Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/19/1558Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerden des am 1. Jänner 1970 geborenen DD in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 24. Juli 1997, 1.)
Zl. 119.260/7-III/11/97, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, und 2.) Zl. 119.260/6-III/11/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung, jeweils in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 10. Dezember 1996 einen am 3. Dezember 1996 beim Magistrat der Stadt Wien eingebrachten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 ab. Dieser Bescheid wurde nach Ausweis der Verwaltungsakten durch Hinterlegung zugestellt (die Abholfrist begann nach den Angaben auf dem Rückschein am 18. Dezember 1996).
Mit am 9. Jänner 1997 zur Post gegebenen Schriftsatz stellte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter beim Landeshauptmann von Wien einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob unter einem Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Dezember 1996. Den Wiedereinsetzungsantrag begründete der Beschwerdeführer damit, dass ihm der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Dezember 1996 zugestellt worden sei. Er habe das gegenständliche Schriftstück am 20. Dezember 1996 bei der Post behoben und unverzüglich davon eine Kopie, mit der Bitte eine Berufung zu erheben, an seinen nunmehrigen Rechtsvertreter weitergesandt. Er habe diesbezüglich noch Anfang Dezember bei seinem Rechtsvertreter vorgesprochen und ihm mitgeteilt, dass er einen Visumsantrag abgegeben habe; dieser habe ihn ausdrücklich angewiesen, im Falle eines negativen Bescheides diesen an ihn "postalisch zu übermitteln, sodass er eine Berufung einbringen kann". Da das Sekretariat des Rechtsvertreters in der Zeit vom 20. Dezember 1996 bis zum 7. Jänner 1997 unbesetzt gewesen sei, habe er diesen auch nicht telefonisch erreichen können, wohingegen der Rechtsvertreter auch während des Weihnachtsurlaubes in seiner Kanzlei regelmäßig die Post in Empfang genommen und bearbeitet habe. Der Beschwerdeführer habe sohin alles getan, was ihm zumutbar gewesen sei, um für die rechtzeitige Einbringung eines Rechtsmittels zu sorgen. Der von ihm noch am 20. Dezember 1996 "zur Post gegebene Auftragsbrief" an seinen Rechtsvertreter sei bei diesem nicht eingelangt, sondern verloren gegangen. Am 8. Jänner 1997 habe er seinen Rechtsvertreter angerufen und gefragt, ob dieser Berufung erhoben habe, was dieser jedoch verneint habe, weil er eben den Brief nicht bekommen habe.
Mit Bescheid vom 16. Juni 1997 wies der Landeshauptmann von Wien den Wiedereinsetzungsantrag "bezüglich der Versäumung der Berufungsfrist" gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, der Wiedereinsetzungsgrund liege nicht darin, dass sein ausgewiesener Vertreter untätig gewesen wäre, sondern dass das diesem vom Beschwerdeführer übersandte Schreiben auf dem Postweg verloren gegangen sei und das Verlorengehen des Schreibens für den Beschwerdeführer ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis dargestellt habe. Da er nämlich gewusst habe, dass sein Rechtsvertreter über die Weihnachtsfeiern arbeite und lediglich das Sekretariat unbesetzt sei, habe er ihm geschrieben, er möge eine Berufung einbringen, weil er ihn telefonisch "nicht erreichen konnte". Es habe insofern auch keine Veranlassung seinerseits bestanden, einen anderen Anwalt zu konsultieren, da sein Rechtsvertreter ihn bereits in mehreren Verfahren vertreten habe und auf schriftliche Aufforderung immer zuverlässig reagiert habe.
Mit Bescheid vom 24. Juli 1997 wies der Bundesminister für Inneres die gegen die Abweisung seines Wiedereinsetzungsantrages erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab. Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, es stehe fest, dass sich auch ein Fremder, bei dem ein ihm bekanntes Verfahren in Gange sei, über welches bescheidmäßig - in Form eines amtlichen Schriftstückes - abgesprochen werde, über dessen Wichtigkeit bewusst sein müsse, es liege sohin in seinem eigenen Verschulden, wenn er es unterlasse, sich zeitgerecht über den Inhalt des Schriftstückes in Kenntnis zu setzen bzw. sich nicht mit gebotener Sorgfaltspflicht über die tatsächliche Rechtsmitteleinbringung informiert bzw. absichere, dies auch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Im speziellen Fall des Beschwerdeführers könne daher weder von einem unvorhergesehenen noch unabwendbaren Ereignis gesprochen werden, weil er den Bescheid persönlich bereits am 20. Dezember 1996 nach eigenen Angaben übernommen habe und es in seinem eigenen Verschulden liege, wenn er nicht die Rechtsmittelbelehrung befolge bzw. sich auf seinen Rechtsvertreter verlasse, "ohne diesbezüglich mit Nachdruck zu agieren". Abschließend werde bemerkt, dass der Beschwerdeführer selbst bezüglich der ordnungsgemäßen Zustellung seines Auftragsbriefes an seinen Rechtsvertreter hätte Sorge tragen müssen und dies auch durch die erkennende Behörde nicht als unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis qualifiziert werden könne.
Mit Bescheid vom selben Tag wies der Bundesminister für Inneres die zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers zurück. Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, da die Zustellung rechtswirksam am 18. Dezember 1996 erfolgt und die Berufung erst am 9. Jänner 1997 und daher verspätet eingebracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung auf Grund ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges - in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Bei den angefochtenen Bescheiden handelt es sich nicht um rechtskräftige Bescheide, mit denen die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung versagt oder der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung nach § 8 des Aufenthaltsgesetzes verfügt wurde. Die angefochtenen Bescheide sind demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 bzw. Abs. 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
Die §§ 63 Abs. 5, 66 Abs. 4 und 71 Abs. 1 Z. 1 VwGG lauteten in der für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung (auszugsweise):
"§ 63.
...
(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. ...
...
§ 66.
...
(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. ...
...
§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist ... ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, ... und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, ..."
1.) Zur Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid:
Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Wiedereinsetzungsantrag war er im verwaltungsbehördlichen Verfahren, das zur Erlassung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Dezember 1996 führte, nicht vertreten. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hatte daher vom Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Dezember 1996 keine Kenntnis. Unter diesen Umständen erscheint es über den Grad des bloß minderen Grad des Versehens hinaus gehend, einen Rechtsanwalt mit einer unbescheinigten Postsendung (anderes wurde im Wiedereinsetzungsantrag nicht behauptet) mit der Einbringung einer Berufung zu beauftragen, ohne sich in der Folge zu vergewissern, ob die Sendung beim Rechtsanwalt angekommen ist (vgl. den hg. Beschluss vom 27. Juni 1991, Zl. 90/06/0191). Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer schon im Zeitpunkt der Absendung der Bescheidkopie an den Rechtsanwalt am 20. Dezember 1996 wusste, dass dessen Sekretariat vom 20. Dezember 1996 bis zum 7. Jänner 1996 unbesetzt sein würde oder nicht. Sollte es ihm nämlich (der Wiedereinsetzungsantrag enthält dazu kein konkretes Vorbringen) überhaupt nicht möglich gewesen sein, mit seinem Rechtsanwalt Kontakt aufzunehmen, so wäre es an ihm gelegen, vor Ablauf der Berufungsfrist am 2. Jänner 1997 selbst eine Berufung zu verfassen und einzubringen oder allenfalls einen anderen Rechtsanwalt damit zu betrauen.
Da auch unter der Annahme der Richtigkeit der Behauptungen zur Dartuung des Wiedereinsetzungsgrundes davon auszugehen war, dass die Versäumung der Berufungsfrist durch eine den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden des Beschwerdeführers verursacht worden ist, kann die Abweisung seines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch die belangte Behörde im Ergebnis nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Beschwerde war in diesem Punkt daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.) Zur Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid:
Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, die rechtswirksame Zustellung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Dezember 1996 sei am 18. Dezember 1996 erfolgt und seine Berufung erst am 9. Jänner 1997 eingebracht worden, nicht entgegen. Auf Basis dieser Bescheidannahme erweist sich die Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet. Soweit der Beschwerdeführer nunmehr vorbringt, die belangte Behörde hätte über seine Berufung nicht vor der Entscheidung über seinen Wiedereinsetzungsantrag entscheiden dürfen, ist ihm die gegenteilige ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten, derzufolge die Frage der Verspätung eines Rechtsmittels unabhängig von einem bloß anhängigen, aber noch nicht bejahend entschiedenen Wiedereinsetzungsantrag zu beantworten ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 1260, E 91 zu § 66 AVG, angegebene hg. Rechtsprechung). Die Zurückweisung der Berufung durch die belangte Behörde kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden. Auch die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
3.) Zum Ausspruch über den Aufwandersatz:
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. Dezember 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997191557.X00Im RIS seit
03.04.2001