TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/24 W217 2167177-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.07.2018
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Entscheidungsdatum

24.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W217 2167176-1/7E

W217 2167177-1/7E

W217 2167181-1/5E

W217 2167180-1/7E

W217 2167179-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Michael GENNER, p.A. Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.07.2018 zu Recht erkannt:

A)

Dem Antrag der XXXX auf internationalen Schutz vom 05.11.2015 wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , auch XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Michael GENNER, p. A. Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.07.2018 zu Recht erkannt:

A)

Dem Antrag des XXXX auf internationalen Schutz vom 05.11.2015 wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , diese vertreten durch Michael GENNER, p.A. Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.07.2018 zu Recht erkannt:

A)

Dem Antrag des XXXX auf internationalen Schutz vom 05.11.2015 wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , diese vertreten durch Michael GENNER, p.A. Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.07.2018 zu Recht erkannt:

A)

Dem Antrag der XXXX auf internationalen Schutz vom 05.11.2015 wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , diese vertreten durch Michael GENNER, p.A. Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.07.2018 zu Recht erkannt:

A)

Dem Antrag der XXXX auf internationalen Schutz vom 15.12.2016 wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin, XXXX (in der Folge BF1), der Zweitbeschwerdeführer, XXXX (in der Folge BF2), der Drittbeschwerdeführer XXXX (in der Folge BF3) und die Viertbeschwerdeführerin XXXX (in der Folge BF4) reisten illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellten am 05.11.2015 Anträge auf internationalen Schutz.

2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe der PI Marchegg AGM am 06.11.2015 gaben die Beschwerdeführer an, der Volksgruppe der Hazara anzugehören. Sie seien Schiiten. Die BF1 sei mit dem BF2 verheiratet, sie seien die Eltern des BF 3 und der BF4. Die BF1 führte zu ihrem Fluchtgrund aus, sie habe Afghanistan wegen des Krieges durch die Taliban und weil ihr Onkel dadurch getötet worden sei verlassen. Sie sei am 01.01.1989 in Ghor geboren, habe dort sechs Jahre die Grundschule besucht und sei afghanische Staatsangehörige. Vor etwa 13-14 Jahren sei sie mit ihren Eltern in den Iran geflüchtet. Dort habe sie in Mashhad, XXXX , gewohnt. Vor ca. einem Monat sei sie mit ihrer Familie aus dem Iran geflohen. Als gesetzliche Vertreterin stellte sie auch für ihre beiden Kinder, den BF3 und die BF4, Anträge auf Asyl. Der BF2 führte aus, er sei am 10.10.1978 in Maidan Wardak geboren. Er habe zehn Jahre die Grundschule in Ghor besucht. Er sei vor zwölf Jahren in den Iran geflüchtet aus Angst, von den Taliban umgebracht zu werden. Da sie im Iran als Afghanen keine Zukunft gehabt hätten, hätten sie das Land verlassen. Da sie alle keinen Aufenthaltstitel gehabt hätten, sei er dreimal nach Afghanistan zurückgeschickt worden. Im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat befürchteten sie, von den Taliban umgebracht zu werden.

3. In der niederschriftlichen Einvernahme am 21.06.2016 vor den Organen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) führte die BF1 aus, der BF3 und die BF4 seien im Iran geboren, dort gebe es keine Dokumente für sie. Vor ihrer Ausreise aus Afghanistan habe sie in der Provinz Ghor, im Distrikt Lal, im Dorf

XXXX gelebt. Sie sei im Jahr 2000/2001 aus Afghanistan ausgereist. Sie sei nun im fünften Monat schwanger. Sie habe keine offizielle Schule besucht, sondern sie habe zu Hause lesen und schreiben gelernt, und zwar als sie von Ghor nach Herat gezogen seien. Den BF2 habe sie im Iran geheiratet. In Afghanistan habe sie noch zwei Onkel väterlicherseits und andere entferntere Verwandte. Ihre Eltern und Geschwister würden im Iran leben. Auf die Frage, warum sie damals mit ihren Eltern aus Afghanistan geflohen sei, antwortete die BF1, dass ein Onkel mütterlicherseits bei der Hezb-e-Wahdat gewesen und von der gegnerischen Partei, der Hezb-e-Harakat getötet worden sei. Ein anderer Onkel mütterlicherseits sei geflohen. Ihr Großvater mütterlicherseits sei von Angehörigen der Hezb-e-Harakat mitgenommen und gefoltert worden. Ihre Mutter habe deshalb einen Schlaganfall erlitten und 4-5 Monate nicht reden können. Etwa zwei Jahre nach der Ermordung ihres Onkels seien sie nach Herat geflohen, wo die Taliban an der Macht gewesen seien. Aus Angst vor diesen seien sie dann in den Iran geflohen. Ihr Vater habe von Natur aus keinen Bart, weshalb er damals von den Taliban angehalten und ihm vorgeworfen worden sei, dass er seinen Bart abrasiert habe. Dann hätten sich die Taliban vergewissert, indem sie ihm eine Hand an sein Gesicht gelegt und festgestellt hätten, dass dies nicht der Fall sei. Das seien die damaligen Fluchtgründe gewesen. Aus dem Iran seien sie geflohen, da sie dort keine Dokumente gehabt hätten. Die BF4 habe die Schule nicht besuchen dürfen. Ihr Mann sei dreimal von der Polizei festgenommen worden. Einmal sei er gegen Geld freigekommen, zweimal nach Afghanistan abgeschoben worden. Weitere Bedrohungen gegenüber ihrer Familie aufgrund der Zugehörigkeit des Onkels zur Hezb-e-Wahdat habe es nach der Flucht in den Iran nicht gegeben. Für den BF3 und die BF4 würden dieselben Fluchtgründe gelten. Im Falle einer Rückkehr in ihren Heimatstaat hätte sie Angst vor der schlechten Sicherheitslage und vor dem Krieg. Die Familie ihrer Mutter habe viel durchgemacht, die Mutter leide heute noch an psychischen Problemen. Ihr Sohn, der BF3, spiele in einem Verein Fußball.

Der BF2 führte aus, er sei am 10.10.1978 in der Provinz Ghor geboren. Auf den Vorhalt, in seinem Reisepass sei als Geburtsjahr 1982 (= 1361) sowie als Geburtsort Badghis angeführt, erklärte er, er sei 1978 geboren, das Geburtsdatum im Reisepass habe er nicht so ernst genommen. Auch sei er in Ghor, sein Vater in Wardak geboren. Zuletzt habe er in seinem Heimatland in der Provinz Ghor, Distrikt Lal, im Dorf XXXX gewohnt. Eine Zeit lang hätten sie dort gelebt, dann hätten sie in Herat gelebt, danach seien sie wieder zurückgekehrt und hätten dort bis zum Jahr 2004/2005 gelebt. Bis zu seiner Ausreise nach Europa hätten sie im Iran, in Mashhad, gelebt. In Herat habe er sich den Reisepass ausstellen lassen, ein Provisionsarbeiter habe ihm dabei gegen Geld geholfen. Auf den Vorhalt, dass als ausstellende Behörde Badghis police station angegeben sei, erklärte der Zweitbeschwerdeführer, das wisse er nicht, es sei ihm nur wichtig gewesen, ein Dokument in der Hand zu haben. Der Ausstellungsort sei ihm egal gewesen. Nach dem Jahr 2004 sei er zweimal vom Iran abgeschoben worden, einmal vor ca. vier Jahren, das zweite Mal im Jahr 2015. Beide Male sei er weniger als ein Monat jeweils in Herat aufhältig gewesen, danach sei er in den Iran zurückgekehrt. In Afghanistan habe sein Großvater mütterlicherseits ein Haus und ein Grundstück in Ghor. Sein Vater habe in Herat ein landwirtschaftliches Grundstück. Seine Mutter lebe mit seinen Brüdern und Schwestern in Ghor, im Dorf XXXX . Mit seiner Mutter und seinen Geschwistern stehe er im Kontakt. Weiters habe er einen Onkel väterlicherseits in Afghanistan, wo dieser lebe wisse er nicht. Eine Tante väterlicherseits lebe in Mashhad. Weiters habe er noch vier Onkeln und vier Tanten väterlicherseits, die in der Provinz Ghor leben würden.

Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, er habe vor zwölf Jahren Afghanistan verlassen, da innerhalb einer Woche zwei seiner jüngeren Geschwister in Ghor an einer Krankheit gestorben seien. Auch eine weitere Schwester sei erkrankt und habe sich nie mehr erholt. Deshalb sei er mit seiner Familie von Ghor nach Herat gezogen. Sein Vater habe im Jahr 1994/1995 ein landwirtschaftliches Grundstück gekauft. Sie hätten dort im Bezirk Jibrail gewohnt. Im Jahr 1377 oder 1378 (=1998/1999/2000) sei die Rede davon gewesen, dass viele Bewohner von dort sich gegen die Taliban erheben würden. Eines Tages, als er von der Arbeit nach Hause unterwegs gewesen sei, sei er von den Taliban mitgenommen und ins Gefängnis gebracht worden. Dort seien 30 weitere Gefangene gewesen. Von dort sei er von den Taliban mit fünf anderen Personen mit einem Auto zu einem Ort gebracht worden, wo sie sich um die Leichen von 13 erschossenen Aufständischen kümmern haben müssen. Ca. ein Monat sei er eingesperrt gewesen, da er damals jedoch noch sehr jung gewesen sei, sei er von den Taliban freigelassen worden. Im Jahr 1383 hätte er keinen bestimmten Grund gehabt, Afghanistan zu verlassen. Karzai sei an der Macht und die Sicherheitslage ruhig gewesen. Dennoch hätten die Hazara keine Rechte gehabt. Der BF2 habe weder jemanden getötet noch Probleme mit jemandem gehabt. Er habe Afghanistan wegen des Vorfalls im Jahr 1377/1378 verlassen - aus Angst vor den Taliban. In Afghanistan funktioniere kein Strom, es gebe auch kein richtiges Krankenhaus. Er habe damals Afghanistan allein verlassen. Aus dem Iran sei er geflohen, weil er sich dort illegal aufgehalten habe und Angst gehabt habe, wieder abgeschoben zu werden. Außerdem würden die Afghanen dort schlecht behandelt werden.

4. Am 9.11.2016 wurde die Fünftbeschwerdeführerin, XXXX (in der Folge BF5), in Österreich geboren. Am 15.12.2016 wurde für die BF5 der Antrag auf internationalen Schutz im Rahmen eines Familienverfahrens gestellt.

5. Das BFA hat mit den oben angeführten Bescheiden vom 12.07.2017 die gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Den Beschwerdeführern wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betragen würde (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die von der BF1 vorgebrachte individuelle Gefährdungslage nicht glaubhaft gewesen sei. Weder würden von staatlichen Institutionen noch von sonstigen machtausübenden Gruppierungen Bedrohungen gegenüber ihrer Person bzw. ihrer Familie vorliegen. Eine generelle Bedrohungslage verbreitet auf das gesamte Staatsgebiet Afghanistan gegenüber allen Angehörigen der Volksgruppe der Hazara bzw. Zugehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft könne nicht festgestellt werden. Aufgrund der angeführten Fluchtgründe aus dem Iran habe keine Gefährdung, welche sich auf das Heimatland Afghanistan übertragen würde, abgeleitet werden können. Herat stehe unter Kontrolle der afghanischen Regierung und sei als relativ friedlich anzusehen. Nach den Berichten funktioniere in Kabul und auch in anderen großen Städten die Polizei und könne für Sicherheit sorgen. Die Beschwerdeführer würden über familiäre und freundschaftliche Anknüpfungspunkte im Heimatland verfügen. Herat sei aus dem Ausland via Kabul mit dem Flugzeug erreichbar.

8. Gegen die im Spruch angeführten Bescheide vom 12.07.2017 wurden von den Beschwerdeführern, vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt, fristgerecht gleichlautende Beschwerden erhoben und die gegenständlichen Bescheide in vollem Umfang angefochten. In der Beschwerde wurde ausgeführt, der Grund des Verlassens des Herkunftsstaates sei in der persönlichen Verfolgung im Zuge der Kriegszustände in Afghanistan gelegen gewesen. Speziell Angehörige der Volksgruppe der Hazara würden in Afghanistan bedroht und verfolgt werden. Die Familie habe sich mehrere Jahre hinweg im Iran illegal aufgehalten. Als die Familie wieder nach Afghanistan abgeschoben hätte werden sollen, hätte sie sich zur Flucht nach Österreich entschieden. Seit der Flucht bestehe nur mehr sporadischer Kontakt mit Verwandten in Afghanistan. Auch sei die Familie mittlerweile integriert. Der BF3 und die BF4 würden die Schule in Österreich besuchen und würden im Ortsverein Fußball spielen. Die BF4 erlerne in der Musikschule ein Musikinstrument.

9. Die Beschwerden und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 10.08.2017 von der belangten Behörde vorgelegt.

10. Mit Schreiben vom 03.07.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt, dass die Dr. Zanger erteilte Vollmacht nicht mehr gelte und eine Vollmacht für Herrn Michael Genner p.A. Asyl in Not vorgelegt. Unter einem wurde mitgeteilt, dass der BF3 und die BF4 Fußball spielen würden und die BF4 auch musikalisch tätig sei. Eine Teilnahmebestätigung der VS XXXX über deren Teilnahme an der Bläserklasse wurde ebenso wie das Abschlusszeugnis der VS XXXX vom 29.06.2018 sowie Teilnahmebestätigungen der BF4 an der U11 Meisterschaft und des BF3 an der U9 Meisterschaft, vorgelegt. Die BF4 könne in Afghanistan weder Fußball spielen noch musizieren und wäre als Mädchen gezwungen, sich den islamisch patriarchalischen Normen zu unterwerfen. Alle drei minderjährigen Beschwerdeführer hätten Afghanistan nie gesehen. Weiters wurden eine Schulbesuchsbestätigung für den BF3 der VS XXXX , eine Teilnahmebestätigung der BF1 für einen Deutschkurs Niveau A2, sowie ein Zertifikat über die gut bestandene Deutschprüfung Niveau A1 der BF1 und eines über die sehr gut bestandene Deutschprüfung Niveau A2 des BF2, vorgelegt.

11. Im Zuge der Ladungen zur mündlichen Verhandlung wurde den Beschwerdeführern das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Stand 30.01.2018, übermittelt.

12. Am 17.07.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetsch für die Sprache Farsi und des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In der Verhandlung wurden die unter den Aktenzahlen W217 2167176-1, W217 2167177-1, W217 2167181-1, W217 2167180-1 und W217 2167179-1 geführten Beschwerden zur gemeinsamen Verhandlung gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG verbunden.

Im Rahmen dieser Verhandlung wurden von den Beschwerdeführern diverse Empfehlungsschreiben sowie Kursteilnahmebestätigungen vorgelegt. In der Befragung gab der BF2 an, er sei gesund und führe den Namen XXXX und sei am XXXX in der Provinz Ghor, im Dorf XXXX geboren. Er sei schiitischen Glaubens und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er sei mit XXXX , der BF1, verheiratet. Diese habe er im Jahre 2006 in Mashhad, im Iran, geheiratet. Mit der BF1 habe er drei Kinder, nämlich den BF3, die BF4 und die BF5. Der BF3 und die BF4 seien im Iran, die BF5 in Österreich geboren. Er habe sieben bis acht Jahre in Afghanistan die Schule besucht. Bis ca. 1994-1996 habe er in seinem Heimatdorf gelebt. Dann sei er nach Herat gegangen, wo er bis zum Jahr 2000/2001 gelebt habe. Dann sei er wieder zurück in sein Heimatdorf. Im Jahr 2004/2005 sei er in den Iran gezogen. Zweimal sei er wieder zurück nach Afghanistan abgeschoben worden war, einmal im Jahr 2008, das zweite Mal im Jahr 2015, weil er sich nicht legal im Iran aufgehalten habe. Beim ersten Mal habe er sich drei Wochen in der Gegend um Herat aufgehalten, das zweite Mal ca. zwei Wochen, dann sei er zurück in den Iran. In seinem Heimatdorf habe er als Bauer gearbeitet, in Herat habe er auf dem Bau gearbeitet. Finanziell sei es ihm in Afghanistan durchschnittlich gegangen. Seine Mutter habe ein Haus im Heimatdorf geerbt von ihrem Vater. Sein Vater habe ein Grundstück in Herat gekauft. Dieses sei von seinem Vater bezahlt worden, doch habe der ehemalige Besitzer behauptet, dass er das Geld nicht bekommen habe und er es daher nicht hergeben wolle. Dieses Grundstück sei an mehrere Personen verkauft worden. Der Vater des BF2 sei im Jahr 2011 verstorben, daher könne niemand dem mehr nachgehen. In Afghanistan würden vier Brüder seiner Mutter sowie vier Tanten mütterlicherseits leben. Seine Mutter und seine Geschwister würden seit Sommer 2016 im Iran leben. Mit den Verwandten in Afghanistan habe er keinen Kontakt mehr, zu seiner Mutter und zu seinen Geschwistern sei der letzte Kontakt vor ca. einem Monat via Internet erfolgt.

Im Sommer 2000 sei er einen Monat lang von den Taliban gefangen gewesen. Er habe damals in der Nähe von Herat in der Siedlung Jebreil gewohnt. Auf dem Weg von der Arbeit nach Hause hätten ihn die Taliban überrascht. Er habe nicht flüchten können, da sie bewaffnet gewesen seien. Ca. 300 Menschen seien gefangen genommen worden, nur Männer und Jugendliche. Viele dieser Gefangenen seien weiter nach Kandahar gebracht worden, niemand wisse bis heute, was mit diesen Menschen passiert sei. Die Taliban hätten den BF2 geschlagen und gefoltert. Viele schiitische hazarische Afghanen seien gefangen genommen worden, da es das Gerücht gegeben habe, dass eine Gruppe namens Azareh, die durch den Iran unterstützt würde, die Taliban revolutionieren wolle. Der BF2 habe sehr viel Angst gehabt. In der letzten Woche seiner Gefangenschaft hätten sie ihn herausgezerrt, damit er Arbeiten für die Taliban erledige. Er habe nicht gewusst, ob er mitgenommen werde, um getötet zu werden oder um zu arbeiten. Viele Menschen seien in dieser Gefangenschaft umgebracht und in einem Brunnen geworfen worden. Einmal sei verlangt worden, dass der BF2 mit anderen Gefangenen 13 Leichen aufsammle, die auf Bäumen oder Verkehrszeichen in der Stadt Herat aufgehängt gewesen seien. Er sei im Gefängnis namens Welayat in Herat gefangen gehalten worden. Seine Mutter sei immer dort gewesen, habe geweint und gebeten, den BF2 freizulassen. Eines Tages sei sein Name aufgerufen worden. Nach einer Stunde habe er das Gefängnis verlassen können. Nach seiner Freilassung sei er nach Hause nach Jebreil gegangen, wo er erfahren habe, dass die Taliban den Bewohnern Jebreils gesagt hätten, dass sie dort nicht mehr wohnen dürften, weil sie den Iran unterstützten. Er sei daher zurück in sein Heimatdorf gezogen und sei dort rund vier Jahre bis zum Jahr 2004/2005 geblieben. Danach sei er in den Iran gegangen. In seinem Heimatdorf sei er nie bedroht worden. Er sei niemals in Afghanistan von staatlicher Seite inhaftiert worden und habe niemals mit den Behörden seines Heimatstaates Probleme gehabt.

Die BF1 führte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht aus, sie sei gesund, heiße XXXX , stamme aus der Provinz Ghor, aus dem Dorf XXXX . Sie gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei schiitische Moslem. Sie gehe zwar nicht in die Moschee, aber wenn sie Zeit habe bete sie. Sie sei verheiratet mit dem BF2. Sie habe leider nicht die Schule besucht, habe jedoch bei ihren Großeltern lesen und schreiben gelernt. Berufsausbildung habe sie keine, sie habe aber im Iran Hochzeitskleider zu Hause genäht. In Afghanistan habe sie zwei Onkel väterlicherseits, zu denen sie keinen Kontakt habe. Ihre Eltern, ihre Schwester und zwei Brüder würden im Iran in der Stadt Mashhad leben, ein weiterer Bruder lebe in Schweden. Zuletzt habe sie zum persischen Neujahrsfest (D= 20.03.2018) mit ihren Verwandten im Iran telefonisch Kontakt gehabt. Im Jahr 2000 sei sie mit ihrer Familie in den Iran gezogen. Afghanistan habe sie verlassen, weil die Familie mütterlicherseits sowie ihr Onkel mütterlicherseits dort Probleme gehabt hätten. Ihr Großvater und ihr jüngerer Onkel seien Mitglieder der Partei Wahdat gewesen, sie seien vor 20 Jahren verhaftet worden und im Gefängnis gewesen. Sie seien von Anhängern der gegnerischen Partei namens Harekat verhaftet worden. Ihre Mutter habe sich gegen die Verhaftung des Großvaters gewehrt und sei auch zusammengeschlagen worden. Der ältere Onkel sei umgebracht worden. Danach seien ihr Großvater und ihr jüngerer Onkel freigelassen worden. Ihr Großvater sei schwer zusammengeschlagen und verletzt worden im Gefängnis. Danach habe ihr Großvater gewollt, dass ihr jüngerer Onkel das Land verlasse. Dieser sei in den Iran geflohen. Ihre Großeltern und die Familie seien mit der BF1 nach Herat geflohen. Das sei etwa im Jahr 1998 gewesen, in Herat hätten sie zwei Jahre gewohnt. Da dies die Taliban-Zeit gewesen sei, habe die BF1 das Haus nie verlassen können, weshalb sie keinen Kontakt zu den Taliban gehabt habe. Sie hätten keinen Kontakt zu irgendjemandem gehabt, denn falls herausgekommen wäre, dass sie hier lebten, hätten sie große Schwierigkeiten gehabt. Ihr Vater habe gearbeitet und sei eines Tages auf der Straße von Taliban angehalten worden, die ihn gefragt hätten, warum er keinen Bart trage. Die Taliban hätten die Wange des Vaters berührt und festgestellt, dass er wirklich keinen Bart habe. Damals sei bei den Taliban Gesetz gewesen, dass man den Bart nicht abrasieren dürfe. Nachdem die Taliban gekommen seien, hätten sich die beiden Parteien Harekat und Wahdat aufgelöst. Die Taliban hätten die Mitglieder der Partei Wahdat festgenommen und getötet.

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan drohe der BF4 und BF5 Vergewaltigung und Entführung. Sie dürften keine Schule besuchen, es gebe keine Sicherheit. Ihre Kinder hätten noch nie Afghanistan gesehen.

Die BF1 gehe in Österreich einkaufen, treffe sich mit Freundinnen und trinke Kaffee. Zusätzlich gebe es alle 14 Tage von " XXXX hilft" ein Treffen zwischen afghanischen Frauen und Kindern und einheimischen Helferinnen und Helfern. Dabei würden die österreichische Kultur, deren Werte sowie die heimischen Gebräuche vermittelt werden. Die Familie nehme auch an diversen Feierlichkeiten sowie Veranstaltungen im Jahreskreis in XXXX teil. Wenn die BF1 einen Deutschkurs habe, besuche sie diesen. Sie hätten sowohl afghanische Familien als auch Österreicher als Freunde. Zweimal sei die BF1 bereits alleine in XXXX gewesen. Die BF1 habe den A2 Deutschkurs gerade absolviert, aber die Prüfung nicht bestanden. Dennoch versuche sie viel durch ihre Kontakte zu lernen. Sie habe derzeit keine Möglichkeit, in XXXX noch einen Deutschkurs zu besuchen. Beruflich würde Sie gerne als Schneiderin arbeiten oder als Friseurin. In XXXX gebe es einen Kurs für Schneiderei, dort bekomme man zwar keinen Abschluss, aber man lerne dort. Derzeit warte sie auf die ausständige Asylentscheidung, ohne diese könne sie leider nicht viel machen. Sie habe mit ihrem Mann vereinbart, wenn er fertig mit dem Deutschkurs sei, werde sie einen Kurs besuchen und er werde auf die Kinder aufpassen. Zur Zeit helfe sie einer älteren Dame, die ein gebrochenes Bein habe, im Haushalt und besuche sie alle zwei Tage. Mit Freunden habe sie selbstgemachte Tischtücher hergestellt und diese auf dem Weihnachtsbasar verkauft.

Alle Beschwerdeführer würden in einem gemeinsamen Haushalt leben. Der BF3 und die BF4 würden die Schule besuchen. In ihrer Freizeit würden sie schwimmen oder zum Fußballtraining gehen, auch hätten sie Fußballmatches in anderen Orten. Sowohl der BF3 als auch die BF4 liebten es, Fußball zu spielen. Die BF4 lerne Trompete zu spielen. Bei Feierlichkeiten spiele sie öffentlich Trompete. Sie spiele auch Blockflöte. Sollte die BF1 Asylstatus erhalten, würde sie sich eine Arbeit suchen. Sie sei kein Hausmädchen und würde gerne arbeiten. Zunächst in Teilzeit, aber wenn die BF5 älter sei, werde sie in den Kindergarten gehen, dann sei das leichter. In Österreich hätten die Frauen Freiheiten, die ihr gefallen. Sie könne anziehen, was ihr gefalle, aus dem Haus gehen, wann sie wolle. Auch fahre sie gerne mit dem Fahrrad. Sie verwalte das Familienbudget und genieße dies, da sie im Iran und in Afghanistan das nie gedurft habe, dort sei es genau umgekehrt gewesen. Sie bezahle die Miete und die Lebensmittel. Vor dem Winter würden sie Holz kaufen, sie gebe dem BF2 das Geld dafür, damit er das Holz aus einem anderen Dorf anschaffe. Sie treffe mit dem BF2 gemeinsam die Entscheidungen, indem sie versuchten, sich zu einigen, aber ihre Worte würden meistens mehr zählen. Ihre Kinder sollen sich später selbst aussuchen, wen sie heiraten wollen. Derzeit besuche ihr Mann den Deutschkurs und sie mache den Haushalt, aber wenn sie selbst den Deutschkurs besuche, werde der BF2 den Haushalt übernehmen. Hier in Österreich genieße die BF4 alle Freiheiten, sie übernachte manchmal bei ihrer Freundin, gehe zu Geburtstagsfeiern und schwimmen. Sie gehe spazieren in XXXX , der BF3 und die BF4 spielten Fußball. Das könnte die BF4 in Afghanistan nicht machen. Als Frau dürfe man in Afghanistan keine helle Kleidung tragen, sich nicht schminken, nicht schwimmen gehen und als Mädchen dürfe man mit fremden Männern nicht reden oder Spaß machen. Solange eine Frau in ihrem Elternhaus wohne, dürfe sie nirgends alleine hingehen und verheiratet dürfe sie ohne ihren Ehemann das Haus nicht verlassen. Sie dürfe ihree Haare nicht zeigen, keine kurze Kleidung tragen. Dies alles wünsche die BF1 ihren Töchtern nicht. Sie selbst habe diese Erfahrung gemacht und wolle nicht, dass ihre Töchter das Gleiche erleben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Hazara an, sind schiitischen Glaubens und sprechen Farsi. Die Beschwerdeführer sind gesund.

Die BF1 und der BF2 sind nach traditionellem Ritus verheiratet und die Eltern der weiteren Beschwerdeführer. Die Ehe wurde im Iran geschlossen.

Die BF1 ist in der Provinz Ghor im Dorf XXXX geboren. Sie hat keine Schule besucht, aber bei ihren Großeltern lesen und schreiben gelernt. Sie ist mit ihren Großeltern und ihrer Familie etwa im Jahr 1998 nach Herat, im Jahr 2000 mit ihrer Familie in den Iran gezogen. Afghanistan hat sie verlassen, weil ihr Großvater und ihr jüngerer Onkel Mitglieder der Partei Wahdat gewesen sind, von Anhängern der gegnerischen Partei namens Harekat verhaftet wurden und im Gefängnis gewesen waren. Nach der Freilassung ihres Großvaters und ihres jüngeren Onkels ist die BF1 mit ihren Großeltern und der Familie nach Herat geflohen, wo sie das Haus aus Angst vor den Taliban nie verlassen hat. Nach zwei Jahren gelang der BF1 mit ihrer Familie die Flucht in den Iran, wo die BF1 Hochzeitskleider zu Hause nähte.

Der BF2 ist in der Provinz Ghor im Dorf XXXX geboren und hat 7 bis 8 Jahre die Schule besucht. Bis ca. 1994-1996 hat er in seinem Heimatdorf gelebt, danach bis zum Jahr 2000/2001 in Herat. Anschließend kehrte er zurück in sein Heimatdorf, bis er im Jahr 2004/2005 in den Iran gezogen ist. In seinem Heimatdorf hat er als Bauer gearbeitet, in Herat und im Iran auf dem Bau.

Der BF3 und die BF4 sind im Iran geboren. Die BF5 wurde am 09.11.2016 in XXXX geboren.

Der BF3 und die BF4 besuchen in Österreich die Schule. Beide nehmen an traditionellen Aktivitäten der Pfarre XXXX teil. Beide spielen Fußball beim ASV XXXX .

Die Beschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten und nehmen Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch.

Die BF1, der BF2, der BF3 und die BF4 sind gemeinsam illegal nach Österreich eingereist und haben am 05.11.2015 Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Die BF5 wurde in Österreich geboren. Für sie wurde am 15.12.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Die BF1 ist eine selbständige Frau, die in ihrer Wertehaltung und ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie lebt in Österreich nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition, lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und kann sich nicht vorstellen, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die BF1 beabsichtigt, in Österreich einer Arbeit nachzugehen, um berufliche Selbständigkeit zu erlangen. Diese Einstellung steht im Widerspruch zu den nach den Länderfeststellungen im Herkunftsstaat bestehenden traditionalistisch-religiös geprägten gesellschaftlichen Auffassungen hinsichtlich Bewegungsfreiheit und Zugang zur Erwerbstätigkeit für Frauen.

Die BF1 hat in Österreich die Deutschprüfung Niveau A1 gut bestanden. Sie unterstützte mit kreativen Ideen das Basteln für den Weihnachtsmarkt der Pfarre XXXX . Sie geht alleine einkaufen, hat die Budgethoheit in der Familie und verfügt über einen österreichischen Freundeskreis. Sie besucht alle 14 Tage in XXXX ein Treffen von heimischen Helferinnen und Helfern im Rahmen von " XXXX hilft", wo ein kultureller Austausch, das schrittweise Annehmen der europäischen Kultur, deren Werte und der lokalen Besonderheiten erfolgt. In ihrer Freizeit fährt die BF1 mit dem Rad, geht spazieren und trifft sich mit ihren Freunden. Sie würde in Österreich gerne als Schneiderin oder als Friseurin arbeiten, um frei zu sein und ein selbständiges Leben führen zu können.

Bei der minderjährigen BF4 ist keine derart fortgeschrittene Persönlichkeitsentwicklung zu erkennen, aufgrund derer eine Verinnerlichung eines "westlichen Verhaltens" oder eine "westliche Lebensführung" als wesentlicher Bestandteil ihrer Identität angenommen werden kann.

Zu den Fluchtgründen des BF2:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF2 in seinem Herkunftsstaat aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und der religiösen Minderheit der Schiiten einer individuellen Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt wäre. Nicht festgestellt werden kann, dass seitens der Taliban allein deshalb ein besonderes Interesse an der Person des BF2 besteht bzw. bestehen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF2 seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor den Taliban oder einer anderen konkreten individuellen Verfolgung aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF2 in Afghanistan eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug Staatendokumentation (Stand 30.01.2018):

KI vom 30.01.2018: Angriffe in Kabul (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2018

Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani-Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018).

Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018

Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).

Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).

Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018

Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018).

Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).

Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von Jalalabad, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018

Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018). Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

The Guardian (22.1.2018)

Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in Kabul ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018). Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT-Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vgl. NYT 21.1.2018).

Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).

Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018).

KI vom 21.12.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017). Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

High-profile Angriffe:

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

Interreligiöse Angriffe

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:

Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann - dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um

3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriffen auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017). Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Parlament und Parlamentswahlen

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9.2016).

Parteien

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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