Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef K***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Dr. Tilo B***** sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten HE***** GmbH gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 30. Juni 2017, GZ 72 Hv 8/17g-80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten Dr. B***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, im zweiten Rechtsgang (vgl 11 Os 53/15a ua) ergangenen, auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuld- und Freisprüche weiterer Angeklagter enthaltenden Urteil wurde Dr. Tilo B***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er im März und April 2008 in K***** (im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Josef K***** als Mittäter) seine ihm als Geschäftsführer der H***** GmbH (im Folgenden kurz: HV*****) eingeräumte Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen und diese zu verpflichten, dadurch wissentlich missbraucht, dass er für die HV***** als einzig stimmberechtigte Aktionärin der Hy***** AG (im Folgenden kurz: HL*****) beschloss, im Zuge der Gewinnverteilung des Jahresgewinns der HL***** eine – die in deren Satzung festgelegte Höchstdividende um 1,25 % übersteigende, als rechtsgrundloser Verzicht auf den der HV***** zustehenden Gewinn wirkende (US 9 f, 18) – zusätzliche Sonderdividende in Höhe von 2,5 Millionen Euro an die Vorzugsaktionäre dieser Gesellschaft auszuzahlen und den (ohne eigenständiges „Entscheidungspouvoir“ handelnden [US 9]) Vertreter der HV*****, Dr. Alexander S*****, verpflichtete, in der Hauptversammlung der HL***** für einen entsprechenden Gewinnverteilungsvorschlag zu stimmen, wodurch er in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstieß, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen, und die HV***** dadurch in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. B*****.
Die Behauptung, die „Angaben und die 'Verantwortung' der Angeklagten“ (ON 46 S 5 ff) wären in der gemäß § 276a StPO wiederholten (ON 75 S 2), am 20. und am 30. Juni 2017 (ON 75, 79) durchgeführten Hauptverhandlung nicht iSd § 258 Abs 1 StPO vorgekommen, dringt – im Hinblick auf die dort aufrecht erhaltenen bisherigen Verantwortungen (ON 75 S 3, ON 79 S 2) samt dem Verlesungsverzicht (ON 79 S 9) – nicht durch (§ 271 Abs 3 StPO; vgl auch RIS-Justiz RS0126738). Nur wenn im Urteil verwertete Beweismittel auf gar keine Art in der Hauptverhandlung vorgekommen wären, könnte insoweit Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO vorliegen (RIS-Justiz RS0111533; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 460).
Weshalb die von den Tatrichtern aus diesen Angaben – auch in Ansehung der „Erstellung und Weiterleitung des entsprechenden Gewinnvorschlages“ (US 15) – gezogenen Schlussfolgerungen (US 12 f, 15 ff) den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS-Justiz RS0099413, RS0116732) widersprächen, macht das Vorbringen nicht deutlich. Indem der Beschwerdeführer daraus abgeleitete, für sich günstigere Schlüsse reklamiert, beschränkt er sich darauf, nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die Beweiswürdigung des Schöffengerichts zu bekämpfen, worauf inhaltlich daher nicht einzugehen war.
Dem Vorwurf fehlender Erörterung (Z 5 zweiter Fall) von – den Beschwerdeführer vermeintlich entlastenden – Angaben des Zeugen Dr. S***** zuwider hat dieser lediglich angegeben, über keine konkreten Wahrnehmungen darüber verfügt zu haben, wer die Ausschüttung der Sonderdividende beauftragt habe (ON 75 S 10 ff). Die von ihm dazu geäußerten Meinungen und Schlussfolgerungen sind als Wiedergabe bloß subjektiver Eindrücke eines Zeugen keine erörterungspflichtigen Beweisergebnisse (§ 154 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0097540, RS0097545, RS0097573; Kirchbacher, WK-StPO § 247 Rz 5 mwN; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 352, 435).
Die Frage, ob der Angeklagte K***** oder der Beschwerdeführer (selbst) den genannten Zeugen beauftragt hat, betrifft – entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) – (wie hier) im Fall der Mittäterschaft keine entscheidende Tatsache (vgl RIS-Justiz RS0089808; US 8 f, 14 f).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht die Feststellungen zur vom Beschwerdeführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit K***** erfolgten Erstellung und Weiterleitung des als Verzicht für die HV***** wirkenden und für deren in der Hauptversammlung der HL***** ohne eigenes „Entscheidungspouvoir“ handelnden Vertreter verbindlichen Gewinnverteilungsvorschlags (US 8 ff). Sie legt überdies nicht dar, weshalb der – hier durch Weisung an einen als bloßes Werkzeug agierenden Untergebenen delegierte – Verzicht auf die Ausschüttung eines dem Machtgeber zustehenden Gewinns (vgl RIS-Justiz RS0019667; Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153 Rz 28 und 32) keine diesen unmittelbar schädigende (RIS-Justiz RS0094836 [T4, T6, T10, T14], RS0130418) Rechtshandlung (RIS-Justiz RS0094733 [T2, T3, T5]) sein sollte. Das nachfolgende Verhalten der Machthaber der HL***** ist ebenso wie die Auszahlung der Sonderdividende für den Eintritt des Vermögensnachteils demnach ohne rechtliche Relevanz (im Sachverhalt anders 11 Os 126/16p [„Untreue auf Ebene der AG“]).
Soweit der Beschwerdeführer fehlende „Feststellungen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses“ rügt (Z 9 lit a), übergeht er die Feststellung der fehlenden Satzungsänderung (US 9). Er legt überdies nicht dar, wieweit die mit diesem Vorbringen allein angesprochene Frage der Anfechtbarkeit der Beschlussfassung der HL***** (vgl Gruber in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 145 Rz 39, 42 ff) für die Tatbestandsmäßigkeit nach § 153 StGB und nicht bloß unter dem Blickpunkt einer allfälligen Schadensgutmachung rechtlich bedeutsam wäre (RIS-Justiz RS0095462, RS0099015; vgl auch 11 Os 52/15d [dort zur Einräumung von Optionen]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten Dr. B*****, der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten HE***** GmbH.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E122636European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00051.18M.0828.000Im RIS seit
19.09.2018Zuletzt aktualisiert am
16.10.2018