TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/3 96/19/2922

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Veröffentlicht am 03.12.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des am 12. Mai 1969 geborenen Z D in Wien, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. August 1996, Zl. 306.585/2-III/11/96, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte nach der Aktenlage über eine am 21. Oktober 1994 erteilte Aufenthaltsbewilligung mit dem Gültigkeitszeitraum vom 17. November 1994 bis zum 17. November 1996. Mit Bescheid vom 10. April 1996 verfügte der Landeshauptmann von Wien gemäß § 8 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 wegen Eingehens einer Scheinehe den Verlust dieser Aufenthaltsbewilligung. Dieser Bescheid wurde nach Ausweis der Verwaltungsakten durch Hinterlegung zugestellt (die Abholfrist begann nach den Angaben auf dem Rückschein am 30. April 1996).

Mit Schriftsatz vom 28. Mai 1996, zur Post gegeben am selben Tag, stellte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter beim Landeshauptmann von Wien einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob unter einem Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. April 1996. Den Wiedereinsetzungsantrag begründete der Beschwerdeführer folgendermaßen:

"Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10.4.1996, MA 62-9/1051537-01-U, mir zugestellt durch Hinterlegung am 29.4.1996, wurde die mir erteilte Aufenthaltsbewilligung für das Bundesgebiet der Republik Österreich gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 5 Abs. 1 AufG aberkannt.

Nachdem ich diesen Bescheid am 5.5.1996 von der Post behoben hatte, übergab ich ihn Frau FM, einer Bekannten, zwecks Übermittlung dieses Schreibens und Einleitung der erforderlichen Schritte, nämlich der Erhebung einer Berufung, an den einschreitenden Rechtsanwalt, welcher mich bereits in anderen Angelegenheiten vertreten hatte. Frau M, die ebenfalls Klientin meines Vertreters ist, sagte mir zu, den gegenständlichen Bescheid unverzüglich beim einschreitenden Rechtsanwalt zwecks Wahrung der 14-tägigen Berufungsfrist abzugeben und einen Besprechungstermin zu vereinbaren.

...

Tatsächlich vereinbarte Frau M jedoch erst für den 20.5.1996 einen Besprechungstermin mit der Kanzlei meines Vertreters, da ihr bei ihrem diesbezüglichen Anruf die Auskunft erteilt worden war, es sei kein früherer Termin verfügbar. Frau M hatte dem Angestellten meines Vertreters in diesem Telefonat zwar mitgeteilt, die Sache sei dringend und es sei ein 'Brief' eingelangt, erwähnte jedoch nicht die Zustellung des Bescheides und den drohenden Fristablauf. Anlässlich der Besprechung am 20.5.1996, an der ich auch persönlich teilnahm, wurde mir von meinem Vertreter nach Prüfung des Zustellvorganges mitgeteilt, dass die Berufungsfrist abgelaufen sei.

...

Es war für mich nicht vorhersehbar, dass Frau M, die ich seit längerem kenne, ihre Zusage zur fristgerechten Weiterleitung des Bescheides an meinen Vertreter nicht einhalten werde. Ich wurde somit durch ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis, an welchem mich kein Versehen trifft, verhindert, die Frist zur

Erhebung einer Berufung ... zu wahren."

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Bescheid vom 4. Juni 1996 gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab.

Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 14. August 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen (Spruchpunkt I) und die Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. April 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen (Spruchpunkt II). In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. April 1996 sei am 30. April 1996 durch Hinterlegung gemäß § 17 des Zustellgesetzes beim Postamt 1120 Wien zugestellt worden. Aus den Ausführungen des Beschwerdeführers zum Sachverhalt gehe hervor, dass er sich einer Mittelsperson bedient habe, um einen Rechtsvertreter, zu dem noch kein Vollmachtsverhältnis bestanden habe, einzuschalten. Ein erster Besprechungstermin sei für den 20. Mai 1996 vereinbart und vom Beschwerdeführer auch wahrgenommen worden. Es sei also einerseits (nach seinen Angaben) der von ihm eingeschalteten Mittelsperson anzulasten, dass nicht fristgerecht bis zum 14. Mai 1996 eine Berufung eingebracht, sondern erst für den 20. Mai 1996 ein erster Besprechungstermin mit dem einschreitenden Rechtsanwalt vereinbart worden sei. Andererseits hätte dem Beschwerdeführer selbst bereits auf Grund des ersten Besprechungstermins am 20. Mai 1996 klar sein müssen, dass die Berufungsfrist in der Zwischenzeit ungenützt verstreichen werde. Er habe somit durch seine Angaben nicht glaubwürdig darlegen können, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis daran gehindert sei, die Rechtsmittelfrist einzuhalten und dass ihn daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Aus diesem Grund sei sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen gewesen. Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides begründete der Bundesminister für Inneres damit, dass die Berufung des Beschwerdeführers erst am 28. Mai 1996 eingebracht worden und im Hinblick auf die Zustellung des Bescheides der Behörde erster Instanz am 30. April 1996 verspätet sei. Die Berufung sei aus diesem Grund zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Beim angefochtenen Bescheid handelt es sich nicht um einen rechtskräftigen Bescheid, mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung nach § 8 AufG verfügt wurde. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Die §§ 63 Abs. 5, 66 Abs. 4 und 71 Abs. 1 Z. 1 VwGG lauteten in der für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung (auszugsweise):

"§ 63.

...

(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. ...

...

§ 66.

...

(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. ...

...

§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist ... ist auf Antrag

der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die

Frist einzuhalten, ... und sie kein Verschulden oder nur ein

minderer Grad des Versehens trifft, ..."

Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, die rechtswirksame Zustellung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 10. April 1996 sei am 30. April 1996 erfolgt und seine Berufung erst am 28. Mai 1995 zur Post gegeben worden, nicht entgegen. Auf Basis dieser Bescheidannahme erweist sich die Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet. Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Dem oben wiedergegebenen Wiedereinsetzungsvorbringen des Beschwerdeführers ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob zwischen ihm und FM ein Bevollmächtigungsvertrag im Sinne des § 1002 ABGB dergestalt zu Stande gekommen ist, dass sich letztere zur Vornahme einer Rechtshandlung und nicht bloß einer Erklärung (sowie der Übermittlung des anzufechtenden Bescheides) an den Rechtsanwalt verpflichtete. Für den erstgenannten Fall wäre FM als Vertreterin des Beschwerdeführers anzusehen, im anderen Fall als seine Botin (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 11. September 1998, Zlen. 96/19/2067, 2068).

Diese Frage kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben. Wäre FM Bevollmächtigte des Beschwerdeführers, wäre allein entscheidend, ob sie ohne eigenes Verschulden oder nur auf Grund eines minderen Grades des Versehens durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Im Wiedereinsetzungsantrag wird als Grund für die Fristversäumung nur ins Treffen geführt, dass FM ungeachtet ihrer Zusage, den vom Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen am 5. Mai 1996 behobenen Bescheid "unverzüglich beim einschreitenden Rechtsanwalt zwecks Wahrung der 14-tägigen Berufungsfrist abzugeben und einen Besprechungstermin zu vereinbaren", nicht nachkam, weil ihr bei ihrem "diesbezüglichen Anruf" in der Kanzlei des Vertreters die Auskunft erteilt worden sei, es sei kein früherer Termin (als der 20. Mai 1996) verfügbar. Die Auskunft, es sei kein früherer Termin verfügbar - wann und unter welchen Umständen diese Auskunft erteilt worden sein soll, geht aus dem Wiedereinsetzungsantrag nicht hervor -, stellt aber angesichts der Zusage, den Bescheid "unverzüglich" beim Rechtsanwalt zwecks Wahrung einer 14-tägigen Berufungsfrist abzugeben und einen Besprechungstermin zu vereinbaren, kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar und vermag für sich allein keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund zu bilden. Dem Vorbringen ist auch nicht zu entnehmen, dass FM ohne ihr Verschulden oder bloß auf Grund eines minderen Grades des Versehens an der Einhaltung ihrer Zusage gehindert gewesen wäre.

Wollte man aber FM - wie in der Beschwerde vorgebracht - bloß als Botin qualifizieren, so wäre es (vgl. auch dazu das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 11. September 1998) Sache des Beschwerdeführers gewesen nachzufragen, ob der Bescheid beim Rechtsanwalt abgegeben worden war (und ein Besprechungstermin vereinbart worden war). Dass der Beschwerdeführer an einer solchen Nachfrage gehindert gewesen wäre, wurde im Wiedereinsetzungsantrag nicht dargetan.

Die Abweisung seines Wiedereinsetzungsantrages durch die belangte Behörde kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde auch in diesem Punkt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. Dezember 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996192922.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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