TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/30 W162 2183090-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.07.2018
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Entscheidungsdatum

30.07.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W162 2183090-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER, BA MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 27.11.2017, betreffend die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer hat am 11.09.2017 bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

2. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 23.11.2017, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag, mit dem Ergebnis eingeholt, dass unter Anwendung der Einschätzungsverordnung ein Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH vorliege.

" Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos. Nr.

GdB %

1

Hüfttotalendoprothese rechts Oberer Rahmensatz, da Beugung bis 90 Grad möglich

02.05.07

20

2

Posttraumatische Gonarthrose rechts Oberer Rahmensatz, da eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung gegeben ist

02.05.18

20

3

Spondylarthrose der Wirbelsäule Oberer Rahmensatz, da eine endlagige Bewegungseinschränkung gegeben ist

02.01.01

20

4

Zustand nach Kahnbeinfranktur rechte Hand Fixer Rahmensatz

02.06.20

10

Gesamtgrad der Behinderung: 20 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: weil der führende GdB uner der Position 1 durch Leiden 2-4 nicht erhöht wird, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Eine Kiefersanierung, da erfolgreich saniert, erreicht keinen GdB.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Erstmalige Einstufung nach der neuen EVO. Verbesserung der Leiden 1, 2 und 4, Gleichbleiben von Leiden 5, Wegfall von Leiden 3, da nicht mehr objektivierbar."

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.11.2017 hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und festgestellt, dass der GdB im Fall des Beschwerdeführers 20 v.H. beträgt.

4. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Er verwies auf seine Krankengeschichte (rechtes Knie, rechte Hüfte, Kopfverletzung, Kahnbeinfraktur, Gehbehinderung, Kieferbruch) und ersuchte um "genaue Analyse, eventuell neue Facharztuntersuchung" sowie um "Richtigstellung" seines GdB. Beigelegt wurden der Beschwerde der verfahrensgegenständliche Bescheid samt dem zugrundeliegenden Sachverständigengutachten mit handschriftlichen Vermerken, ein Schreiben des Finanzamtes bezüglich einer Zahnbehandlung, ein Patientenbrief eines Spitals vom 25.11.1983 und ein Zahnröntgen vom 14.06.2016.

5. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 16.01.2018 unter Anschluss des Verwaltungsakts vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ist am 11.09.2017 bei der belangten Behörde eingelangt.

Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift und den dieser beigelegten Beweismittel am 16.01.2018 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 20 vH.

1.3. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos. Nr.

GdB %

1

Hüfttotalendoprothese rechts Oberer Rahmensatz, da Beugung bis 90 Grad möglich

02.05.07

20

2

Posttraumatische Gonarthrose rechts Oberer Rahmensatz, da eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung gegeben ist

02.05.18

20

3

Spondylarthrose der Wirbelsäule Oberer Rahmensatz, da eine endlagige Bewegungseinschränkung gegeben ist

02.01.01

20

4

Zustand nach Kahnbeinfranktur rechte Hand Fixer Rahmensatz

02.06.20

10

Gesamtgrad der Behinderung: 20 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: weil der führende GdB uner der Position 1 durch Leiden 2-4 nicht erhöht wird, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1. Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2. Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das von der belangten Behörde eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ist schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befasste Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt. Es wurden keine Beweismittel vorgelegt, welche im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises stehen, weder wird ein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde noch liegen Anhaltspunkte vor, dass Aspekte des Gesamtleidenszustandes unberücksichtigt geblieben sind.

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Die Sachverständige führte überzeugend aus, dass das Leiden 1 "Hüfttotalendoprothese rechts" beim oberen Rahmensatz unter 02.05.07 mit einem GdB von 20 v. H. eingestuft wurde, da dem Beschwerdeführer eine Beugung bis 90 Grad möglich ist. Das Leiden 2 "Posttraumatische Gonarthrose rechts" wurde unter der Positionsnummer 02.05.18 nachvollziehbar am oberen Rahmensatz eingestuft, da eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung gegeben ist. Das Leiden 3 "Spondylarthrose der Wirbelsäule" wurde unter der Positionsnummer 02.01.01 am oberen Rahmensatz eingestuft, da eine endlagige Bewegungseinschränkung vorliegt. Das Leiden 4 "Zustand nach Kahnbeinfranktur rechte Hand" wurde unter der Positionsnummer 02.06.20 mit einem fixen Rahmensatz eingestuft.

Es wurden alle einschätzungsrelevanten Gesundheitsschädigungen bei der Beurteilung durch die medizinische Sachverständige berücksichtigt. Sämtliche im Verfahren vorgelegten Befunde wurden bei der Beurteilung berücksichtigt. Im gegenständlichen Fall lag ein Verkehrsunfall des Beschwerdeführers verbunden mit einem Kieferbruch aus dem Jahr 1983 vor. Diese Vorgeschichte war dem Sachverständigengutachten vom 23.11.2017 zugrunde gelegt und wurden nunmehr die aktuellen Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers erfasst.

Der im Zuge der Beschwerde erneut vorgelegte Patientenbrief eines Spitals vom 25.11.1983 war bereits im Zuge der Gutachtenserstellung vorgelegt und berücksichtigt worden. Gleichfalls wurde der Zustand des Zahnröntgens vom 14.06.2016 von der Anamnese erfasst. Sämtliche in der Beschwerde vorgebrachten Gesundheitsbeeinträchtigungen (rechtes Knie, rechte Hüfte, Kopfverletzung, Kahnbeinfraktur, Gehbehinderung, Kieferbruch) wurden im gegenständlichen Sachverständigengutachten berücksichtigt und finden sich in entsprechenden Positionen wieder bzw. wurde plausibel erklärt, weshalb manche Positionen weggefallen sind. Die vom Beschwerdeführer im Zuge seiner Beschwerde vorgebrachte Krankheitsgeschichte wurde in der Anamnese umfassend erfasst, seine darin angeführten Beschwerden bzw. Leidenszustände wurden nach Einschätzung des erkennenden Senats unter Anwendung der EVO umfassend berücksichtigt. Das im Zuge der Beschwerde vorgelegte Schreiben des Finanzamtes bezüglich einer Zahnbehandlung des Beschwerdeführers steht keinesfalls im Widerspruch zum vorliegenden Sachverständigengutachten.

Nachvollziehbar wurde im Sachverständigengutachten ausgeführt, dass der führende GdB unter der Position 1 "Hüfttotalendoprothese rechts" durch die Leiden 2-4 nicht erhöht wird, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt. Ausgeführt wurde zudem, dass die erfolgreich sanierte Kiefersanierung keinen Grad der Behinderung erreicht. Diese Einschätzung erscheint dem erkennenden Senat nachvollziehbar und plausibel. Der Unterschied im Vergleich zum Vorgutachten besteht darin, dass im gegenständlichen Fall erstmalig eine Einstufung nach der neuen Einschätzungsverordnung erfolgt ist, die keine höhere Einstufung im Fall des Beschwerdeführers zulässt. Demnach ist es zu einer Verbesserung der Leiden 1, 2 und 4 gekommen, während Leiden 5 gleich geblieben und Leiden 3 weggefallen ist, da dieses nicht mehr objektivierbar war.

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Dies gilt auch für die in der Beschwerde angezweifelte Dauer der Begutachtung. Dem Gutachten eines Sachverständigen kann zwar auch ohne Gegengutachten in der Weise entgegen getreten werden, als die Parteien Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzeigen. Der Beschwerdeführer ist dem - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten, insbesondere dem erhobenen klinischen Befund, jedoch nicht substantiiert entgegengetreten.

Das Beschwerdevorbringen war nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH vorliegt, zu entkräften. Das Beschwerdevorbringen wurde nur pauschal vorgebracht und keineswegs substantiiert bzw. konkretisiert. Der Beschwerdeführer ist dem Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, 2000/11/0093). Es wurde vom Beschwerdeführer kein Sachverständigengutachten bzw. eine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen der im Verfahren vor der belangten Behörde herangezogenen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien. Das Gutachten vom 23.11.2017 wird demnach der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)

Die Bestimmung des § 41 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 ist auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren nicht anzuwenden. Diese Verfahren sind unter Zugrundelegung der bis zum 31. August 2010 geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. Dies gilt bis 31. August 2013 auch für Verfahren nach §§ 40ff, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes ein rechtskräftiger Bescheid nach §§ 40ff oder auf Grund der Bestimmungen des § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes vorliegt. (§ 55 Abs. 4 BBG)

Da der gegenständliche Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses am 02.06.2017 gestellt worden ist, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen. (§ 43 Abs. 1 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. (§ 46 BBG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 57/2015)

Die Gesamteinschätzung vollzieht die Verwaltungsbehörde unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis, den sie im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung zu beurteilen hat (vgl. VwGH vom 01.06.1999, Zl. 94/08/0088 mit Hinweis auf E 19.11.1997, 95/09/0232, 0233).

Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. (§ 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung)

Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen. (§ 3 Abs. 2 Einschätzungsverordnung)

Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(§ 3 Abs. 3 Einschätzungsverordnung)

Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine. (§ 3 Abs. 4 Einschätzungsverordnung)

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, war das Beschwerdevorbringen nicht geeignet, eine geänderte Beurteilung zu begründen. Da das Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 23.11.2017 nach persönlicher Untersuchung einen Grad der Behinderung in Höhe von zwanzig (20) vH festgestellt hat, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war - wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt - nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Der Beschwerdeführer wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren persönlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind und resultiert daraus keine geänderte Beurteilung. Das Vorbringen steht nicht im Widerspruch zum eingeholten Sachverständigenbeweis. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W162.2183090.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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