TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/24 W200 2193740-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.07.2018
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Entscheidungsdatum

24.07.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W200 2193740-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 05.04.2018, OB 47699741800039, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 6283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Am 13.11.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses Ausweises sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass sowie auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b STVO.

Die Beschwerdeführerin ist seit 12.03.2018 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung vom 50%.

Der Entscheidung liegt folgendes Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie, MSc Orthopädie vom 07.03.2018 zu Grunde:

"Anamnese:

02/2017 Duktales Mammakarzinom, Quadrantenresektion rechts, kein Nachweis von Absiedelungen

Hüfttotalendoprothese beidseits 1998, Pfannen-und Köpfchenwechsel rechts 2011, Osteolysen im Bereich der linken Pfanne und des koxalen Femurendes, 12. 2011 Köpfchen und Inlaywechsel links kaudal betonte degenerative Veränderungen BWS und LWS

Derzeitige Beschwerden:

"Beantrage den Parkausweis, da die Gehstrecke eingeschränkt ist, Schmerzen habe ich wetterabhängig unterschiedlich stark im Bereich des rechten Kniegelenks, rechten Oberschenkels, linken Großzehe. Die Gehstrecke ist unterschiedlich lang, etwa 200 m. Stufensteigen ist mit Anhalten möglich, Festhalten ist möglich. Eine Gehhilfe verwende ich nicht. Hergekommen bin ich mit dem Auto, wurde von meinem Mann gebracht."

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Enalapril,Euthyrox, Simvastatin, Parkemed, Femara, Maxikalz, Xalatan, Augentropfen, Dekristol-Vitamin D, Voltaren Gel, Magnesium

(...)

Sozialanamnese:

verheiratet, 2 Kinder, lebt in Wohnung im 1. Stockwerk ohne Lift.

Berufsanamnese: Pensionistin, kaufmännische Angestellte

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Bericht Krankenhaus Gersthof vom 28. 10. 1998 (Hüfttotalendoprothese beidseits)

MRT der LWS vom 24. 4. 2008 (höhergradige Chondrose mit medianem, Tangierung der Nervenwurzel S1 rechts und links)

Röntgen BWS und LWS, Knochendichtemessung vom 1. 6. 2017 (keine signifikante Höhenminderung der Wirbelkörper, kaudal betonte degenerative Veränderungen)

Histologischer Befund vom 17. 2. 2017 (Duktales Mammakarzinom)

CT Thorax und Abdomen vom 20. 2. 2017 (Zustand nach Quadrantenresektion rechts, kein Nachweis intrapulmonaler Läsionen, kein Nachweis suspekt axilläre Lymphknoten. Abdomen unauffällig)

Operationsberichts vom 16. 2. 2017 (Quadrantenresektion rechts)

Bericht Orthopädische Abteilung KH Gersthof vom 9. 12. 2011(Zustand nach Hüfttotalendoprothese beidseits 1998, Pfannen-und Köpfchenwechsel rechts 2011, Osteolysen im Bereich der linken Pfanne und des koxalen Femurendes, Köpfchen und Inlaywechsel links)

Untersuchungsbefund: (...)

Größe: 173,00 cm Gewicht: 81,00 kg Blutdruck: 130/70

Klinischer Status - Fachstatus: (...)

Thorax: symmetrisch, elastisch. Narbe nach Quadrantenresektion rechte Mamma.

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

(...)

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge nicht ident, links -1,5 cm.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Hüftgelenke beidseits: Narbe nach Hüfttotalendoprothese, kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz.

Kniegelenke beidseits unauffällig.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S beidseits 0/110, IR/AR 20/0/20, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Kein Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Gehhilfe, das Gangbild ist angedeutet links hinkend, Trendelenburg negativ, insgesamt mäßig zügig. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Mammakarzinom rechts 02/2017 Unterer Rahmensatz, da kein Hinweis auf Absiedelungen.

13.01.03

50

2

Hüfttotalendoprothese beidseits, Zustand nach Wechseloperation rechts Unterer Rahmensatz, da gute Beweglichkeit ohne Hinweis für Lockerung

02.05.08

20

3

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Unterer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden ohne relevantes funktionelles Defizit.

02.01.01

20

1. Zumutbarkeit

der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken. Es sind belastungsabhängige Probleme der Hüftgelenke und Wirbelsäule im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von 300-400m zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, eine höhergradige Gangbildbeeinträchtigung konnte nicht festgestellt werden, eine Gehhilfe wird nicht verwendet. Eine ausreichende Trittsicherheit ist mit Schuhen gegeben. Das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich. An der oberen Extremität sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein."

Im gewährten Parteiengehör zum eingeholten Gutachten gab die Beschwerdeführerin an, "Einspruch" zu erheben.

Mit Bescheid vom 05.04.2018 wies das Sozialministeriumservice den am 13.11.2017 eingelangten Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab.

Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten und darauf hingewiesen, dass der im Rahmen des Parteiengehörs erhobene Einwand nicht geeignet gewesen sei, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften.

Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice mit der Begründung, dass sie keine 150m ohne einer Stütze gehen könne. Die ständigen Muskelkrämpfe in den Oberschenkel, die durch die zahlreichen Operationen und ihre Prothesen hervorgerufen würden, ließen sie sehr schnell ermüden. Außerdem sei es für sie beschwerliche zu einem öffentlichen Verkehrsmittel zu gelangen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert.

1.2. Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Unfallchirurgischer/orthopädischer und allgemeinmedizinischer

Status:

Thorax: symmetrisch, elastisch. Narbe nach Quadrantenresektion rechte Mamma.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar. Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge nicht ident, links -1,5 cm. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Hüftgelenke beidseits: Narbe nach Hüfttotalendoprothese, kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz.

Kniegelenke beidseits unauffällig.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S beidseits 0/110, IR/AR 20/0/20, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Kein Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Gehhilfe, das Gangbild ist angedeutet links hinkend, Trendelenburg negativ, insgesamt mäßig zügig. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

1.2.2. Funktionseinschränkungen: Mammakarzinom rechts 02/2017; Hüfttotalendoprothese beidseits, Zustand nach Wechseloperation rechts; Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

1.2.3. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die Beschwerdeführerin kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe (allenfalls unter Verwendung einer Gehhilfe) ohne Unterbrechung zurücklegen. Die körperliche Belastbarkeit ist ausreichend vorhanden.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich - auch im Zusammenwirken - nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität durch die festgestellten Funktionseinschränkungen. Es besteht auch keine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, es besteht keine schwere Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems oder der Lunge.

Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.

Bei der Beschwerdeführerin liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.

Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die zu einer signifikanten Infektanfälligkeit führt, vorhanden.

2. Beweiswürdigung:

Laut Gutachten vom 07.03.2018 leidet die Beschwerdeführerin an einem Mammakarzinom rechts 02/2017, einer Hüfttotalendoprothese beidseits, Zustand nach Wechseloperation rechts, sowie an einer degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule.

Die Gutachterin beschreibt das Gangbild der Beschwerdeführerin folgendermaßen: "Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Gehhilfe, das Gangbild ist angedeutet links hinkend, Trendelenburg negativ, insgesamt mäßig zügig. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt."

Weiters führte sie hinsichtlich der Auswirkungen des Leidens auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nachvollziehbar aus, dass keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vorliegen, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken. Es seien zwar belastungsabhängige Probleme der Hüftgelenke und Wirbelsäule im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von 300-400m zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, eine höhergradige Gangbildbeeinträchtigung konnte nicht festgestellt werden, eine Gehhilfe wird nicht verwendet. Eine ausreichende Trittsicherheit sei mit Schuhen gegeben. Das sichere Aus- und Einsteigen sei möglich. An der oberen Extremität seien keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich sei.

Den Ausführungen in der Beschwerde, dass sie keine 150m ohne Stütze gehen könne, ist entgegenzuhalten, die Beschwerdeführerin bei der Untersuchung keine Gehhilfe verwendet hat, die Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung der Beschwerdeführerin bei Bedarf jedenfalls zumutbar ist.

Eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung der unteren Extremitäten kann der erkennende Senat somit unter Zugrundelegung des schlüssigen unfallchirurgischen/orthopädischen Gutachtens bei der Beschwerdeführerin nicht erkennen.

Aus dem Gutachten ergeben sich auch keinerlei Hinweise auf maßgebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen.

Im eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten wird auf den Zustand der Beschwerdeführerin ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen, es weist keine Widersprüche und Ungereimtheiten auf.

Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes der Beschwerdeführerin.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Die Ausführungen in der Beschwerde vermochten keine substantiierten Einwendungen gegen das eingeholte Sachverständigengutachten darzustellen. Die Beschwerdeführerin ist dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Zu A)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:

Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.

Bei der Beschwerdeführerin liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar."

rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG).

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein fachärztliches Gutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Die beschwerdeführende Partei hat auch mit der Beschwerde keine Beweismittel vorgelegt, welche mit der erstinstanzlichen gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen.

Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W200.2193740.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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