Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Sascha Daniel Salomonowitz MBL-HSG, LL.M., und Dr. Michael Horak, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. E***** N.V. *****, 2. E***** N.V. *****, beide vertreten durch Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 58.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Mai 2018, GZ 1 R 32/18k-15, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 Abs 1 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Das Begehren der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin und die Erstbeklagte vertreiben Handspülmittel in Plastikflaschen. Auf den Flaschen der Erstbeklagten befindet sich ein Etikett (Halsmanschette), auf dem eine im Meer schwimmende Flasche abgebildet ist. Darauf bzw auf einem Aufkleber, der sich auf der Rückseite der Flasche befindet, sind folgende Aussagen ersichtlich:
„OCEAN BOTTLE – HERGESTELLT MIT 50 % PLASTIKMÜLL AUS DEM MEER.“
„WIR SETZEN EIN ZEICHEN FÜR UNSERE MEERE: Unsere Mission: ein Zeichen setzen gegen Plastikmüll in unseren Meeren. Deshalb besteht diese Flasche zu 50 % aus Plastikmüll aus dem Meer“
„MACH MIT UNSERE MEERE VOM PLASTIKMÜLL ZU BEFREIEN: Diese Flasche wurde mit 50% Plastikmüll aus dem Meer hergestellt, welcher an die Küste gespült und an Rios Stränden gesammelt wurde.“
„Die Flasche besteht zu 50 % Plastikmüll aus dem Meer & zu 50 % recyceltem Plastik. ...der Plastikmüll wurde aus dem Meer an die Küste gespült und an Rios Stränden gesammelt.“
Die Zweitbeklagte warb auf ihrer Website in entsprechender Weise für die Produkte der Erstbeklagten.
Die Flasche besteht zwar zu mehr als 50 % aus recyceltem PET-Plastik, das nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien an Stränden, Flussufern und Wasserläufen einer Bucht in Rio de Janeiro aufgesammelt wurde. Es steht jedoch nicht fest, dass das Plastik aus dem Meer stammt.
Die Vorinstanzen untersagten den Beklagten mit einstweiliger Verfügung, im geschäftlichen Verkehr in Österreich den Eindruck zu erwecken und/oder inhaltsgleiche Behauptungen zu kommunizieren, dass die 'E***** Ocean Bottle' aus 50% Plastikmüll aus dem Meer hergestellt wird, wenn dies tatsächlich nicht zutrifft. Ein Verbraucher, der eine dem Kauf eines Handspülmittels angemessene Aufmerksamkeit aufwende, verstehe die Werbung dahingehend, dass es sich bei dem recyceltem Plastik um aus dem Meer angespülten Plastikmüll handle. Die wettbewerbliche Relevanz sei zu bejahen, weil gerade die Vermüllung der Meere mit Plastik ein Thema sei, dem an Umweltschutz interessierte Personen besondere Bedeutung zumäßen. Da die Beklagten näher am Beweis seien als die Klägerin, gehe die dazu getroffene Negativfeststellung des Erstgerichts nach § 1 Abs 5 UWG zu ihren Lasten.
Rechtliche Beurteilung
In ihrem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigen die Beklagten keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.
1. Welchen Grad an Aufmerksamkeit ein angemessen gut unterrichteter, aufmerksamer und kritischer Durchschnittsverbraucher (vgl RIS-Justiz RS0114366 [T5]) bei Erwerb einer Ware aufwendet, ist für die Frage relevant, welches Verständnis er von einer Werbeaussage gewinnt (RIS-Justiz RS0043590 [T48]). Dabei ist auch die Bedeutung der beworbenen Waren oder Dienstleistungen zu berücksichtigen (4 Ob 95/16y mwN). Lässt die Ankündigung mehrere Deutungen zu, muss der Werbende die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (RIS-Justiz RS0078428).
2. Entgegen den Ausführungen im Rechtsmittel ist das Rekursgericht dabei nicht von einem „flüchtigen“ bzw „dummen“ Betrachter ausgegangen, sondern hat seiner Entscheidung ohnedies das europäische Verbraucherleitbild vom angemessen aufmerksamen und kritischen Durchschnittsverbraucher zugrunde gelegt (RIS-Justiz RS0114366 [T5]). Wie ein solcher Durchschnittsverbraucher demnach eine konkrete Angabe oder Werbeaussage versteht und ob nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen eine (relevante) Irreführungseignung zu bejahen ist, hat regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (RIS-Justiz RS0053112 [T2]), soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS-Justiz RS0053112 [T3]).
3. Eine solche Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, wonach aufgrund der mehrfachen Aussagen der Beklagten, dass die Flasche mit 50 % Plastikmüll „aus dem Meer“ hergestellt worden sei bzw des Hinweises, dass der gesammelte Müll „an die Küste gespült wurde“, bei den angesprochenen Verkehrskreisen der irreführende Eindruck erweckt werde, es sei Plastikmüll verwendet worden, der bereits im Meer war, bedarf daher keiner Korrektur.
4. Die Entscheidung steht auch in Einklang mit der gesicherten Rechtsprechung, wonach Werbung mit Umweltschutzbegriffen in hohem Maß geeignet ist, den Kaufentschluss zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0078210; RS0078315) und nach strengen Maßstäben beurteilt werden muss (RIS-Justiz RS0078217).
5.1 Auch im Zusammenhang mit der Beweislast zeigt das Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der beklagte Unternehmer hat gemäß § 1 Abs 5 UWG im Verfahren auf Unterlassung oder Schadenersatz nach § 1 Abs 1 bis 3 UWG die Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen im Zusammenhang mit einer Geschäftspraktik zu beweisen, wenn ein solches Verlangen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Unternehmers und anderer Marktteilnehmer wegen der Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint. Die erforderliche Bezugnahme auf die Umstände des Einzelfalls schließt von vornherein in aller Regel das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen aus (4 Ob 182/15s, regionales Rindfleisch).
5.2 Es bildet keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Rekursgericht zur Aufklärung der Frage, in welchem Ausmaß der verwendete Plastikmüll aus dem Meer stammt, die Beklagten mit dem Nachweis belastet hat und damit argumentiert, dass diese (im Gegensatz zur Klägerin) Zugang zu den Informationen über den Produktionsprozess und die Herkunft der verwendeten Rohstoffe hätten (vgl 4 Ob 182/15s, regionales Rindfleisch).
Die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung waren nicht zu honorieren (§ 508a ZPO).
Schlagworte
Ocean Bottle II,Textnummer
E122649European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00144.18G.0823.000Im RIS seit
19.09.2018Zuletzt aktualisiert am
07.05.2020