TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/14 99/11/0103

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Veröffentlicht am 14.12.1999
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Index

L92105 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Salzburg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §61a;
PGG Slbg 1993 §18 Abs2;
PGG Slbg 1993 §3 Abs1;
PGG Slbg 1993 §3 Abs4;
PGG Slbg 1993 §3 Abs5;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des mj. I in S, vertreten durch Dr. Bernhard Zettl, Rechtsanwalt in Salzburg, Waagplatz 5, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 28. Oktober 1998, Zl. 3/01-301/657-E772/1-1998, betreffend Pflegegeld, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Soweit sich die Beschwerde gegen die Verweigerung der Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft richtet, wird sie als unbegründet abgewiesen.

2. Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung von Pflegegeld richtet, wird sie zurückgewiesen.

3. Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 1. Juni 1991 geborene Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger. Er erlitt am 31. August 1996 einen schweren Verkehrsunfall, aufgrund dessen er sich rund ein halbes Jahr lang in stationärer Behandlung befand. Sein Vater bezog für ihn (nach der Aktenlage) von August 1996 bis Mai 1997 und ab Juni 1998 erhöhte Familienbeihilfe.

Am 23. Dezember 1997 beantragte der Beschwerdeführer (vertreten durch seinen Vater) die Zuerkennung von Pflegegeld nach dem Salzburger Pflegegeldgesetz.

Mit Schreiben vom 5. Oktober 1998 hielt die belangte Behörde dem Vater des Beschwerdeführers vor, dass die Nachsicht von der österreichischen Staatsbürgerschaft zur Vermeidung einer sozialen Härte nicht geboten erscheine, weil keine oder nur geringfügige Kosten für die Betreuung und Hilfe für den Beschwerdeführer erforderlich seien und aufgrund der Einkommensverhältnisse der Familie keine soziale Härte vorliege. Über den Antrag auf Pflegegeld könne daher nicht positiv entschieden werden. Es werde die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen. Dieses Schreiben wurde dem Vater des Beschwerdeführers am 8. Oktober 1998 zugestellt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde gemäß den §§ 2 und 3 des Salzburger Pflegegeldgesetzes - PGG und der Verordnung LGBl. Nr. 51/1994 den Antrag ab. In der Begründung führte sie nach Hinweis auf § 3 Abs. 5 PGG aus, bei der Entscheidung über die Nachsicht sei auf die in der Verordnung LGBl. Nr. 51/1994 genannten Umstände Bedacht zu nehmen gewesen. Da keine oder nur geringfügige Kosten für die Betreuung und Hilfe entstünden, liege unter Bedachtnahme auf die Einkommensverhältnisse keine soziale Härte vor. Da die Voraussetzungen für die Nachsicht von der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht erfüllt seien, sei der Antrag abzuweisen.

Der angefochtene Bescheid enthält die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen ihn binnen sechs Wochen nach Zustellung des Bescheides eine Beschwerde an den Verwaltungs- oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise deren kostenpflichtige Abweisung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg sei festgehalten, dass die in der Gegenschrift enthaltenen, allein auf der (am 25. März 1999 erfolgten) Postaufgabe der Beschwerde aufbauenden Ausführungen betreffend die Verspätung der Beschwerde verfehlt sind, weil der Beschwerdeführer (vertreten durch seinen Vater) rechtzeitig einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gestellt hat, sodass gemäß § 26 Abs. 3 VwGG die Beschwerdefrist erst mit der (nicht vor dem 5. März 1999 erfolgten) Zustellung des Bestellungsbescheides an den Beschwerdevertreter begonnen hat. Die Beschwerde ist demnach rechtzeitig erhoben worden.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z.1 des Salzburger Pflegegeldgesetzes - PGG, LGBl. Nr. 99/1993, ist der Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft Voraussetzung für den Anspruch auf Pflegegeld.

Gemäß § 3 Abs. 4 leg. cit. sind Fremde unter bestimmten Voraussetzungen (aufgrund von Staatsverträgen, aufgrund bestehender Gegenseitigkeit oder aufgrund Asylgewährung) österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.

§ 3 Abs. 5 leg. cit. lautet wie folgt:

"Der Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft kann nachgesehen werden, wenn die Gewährung des Pflegegeldes aufgrund der persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Fremden zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheint. Die näheren Voraussetzungen hiefür hat die Landesregierung durch Verordnung festzulegen."

Gemäß § 18 Abs. 1 zweiter Satz PGG ist gegen Bescheide nach diesem Gesetz ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

Gemäß § 18 Abs. 2 leg. cit. können Anspruchswerber und anspruchsberechtigte Personen gegen einen in Vollziehung dieses Gesetzes, ausgenommen die §§ 3 Abs. 5 und 10 Abs. 4, ergangenen Bescheid Klage beim Arbeits- und Sozialgericht erheben. Die Klage muss bei sonstigem Verlust der Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruches innerhalb der unerstreckbaren Frist von drei Monaten ab Zustellung des Bescheides erhoben werden. Wird die Klage rechtzeitig erhoben, tritt der Bescheid im Umfang des Begehrens außer Kraft.

Aufgrund des § 3 Abs. 5 PGG hat die Salzburger Landesregierung die Verordnung LGBl. Nr. 51/1994 erlassen, deren §§ 1 und 2 folgenden Wortlaut haben:

"§ 1

Der Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft kann bei der Gewährung von Pflegegeld nach dem Salzburger Pflegegeldgesetz Fremden nachgesehen werden, die sich rechtmäßig in Österreich aufhalten.

§ 2

Bei der Beurteilung der persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse des Fremden ist Bedacht zu nehmen:

1.

auf die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich;

2.

auf das Ausmass der Integration des Fremden selbst oder, wenn es sich beim Anspruchswerber um ein Kind handelt, seiner Eltern; und

              3.              auf die durch die Pflegebedürftigkeit entstehenden Belastungen der persönlichen Lebensumstände, der familiären Beziehungen und der Einkommens- und Vermögensverhältnisse."

Gemäß § 18 Abs. 2 PGG ist der Bescheid, mit dem über die Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft abgesprochen wird, nicht mit Klage beim Arbeits- und Sozialgericht bekämpfbar, sondern nur mit Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts. Von dem Bescheid über die Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft ist der Bescheid über den Anspruch auf Pflegegeld zu unterscheiden, der (nur) mit Klage beim Arbeits- und Sozialgericht bekämpft werden kann. Vertritt die Behörde die Auffassung, dass einem Fremden die Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht zu erteilen ist und mangels Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern gemäß § 3 Abs. 4 PGG wegen des Fehlens der österreichischen Staatsbürgerschaft Pflegegeld nicht zuerkannt werden kann, hat sie zwei Bescheide zu erlassen, und zwar den Bescheid über die Verweigerung der Nachsicht und den Bescheid betreffend die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung von Pflegegeld. Die Behörde kann diese Bescheide in getrennten Ausfertigungen erlassen, es besteht aber kein Hindernis, sie in einer Ausfertigung zusammenzufassen, wobei allerdings die entsprechenden Rechtsmittelbelehrungen gemäß § 61a AVG einerseits und gemäß § 18 Abs. 2 PGG andererseits zu erteilen sind.

Dem vorliegenden Bescheid ist unter Berücksichtigung des Inhaltes seiner Begründung zu entnehmen, dass die belangte Behörde damit sowohl die Verweigerung der Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft ausgesprochen, als auch aufgrund des Fehlens der österreichischen Staatsbürgerschaft den Antrag auf Gewährung von Pflegegeld abgewiesen hat. Soweit der angefochtene Bescheid den zuletzt genannten normativen Inhalt hat, war die Beschwerde gegen ihn wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen, wobei die Entscheidung darüber gemäß § 12 Abs. 3 VwGG im Fünfersenat getroffen wurde.

Was die Verweigerung der Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft betrifft, ist zu beachten, dass eine solche Nachsicht gemäß § 3 Abs. 5 PGG nur der Vermeidung von sozialen Härten dienen soll. Dabei ist nach § 2 Z. 3 der zitierten Verordnung auch auf die durch die Pflegebedürftigkeit entstehenden Belastungen der persönlichen Lebensumstände, der familiären Beziehungen und der Einkommens- und Vermögensverhältnisse Bedacht zu nehmen.

Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang als erwiesen angenommen, dass durch die Pflegebedürftigkeit des Beschwerdeführers keine oder nur geringfügige Kosten entstehen, und hat dies dem Beschwerdeführer (vertreten durch seinen Vater) auch vorgehalten. Es wäre am Beschwerdeführer gelegen gewesen, diesem Vorhalt mit konkretem Vorbringen entgegenzutreten. Da innerhalb der eingeräumten Frist keine Stellungnahme abgegeben wurde, kann der belangten Behörde keine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden, wenn sie die genannte Sachverhaltsannahme ihrem Bescheid zugrunde gelegt hat.

Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang als Verfahrensmangel, dass sich die belangte Behörde mit den Angaben in seinem Antrag nicht auseinander gesetzt habe. Dem ist zu erwidern, dass nach den - offenbar zugleich mit der Überreichung des Antrages vom 23. Dezember 1997 vorgenommenen - Erhebungen für die (von den Eltern geleistete) Pflege und Hilfe keine Kosten entstehen. Der gerügte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, aufgrund welcher Ermittlungen die belangte Behörde zu anders lautenden Sachverhaltsfeststellungen hätte gelangen können.

Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Verfahrensrüge und der Rechtsrüge Sachverhaltsfeststellungen zur Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes und zum Ausmaß der Integration seiner Eltern (§ 2 Z. 1 und 2 der zitierten Verordnung) vermisst, zeigt er damit keine inhaltliche Rechtswidrigkeit und keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Auch unter Zugrundelegung des aktenkundigen Umstandes, dass jedenfalls der Vater des Beschwerdeführers sich seit 1989 im Bundesgebiet aufhält und hier regelmäßig (mit Unterbrechungen) beschäftigt ist, und der daraus abzuleitenden Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes und des Ausmaßes der Integration der Eltern des Beschwerdeführers kann die Auffassung der belangten Behörde, dass die Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft und die damit mögliche Gewährung von Pflegegeld nicht zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheine, im Hinblick auf das Fehlen nennenswerter Kosten für die Pflege und Hilfe nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Verweigerung der Nachsicht im Sinne des § 3 Abs. 5 PGG richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG.

Wien, am 14. Dezember 1999

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten in welchen die Anrufung des VwGH ausgeschlossen ist Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1 Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999110103.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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