Entscheidungsdatum
06.09.2018Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
W203 2166071-1/4E
W203 2166073-1/5E
W203 2166066-1/4E
W203 2166070-1/4E
W203 2166068-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.)
XXXX , geb. XXXX .2001 , StA. Syrien, vertreten durch seinen Vater
XXXX , dieser wiederum vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2017, Zl. 1091630203 - 151590623, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und 1.) XXXX gemäß § 3 Abs. 1
AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER als Einzelrichter über die Beschwerden von
2.) XXXX , geb. XXXX .1979 und 3.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Syrien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2017, Zlen. 2.) 1070604409 - 150555064 und 3.) 1122574000 - 160985716, zu Recht:
A) Den Beschwerden wird stattgegeben und 2.) XXXX und 3.) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm. § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 2.) XXXX und 3.) XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
III. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER als Einzelrichter über die Beschwerden von
4.) XXXX , geb. XXXX .2004 und 5.) XXXX , geb. XXXX .2017 , beide StA. Syrien, vertreten durch ihren Vater XXXX , dieser wiederum vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2017, Zlen. 4.) 1091630508 - 151590631 und 5.) 1153034508 - 170600161, zu Recht:
A) Den Beschwerden wird stattgegeben und 4.) XXXX und 5.) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm. § 34 Abs. 2 und Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 4.) XXXX und 5.) XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer XXXX (im Folgenden: BF1) ist der minderjährige Sohn des Zweitbeschwerdeführers XXXX (im Folgenden: BF2) und der Drittbeschwerdeführerin XXXX (im Folgenden: BF3). Die Viertbeschwerdeführerin XXXX (im Folgenden: BF4) und der Fünftbeschwerdeführer XXXX (im Folgenden: BF5) sind ebenfalls minderjährige, ledige Kinder des BF2 und der BF3 und daher Geschwister des BF1. Sämtliche Beschwerdeführer sind syrische Staatsbürger und gehören der arabischen Volksgruppe an.
Der BF1 und die BF4 stellten am 20.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF2 stellte am 25.05.2015 für sich selbst und am 18.05.2017 für seinen in Österreich geborenen Sohn, den BF5, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Die BF3 stellte am 14.07.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 20.10.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF1 statt. Dabei legte er einen syrischen Reisepass vor und gab im Wesentlichen an, Araber zu sein und dem islamischen Glauben anzugehören. Er habe Syrien Ende 2013 mit einem PKW legal mit einem syrischen Reisepass verlassen und sei in den Libanon gefahren. Von dort sei er mit dem Flugzeug in die Türkei gereist, wo er etwa zwei Jahre gelebt habe. Am 10.10.2015 sei er mit einem Schlauchboot nach Griechenland und mit verschiedenen Verkehrsmitteln letztlich nach Österreich gelangt. Befragt nach seinen Fluchtgründen gab er an, er habe Syrien wegen des Krieges verlassen. Sein Vater (BF2) sei zweimal verhaftet worden. Das Haus der Familie sei von Raketen getroffen worden. Sein Vater sei schon früher geflüchtet, nunmehr sei der BF1 mit seiner Schwester (BF4) nachgekommen.
Die niederschriftliche Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des BF2 fand bereits am 25.05.2015 statt. Der BF2 legte einen syrischen Reisepass, einen syrischen Personalausweis sowie einen Wehrdienstausweis vor und gab ebenfalls an, Araber und Moslem zu sein. Er sei mit der BF3 verheiratet und habe Syrien im Februar 2013 von Damaskus ausgehend mit einem Taxi legal mit einem syrischen Reisepass verlassen und sei in den Libanon gefahren, von wo aus er in die Türkei geflogen sei. Im Mai 2015 sei er schlepperunterstützt über Griechenland nach Österreich gekommen. Nach seinen Fluchtgründen befragt gab er an, 2006 seine rechte Hand bei einem Arbeitsunfall verloren zu haben, weshalb er immer wieder bei Militärkontrollen angehalten worden sei. Es werde vermutet, dass er die Hand bei einem Kampf gegen das Regime verloren habe, weshalb er auch zweimal festgenommen und geschlagen worden sei.
Die niederschriftliche Erstbefragung der BF3 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes fand am 14.07.2016 statt. Die BF3 legte einen syrischen Reisepass vor und gab zusammengefasst an, sich zum sunnitischen Islam zu bekennen und mit dem BF2 verheiratet zu sein. Sie habe Syrien legal mit einem syrischen Reisepass verlassen und sei in die Türkei gereist, wo sie sich zwei Jahre lang aufgehalten habe. Danach sei sie nach Österreich gereist, da ihr Mann und ihre Kinder hier bereits gelebt hätten. Befragt nach ihren Fluchtgründen führte die BF3 aus, dass die Lage in Syrien sehr schlecht sei, es gebe keine Sicherheit mehr. Der Krieg herrsche überall. Die freie Armee in Syrien habe auch einmal versucht, sie zu entführen.
3. Am 06.02.2017 wurde der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zusammengefasst an, dass er in Damaskus geboren und syrischer Staatsangehöriger sei. Er bezog sich auf das Familienverfahren mit seinem Vater und gab an, keine eigenen Fluchtgründe zu haben. Es selbst habe Angst vor dem Krieg, alles werde beschossen.
Der BF2 gab in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 06.02.2017 im Wesentlichen an, dass er in Damaskus geboren und syrischer Staatsangehöriger sei. Er sei mit der BF3 verheiratet; gemeinsam hätten sie eine minderjährige Tochter (BF4) sowie einen minderjährigen Sohn (BF1), die der BF2 im Verfahren vertrete. Im Jahr 2012 seien die Wohnung der Familie und eigentlich ihre ganze Heimatstadt zerstört worden. Im Jahr 2006 habe der BF2 bei der Montage eines SAT-Anschlusses seine rechte Hand verloren. Im Jahr 2010 sei er zehn Tage und im Jahre 2012 sei er 15 Tage in Haft gewesen, nachdem ihn Beamte bei einer Straßenkontrolle verhaftet hätten. Sie hätten ihn geschlagen und ihm nicht geglaubt, dass er die Hand bei einem Stromunfall verloren habe. Um wieder aus der Haft entlassen zu werden, habe der BF2 Bestechungsgeld bezahlt. Bei seiner legalen Ausreise in den Libanon habe es keine Probleme gegeben. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor Festnahmen. Sein Sohn (BF1) werde im nächsten Jahr sein Militärbuch erhalten und würde danach den Militärdienst absolvieren müssen. Der BF2 legte ein Familienbuch sowie seinen syrischen Führerschein vor.
Am 03.02.2017 wurde die BF3 vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Sie gab ebenfalls an, in Damaskus geboren und syrische Staatsangehörige zu sein. Sie sei gesund und im sechsten Monat schwanger. Sie habe bis 2012 mit dem BF2 in Syrien zusammengelebt, im Dezember 2012 sei die BF3 nach Jordanien ausgereist, um sich dort die Lage anzusehen. Ihr Mann (BF2) und die Kinder (BF1, BF4) seien noch bis Ende 2013 in Syrien geblieben, danach seien sie in die Türkei gegangen, wohin auch die BF3 nachgekommen sei. Da die Familie in der Türkei nicht genug Geld gehabt habe, seien sie (zu unterschiedlichen Zeitpunkten) nach Österreich gereist. Die BF3 habe zwei minderjährige Kinder (BF1 und BF4), welche der BF2 im Verfahren vertrete. Nach ihren Fluchtgründen befragt führte die BF3 aus, sie habe keine eigenen Gründe. Sie sei mit ihrem Gatten aus Syrien weggegangen, weil sie ein besseres Leben führten möchte.
4. Der BF2 übermittelte mit Schreiben vom 23.02.2017 eine Stellungnahme und führte aus, dass ihm im Falle einer Rückkehr eine asylrelevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohe. Darüber hinaus würde die Familie im Falle einer Rückkehr eine Verletzung der in Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte erleiden.
5. Mit den im Spruch genannten Bescheiden vom 01.06.2017 wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).
Festgestellt wurde durch die belangte Behörde betreffend aller Beschwerdeführer, dass ihre Identität feststehe und sie der arabischen Volksgruppe sowie der muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung angehören würden. Die BF2 und BF3 seien verheiratet und hätten drei Kinder. Die BF1, BF2, BF3 und BF4 seien illegal in Österreich eingereist, während der BF5 2017 in Österreich geboren sei. Der BF2 sei körperlich nicht in der Lage, den Reservemilitärdienst abzuleisten. Betreffend den BF2 wurde zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates festgestellt, dass ihm in Syrien keine asylrelevante Verfolgung drohe. Er sei in seinem Heimatstaat weder vorbestraft, noch würden aktuell Fahndungsmaßnahmen gegen ihn bestehen. Er sei weder politisch tätig, noch Mitglied einer politischen Partei. Er habe weder aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppe Probleme in Syrien noch persönliche Probleme mit Privatpersonen. Auch aus sonstigen Umständen habe eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht festgestellt werden können. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass sich aus der körperlichen Beeinträchtigung des BF2 ergebe, dass er nicht in der Lage sei, zum Reservemilitärdienst anzutreten. Der BF2 habe auch zu keiner Zeit eine tatsächliche, personenbezogene, asylrelevante Verfolgung seiner Person vorgebracht. In der Erstbefragung bzw. der Einvernahme habe er seine Probleme aufgrund seiner fehlenden Hand geschildert und ausgeführt, dass er verdächtigt worden sei, die Hand im Kampf gegen das Regime bzw. bei terroristischen Handlungen verloren zu habe. Selbst wenn der BF2 zweimal inhaftiert worden wäre, würde dies keine Verfolgung im Sinne der GFK darstellen, da es sich bei den Festnahmen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit um Missverständnisse gehandelt habe und der BF2 auch erst lange Zeit nach den Festnahmen ausgereist sei. Auch die legale Ausreise aus Syrien bestätige, dass er keine Probleme mit den Behörden gehabt habe. Vielmehr habe der BF2 aus wirtschaftlichen Gründen die Reise nach Österreich angetreten. Aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens hätten sich bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf ein Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher gemäß Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK zur Gewährung von Asyl führen würde, ergeben. Betreffend die BF1, BF3, BF4 und BF5 wurde festgestellt, dass sie keine eigenen Gründe für das Verlassen ihres Heimatlandes geltend gemacht hätten, sondern sich hinsichtlich der Fluchtgründe auf die Fluchtgründe des BF2 bezogen hätten. Der Antrag des BF2 auf internationalen Schutz sei hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen worden. Auch aus den sonstigen Umständen habe sich keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Nationalität, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ergeben. Bezogen auf die gesamte Familie wurde festgestellt, dass im Falle einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung keine ausreichende Lebenssicherheit bestehe.
6. Gegen die Spruchpunkte I. der jeweiligen, oben angefochtenen Bescheide brachten die BF1 bis BF5 gemeinsam Beschwerde ein, welche am 03.07.2017 bei der belangten Behörde einlangte, und begründeten diese Beschwerde im Wesentlichen wie folgt:
Der BF2 sei bereits zweimal festgenommen, entführt, inhaftiert und schwer misshandelt worden, da ihm aufgrund eines Arbeitsunfalles sein rechter Arm abgenommen worden sei und er nunmehr verdächtigt werde, mit der freien syrischen Armee zusammenzuarbeiten und den Arm bei Kämpfen verloren zu haben. Nur aufgrund der Vorlage ärztlicher Befunde und der Bezahlung von Bestechungsgeld sei er wieder freigekommen. Auch der Cousin des BF2 sei wegen des Verdachts gegen den BF2 inhaftiert worden und letztlich aufgrund schwerer Misshandlungen gestorben. Der BF1 könne aufgrund seines Alters der Gefahr der Zwangsrekrutierung durch verschiedene Gruppierungen ausgesetzt sein, wobei die Gefahr mit zunehmendem Alter steige. Der BF4 drohe die Gefahr, als Mädchen bzw. junge Frau entführt und in militärischen Ausbildungscamps für Kampfeinsätze vorbereitet und zu solchen herangezogen zu werden. Zusätzlich drohe ihr als Mädchen die ständige Gefahr, verschleppt, vergewaltigt, sexuell versklavt oder ermordet zu werden. Aufgrund dieser Sachverhalte und einer Kombination all dieser Umstände liege bei den Beschwerdeführern eindeutig eine Verfolgung aufgrund einer - zumindest unterstellen - gegen die Regierung gerichteten politischen Gesinnung vor. Weiters wurde in der Beschwerde auf einen Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, auf ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts sowie die "UNHCR-Richtlinien - Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen" hingewiesen.
7. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht einlangend am 31.07.2017 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer und deren Fluchtgründen:
BF1 bis BF5 sind syrische Staatsangehörige und gehören der arabischen Volksgruppe an.
Der BF2 ist mit der BF3 verheiratet, die BF1, BF4 und BF5 sind ihre gemeinsamen, minderjährigen und ledigen Kinder.
Die BF3 reiste Ende 2012 aus Syrien aus. Die BF1, BF2 und BF4 verließen Syrien Ende 2013. Nach Auslandsaufenthalten in unterschiedlichen Staaten reisten die BF1 bis BF4 - zum Teil schlepperunterstützt - nach Österreich und stellten hier Anträge auf internationalen Schutz. Der BF5 ist als Sohn des BF2 und der BF3 am XXXX .2017 in Österreich geboren.
Festgestellt wird, dass in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren besteht. Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wehrdienstpflichtige werden dabei nicht nur per Post, sondern auch auf persönlichem Wege rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Es gibt immer wieder Razzien, bei denen an einem Ort alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert werden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter kann rekrutiert werden. Teilweise werden auch Minderjährige, die kurz vor dem wehrpflichtigen Alter sind (16-17 Jahre), an Checkpoints von der syrischen Armee rekrutiert.
Der BF1 ist 2001 geboren. Im Entscheidungszeitpunkt ist er 17 Jahre alt und in einem guten Gesundheitszustand. Er wäre nach Erreichen des 18. Lebensjahres - also im Falle einer Rückkehr nach Syrien in relativ naher Zukunft - in Syrien wehrdienstpflichtig und müsste damit rechnen, spätestens zu diesem Zeitpunkt - allenfalls aber auch schon vor seinem 18. Geburtstag - zum Dienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden. Im Zusammenhang mit der Einziehung zum Militärdienst und der Ableistung desselben wäre er der Gefahr ausgesetzt, zu menschen- und völkerrechtsverletzenden Handlungen gezwungen bzw. bei Verweigerung des Militärdienstes unverhältnismäßig bestraft zu werden. Auch vor Erreichung des gesetzlichen Wehrpflichtalters besteht für den BF1 eine nicht unerhebliche Gefahr, zu Kampfeinsätzen herangezogen zu werden. Hinsichtlich des BF1 liegt kein Grund für einen Aufschub oder eine Befreiung vom syrischen Wehrdienst vor.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 25.01.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 24.8.2018), Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl:
1.2.1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen (Länderinformationsblatt S. 7ff):
Kurzinformation vom 24.8.2018
Die syrische Regierung unter Präsident Bashar al-Assad hat mit der Unterstützung Russlands seit Jahresbeginn 2018 große Gebiete zurückerobert (Die Zeit 27.7.2018) und kontrolliert nun etwa 60 Prozent des syrischen Staatsgebietes und zwölf von vierzehn Provinzen (TDS 18.8.2018).
Nach der Offensive auf das Damaskus-Umland und insbesondere auf Ost-Ghouta zogen sich Ende Mai 2018 die letzten Rebellen aus dem Großraum Damaskus zurück, wodurch die Hauptstadt und ihre Umgebung erstmals wieder in ihrer Gesamtheit unter Kontrolle der Regierung stehen (Spiegel Online 21.5.2018, ISW 1.6.2018).
Im Juni 2018 trafen die USA und die Türkei eine Vereinbarung, laut welcher die Milizen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) aus Manbij abziehen und infolgedessen türkische und US-amerikanische Einheiten in der nordsyrischen Stadt für Sicherheit und Stabilität sorgen sollten (Reuters 18.6.2018). Im folgenden Monat verließen die letzten Einheiten der YPG Manbij (Reuters 15.7.2018).
Mit 19. Juni 2018 startete die syrische Regierung eine Offensive zur Rückeroberung der Provinzen Quneitra und Deraa im Süden Syriens. In der Provinzhauptstadt Deraa waren 2011 die ersten Proteste gegen das Assad-Regime ausgebrochen. Im Juli 2017 wurde dort eine sogenannte Deeskalationszone eingerichtet (Harrer 5.7.2018). Die beiden Provinzen wurden durch die Regierung zurückerobert und Ende Juli 2018 wurden auch die letzten Dörfer, die sich noch unter Kontrolle einer mit dem sogenannten Islamischen Staat (IS) in Verbindung stehenden Gruppierung befanden, erobert. Die meisten dieser Städte und Dörfer kapitulierten unter sogenannten Versöhnungsabkommen, wobei Kämpfern und Zivilisten die Möglichkeit gegeben wurde, in von oppositionellen Gruppen kontrollierte Gebiete im Norden Syriens zu ziehen (Guardian 31.7.2018). Mit der Rückeroberung dieser Gebiete erlangte die syrische Regierung außerdem die Kontrolle über die syrisch-jordanische Grenze zurück (ISW 15.7.2018).
Im Juli 2018 wurden die beiden letzten von Rebellen belagerten regierungstreuen Orte in der Provinz Idlib evakuiert. Die Vereinbarung zur Evakuierung der mehrheitlich schiitischen Dörfer Fua und Kafraja wurde laut Oppositionskreisen von iranischen Einheiten und der islamistischen Rebellenallianz Hay'at Tahrir al-Sham getroffen (NZZ 19.7.2018; ISW 31.7.2018).
Ende Juli 2018 führten Vertreter der kurdischen Behörden erstmals seit Ausbruch des Bürgerkriegs Gespräche mit der syrischen Regierung in Damaskus über die Zukunft der von Kurden kontrollierten Gebiete im Land (Zeit 27.7.2018). Die syrischen Kurden kontrollieren etwa ein Viertel des syrischen Staatsgebietes im Norden und Osten des Landes (Presse 27.7.2018).
Der IS hat seine Hochburgen in Syrien verloren, trotzdem operieren Schläferzellen des IS weiterhin auf syrischem Staatsgebiet. Die exakte Zahl der im Land verbliebenen IS-Kämpfer ist unbekannt, aber ein Bericht der Vereinten Nationen vom August 2018 geht von 20.000 bis 30.000 IS-Kämpfern in Syrien und im Irak aus (TDS 14.8.2018). Im Juli 2018 führte der IS einen Angriff auf Suwayda im Süden Syriens durch, bei dem über 250 Personen getötet und mehr als 30 Personen entführt wurden (TDS 5.8.2018).
Trotz internationaler Mahnungen gibt es bereits seit einiger Zeit Hinweise, dass sich die Truppen von Machthaber Bashar al-Assad auf eine Offensive auf die großteils von Rebellen gehaltene Provinz Idlib vorbereiten. Nach Idlib wurden im Zuge der Versöhnungsabkommen zehntausende Rebellen gebracht (Standard 10.8.2018). Es werden bereits Luftangriffe und Artilleriebeschüsse auf die Provinz durchgeführt. Die Offensive wird jedoch durch die Präsenz der türkischen Beobachtungsposten verkompliziert (Presse 16.8.2018). Diese Präsenz ist in einer Vereinbarung zwischen Iran, Russland und der Türkei begründet, welche im Rahmen der Verhandlungen in der kasachischen Hauptstadt Astana im Jahr 2018 zur Etablierung einer sogenannten Deeskalationszone in Idlib getroffen wurde. Die Türkei hat dieser Vereinbarung entsprechend mittlerweile etwa 1.000 Truppen an 12 Beobachtungsstützpunkten in Ostidlib stationiert (TDS 14.8.2018).
Den Vereinten Nationen zufolge könnten bis zu 2,5 Millionen Personen versuchen, in die Türkei zu flüchten; der Nachbar Syriens hält jedoch seine Grenzen bisher geschlossen. Medienberichten zufolge versucht die Türkei bisher vergeblich, die Extremistentruppe Hay'at Tahrir al-Sham aufzulösen, um eine Einigung mit Russland zu erreichen und den Großangriff auf Idlib doch noch zu verhindern (Presse 16.8.2018).
Medienberichte kündigten an, dass Ende Mai 2018 erstmals seit Beginn des Krieges Rekruten vom Wehrdienst entlassen werden sollten. Al-Watan, einer regierungsnahen syrischen Tageszeitung zufolge, sollten die Offiziere und Reservisten der Rekrutierungsklasse 102 von 2010 mit 1. Juni 2018 nach acht Jahren Militärdienst entlassen werden (TDS 26.5.2018; Syria Direct 29.5.2018). Die syrischen Staatsmedien berichteten nicht über diese Entscheidung und lokale Zeitungen gaben auch nicht bekannt, wie viele Soldaten davon betroffen sein sollten (TDS 26.5.2018).
1.2.2. Streitkräfte (Länderinformationsblatt S. 34ff):
Die syrischen Streitkräfte bestehen aus der Armee, der Marine und der Luftwaffe. Sie sind für die Verteidigung des nationalen Territoriums und den Schutz des Staates vor internen Bedrohungen verantwortlich (UK HOME 11.9.2013).
Vor dem Konflikt soll die syrische Armee eine Mannstärke von geschätzten 295.000 Personen gehabt haben (UK HOME 8.2016). Sie kann das gesamte syrische Staatsgebiet nicht mehr unabhängig sichern und sechs Jahre mit Überläufen zu den Regimegegnern, Desertionen und Verlusten durch den Konflikt haben die Mannstärke aus den Vorkriegszeiten stark dezimiert - auf geschätzte 100.000 - 175.000 Mann in 2014 und 2015, großteils bestehend aus mangelhaft ausgerüsteten und trainierten Wehrdienstleistern (ISW 8.3.2017; vgl. FIS 23.8.2016).
Der Aufbau der syrischen Armee basiert auf dem sogenannten Quta'a-System [arab. Sektor, Landstück]. Hierbei wird jeder Division (firqa) ein bestimmtes Gebiet zugeteilt. Dies verbindet jeden Sektor (quta'a) mit einer Division (firqa) und somit Karriere und Leben eines Offiziers mit einer Armee-Division und dem dazugehörigen Gebiet. Mit diesem System wurde in der Vergangenheit verhindert, dass Offiziere überlaufen. Gleichzeitig gab die Armee dem Divisionskommandeur eine Carte blanche über das Gebiet, für das er zuständig ist, wonach er "jeden Vorfall in seiner quta'a selbst regeln kann, ohne die Führung (das Verteidigungsministerium in Damaskus) zu involvieren, wenn keine Kommunikation möglich ist, oder ein Notfall vorliegt". Gleichzeitig kann dadurch der Präsident den Einfluss einzelner Divisionskommandeure einschränken, indem er sie gegeneinander ausspielt (CMEC 14.3.2016). Im Zuge des Konfliktes hat das Regime jedoch loyale Einheiten in größere Einheiten eingebaut, um eine bessere Kontrolle auszuüben und ihre Effektivität im Kampf zu verbessern (ISW 8.3.2017).
1.2.3. Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen (Länderinformationsblatt S. 42ff):
Rekrutierung von Minderjährigen durch verschiedenste Organisationen
Regierungseinheiten, Pro-Regime-Milizen, bewaffnete oppositionelle Gruppen und terroristische Organisationen rekrutieren Kinder und nutzen sie als Soldaten, menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Henker und auch in unterstützenden Funktionen. Kinder werden als Zwangsarbeiter oder Informanten benutzt, wodurch sie dem Risiko von Vergeltungsakten oder extremen Bestrafungen ausgesetzt sind. Manche bewaffnete Gruppierungen, die auf der Seite der Regierung kämpfen, zwangsrekrutieren Kinder - manche nicht älter als 6 Jahre (USDOS 27.6.2017). Der Syria Monitoring and Reporting Mechanism (MRM4Syria) berichtete in der ersten Hälfte von 2017 von 300 verifizierten Fällen der Rekrutierung von Kindern wobei 18% davon unter 15 Jahre alt waren (UNOCHA 11.2017). Die Vereinten Nationen dokumentierten im Jahr 2016 851 Fälle der Rekrutierung von Kindern durch Gruppierungen die sich der Freien Syrischen Armee unterordneten (507), den IS (133), regierungstreue Milizen (54), die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (46), Regierungseinheiten (29), Army of Islam (28), Ahrar ash-Sham (17), die Nusrah Front (Jabhat Fatah ash-Sham) (10), Nur al-Din al-Zanki (3) und nicht identifizierte bewaffnete Gruppen (24). 20 Prozent der verifizierten Fälle betrafen Kinder unter 15 Jahren (UNSG 24.8.2017). Es gibt Fälle von Minderjährigen, die kurz vor dem wehrpflichtigen Alter sind (16-17 Jahre) die an Checkpoints von der syrischen Armee rekrutiert wurden (DRC/DIS 8.2017).
Vor allem in den Gegenden, die von bewaffneten terroristischen Gruppierungen kontrolliert werden oder auch in Flüchtlingslagern in benachbarten Ländern ist die Rekrutierung von Kindersoldaten verbreitet, wobei die Gruppierungen die sozioökonomische Lage der Kinder und ihrer Familien ausnutzen. Von IS- oder al-Qaida-nahen bewaffneten Gruppen wurden Einheiten gegründet wie z.B. die Ashbal al-Zarqawi ("die Löwenjungen von al-Zarqawi"), Ashbal Jabhat al-Nu?rah ("die Löwenjungen von Jabhat al-Nusrah") und Ashbal al-Khilafah ("die Löwenjungen des Kaliphats") mit Kindern von 5 bis 15 Jahren (UNHRC 28.9.2016).
Es gibt aktive Versuche der Rekrutierung von Kindern durch den sogenannten Islamischen Staat (IS), die einer Nötigung gleichkommen (BFA 8.2017). Der IS setzt aktiv Kinder - manche lediglich 8 Jahre alt - in Kampfhandlungen ein, teils auch bei der Enthauptung von Soldaten des syrischen Regimes. Der IS zielt bewusst auf Kinder ab, um diese zu indoktrinieren und nutzt Schulen für militärische Zwecke, wodurch Kinder gefährdet werden und ihr Zugang zu Bildung eingeschränkt wird (USDOS 27.6.2017).
Organisationen wie Human Rights Watch, den Vereinten Nationen und KurdWatch zufolge rekrutiert die YPG sogar Kinder, einige nicht älter als zwölf Jahre, um sie im Kampf einzusetzen (ES BFA 8.2017). [Weitere Informationen hierzu siehe Abschnitt "8.4. Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)"].
Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst
Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder lokalen bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Militärdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht. In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).
Die Rekrutierung von männlichen Syrern findet nach wie unvermindert statt (DRC/DIS 8.2017). Für männliche syrischen Staatsbürger und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 5.12.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017). Diejenigen männlichen palästinensischen Flüchtlinge, im Alter von 18 bis 42 Jahren, welche vor 1956 bei der General Administration for Palestine Arab Refugees (GAPAR) registriert waren, und deren Nachkommen müssen den verpflichtenden Wehrdienst bei der Palästinensischen Befreiungsarmee (PLA), einer Einheit der syrischen Streitkräfte, ableisten. Für diese Palästinenser gelten die gleichen Voraussetzungen für den Wehrdienst wie für Syrer (BFA 8.2017). [Informationen zu Palästinensern finden sich auch unter Abschnitt "15.1. Palästinensische Flüchtlinge"]
Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsatz verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. "Rekrut" ist der niedrigste Rang, und die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).
Normalerweise werden Einberufungsbefehle schriftlich mit der Post zugestellt, zur Zeit wird jedoch eher auf persönlichem Wege zum verpflichtenden Militärdienst rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros zum Haus der Wehrpflichtigen geschickt. Wenn der Gesuchte zu Hause ist, wird er direkt mitgenommen. Wenn er nicht zu Hause ist, wird der Familie mitgeteilt, dass er sich bei der nächsten Kaserne zu melden habe. Es gibt immer wieder Razzien, wie zum Beispiel Anfang Mai 2017, als bei einem Fußballspiel in Tartus alle Männer beim Verlassen des Stadions versammelt und zum Dienst verpflichtet wurden. Einige Zeit zuvor gab es einen weiteren Vorfall, bei dem vor einem Einkaufszentrum in Damaskus alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert wurden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Syria Direct 7.12.2017). Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, die das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2015).
Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (FIS 23.8.2016; vgl. ISW 8.3.2017). Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es gibt auch Männer im kampffähigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).
Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016; vgl. Zeit 10.12.2017).
Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, und auch nicht aus anderen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017; vgl. PAR 15.11.2017)
Befreiung und Aufschub
Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, die Situation in der Praxis ist jedoch anders. Präsident al-Assad versucht den Druck in Bezug auf den Wehrdienst zu erhöhen, und es gibt nun weniger Befreiungen und Aufschübe beim Wehrdienst. Generell werden die Regelungen nun strenger durchgesetzt, außerdem gibt es Gerüchte, dass Personen trotz einer Befreiung oder eines Aufschubs rekrutiert werden. Was die Regelungen zur Befreiung oder zum Aufschub des Wehrdienstes betrifft, so hat man als einziger Sohn der Familie noch die besten Chancen. Das Risiko der Willkür ist jedoch immer gegeben (BFA 8.2017; vgl. DRC/DIS 8.2017).
Unbestätigte Berichte legen nahe, dass der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit über den Wegfall von Aufschubgründen informiert ist, und diese auch digital überprüft werden. Zuvor mussten Studenten den Status ihres Studiums selbst dem Militär melden, in den letzten zwei Jahren wird der Status von Studenten aktiv überprüft. Generell werden Universitäten nun strenger überwacht und von diesen wird nun verlangt, dass sie das Militär über die Anwesenheit bzw. Abwesenheiten der Studenten informieren. Kürzlich gab es eine Änderung bezüglich des Aufschubs aufgrund eines Lehramts-Studiums. Zuvor war es möglich, einen Aufschub des Wehrdienstes zu erwirken, wenn man ein Lehramts-Masterstudium begann, unabhängig davon welches Bachelor-Studium man zuvor absolviert hatte. Dieser Aufschubgrund funktioniert nun nur noch, wenn man auch den Bachelorabschluss im Lehramtsstudium gemacht hat (BFA 8.2017).
Es gibt Beispiele, dass Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann, sondern schlicht Willkür darstellt. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt, im Zuge des aktuellen Konfliktes - manchmal sogar Jahre danach - trotzdem eingezogen zu werden (BFA 8.2017).
Es gibt ein Gesetz, das syrischen Männern, die mehr als fünf Jahre außerhalb des Landes gelebt haben, gegen Zahlung eines Bußgeldes die Befreiung vom Militärdienst ermöglicht. Diese Gebühr wurde von 5.000 USD auf 8.000 USD erhöht (BFA 8.2017).
Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 15.8.2017). Zunehmend zieht die Regierung, wie berichtet wird, zuvor "geschützte" Personen wie Studenten, Beamte und Häftlinge zum Militärdienst ein (BFA 8.2017; vgl. UNHCR 3.11.2017). Von Staatsangestellten wird erwartet, dass sie dem Staat zur Verfügung stehen. Um sich ein "Pool" von potentiell zur Verfügung Stehenden zu sichern, wurde ein Dekret bezüglich Staatsangestellte und Wehrdienst erlassen: Laut Legislativdekret Nr. 33 von 2014 wird das Dienstverhältnis von Staatsangestellten beendet, wenn sie sich der Einberufung zum Wehr- oder Reservedienst entziehen (BFA 8.2017). Hierzu gab es bereits Ende 2016 ein Dekret, welches jedoch nicht umfassend durchgesetzt wurde. Im November 2017 gab es eine erneute Direktive des Premierministers Imad Khamis, laut der "die Anstellung von jenen beendet werden soll, die den verpflichtenden Wehrdienst oder den Reservedienst vermeiden". Dieser Direktive folgten bereits Entlassungen, wobei nicht bekannt ist, in welchem Ausmaß sie stattfinden (Syria Direct 7.12.2017). Gerade auch in alawitischen Gebieten gibt es eine Verbindung zwischen Staatsangestellten und der Notwendigkeit der Erfüllung bürgerlicher Pflichten (BFA 8.2017).
Entlassungen
Es liegen aktuell keine Informationen zu Entlassungen von Soldaten aus dem Militärdienst vor, es ist jedoch möglich, dass dies trotzdem vorkommt. Viele Männer haben Angst, nicht mehr aus dem Dienst entlassen zu werden, wenn sie einmal eingezogen werden. Manche Männer, die den verpflichtenden Wehrdienst bereits abgeleistet haben, werden wieder zum Dienst einberufen, oder der Dienst mancher Männer wird einfach verlängert (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).
Wehrdienstverweigerung / Desertion
Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).
Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten. Bei einer Wehrdienstverweigerung hat man die Möglichkeit sich zu verstecken und das Haus nicht mehr zu verlassen, das Land zu verlassen, sich durch Bestechung freizukaufen oder einer anderen Gruppierung beizutreten. Bezüglich Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während die einen eine Foltergarantie und Todesurteil sehen, sagen andere, dass Verweigerer sofort eingezogen werden (BFA 8.2017). Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.2.2015).
Wenn jemand den Wehrdienst verweigert und geflohen ist, gibt es die Möglichkeit seinen Status zu "regularisieren", wobei möglicherweise auch ein signifikanter Betrag zu entrichten ist (gerüchteweise bis zu 8.000 USD). Eine solche "Regularisierung" schützt allerdings nicht automatisch vor Repressalien oder einer zukünftigen Rekrutierung. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).
Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (so genannte externe Desertion), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).
In vielen Fällen erwartet Deserteure der Tod. Möglicherweise werden sie inhaftiert, befragt und gefoltert, wobei die Behandlung eines Deserteurs auch davon abhängt wer er ist, welcher Konfession er angehört, wie wohlhabend er ist etc. Die große Sorge vieler ist hierbei auch, dass dies nicht nur den Tod des Deserteurs oder die Vergeltung gegen ihn, sondern auch Maßnahmen gegen seine Familie nach sich ziehen kann. Die gängige Vorgehensweise ist, Deserteure nicht zurück an die Front zu schicken, sondern sie zu töten. Berichten zufolge werden sie an Ort und Stelle erschossen. Theoretisch ist ein Militärgerichtsverfahren vorgesehen und Deserteure könnten auch inhaftiert und dann strafrechtlich verfolgt werden. Außergerichtliche Tötungen passieren dennoch (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2017). Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).
Im Gegensatz zum Beginn des Konfliktes haben sich mittlerweile die Gründe für Desertion geändert: Nun desertieren Soldaten, weil sie kampfmüde sind und dem andauernden Krieg entkommen wollen (BFA 8.2017).
Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie kann von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017).
In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle des Regimes gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bzgl. Wehrdienst getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden. Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen, was jedoch schwer zu beweisen ist (BFA 8.2017).
1.2.4. Allgemeine Menschenrechtslage (Länderinformationsblatt S. 56f):
Das Syrian Observatory for Human Rights dokumentierte 331.765 Todesfälle seit dem Beginn der Revolution im Jahr 2011 bis zum 15. Juli 2017, schätzt jedoch dass etwa 475.000 Personen getötet wurden (SOHR 16.7.2017).
Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt (UNHCR 11.2015).
Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Ein Dekret erlaubt die Bildung anderer politischer Parteien, jedoch nicht auf Basis von Religion, Stammeszugehörigkeit oder regionalen Interessen. Gleichzeitig zeigt die Regierung außerdem wenig Toleranz gegenüber anderen politischen Parteien. Sie schikaniert und inhaftiert Mitglieder der Communist Union Party, der Communist Action Party, der Arab Social Union und islamistischer Parteien (USDOS 3.3.2017).
Die syrische Regierung, regierungstreue Einheiten und Sicherheitskräfte führen weiterhin willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen und Folter an Häftlingen durch, von denen viele in der Haft umkommen bzw. getötet werden. Das Regime und seine Verbündeten führten willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten durch. Sie führten Angriffe mit Fassbomben, Artillerie, Mörsern und Luftangriffe auf zivile Wohngebiete, Schulen, Märkte und medizinische Einrichtungen durch, was zu zivilen Opfern führte (UKFCO 21.4.2016, AI 22.2.2017 und USDOS 3.3.2017).
Die staatlichen Sicherheitskräfte halten nach wie vor Tausende Menschen ohne Anklageerhebung über lange Zeit in Untersuchungshaft. Viele von ihnen sind unter Bedingungen inhaftiert, die den Tatbestand des Verschwindenlassens erfüllen (AI 22.2.2017; vgl. SD 18.10.2017). Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Es fehlt an Nahrung, Trinkwasser, Platz, Hygiene und Zugang zu medizinischer Versorgung. (USDOS 3.3.2017).
Syrische Kinder sind auch hinsichtlich Kinderehen gefährdet (USDOS 27.6.2017; vgl. UNOCHA 31.7.2017).
Lang anhaltende Belagerungen durch Regierungskräfte führen dazu, dass der eingeschlossenen Zivilbevölkerung Lebensmittel, ärztliche Betreuung und andere lebenswichtige Dinge vorenthalten werden. Außerdem werden Zivilisten beschossen bzw. angegriffen (AI 22.2.2017). Bezüglich der von Rebellen kontrollierten Bevölkerungszentren setzte die Regierung auf die Strategie, diese vor die Wahl zu stellen, aufzugeben oder zu (ver)hungern, indem sie Hilfslieferungen einschränkte und tausende Zivilisten aus zurückeroberten Gebieten vertrieb (FH 1.2017). Auch Rebellengruppen belagern Gebiete (USDOS 3.3.2017). [Weitere Informationen zu belagerten Gebieten finden sich in Abschnitt "14.
Bewegungsfreiheit"].
Auch aufständische Gruppen begingen schwere Menschenrechtsverletzungen wie Festnahmen, Folter und Exekutionen von wahrgenommenen politischen Andersdenkenden und Rivalen, wobei das Verhalten jedoch zwischen den unterschiedlichen Rebellengruppen variiert (FH 1.2017).
Der IS ist für systematische und weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, welche auch auf Zivilisten abzielen. Auch Jabhat Fatah ash-Sham [ehemals Jabhat al-Nusra] und einige andere extremistische Gruppen begehen Menschenrechtsverletzungen (UKFCO 21.4.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).
Sexuelle Versklavung und Zwangsheiraten sind zentrale Elemente der Ideologie des IS. Mädchen und Frauen werden zur Heirat mit Kämpfern gezwungen. Frauen und Mädchen, die Minderheiten angehören, werden sexuell versklavt (USDOS 27.6.2017). Frauen erleben in vom IS gehaltenen Gebieten willkürliche und schwere Bestrafungen, inklusive Hinrichtungen durch Steinigung. Frauen und Männer werden bestraft, wenn sie sich nicht den Vorstellungen des IS entsprechend kleiden (USDOS 3.3.2017).
IS-Kämpfer sind für Exekutionen von gefangengenommenen Zivilpersonen, Regierungssoldaten, Angehörigen rivalisierender bewaffneter Gruppen sowie Medienschaffenden und verantwortlich. In den vom IS kontrollierten Gebieten hat der IS seine strikte Auslegung des islamischen Rechts eingeführt. Es kommt dort häufig zu öffentlichen Hinrichtungen. Unter den Opfern befinden sich Menschen, denen Abfall vom Glauben, Ehebruch, Schmuggel oder Diebstahl zur Last gelegt wird, sowie Menschen, die wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung angeklagt wurden (AI 22.2.2017; vgl. USDOS 3.3.2017).
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer ergeben sich aus deren diesbezüglich gleichlautenden und in sich schlüssigen Angaben im Rahmen der Erstbefragung bzw. der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde sowie aus den vorgelegten Dokumenten.
Dass die BF1, BF4 und BF5 die leiblichen Kinder der BF2 und BF3 sind, ergibt sich aus dem vorgelegten Familienbuchauszug bzw. der vorgelegten Geburtsurkunde sowie aus den übereinstimmenden Aussagen der Beschwerdeführer im Verfahren.
Die Feststellung, dass der BF1 im wehrdienstfähigen Alter ist, ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen - insbesondere dem Reisepass des BF1, dem dessen Geburtsdatum zu entnehmen ist - sowie aus den Ausführungen in den Länderberichten. In diesen wird festgehalten, dass männliche Syrer ab dem 18. Lebensjahr wehrdienstpflichtig sind, teilweise jedoch auch schon früher von der syrischen Armee rekrutiert werden.
Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den genannten (nun aktualisierten) Quellen, die schon die belangte Behörde ihrem Bescheid zugrunde legte und die im Wesentlichen inhaltsgleich blieben. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Soweit der durch den BF2 vertretene BF1 vorbringt, es läge in Bezug auf ihn eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955, (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) vor, weil er bei einer Rückkehr nach Syrien zum verpflichtenden Militärdienst herangezogen würde, so erweisen sich die diesbezüglichen Aussagen als glaubhaft.
In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es um eine behauptete Bedrohung durch das syrische Regime (wegen der Gefahr, im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes erheblichen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt zu sein) geht, kommt es nicht (unbedingt) darauf an, ob eine Einberufung zum Militärdienst (vor der Ausreise) bereits erfolgt ist, ob eine behördliche Suche (wegen des Militärdienstes) bereits (vor der Ausreise) stattgefunden hat oder ob die Ausreise legal erfolgen konnte, sondern vielmehr darauf, mit welcher Wahrscheinlichkeit von einem Einsatz beim Militär (im Falle einer nunmehrigen Rückkehr/Wiedereinreise in den Herkunftsstaat) auszugehen ist, was anhand der Situation (hinsichtlich der Einberufung zum Militärdienst) im Herkunftsstaat und anhand des Profils der betroffenen Person zu beurteilen ist.
Der BF1 hat Syrien Ende 2013 verlassen. Es liegt daher auf der Hand, dass er zu diesem Zeitpunkt - aufgrund seines damaligen Alters von 12 Jahren - einen Einberufungsbefehl zum Militärdienst noch nicht erhalten hat, und ist daher auch plausibel, dass er 2013 keine Probleme bei seiner legalen Ausreise hatte. Im aktuellen Zeitpunkt ist der BF1 aber 17 Jahre alt und es ergibt sich daher aus den - bereits im verfahrensgegenständlichen Bescheid der belangten Behörde getätigten - Feststellungen zu den Voraussetzungen/Kriterien einer Wehrdiensteinberufung in Syrien, dass eine Person mit dem Profil des BF1 in Syrien angesichts des dortigen innerstaatlichen Konfliktes mit erheblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, zum Militärdienst eingezogen zu werden:
Bereits die von der belangten Behörde den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten Länderfeststellungen zeigen, dass in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren besteht. Alle Männer zwischen 18 und 42 Jahren kommen für den Militärdienst in Frage und es kommt aufgrund der angespannten Situation in Syrien auch zu Einberufungen von Minderjährigen und Personen, die den Wehrdienst bereits abgeleistet haben. Laut den aktuellen Länderfeststellungen soll die syrische Armee vor dem Konflikt eine Mannstärke von geschätzten 295.000 Personen gehabt haben. Sechs Jahre mit Überläufen zu den Regimegegnern, Desertionen und Verlusten durch den Konflikt haben die Mannstärke aus den Vorkriegszeiten bereits in den Jahren 2014 und 2015 stark dezimiert - auf geschätzte 100.000 - 175.000 Mann, großteils bestehend aus mangelhaft ausgerüsteten und trainierten Wehrdienstleistern.
Auch wenn Medienberichte nunmehr ankündigten, dass Ende Mai 2018 erstmals seit Beginn des Krieges Rekruten vom Wehrdienst entlassen worden seien (Al-Watan, einer regierungsnahen syrischen Tageszeitung zufolge, sollten die Offiziere und Reservisten der Rekrutierungsklasse 102 von 2010 mit 1. Juni 2018 nach acht Jahren Militärdienst entlassen worden sein. Die syrischen Staatsmedien berichteten jedoch nicht über diese Entscheidung und lokale Zeitungen gaben auch nicht bekannt, wie viele Soldaten davon betroffen sein sollten), kann daraus nicht geschlossen werden, dass Rekrutierungen zum "regulären" Wehrdienst von Syrern im wehrdienstfähigem Alter nicht mehr erfolgen. Vor dem Hintergrund, dass durch mögliche Entlassungen die Zahl der Soldaten in der syrischen Armee zusätzlich sinkt, es jedoch - wie den aktuellen Länderfeststellungen weiters zu entnehmen ist - Hinweise gibt, dass sich die Truppen von Machthaber Bashar al-Assad auf eine Offensive auf die großteils von Rebellen gehaltene Provinz Idlib, in welche im Zuge der Versöhnungsabkommen zehntausende Rebellen gebracht wurden, vorbereiten, ist davon auszugehen, dass die Rekrutierung zusätzlicher Soldaten weiterhin von großer militärischer Notwendigkeit sein wird.
Aufgrund des zunehmenden Personalbedarfs werden bestehende Gesetze und Regeln in Bezug auf Einberufungspraktiken oft willkürlich ausgelegt und angewandt. So werden in manchen Regionen vermehrt Wehrpflichtige und Reservisten einberufen (vgl. dazu UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, vom 30. November 2016, S. 2). Den Berichten entsprechend kommt es auch seitens des syrischen Regimes zu Einberufungen von Minderjährigen, sodass durchaus auch davon auszugehen ist, dass der BF1 - als gesunder 17-Jähriger, jedenfalls aber mit seinem 18. Geburtstag - einberufen wird.
Es ist daher angesichts der Feststellungen davon auszugehen, dass dem BF1 die baldige Einziehung durch die syrische Armee mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit (im Falle einer Rückkehr/Wiedereinreise nach Syrien) droht.
Vor dem Hintergrund der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen erweisen sich die Aussagen des den BF1 vertretenden BF2 sowie das Beschwerdevorbringen als plausibel.
Dass beim BF1 kein Grund für eine Ausnahme vom Militärdienst oder für einen Aufschub des Militärdienstes vorliegt, ergibt sich aus den Länderfeststellungen, wonach eine Befreiung oder ein Aufschub entweder für den einzigen Sohn einer Familie, für Studenten oder Versorger der Familie möglich sind. Dies trifft auf den BF1 nicht zu. Auch hat er den Wehrdienst nicht bereits in einem anderen Land abgeleistet. Wie sich aus den aktuellen Länderberichten außerdem ergibt, kann beim gegenwärtigen Stand des Krieges in Syrien auf eine Ausnahme vom oder einen Aufschub des Militärdienstes ohnehin nicht mehr vertraut werden. Es ist daher - vor dem Hintergrund der aktuellen Probleme des syrischen Militärs mit dem Nachschub junger Rekruten - mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der BF1 auch keinen Aufschub bzw. keine Ausnahmebewilligung bekommen würde und bei einer allfälligen Rückkehr in seine Heimat in absehbarer Zeit der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes nachkommen müsste.
Dem BF1 droht in Syrien bei einer nunmehrigen Rückkehr daher in weiterer Folge die reale Gefahr, als Mann im wehrfähigen Alter zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden und er ist im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.
3. Rechtliche Beurteilung: