiativantrag liegt die Überlegung zugrunde, dass die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Gestaltungsmöglichkeiten betreffend Erbringung der Arbeitszeit als zu gering angesehen wurden, wobei jedoch die vorgeschlagenen Gestaltungsmöglichkeiten nicht dazu führen dürften, dass sich die betriebliche Arbeitszeit in der Praxis ausschließlich an betrieblichen Bedürfnissen – bspw. Arbeitsanfall – orientiere und die Arbeitnehmer keine Möglichkeit der Mitgestaltung hätten.
Abs. 4 des § 7 AZG berücksichtigt arbeitsintensive Aufträge, deren verspätete Erfüllung einen großen wirtschaftlichen Nachteil zur Folge hätte (z.B. Pönale, Entgang von Folgeaufträgen).
Andere Maßnahmen sind zum Beispiel zumutbar, wenn zusätzliche Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt vorhanden und längere Einschulungen nicht erforderlich sind.
Bei Zulassung durch Betriebsvereinbarung ist davon auszugehen, dass der Betriebsrat einer Arbeitszeitverlängerung gemäß Abs. 3 leg. cit nur dann zustimmt, wenn tatsächlich entsprechende Gründe vorliegen. Um eine Kontrolle zu ermöglichen, ist die Übermittlung dieser Betriebsvereinbarung an die zuständigen Kollektivvertragspartner und das Arbeitsinspektorat vorgesehen.
Grundsätzlich sind solche Arbeitszeitverlängerungen nur vorübergehend zulässig, zum Beispiel für die Dauer der Bearbeitung eines dringenden Auftrages, keinesfalls darf dies eine Dauerlösung darstellen.
Gerade letztgenannter zu vermeidender Regelungszweck dieser Betriebsvereinbarung soll ganz offensichtlich gegenständlich durch die aus November 1998 datierende Betriebsvereinbarung pro futuro erreicht werden.
Diese Betriebsvereinbarung ist nicht den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie dem zuständigen Arbeitsinspektorat übermittelt worden, ist jedoch im Sinne einer authentischen und auch grammatikalischen Interpretation der Bestimmung des § 7 Abs. 4 AZG die Übermittlung an die Kollektivvertragspartner Gültigkeitserfordernis der vorliegenden Betriebsvereinbarung.
Regelungszweck dieser Bestimmung ist es, den jeweiligen Kollektivvertragspartnern und dem Arbeitsinspektorat die höchstpersönlichen Arbeitnehmerschutzrechte nicht nur zur Kenntnis zu bringen, sondern die Einhaltung der erweiternden Gestaltungsmöglichkeiten in arbeitszeitrechtlicher Hinsicht durch abgeschlossene Betriebsvereinbarungen überwachen zu lassen.
Durch die Nichtübermittlung der Betriebsvereinbarung ist sohin dieses Unterlassen mit einer rechtlichen Nichtigkeit und einer damit verbundenen Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung verbunden (dazu Pfeil in ZellKomm 2, §§ 6 bis 8 AZG, Rz 24; Klein-Heilegger-Schwarz in AZG, Gesetz und Kommentar, ÖGB-Verlag, Erl. 5 zu §§ 6 bis 8).
Gegenständliche Betriebsvereinbarung stellt ganz offensichtlich nicht auf eine vom Gesetz geforderte vorübergehende Sondersituation bei Vorliegen eines höheren Arbeitsbedarfes ab, zu deren Bereinigung der Gesetzgeber eben die Möglichkeit des Abschlusses von Betriebsvereinbarungen ermöglicht, sondern auf die Abdeckung von Dauerbedarf, der durch Einstellungen, temporäre Aufnahme von Aushilfskräften, Leiharbeit und dergleichen problemlos abzudecken wäre, da jährlich wiederkehrende Feiertage vorherseh- und planbar sind.
Wenn die Rechtsvertretung unter anderem in ihrer Stellungnahme ausführt, dass es sich bei den in Rede stehenden Tätigkeiten um solche durch speziell ausgebildete Arbeitskräfte durchzuführende handelt, sohin die Aufnahme zusätzlichen Personals für diesen Zeitraum nicht zumutbar sei, so ist dem zu entgegnen, dass gerade zu den Feiertagen mit erhöhter Kundenfrequenz und vermehrter Einkaufstätigkeit zu rechnen ist, die beispielshaft genannte Vorbereitung von Feinkostwaren/Feinkostangeboten (wie z.B. Wurst- und Käseplatten) nicht nur durch speziell ausgebildete Arbeitnehmer bewerkstelligt werden kann und es dazu keiner langen zeitintensiven Einschulung bedarf.
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmung des
§ 7 Abs. 4 AZG ist sohin ausschließlich ein vorübergehend auftretender besonderer Arbeitsbedarf zur Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils, dem eben durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung entgegengewirkt werden soll.
Ein wirtschaftlicher Nachteil in unverhältnismäßig großem Ausmaß konnte vom Beschwerdeführer auch nicht dargestellt werden.
Bei jährlich wiederkehrenden Feiertagen ist mit Sicherheit nicht von einem vorübergehend auftretenden besonderem Arbeitsbedarf im Sinne „einmaliger“ und „unvorhersehbarer“ auftretender Umstände und Ereignisse zu sprechen.
Es ist einem Unternehmen zumutbar, bei dem jährlich zu erwartenden erhöhten Arbeitsaufwand, insbesondere zur Weihnachts- oder Osterzeit, durch eine im Vorhinein planbare Personalreserve vorzusorgen, um die zu erwartenden, umsatzstärksten und jährlich wiederkehrenden Arbeitswochen, allenfalls auch durch Personalumschichtungen, ohne unzulässige Überschreitungen der einschlägigen Arbeitszeit- und Arbeitsruhebestimmungen, bewältigen zu können.
Aus obigen Ausführungen folgt, dass nach dem Arbeitszeitgesetz nur bei vorübergehend auftretendem besonderen Arbeitsbedarf zur Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils durch Betriebsvereinbarung unter anderem die Tagesarbeitszeit bis zum höchstzulässigen Ausmaß von 12 Stunden ausgedehnt werden darf, und die zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung zu verhandelnde und rechtswirksam abgeschlossene Betriebsvereinbarung nur unter der Voraussetzung Rechtsgültigkeit erlangt, wenn der Arbeitsbedarf unvorhersehbar ist.
Es muss sich dem zur Folge um eine besondere und unvorhersehbare Sondersituation handeln, zu deren Bereinigung der Gesetzgeber Arbeitgeber und Belegschaftsvertretung ermächtigt hat.
Darunter können somit keinesfalls der erhöhte Arbeitsbedarf im Zusammenhang mit Arbeiten, wie zum Beispiel der Erstellung des Jahresabschlusses, der Bilanz oder die jährlich wiederkehrenden arbeitsintensiven Weihnachts- und Osterfeiertage subsumiert werden.
Aus obigen rechtlichen Erwägungen war daher entgegen der Rechtsansicht des Beschwerdeführers vorgelegter, aus dem Jahr 1998 datierender, den Kollektivvertragspartnern und dem zuständigen Arbeitsinspektorat nicht übermittelter Betriebsvereinbarung jegliche Rechtswirksamkeit zu versagen, die zwingende Voraussetzung der „Unvorhersehbarkeit“ zu verneinen und darauf hinzuweisen, dass gegenständliche rechtliche Argumentation auf Basis dieser Betriebsvereinbarung lediglich dazu dienen soll, die grundsätzlich geltenden höchstzulässigen Arbeitszeitgrenzen des Arbeitszeitgesetzes auszuhöhlen, welche Intention weder im Sinne des Gesetzgebers, der Kollektivvertragspartner, noch der betroffenen Arbeitnehmer, auch nicht im Sinne der Judikatur, sein kann.
Die Nichteinhaltung der Ruhezeiten ist von der vorgelegten Betriebsvereinbarung gar nicht berührt.
Da der Beschwerdeführer zur Tatzeit als verantwortlicher Beauftragter zur Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen in der gegenständlichen Filiale zuständig war, hat dieser den objektiven Tatbestand des § 9 Abs. 1 AZG verwirklicht.
Wenn in vorliegender Beschwerde die mangelnde Konkretisierung der Spruchpunkte gemäß § 44a VStG gerügt wird, ist dem entgegenzuhalten, dass nach der gesetzlichen Bestimmung des § 44a VStG auch unter Beachtung der jahrzehntelangen, einhelligen VwGH-Rechtsprechung und der darauf basierenden Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich der jeweiligen Vorschrift des § 44a Z 1 VStG deshalb ausreichend entsprochen wurde, da im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die jeweilige Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den nunmehrigen Rechtsmittelwerber rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.
Die punktuell ausreichende Identifizierung der jeweiligen Tat nach Ort und Zeit entspricht der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG, unter Bedachtnahme auf die nach den jeweils gegebenen Begleitumständen angezeigten Delikte (vgl. bspw. VwGH vom 10.12.2001, 2000/10/0024 u.v.a.).
Die Behörde hat entsprechend dem grundlegenden Erkenntnis des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.06.1984, Slg. 11466A, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände ausreichend genau umschrieben, sodass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. auch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs, verstärkter Senat vom 03.10.1985, Slg. 11894/A, und darauf fußender, ständiger, höchstgerichtlicher Judikatur).
Zum Verschulden ist auszuführen wie folgt:
Bei den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen handelt es sich um Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG. Dieser bestimmt:
„Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.“
Bei Ungehorsamsdelikten verlangt die in § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG verankerte widerlegliche Schuldvermutung zu Lasten des Täters, dass dieser von sich aus sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen hat (Hinweis E vom 10. Dezember 1997, Zl. 97/03/0215). Dazu hätte es der Darlegung bedurft, dass er im Betrieb ein wirksames Kontrollsystem eingerichtet hat, sodass er unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten konnte (Hinweis E vom 23. November 2009, Zl. 2008/03/0176).
Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, mehrmals Anweisungen erteilt und die Anweisungen regelmäßig kontrolliert und Sanktionen angedroht zu haben, konnte der Beschwerdeführer die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems, wonach er unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten konnte, nicht nachweisen.
Insbesondere wurde im Lichte der zitierten Judikatur keine Maßnahmen dargelegt, die die Einhaltung der erteilten Anordnungen betreffend die Beachtung der Rechtsvorschriften über die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen gewährleisten, insbesondere, welche Kontrollen er eingerichtet hat und wie er
sich vom Funktionieren des Kontrollsystems informiert hat.
Das entsprechende Kontrollsystem hat auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften, darunter auch zweifellos die Einhaltung einschlägiger arbeitszeitrechtlicher Bestimmungen zu subsumieren ist, Platz zu greifen.
Es kann daher kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, auch laufend geschulten und unterwiesenen Arbeitnehmer, die einschlägigen Arbeitszeitvorschriften einhalten (vgl. VwGH vom 24.05.2013, Zl. 2012/02/0072 m.w.N.).
Darüber hinaus reichen lediglich behauptete, durch Nichts konkretisierte und glaubhaft gemachte, Überprüfungen und die Erteilung von Weisungen für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus (vgl. VwGH vom 27.01.2012, Zl. 2010/02/0242 u.a.).
Genauso wenig reicht auch die alleinige Androhung von Konsequenzen – Abmahnungen – für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems nicht aus (vgl. VwGH vom 19.10.2001, Zl. 2000/02/0228).
Das Verschulden des Beschwerdeführers ist als besonders gravierend anzusehen. Der spruchgenannte Arbeitnehmer wurde weit über das gesetzliche Maß hinaus, aus ökonomischen Zweckmäßigkeitserwägungen, beschäftigt, was durch den Verweis auf die gegenständliche Betriebsvereinbarung und die Ausführungen dazu nicht einmal bestritten wird, wobei selbst unter der Annahme der Rechtswirksamkeit der Betriebsvereinbarung eine massive Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit und Unterschreitung der täglichen Ruhezeit vorliegt, weshalb der Beschwerdeführer diese Über- bzw. Unterschreitungen ganz offensichtlich aus wirtschaftlichen Gründen billigend in Kauf genommen hat.
Der Beschwerdeführer hat daher auch den subjektiven Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung verwirklicht.
6. Zur Strafbemessung:
§ 19 VStG bestimmt:
„(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.“
Gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 und Z 3 lit. a sind Arbeitgeber, die Arbeitnehmer über die Höchstgrenzen der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 2, § 7,
§ 8 Abs. 1, 2 oder 4, § 9, § 12a Abs. 5, § 18 Abs. 2 oder 3, § 18b Abs. 5 oder 6,
§ 19a Abs. 2 oder 6, § 20a Abs. 2 Z 1 oder § 20b Abs. 6 hinaus einsetzen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die tägliche Ruhezeit, den Ausgleich für Ruhezeitverkürzungen sowie sonstige vorgeschriebene Ausgleichsmaßnahmen gemäß § 12 Abs. 1 bis 2d, § 18a, § 18b Abs. 1 und 3, § 18c Abs. 1, § 18d, § 18g,
§ 19a Abs. 8, § 20a Abs. 2 Z 2 oder § 20b Abs. 4 nicht gewähren, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 1.815 Euro, im Wiederholungsfall von 145 Euro bis 1.815 Euro zu bestrafen.
Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes ist als erheblich einzustufen, da der Schutzzweck der übertretenen Normen in der Gewährleistung der Gesundheit der Arbeitnehmer liegt.
Das Verschulden ist aus oben genannten Gründen und deshalb nicht als geringfügig anzusehen, da die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems nicht glaubhaft gemacht wurde.
§ 45 Abs. 1 Z 4 VStG bestimmt:
„Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind.“
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum damals in Geltung stehenden § 21 VStG, welcher inhaltlich nunmehr § 45 Abs. 1 Z 4 VStG entspricht, kann von einem geringfügigen Verschulden nicht gesprochen werden, wenn es dem Beschuldigten nicht gelungen ist, ein funktionierendes Kontrollsystem, durch welches die Einhaltung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften jederzeit sichergestellt werden kann, glaubhaft zu machen (VwGH 22.06.2011, 2009/04/0152.)
Schon aus diesem Grund ist die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG nicht in Betracht gekommen.
Eine Verwaltungsvorstrafenabfrage der Behörde hat ergeben, dass der Beschuldigte im Tatzeitpunkt keine Verwaltungsvorstrafen aufweist.
Als strafmildernd ist die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zu werten, als erschwerend ist das beträchtliche Ausmaß der Überschreitungen der täglichen Arbeitszeit zu werten.
Zu seinen persönlichen Verhältnissen hat der Beschwerdeführer keine Angaben gemacht, weshalb von durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und keinen Sorgepflichten ausgegangen wird.
In Anbetracht der erheblichen Intensität der Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter sieht das erkennende Gericht die jeweils verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen jedenfalls als tat-, täter- und schuldangemessen an, und zwar auch unter Berücksichtigung tristester wirtschaftlicher Verhältnisse.
7. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der Frage der inhaltlichen Rechtswirksamkeit der gegenständlichen Betriebsvereinbarung handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die nach dem unzweifelhaften und eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und der Materialen des Gesetzgebers entschieden wurde.
Schlagworte
Arbeitsrecht; Arbeitnehmerschutz; Verwaltungsstrafe; Arbeitszeit; Betriebsvereinbarung;Anmerkung
VwGH 10.10.2018, Ra 2018/11/0183-3, Ra 2018/11/0186-3, ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.2142.001.2017Zuletzt aktualisiert am
23.10.2018