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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde der am 28. Oktober 1964 geborenen MM in Osijek, Kroatien, vertreten durch Hon. Prof. DDr. T, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Jänner 1999, Zl. 307.203/3-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 27. Juni 1997 (beim Landeshauptmann von Wien eingelangt am 9. Juli 1997) die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.
Den Verwaltungsakten ist eine Bestätigung des inländischen Unternehmens A vom 8. April 1997 enthalten, wonach der Ehegatte der Beschwerdeführerin seit 4. November 1996 in diesem Unternehmen beschäftigt sei. Sein Nettolohn für März 1997 habe S 16.634,70 betragen.
Weiters findet sich in den Verwaltungsakten ein Lohnzettel des inländischen Unternehmens A, aus welchem hervorgeht, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin im Monat März 1998 über ein Nettoeinkommen von S 17.597,-- verfügt habe. Sonderzahlungen sind in beiden Lohnzetteln für diese Monate nicht ausgewiesen.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Mai 1998 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 27. Juni 1997 gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Antragstellerin begehre gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn die Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich lebenden Ehegatten. Dieser habe im März 1998 über einen monatlichen Nettolohn von S 17.597,-- verfügt. Hievon seien monatliche Betriebskosten in Höhe von S 1.669,40 sowie monatliche Kreditraten in der Höhe von S 7.001,-- abzuziehen. Es verbleibe daher lediglich ein Betrag von S 8.926,60. Dieser sei zur Deckung des Lebensunterhalts für eine dreiköpfige Familie nicht ausreichend.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie legte eine Verpflichtungserklärung ihres Schwagers und ihrer Schwägerin, welche über ein durchschnittliches Monatseinkommen von S 25.000,-- bzw. von S 13.000,-- verfügten, vor.
Weiters brachte die Beschwerdeführerin vor, der finanzielle Bedarf ihres Sohnes, welcher am 10. September 1997 geboren worden sei, sei der eines Kleinkindes, also gering. Überdies stünde zur Deckung dieses Bedarfes auch die Familienbeihilfe zur Verfügung.
Laut einem von der belangten Behörde am 3. Dezember 1998 angelegten Aktenvermerk soll die Einholung einer telefonischen Auskunft beim inländischen Unternehmen A ergeben haben, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin "im Durchschnitt 16.634,70" verdiene, der Verdienst hänge "von den Stunden" ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 1999, der Beschwerdeführerin am 2. Februar 1999 zugestellt, wurde ihre Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Antrag der Beschwerdeführerin sei nunmehr als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten. Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 könne die Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen insbesondere versagt werden, wenn der Fremde nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt verfüge.
Der für die dreiköpfige Familie der Beschwerdeführerin bestehende Bedarf errechne sich unter Berücksichtigung der Sozialhilferichtsätze für das Bundesland Wien wie folgt:
Haushaltsvorstand S 4.822,--
ein Familienangehöriger mit Anspruch auf
Familienbeihilfe S 1.483,--
ein Familienangehöriger ohne Anspruch auf
Familienbeihilfe S 2.476,--
Mietzinsbelastung S 1.669,40
Kreditrate S 7.001,--
S 17.451,40
Der Ehegatte der Beschwerdeführerin verfüge jedoch lediglich über einen monatlichen Nettobezug von S 16.634,70, wie Erhebungen der Berufungsbehörde ergeben hätten und wie aus der Lohnbestätigung des inländischen Unternehmens A vom 8. April 1997 zu entnehmen sei.
Dieser Betrag reiche nicht aus, um den oben festgestellten Unterhaltsbedarf zu decken. Bei der Berechnung dieses Unterhaltsbedarfes sei für das Kind im Hinblick auf den Bezug von Familienbeihilfe bereits ein geringerer Ansatz gewählt worden. Eine Anrechnung der gegebenenfalls für das Kind bezogenen Familienbeihilfe auf das zur Verfügung stehende Einkommen habe daher nicht stattzufinden.
Die in der Berufung vorgelegten Verpflichtungserklärungen seien gemäß § 10 Abs. 3 FrG 1997 unbeachtlich.
Sodann legte die belangte Behörde dar, weshalb die Versagung der Bewilligung vorliegendenfalls mit Art. 8 Abs. 2 MRK im Einklang stehe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 lautet:
"§ 10. ...
(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn
1. der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;
...
(3) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 2 Z 1 oder 2 ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis erteilen, wenn auf Grund einer im öffentlichen Interesse eingegangenen Verpflichtung eines Rechtsträgers im Sinne des § 1 Abs. 1 des Amtshaftungsgesetzes, BGBl. Nr. 20/1949, oder auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten gesichert erscheint, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung ist unzulässig."
In den Erläuterungen zu Abs. 2 (RV: 685 BlgNR 20. GP) heißt es:
"Abs. 2 fasst die - bereits im geltenden Recht vorhandenen - Versagungsgründe wegen Gefährdung öffentlicher Interessen - sprachlich adaptiert - zusammen, formuliert sie aber entsprechend der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes relativ. ..."
§ 1 der Wiener Sozialhilfeverordnung in der im Jahr 1999 geltenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 62/1998 lautet:
"§ 1. (1) Die Richtsätze für Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes werden mit folgenden monatlichen Beträgen festgesetzt:
...
2. für den Hauptunterstützten ......................... 4 894 S
3. für den Mitunterstützten
a) ohne Anspruch auf Familienbeihilfe ................. 2 513 S
b) mit Anspruch auf Familienbeihilfe .................. 1 505 S"
Wie aus den oben wiedergegebenen Erläuterungen zum Fremdengesetz 1997 ersichtlich ist, sollten in § 10 Abs. 2 leg. cit. bereits nach der Rechtslage vor Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhandene Versagungsgründe sprachlich adaptiert zusammengefasst werden. § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 entspricht dem Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG (in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1992).
Zur letztgenannten Bestimmung vertrat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Behörde bei Berechnung des Unterhaltsbedarfes einer Familie im Regelfall nur an jenem Gesamtbetrag orientieren darf, welcher nach Auffassung der jeweiligen Landesregierung im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Deckung des Bedarfes für einen Haushaltsvorstand und der jeweiligen Zahl der unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen auch dann ausreichend ist, wenn daneben keine weiteren Mittel, also auch keine Familienbeihilfe, zur Verfügung stehen. Es war daher bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfes auch eines Kindes, für welches Familienbeihilfe bezogen wurde, der höhere Ansatz für Familienangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe in Anrechnung zu bringen. Andererseits aber war die für ein solches Kind bezogene Familienbeihilfe den der Familie insgesamt zur Verfügung stehenden Unterhaltsmitteln hinzuzuzählen (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2559 bis 2561).
Weiters vertrat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu der in Rede stehenden Bestimmung die Rechtsauffassung, dass die Behörde auf Grund eines vom Antragsteller dargelegten Nettomonatslohnes in einer bestimmten Höhe nicht ohne weitere Erhebungen davon ausgehen darf, dass dieser Monatslohn nur zwölfmal jährlich bezogen werde. Auch Sonderzahlungen sind zur Deckung des laufenden Lebensunterhaltes verfügbare eigene Mittel, welche von der belangten Behörde amtswegig zu ermitteln und gegebenenfalls zu berücksichtigen sind (vgl. hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997 mit weiteren Hinweisen).
Infolge der Gleichartigkeit des in Rede stehenden Versagungsgrundes finden diese Rechtssätze auch für die Beurteilung, ob der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 vorliegt, Anwendung.
Nach dem Vorgesagten hätte sich die belangte Behörde, die, obwohl der Bescheid 1999 erlassen wurde, die Sozialhilferichtsätze für das Jahr 1998 heranzog, bei der Berechnung des Bedarfes der Familie der Beschwerdeführerin mangels anderer Anhaltspunkte nur wie folgt orientieren dürfen:
Haushaltsvorstand S 4.894,--
zwei Familienangehörige ohne Anspruch auf
Familienbeihilfe
2 x S 2.513,-- = S 5.026,--
Wohnkosten S 1.669,40
Kreditrate S 7.001,--
S 18.590,40
Zutreffend ist nämlich die Meinung der belangten Behörde, die Kreditbelastung zur Anschaffung einer Eigentumswohnung mindere die zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel. Andererseits zählt der Sachwert der Eigentumswohnung, die die Familie der Beschwerdeführerin ja unbestritten zur Deckung ihres Wohnbedarfes benötigt, nicht zu den zur Bestreitung des (sonstigen) Unterhaltes der Familie zur Verfügung stehenden Ressourcen.
Diesem oben berechneten Bedarf hätte die belangte Behörde nun die der Familie der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel gegenüber zu stellen gehabt. Zu diesen Unterhaltsmitteln hätte auch die im Falle seiner Niederlassung im Bundesgebiet für das Kind zur Verfügung stehende Familienbeihilfe hinzugerechnet werden müssen. Auch wäre bei der Berechnung der zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel nach dem Vorgesagten festzustellen gewesen, ob dem Ehegatten der Beschwerdeführerin auch Sonderzahlungen zustehen.
Die letzte von der Beschwerdeführerin im Verfahren dargetane Einkommensbestätigung ihres Ehegatten stammte vom März 1998. Darin wurde für diesen Monat ein Nettolohn von S 17.597,-- (ohne Sonderzahlungen) ausgewiesen. Unter Hinzurechnung der für das Kind gegebenenfalls zustehenden Familienbeihilfe von S 1.425,-- überstiegen die der Familie nach Maßgabe dieser Lohnbestätigung zur Verfügung stehenden Mittel sowohl den von der belangten Behörde festgestellten, wie auch den richtigerweise festzustellenden Unterhaltsbedarf.
Die belangte Behörde hat nun, gestützt auf den Aktenvermerk vom 3. Dezember 1998, festgestellt, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin "im Durchschnitt 16.634,70", also einen geringeren Betrag als den im Lohnzettel für März 1998 ausgewiesenen, ins Verdienen bringt. Abgesehen davon, dass es durchaus verwunderlich anmutet, wenn der im Dezember 1998 ermittelte Durchschnittsbezug des Ehegatten der Beschwerdeführerin bei einem "von den Stunden" abhängigen Verdienst exakt jenen Betrag ausmachen soll, der sich aus der Lohnbestätigung für den 8. April 1997 ergab, wäre die belangte Behörde vorliegendenfalls verpflichtet gewesen, der Beschwerdeführerin vor Bescheiderlassung das Ergebnis ihrer Erhebungen vom 3. Dezember 1998 vorzuhalten und ihr hiezu Parteiengehör zu gewähren (§ 45 Abs. 3 AVG), was die belangte Behörde in Verletzung dieser Pflicht jedoch nicht getan hat. In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin nun vor, ihr Ehegatte habe im Jahr 1998 beim inländischen Unternehmen A über einen Jahresnettolohn von S 251.855,70 verfügt, was einem monatlichen Nettodurchschnittseinkommen von S 20.987,97 entspreche.
Die Gesamtsumme setze sich, verteilt auf die einzelnen Monate des Jahres wie folgt zusammen:
"Jänner 1998 S 16.620,60
Februar 1998 S 16.034,10
März 1998 S 17.597,00
April 1998 S 28.087,50
Mai 1998 S 15.997,20
Juni 1998 S 17.650,10
Juli 1998 S 18.459,80
August 1998 S 16.690,50
September 1998 S 28.550,60
Oktober 1998 S 17.737,40
November 1998 S 38.640,80
Dezember 1998 S 19.790,10"
Im Jänner 1999 habe der Ehegatte der Beschwerdeführerin netto S 26.403,40 (einschließlich Urlaubsgeld) ins Verdienen gebracht. Der monatliche Nettobezug im Februar 1999 habe S 16.397,10, jener im März 1999 S 20.123,80 betragen.
Bei Vermeidung ihres Rechtsirrtums hinsichtlich der Berechnung des Unterhaltsbedarfes und der zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel einerseits, sowie bei Beachtung des nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unterliegenden Beschwerdevorbringens andererseits, wäre es nicht ausgeschlossen, dass die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Zutreffend verweist die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auch darauf, dass ihr Ehegatte zwar durchgehend beim gleichen Unternehmen beschäftigt ist, sich jedoch monatliche Schwankungen in seinem Einkommen ergeben (die teilweise wohl auch auf die Auszahlung von Sonderzahlungen zurückzuführen sind). In einem solchen Fall hat die Behörde - wie die Beschwerdeführerin ebenfalls zutreffend aufzeigt - der Berechnung der zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel einen längeren Beobachtungszeitraum, wobei sich hier eine Jahresbetrachtung anbietet, zugrundezulegen.
Die Aufhebung eines Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit geht jener wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren ist weiters festzuhalten, dass die aus dem Beschwerdevorbringen allenfalls hervorleuchtende Meinung der Beschwerdeführerin, § 10 Abs. 3 FrG 1997 schließe zwar die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung aus, eine solche Erklärung könne aber bei nicht ausreichenden Eigenmitteln den Fehlbetrag kompensieren, unzutreffend wäre. Mangelt es an ausreichenden eigenen Mitteln, so liegt der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 jedenfalls vor. Trotz Vorliegens dieses Grundes kann nach § 10 Abs. 3 erster Satz FrG 1997 eben nur ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis, nicht aber eine Niederlassungsbewilligung erteilt werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 3. Dezember 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999190094.X00Im RIS seit
02.05.2001