TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/25 G303 2169890-1

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Veröffentlicht am 25.07.2018
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Entscheidungsdatum

25.07.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G303 2169890-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch Anna GRILL, Helga KAUFMANN und Johann KREMSER vom Kriegsopfer- und Behindertenverband Steiermark, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 17.07.2017, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 13.01.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Dem Antrag war eine Kopie des Behindertenpasses und des Parkausweises vom 12.11.1998 des BF beigelegt.

Da der BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" war, wurde dieser Antrag von der belangten Behörde auch als Antrag auf Vornahme dieser Zusatzeintragung gewertet.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

2.1. In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Facharzt für Chirurgie, vom 13.07.2017 wurde, nach persönlicher Untersuchung des BF am 04.07.2017, im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Brust- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom mit geringgradigen Funktionseinschränkungen

2

Bewegungs- und belastungsabhängige Beschwerden im Bereich beider Kniegelenke bei degenerativen Veränderungen

3

Zustand nach Hautweichteildeckung bei Verletzung im Bereich der Unterschenkel-Wadenregion rechts

4

Zustand nach Hautweichteildefekt im Bereich des Unterschenkels rechts

5

Leichter Bluthochdruck

2.2. Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausgeführt, dass beim BF keine Beschwerden und Funktionseinschränkungen vorliegen, welche das Zurücklegen kurzer Wegstrecken nicht gewährleisten würden. Auch das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln seien zumutbar. Es finde sich ein freier Gelenkstatus von Seiten der Gelenke an den oberen und unteren Extremitäten. Die Bewegungsumfänge seien völlig frei.

Es liege auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.07.2017 wurde der Antrag vom 13.01.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen.

3.1. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Das Sachverständigengutachten von XXXX wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt. In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zitiert.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit am 25.08.2017 bei der belangten Behörde eingelangtem Schreiben fristgerecht die als "Einspruch" bezeichnete Beschwerde. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass er seit 01.05.2012 in Invaliditätspension und zu 70 % "Invalide" sei.

Der BF leide an folgenden Erkrankungen: Prolaps (HWS und LWS), Hypertonie, Bruch (TH 12), Senk- und Spreizfüße, Hüftbeschwerden, defekte Kniegelenke, Hauplastik nach Unfall am rechten Unterschenkel mit ständiger großer Schwellung, Hörsturz und Stuhldrang (mit Bedarf einer "sofortigen Toilette") .

Die Untersuchung des Sachverständigen Dr. XXXX sei für den BF nicht nachvollziehbar gewesen. Es sei kein Blutdruck gemessen worden und auch keine einzige Stelle am Körper abgetastet noch berührt worden. Der Beschwerde wurden medizinische Befunde beigelegt.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 06.09.2017 vorgelegt.

6. Mit Schreiben vom 11.09.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 19.09.2017, wurde eine Vollmacht für Anna GRILL, Helga KAUFMANN und Johann KREMSER vom Kriegsopfer- und Behindertenverband Steiermark übermittelt.

7. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.

7.1. Im ärztlichen Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 09.04.2018, wird basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am selben Tag im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Diagnosen:

1

Abnützung der gesamten Wirbelsäule, Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit Schwerpunkt Brust- und Lendenwirbelsäule ohne neuromotorische Ausfallssymptomatik

2

Bewegungs- und Belastungsschmerzen im Bereich beider Kniegelenke rechts mehr als links

3

Bewegungseinschränkung im Bereich beider Hüftgelenke

4

Stattgehabter Hautweichteildefekt im Bereich des rechten Unterschenkels mit Hauttransplantation und aktueller Schwellungsneigung

5

Bluthochdruck, medikamentös kompensiert, Bluthochdruck unter Medikation 140/90

6

Angegebener Stuhldrang ohne jegliche Befunde und Inkontinenzzeichen als auch Inkontinenzversorgung

7

Knick-Senk-Fuß beidseits

Der Sachverständige führte ergänzend aus, dass - im Einklang mit der Anamnese - eine ausreichende Wegstrecke umsetzbar, das Überwinden von Niveauunterschieden möglich und der sichere Transport bei ausreichender Standfähigkeit gegeben seien. Bezüglich der vom BF angegebenen jedoch nicht objektivierbaren Problematik mit der Stuhlverhaltung müsse gesagt werden, dass gegebenenfalls Inkontinenzprodukte zumutbar und ausreichend wären.

Beim BF würden keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen oder schwere anhaltende Erkrankungen des Immunsystems und keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vorliegen.

8. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 12.04.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

8.1. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung seitens der Verfahrensparteien langte dazu beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist am XXXX geboren und ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 70 von Hundert.

Der BF leidet an folgenden Gesundheitsschädigungen:

-

Abnützung der gesamten Wirbelsäule, Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit Schwerpunkt Brust- und Lendenwirbelsäule ohne neuromotorische Ausfallssymptomatik

-

Bewegungs- und Belastungsschmerzen im Bereich beider Kniegelenke rechts mehr als links

-

Bewegungseinschränkung im Bereich beider Hüftgelenke

-

Stattgehabter Hautweichteildefekt im Bereich des rechten Unterschenkels mit Hauttransplantation und aktueller Schwellungsneigung

-

Bluthochdruck (medikamentös kompensiert)

-

Angegebener Stuhldrang ohne jegliche Befunde und Inkontinenzzeichen als auch Inkontinenzversorgung

-

Knick-Senk-Fuß beidseits

Die Funktionen der unteren Extremitäten des BF sind nicht höhergradig eingeschränkt. Der BF leidet an keinen erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Auch konnten keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems beim BF festgestellt werden. Es besteht keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.

Der BF ist in der Lage eine kurze Wegstrecke selbstständig zurückzulegen. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe seitens des BF geleistet werden. Der sichere Transport des BF in öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.

Eine dauerhafte und erhebliche Mobilitätseinschränkung liegt beim BF nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum des BF und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX vom 09.04.2018 ist vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei. Die festgestellten Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ergeben sich daraus.

Daraus konnte auch zweifelsfrei festgestellt werden, dass beim BF keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche in der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, genannt sind, insbesondere keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, vorliegen.

Die Tatsache, dass in der BF Lage ist, eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) zurückzulegen, ergibt sich daraus, dass der BF nach eigenen Angaben Wegstrecken bis zu einer halben Stunde zurücklegen könne.

Aus den Angaben des BF bei der Sachverständigenuntersuchung, dass das Stiegen steigen möglich sei und er in einem Haus mit sechs Stufen wohne, ergibt sich, dass der BF in der Lage ist, Niveauunterschiede zu überwinden.

Es konnten auch keine Anhaltspunkte festgestellt werden, dass der sichere Transport des BF im öffentlichen Verkehrsmittel nicht möglich ist, zumal auch die Standfähigkeit in ausreichendem Maße - nach den gutachterlichen Ausführungen von XXXX -gegeben ist.

Der Inhalt des ärztlichen Sachverständigengutachtens von XXXX vom 09.04.2018 wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde dazu weder vom BF noch von der belangten Behörde erstattet. Es blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten.

Das Sachverständigengutachten von XXXX vom 09.04.2018 wird daher der gegenständlichen Entscheidung des erkennenden Gerichtes in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

Insgesamt konnte aufgrund des medizinischen Sachverständigengutachtens festgestellt werden, dass dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Diesbezüglich darf auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung II.3.2. verwiesen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung im Beschwerdeverfahren basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung des BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung des BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Es war aus den folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten MR XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 09.04.2018, zugrunde gelegt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden gegen die gutachterlichen Ausführungen im Sachverständigengutachten keine Einwendungen seitens der Verfahrensparteien erhoben.

Es konnten beim BF danach keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche im § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen für die beantragte Zusatzeintragung genannt sind, im geforderten Ausmaße, nämlich in erheblichem beziehungsweise hochgradigem Ausmaß, festgestellt werden.

Die seitens des BF vorgebrachte Problematik mit der Stuhlverhaltung ist unter Zugrundelegung der ständigen VwGH -Judikatur (Ra 2016/11/0137 vom 09.11.2016, Ra 2016/11/0018 vom 21.04.2016) nicht dergestalt, dass sie eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar macht. Insbesondere liegt keine Inkontinenz vor, auch keine anhaltende schwere Erkrankung des Verdauungssystems. Die vorgebrachte Problematik mit der Stuhlverhaltung konnte auch nicht im Rahmen der medizinischen Begutachtung durch XXXX oder durch medizinische Beweismittel belegt werden.

Der BF besitzt auch die konkrete Fähigkeit ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Insbesondere konnte festgestellt werden, dass die Bewältigung einer kurzen Wegstrecke für den BF selbstständig möglich ist, zumal der BF in einem guten Allgemeinzustand ist und er nach eigenen Angaben einen halbstündigen Gehweg ohne Probleme bewältigt. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe seitens des BF geleistet werden. Auch der sichere Transport des BF im Fahrzeug ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.

Die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht vor.

Was schließlich den Antrag des BF betrifft, ihm einen Parkausweis nach § 29b StVO auszustellen, so ist diesbezüglich festzuhalten, dass die belangte Behörde über diesen Antrag ausdrücklich bescheidmäßig nicht abgesprochen hat.

Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Bundesverwaltungsgerichtes ist die "Sache" des bekämpften Bescheides (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/04/0012; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077). Daher ist Antrag des BF auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides nicht verfahrensgegenständlich. Vollständigkeitshalber ist jedoch anzumerken, dass, wie die belangte Behörde in inhaltlicher Hinsicht zutreffend ausgeführt hat, gegenständlich die grundsätzliche Voraussetzung dafür, nämlich der Besitz eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, der über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügt, fehlt.

Die vorliegende Beschwerde war somit spruchgemäß abzuweisen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G303.2169890.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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