TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/12 G309 2171026-1

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Veröffentlicht am 12.04.2018
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Entscheidungsdatum

12.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G309 2171026-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den am 07.06.2017 durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 (sechzig) v.H. (von Hundert) ausgefolgten Behindertenpass, XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Es wird festgestellt, dass der Grad der Behinderung weiterhin 70 (siebzig) v. H. (von Hundert) beträgt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 31.01.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung in seinem mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. am 20.08.2012 ausgestellten Behindertenpass. Dem Antrag war eine Reihe medizinischer Beweismittel (Befunde udgl.) angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 29.05.2017, wird nach persönlicher Untersuchung des BF im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Innenohrschwerhörigkeit beidseits Mittlerer Rahmensatzwert entsprechend einer höhergradigen Schwerhörigkeit beidseits mit Hörgerätversorgung

12.02.01

50

2

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen Unterer Rahmensatzwert entsprechend den radiologischen und morphologischen Veränderungen mit mäßiggradiger Funktionsminderung samt intermittierender Nervenwurzelreizzustände ohne neurologische Ausfallssymptomatik

02.01.02

30

Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.

Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde festgehalten, dass die Position 1 durch wechselseitige negative Beeinflussung durch die Position 2 um eine Stufe angehoben werde.

Das diagnostizierte Krankheitsbild des Grünen Stars würde aufgrund guter Behandlung und ausreichender Sehleistung keinen Grad der Behinderung erreichen.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 07.06.2017 wurde dem BF mitgeteilt, dass laut dem Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 60 % festgestellt worden sei und die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist schwer hörbehindert" vorliegen würden. Mit einem weiteren Schreiben der belangten Behörde vom selben Tag wurde dem BF der beantragte Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 60 v.H. übermittelt.

4. Mit Schreiben vom 21.06.2017 (Datum: Eingangsstempel) erhob der BF innerhalb offener Frist Beschwerde gegen den festgestellten Grad der Behinderung. Darin führte der BF im Wesentlichen aus, er sei mit dem Ergebnis des Beweisverfahrens nicht einverstanden. Er habe im Jahr 2012 einen Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. erhalten. Das Gehör habe sich verschlechtert, da er seit dem Jahr 1996 bereits das dritte Hörgerät trage. Außerdem leide er im Bereich der Lendenwirbelsäule auch beim Gehen an Schmerzen und habe seit Jahren ein Magenleiden.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde einlangend mit 20.09.2017 vorgelegt.

6. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt.

Im eingeholten Gutachten vom 29.11.2017 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF, zusammengefasst folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Höreinschränkung höheren Ausmaßes mit Hörgerätversorgung links und Cochlea-lmplantat rechts bei stattgehabter Stapedektomie 1983 und 1995 Entsprechend der Funktionsminderung bei höhergradiger Schwerhörigkeit beidseits mit Hörgerätversorgung links und Cochlea-Implantat rechts.

12.02.01

70

2

Abnützung der Wirbelsäule mit Schwerpunkt Hals- und Lendenwirbelsäule ohne neuromotorische Ausfallserscheinungen. Unterer Rahmensatzwert entsprechend den Funktionseinschränkungen und den nachgewiesenen radiologischen und morphologischen Veränderungen ohne neuromotorische Ausfallssymptomatik.

02.01.02

30

Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.

Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, führend sei die Position 1. Die Position 2 würde diese nicht weiter steigern, da keine wechselseitige negative Leidensbeeinflussung gegeben sei und die orthopädische Funktionsminderung die Sinnesfunktionsminderung nicht beeinflusse.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen würden keinen Grad der Behinderung erreichen:

Chronische Magenbeschwerden (medikamentös kompensiert)

Stattgehabter Leberriss (operativ saniert)

Glaukom (operativ saniert, ohne relevante Funktionseinschränkung)

Im Hinblick auf das von der belangten Behörde eingeholte Vorgutachten wurde folgendes festgehalten:

"Dem Vorgutachter war It. Gutachten offenbar das Vorgutachten, in welchem bereits die Hörfunktionsminderung von 70 % eingeschätzt war, nicht bekannt. Da keine Besserung eingetreten ist und weiterhin Hilfsmittel nötig sind, Cochlea-Implantat und Hörgerät ist eine deutliche Minderung der Hörfähigkeit gegeben, welche eine Erhöhung der Richtsatzposition mit sich bringen sollten.

Die Wirbelsäulenproblematik unverändert zum Vorgutachten [...].. Die weiteren oben angeführten Leiden nicht wirklich relevant funktionsmindernd. Vorgutachten wird ein mittlerer Rahmensatzwert bei höhergradiger Hörminderung beidseits angenommen was in sich ein Wiederspruch ist, daher ist ein höherer Rahmensatzwert anzuwenden."

7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 15.12.2017 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Es langte keine Stellungnahmen ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland und ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Der BF leidet an einer Höreinschränkung höheren Ausmaßes mit Hörgerätversorgung links und Cochlea-Implantat rechts und unter einer Abnützung der Wirbelsäule mit Schwerpunkt an der Hals- und Lendenwirbelsäule ohne neuromotorische Ausfallssymptomatik.

Der Grad der Behinderung beträgt mit Antragstellung 70 (siebzig) v. H. (von Hundert).

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellungen hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister und den im Akt einliegenden Dokumentkopien.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 29.11.2017, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Soweit das im gegenständlichen Ermittlungsverfahren eingeholte Gutachten vom von der belangten Behörde eingeholten Vorgutachten abweicht, ist dies auf die von XXXX nachvollziehbar um zwei Stufen höher eingeschätzte Position 1 zurückzuführen, die sich auf die vom Sachverständigen eingeschätzte deutliche Minderung der Hörfähigkeit gründet.

Es konnte ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 (siebzig) v. H. (von Hundert) zum Zeitpunkt der Antragstellung objektiviert werden.

Der Inhalt des medizinischen Sachverständigengutachtens wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt und von diesen unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen. Das Sachverständigengutachten wird der Entscheidung des erkennenden Gerichts daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetzes) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993). Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragt haben.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 BBG Abs. 1 sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist,

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen,

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten,

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, angehören.

§ 35 Einkommensteuergesetz 1988 (Bundesgesetz über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen - EStG 1988) regelt, dass die Höhe des Freibetrages sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) bestimmt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Die für die Ausstellung einer solchen zuständigen Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3 BBG), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967. Nach § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Fallgegenständlich ergibt sich daraus folgendes:

Beim BF konnten eine Höreinschränkung höheren Ausmaßes mit Hörgerätversorgung links und Cochlea-Implantat rechts sowie die Abnützung der Wirbelsäule mit Schwerpunkt an der Hals- und Lendenwirbelsäule ohne neuromotorische Ausfallserscheinungen festgestellt werden.

Da ein Grad der Behinderung von weiterhin 70 (siebzig) von Hundert festgestellt wurde, war spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2171026.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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