Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Yunes B***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Mai 2018, GZ 63 Hv 40/18i-53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit ihren Rechtsmitteln werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Yunes B***** jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall, „Abs 3“ (gemeint [US 7]: Abs 2) SMG (II) schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift in einer „das 15-fache bzw. das 25-fache“ der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, „nämlich 473,5 Gramm Kokain netto mit zumindest 284,3 Gramm Reinsubstanz Cocain (mithin die 18,95-fache Grenzmenge) sowie 48,8 Gramm Heroin netto mit zumindest 25,37 Gramm Reinsubstanz Heroin (mithin die 8,46-fache Grenzmenge), 1,41 Gramm Reinsubstanz Monoacetylmorphin (mithin die 0,47-fache Grenzmenge) und 1,65 Gramm Reinsubstanz Acetylcodein (mithin die 0,06-fache Grenzmenge)“
(I) am 9. Jänner 2018 und am 10. Jänner 2018 aus den Niederlanden aus- und über Belgien und die Tschechische Republik nach Österreich eingeführt, indem er es in Amsterdam verschluckte und damit wie beschrieben reiste;
(II) am 10. Jänner 2018 mit dem Vorsatz befördert und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er es von der österreichischen Staatsgrenze bis nach W***** verbrachte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem angefochtenen Urteil zugunsten des Angeklagten nicht geltend gemachte, diesem jedoch zum Nachteil gereichende materielle Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet, die daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – von Amts wegen wahrzunehmen war:
Den Tatsachenfeststellungen des Ersturteils (die durch [iü gegenständlich inkongruente] Erwähnungen im Urteilsspruch zwar verdeutlicht, aber nicht ersetzt werden können – RIS-Justiz RS0114639) sind allein die Bruttomengen der tatverfangenen Suchtgifte zu entnehmen (US 5). Daher können sie die vorgenommene Subsumtion – schon in objektiver Hinsicht – nicht tragen (RIS-Justiz RS0111350); hierzu hätte es konkreter Konstatierungen zum Reinheitsgehalt bedurft.
Hinzu kommt, dass der (zumindest bedingte – § 7 Abs 1 iVm § 5 Abs 1 StGB) Vorsatz des Täters – um die jeweils angenommene Deliktsqualifikation zu begründen –, (ua) die Begehung in Bezug auf Suchtgift in einer Menge umfassen muss, die ein Fünfundzwanzigfaches (§ 28a Abs 4 Z 3 SMG) oder ein Fünfzehnfaches (§ 28 Abs 2 SMG) der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigt (vgl Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 28 Rz 17 und § 28a Rz 37; Hinterhofer, SMG2 § 28 Rz 49 und § 28a Rz 69). Ein diese (rechtliche) Annahme tragendes Feststellungssubstrat bringt die Urteilsaussage, der Angeklagte habe (bloß) „ernstlich damit gerechnet“, dass es sich bei den von ihm (als „Bodypacks“) verschluckten und transportierten Suchtgiften um „große und auch besonders große Mengen dieser Substanzen handelte“ (US 5), nicht zum Ausdruck.
Da nach der – deshalb gebotenen (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) – Aufhebung der Schuldsprüche nach § 28 und § 28a SMG wegen Fehlens von Feststellungen, die zur Beurteilung der tatverfangenen Suchtgiftmenge als die Grenzmenge (§ 28b SMG) sowie deren Fünfzehn- (§ 28 Abs 2 SMG) und Fünfundzwanzigfaches (§ 28a Abs 4 Z 3 SMG) übersteigend erforderlich sind, auch jene Annahmen, die einen – insoweit nicht erfolgten – Schuldspruch nach § 27 Abs 1 SMG allenfalls zu tragen vermögen, nicht bestehen bleiben, war die Kassation des gesamten Urteils erforderlich (RIS-Justiz RS0115884; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 18).
Bleibt abschließend noch anzumerken, dass die im Urteilsspruch (US 2) angeführten (und dort so bezeichneten) „Netto“-Mengen der tatverfangenen Suchtgifte (mit Blick auf die dort jeweils auch konkret angegebene Wirkstoffart und -menge ist insoweit terminologisch [richtig] wohl von sog. „Brutto“-Mengen auszugehen) mit den auf US 5 angegebenen tatverfangenen „Brutto“-Mengen nicht übereinstimmen.
Das Beschwerdevorbringen hat damit auf sich zu beruhen.
Mit ihren Rechtsmitteln waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft darauf zu verweisen.
Textnummer
E122639European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00089.18Z.0828.000Im RIS seit
19.09.2018Zuletzt aktualisiert am
19.09.2018