TE Lvwg Erkenntnis 2018/3/14 LVwG-1-676/2017-R4

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Veröffentlicht am 14.03.2018
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Entscheidungsdatum

14.03.2018

Norm

NAG 2005 §53 Abs1
NAG 2005 §77 Abs1 Z4
VStG §44a Z1

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Wilfried Schneider über die Beschwerde der C R, D, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Anton Schäfer LL.M., Dornbirn, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B vom 21.09.2017, Zl X-9-2016/26274, zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.   Im angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschuldigten Folgendes zur Last gelegt:

„Sie haben nachstehende Verwaltungsübertretung(en) begangen:

    Sie haben sich als EWR-Bürger am 22.06.2015 zuerst in D, Kstraße, dann B, A-W-G niedergelassen und halten sich daher länger als drei Monate im Bundesgebiet auf. Sie haben es zumindest bis zum 03.06.2016 um 09:10 Uhr unterlassen, nach Ablauf von vier Monaten ab Ihrer Einreise in das Bundesgebiet am 22.06.2015 (lt. ZMR-Anmeldung), Ihre Niederlassung der Behörde anzuzeigen, obwohl EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht gemäß § 51 oder § 52 NAG zukommt, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, spätestens nach Ablauf von vier Monaten ab ihrer Einreise, diese der Behörde anzuzeigen haben.

Tatzeit:

22.06.2015, 00:01 - 03.06.2016 09:10

Tatort:

B, A-W-Gasse

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 77 Abs. 1 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz BGBl. I Nr. 40/ 2014 idgF. i.V.m. § 53 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz BGBl. I Nr. 40/2014 idgF.

Wegen dieser/diesen Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Zu

Geldstrafe

falls diese uneinbringlich

Gemäß

 

Euro

ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

 

 

50,00

33 Stunden

§ 77 Abs. 1 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) BGBl. I Nr. 40/2014 idgF.

Zu

Freiheitsstrafe

Gemäß

 

 

 

Ferner haben Sie zu bezahlen:

Betrag

Für

Euro

 

10,00

Strafverfahrenskosten gemäß § 64 Abs.1+2 VStG

Zu zahlender Gesamtbetrag (Strafe/Barauslagen):

Euro    60,00

2.              Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschuldigte rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt sie im Wesentlichen vor, dass sie sich als Unionsbürgerin nicht am 22.06.2015 in D, Kstraße, niedergelassen habe. Es handle sich bei dieser Adresse um die Beratungsstelle der K B g GmbH gemäß § 19a Meldegesetz. Zudem habe sie zwischen dem 22.06.2015 bis zum 03.06.2016 auch das Hoheitsgebiet der Republik Österreich wieder verlassen und sei in anderen Unionsmitgliedsstaaten aufhältig gewesen. Nach ihrer Erinnerung sei sie somit niemals an einem „Stück“ über mehr als vier Monate in der Republik Österreich aufhältig gewesen, sodass sie auch keine Verpflichtung getroffen habe, die Niederlassung als EWR-Bürgerin der Behörde gemäß § 51 oder § 52 NAG anzuzeigen.

Unter Hinweis auf § 1 Abs 7 Meldegesetz habe sie an der angegebenen Adresse nicht den Hauptwohnsitz begründet, da sie sich nicht in der Absicht niedergelassen habe, diese Unterkunft zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu machen. Außerdem habe sie nachweislich die Unterkunft in einem zugelassenen und registrierten Beherbergungsbetrieb (A-W-Straße, B) genommen. Die vorliegende Ferienwohnung sei unzweifelhaft Teil eines Beherbergungsbetriebs. Dies ergebe sich auch aus dem Gästebuch Nr X, Gästeblatt Nr XX, in welchem sie als Unterkunftnehmerin angeführt sei.

Auch bezweifle die Beschwerdeführerin grundsätzlich, dass die von der Unterinstanz als Beweis herangezogenen rumänischen Polizisten überhaupt in der Lage gewesen seien, eine nach dem österreichischen Verwaltungsrecht geeignete Übersetzungsleistung zu erbringen. Sie habe in diesem Zusammenhang nicht ausgesagt, dass sie schon seit Dezember 2015 hier sei und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie in Österreich den Hauptwohnsitz begründet habe oder beabsichtige, mehr als vier Monate an einem Stück in Österreich aufhältig zu sein. Dies sei unrichtig protokolliert oder fehlerhaft übersetzt worden. Die beantragten Zeugen hiefür seien nicht geladen worden.

Dem errechneten Gesamtaufwand dieses Verfahrens in Höhe von 550 Euro stehe eine Strafe von 50 Euro gegenüber, die unter keinen Umständen die Kosten für den Aufwand je decken werde. Aus diesem Grund werde auf § 45 Abs 6 VStG hingewiesen, wonach die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen habe, wenn die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben. Im Übrigen sei auch die Strafe unrichtig bemessen worden. Die Behörde habe nicht einmal das Einkommen und die Vermögensverhältnisse der beschwerdeführenden Person erhoben.

3.   Das Verwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 77 Abs 1 Z 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen, wer eine Anmeldebescheinigung, eine Aufenthaltskarte oder eine Daueraufenthaltskarte nach §§ 53, 54 und 54a nicht rechtzeitig beantragt.

Gemäß § 53 Abs 1 NAG haben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl VwGH verst Sen 13.06.1984, Slg 11466 A). Dazu gehört auch der Vorhalt eines richtigen und vollständigen Tatvorwurfes.

Nach § 77 Abs 1 Z 4 NAG stellt die Unterlassung der rechtzeitigen Beantragung einer Anmeldebescheinigung (im Fall des § 53 Abs 1 NAG innerhalb von vier Monaten ab Einreise) eine Verwaltungsübertretung dar (vgl VwGH 26.04.2016, Ra 2015/09/0137, betreffend Unterlassung der rechtzeitigen Beantragung einer Aufenthaltskarte).

Die Tatumschreibung des angefochtenen Straferkenntnisses enthält im Wesentlichen den Vorwurf, die Beschuldigte habe es zumindest bis zum 03.06.2016 unterlassen, nach Ablauf von vier Monaten ab der Einreise in das Bundesgebiet am 22.06.2015 „ihre Niederlassung der Behörde anzuzeigen“, obwohl diese spätestens nach Ablauf von vier Monaten ab ihrer Einreise der Behörde anzuzeigen sei.

Die Strafbestimmung des § 77 Abs 1 Z 4 NAG pönalisiert ua die Unterlassung der rechtzeitigen Beantragung einer Anmeldebescheinigung. Damit ist evident, dass - bezogen auf den vorliegenden Fall - nur die nicht fristgerechte Beantragung der Anmeldebescheinigung eine Verwaltungsübertretung darstellt und demzufolge zu bestrafen ist. Die (bloße) Unterlassung der Anzeige der „Niederlassung“ der Beschuldigten im Bundesgebiet – wie dies in der Tatumschreibung zum Vorwurf gemacht wurde – ist für sich allein nicht strafbewehrt. Insofern wurde der Beschuldigten ein verwaltungsstrafrechtlich nicht zu ahndender Tatbestand unterstellt, sodass das Straferkenntnis schon aus diesem Grund - ohne auf das Beschwerdevorbringen näher eingehen zu müssen - aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

4.              Gemäß § 25a Abs 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten nach Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde. Im vorliegenden Fall durfte eine Geldstrafe von bis zu 250 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden. Im Erkenntnis wurde nur eine Geldstrafe von 50 Euro ausgesprochen. Eine Revision wegen Verletzung in Rechten gemäß Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG ist daher nicht zulässig.

Schlagworte

Tatumschreibung

Anmerkung

Erkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof (09.08.2018, Ra 2018/22/0102) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2018:LVwG.1.676.2017.R4

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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