TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/19 W196 1411289-2

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Veröffentlicht am 19.06.2018
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Entscheidungsdatum

19.06.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52

Spruch

W196 1409551-2/29E

W196 1409550-2/15E

W196 1411289-2/12E

W196 2168099-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. am XXXX , 2.) XXXX , geb. am XXXX, 3.) XXXX , geb. am XXXX , 1.) bis

3.) alias XXXX , und 4.) XXXX , geb. am XXXX , alle StA. Georgien, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, 2.) bis 4.) vertreten durch 1.), gegen die Bescheide des Bundesasylamtes zu 1.) bis 3.) vom 30.08.2011, Zlen. 1.) 10 10.319, 2.) 10 10.320, und 3.) 10 10.321, sowie gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu 4.) vom 25.07.2017, Zl. 1151689804-170549638, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes III. der angefochtenen Bescheide zu den Zlen. 10 10.319 und 10 10.321 stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

XXXX , wird gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt.

XXXX , wird gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" erteilt.

III. Der Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides zur Zl. 1151689804-170549638, stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

XXXX wird gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" erteilt.

IV. Das Verfahren zur Zl. 10 10.320 wird gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Georgien, reiste erstmals am 09.09.2009 gemeinsam mit dem minderjährigen Zweitbeschwerdeführer in das Bundesgebiet ein und stellte am 10.09.2009 für sich und den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer Anträge auf internationalen Schutz.

Diese Anträge wurden ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle West vom 08.10.2009, gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und die Beschwerdeführer nach Polen ausgewiesen.

Am XXXX wurde der minderjährige Drittbeschwerdeführer in Linz geboren und wurde am 16.12.2009 für diesen durch die Erstbeschwerdeführerin als seine gesetzliche Vertreterin ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser Antrag wurde ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und wurde der minderjährige Drittbeschwerdeführer nach Polen ausgewiesen.

Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 04.03.2010 als unbegründet abgewiesen.

Am 17.03.2010 wurden die Beschwerdeführer per Flugzeug nach Polen abgeschoben.

Die Erstbeschwerdeführerin reiste gemeinsam mit den minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführern am 04.11.2010 neuerlich nach Österreich ein und stellte am 04.11.2010 neuerliche Anträge auf internationalen Schutz.

Anlässlich ihrer niederschriftlichen Befragung vom 05.11.2010 vor Beamten der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau, Erstaufnahmestelle West, gab die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Gründen für die neuerliche Antragstellung befragt an, dass ihr Sohn nicht in Polen bleiben könne, weil er dort nicht geboren worden sei. Er sei in Polen in der Schule und auf der Straße bis zur Ausreise von polnischen Kindern geschlagen und beleidigt worden, weil er dunkelhäutig sei. Zudem würde die Erstbeschwerdeführerin eine Operation benötigen. Außerdem berichtete die Erstbeschwerdeführerin von einem Vorfall in Polen, bei dem sie von einem polnischen Lagerarbeiter gestoßen worden sei und ihr Kind, das sie am Arm getragen habe, von dem Sturz blaue Flecken am Kopf davongetragen habe. Die Erstbeschwerdeführerin sei in der Folge in Polen ins Krankenhaus gebracht worden, habe aber keine Schriftstücke erhalten, sondern sei alles im Archiv verblieben. Im Zuge ihrer ersten Asylantragstellung habe die Erstbeschwerdeführerin erfahren, dass sich ihre Mutter, sowie ihr Bruder in Österreich befinden würden.

Mit Erklärung vom 11.11.2010 gaben die polnischen Behörden bekannt, dass die Zuständigkeit im Verfahren der Erstbeschwerdeführerin und im Verfahren ihre beiden Kinder betreffend bei den polnischen Behörden liege.

Am 24.11.2010 wurde die Erstbeschwerdeführerin beim Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West in St. Georgen im Attergau niederschriftlich einvernommen. Zu den Gründen für die neuerliche Antragstellung führte sie aus, dass ihr Kind in Polen missbraucht worden sei. Die Täter seien zwischen 13 und 16 Jahren alt gewesen. Die Erstbeschwerdeführerin sei in Polen zur Polizei gegangen, um den Vorfall anzuzeigen, jedoch sei sie dort beschimpft worden und sei ihr vorgeworfen worden, dass sie in Polen Gast sei und ihren Gastgeber beschuldige. Der Vater des Kindes, das den Zweitbeschwerdeführer vergewaltigt habe, habe die Erstbeschwerdeführerin zu Boden gestoßen, woraufhin sie ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe auf der ganzen Welt niemanden außer ihrem Bruder in Österreich und habe daher nach Österreich zurückkehren wollen. Auch ihre Mutter sei seit drei Jahren in Österreich. In Polen sei es außerdem zu gefährlich gewesen und hätten sie dort auch nachts im Lager immer Angst gehabt. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer würden hier in Österreich psychiatrisch betreut werden. Außerdem müsse ein Knoten in ihrer Brust in Österreich operativ entfernt werden.

Im Zuge der Einvernahme legte die Erstbeschwerdeführerin eine Vollmacht des Rechtsanwaltes Dr. Blum vor.

Am 26.01.2011 wurde das Verfahren der Beschwerdeführer zugelassen.

Am 14.02.2011 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin, wobei diese auf ihren Gesundheitszustand angesprochen zunächst ausführte, einen Psychologen zu besuchen und Medikamente einzunehmen. Es gehe ihr, seit sie nach Polen abgeschoben worden sei, psychisch sehr schlecht; darüber hinaus habe sie keine Krankheiten. Seit wann sie die Medikamente einnehme, könne sie nicht angeben; diese seien ihr im Krankenhaus Vöcklabruck verschrieben worden. Im Dezember 2010 sei sie für drei Wochen im Krankenhaus gewesen, weil sie sich das Leben habe nehmen wollen. Wann sie sich im Krankenhaus in Vöcklabruck befunden habe, könne sie nicht mehr angeben. Nachgefragt, ob sie die lateinische Schrift lesen könne, führte die Erstbeschwerdeführerin aus, nicht alle Buchstaben zu kennen. Deutsch spreche sie nicht. Damit konfrontiert, dass sie im Verfahren einerseits angegeben habe, geschieden zu sein und andererseits nie verheiratet gewesen zu sein, brachte sie vor, dass sie offiziell ledig sei. Nachgefragt, ob ihre Kinder ebenfalls Probleme gehabt hätten, führte sie aus, dass der Zweitbeschwerdeführer aufgrund der Schwierigkeiten mit ihrem Mann ebenfalls Probleme gehabt habe. Nachgefragt, wer der Vater ihrer Kinder sei, gab sie an, dass dieser XXXX heißen würde. Die Zweitbeschwerdeführerin sei 18 oder 19 Jahre alt gewesen als sie ihr erstes Kind bekommen habe. Sie habe anschließend mit dem Vater ihrer Kinder in einem Einfamilienhaus, welches dem Vater ihres Lebensgefährten gehört habe, in Tbilisi gewohnt. Getrennt hätten sie sich im Juli 2009 als die Erstbeschwerdeführerin gerade mit ihrem jüngeren Sohn schwanger gewesen sei. Grund für die Trennung sei gewesen, dass ihr Lebensgefährte Kriminelle, die vorgehabt hätten, Geld von anderen Leuten zu erpressen, nach Hause gebracht habe. Nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten sei die Erstbeschwerdeführerin in das Haus ihrer Mutter, welches sich in Tbilisi befinde, zurückgegangen, wo auch ihre Großmutter und ihre beiden Schwestern gelebt hätten. Auf die Frage, womit sie ihren Lebensunterhalt bestritten habe, brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, im Jahr 2007 als Putzfrau in einem Geschäft in Tbilisi gearbeitet zu haben. Anschließend, nach ihrer Kündigung, habe sie selbstgebackenen Kuchen in verschiedenen Geschäften verkauft. Die Erstbeschwerdeführerin gab auf Nachfrage an, in Tbilisi geboren und dort aufgewachsen zu sein. Ihre Eltern seien ebenfalls georgische Staatsangehörige. Zu ihrem Vater habe die Erstbeschwerdeführerin keinen Kontakt mehr und sei ihr auch sein Aufenthaltsort nicht bekannt. Die Erstbeschwerdeführerin habe zwei jüngere Schwestern sowie einen jüngeren Bruder. Nachdem ihr Vater ihre Mutter verlassen habe, habe diese verschiedene Sachen am Markt verkauft und somit ihre Kinder ernährt. Zu ihrer Ausbildung gab die Erstbeschwerdeführerin an, von 1990 bis 1998 die Schule in Tbilisi besucht zu haben. Zunächst habe die Erstbeschwerdeführerin von ihrer Mutter gelebt und anschließend als Reinigungskraft gearbeitet. Weil sie keine Ausbildung habe, sei es ihr fast unmöglich, bessere Arbeit zu finden. Die Frage, ob sie ihrem Lebensgefährten auch Geld gegeben habe, bejahte die Erstbeschwerdeführerin; ansonsten hätte er ihr das Geld mit Gewalt weggenommen. Die Großmutter der Erstbeschwerdeführerin sei ebenfalls in Tbilisi wohnhaft. Dieser sei 2007 von der Regierung ihr Haus weggenommen worden. Anschließend sei die Erstbeschwerdeführerin, im März 2007, wieder zu ihrem Lebensgefährten zurückgegangen, weil sie ansonsten keinen Platz gehabt habe. Auf die Frage, wo ihre Schwestern gelebt hätten, nachdem der Großmutter das Haus weggenommen worden sei, brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass ihre kleine Schwester und sie vor drei Jahren von Polizisten vergewaltigt worden seien. Die Frage, ob sie von 2007 bis zur Ausreise im Jahr 2009 wieder bei ihrem Lebensgefährten gewohnt habe, bejahte die Erstbeschwerdeführerin. Zu ihren Schwestern habe sie keinen Kontakt mehr. Auf die Frage, wann sie zum ersten Mal daran gedacht habe, ihren Herkunftsstaat zu verlassen, brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass dies im Juli 2008 gewesen sei. Die letzte Nacht vor ihrer Ausreise habe sie zu Hause gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten verbracht. Dieser habe sie vor Juli 2008 alleine gelassen, weil er Probleme gehabt habe. Die Frage, ob die Erstbeschwerdeführerin bis zum letzten Tag vor ihrer Ausreise an dieser Adresse aufhältig gewesen sei, bejahte sie. Dazu aufgefordert, die Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes geführt hätten, zu schildern, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihr Sohn und sie in Georgien bedroht worden seien: die Regierungsmitglieder bzw. Behörden hätten sie töten wollen. Ein junger Mann mit dem Vornamen XXXX , mit dem der Lebensgefährte der Erstbeschwerdeführerin befreundet gewesen sei, habe Drogen genommen und sei nach einer Stunde umgefallen. Er habe ihr Haus verlassen, sei anschließend zurückgekommen und habe um ein Glas Wasser gebeten. Anschließend sei er tot umgefallen. Auf Nachfrage führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass sich der Vorfall am 24.07.2009 ereignet habe. Ihr Lebensgefährte sei zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen. Die Erstbeschwerdeführerin habe die Rettung gerufen, jedoch hätten auch die Sanitäter dem Mann nicht mehr helfen können. Eine Woche später, am 01.08.2009 sei der junge Mann beerdigt worden. Am Tag des Begräbnisses sei der Lebensgefährte der Erstbeschwerdeführerin vom Vater und Cousin des Verstorbenen mitgenommen und geschlagen worden. Am 02.08.2009 sei er ins Haus zurückgekommen, habe seine Sachen eingepackt und sei verschwunden. Als ihn die Erstbeschwerdeführerin darauf angesprochen habe, habe er ihr keine Antwort gegeben. Ein weiterer Fluchtgrund sei, dass die Erstbeschwerdeführerin im Jahr 2007 sowie auch ihre kleine Schwester von Polizeibeamten vergewaltigt worden sei. Am 03.08.2009 sei die Polizei gekommen und habe nachgefragt, ob die Erstbeschwerdeführerin den Aufenthaltsort ihres Lebensgefährten nennen könne. Diese Polizisten seien Verwandte von dem

Vater und Cousin des Verstorbenen gewesen. Dazu befragt, woher sie von dem Verwandtschaftsverhältnis gewusst habe, führte sie aus, dass sie gewusst habe, dass die Polizeibeamten in Issani gearbeitet hätten und sie sie vom Sehen gekannt hätte. Nachdem sie sie geschlagen hätten, habe die Erstbeschwerdeführerin Rückschlüsse darauf gezogen, dass sie mit den Familienangehörigen des Verstorbenen verwandt sein müssten. Nachgefragt, wann sie von den Polizeibeamten geschlagen worden sei, gab sie zunächst an, dass dies im Jahr 2008 gewesen sei. Damit konfrontiert, dass sie gerade angegeben habe, dass sich der Vorfall mit Mamuka 2009 ereignet habe, brachte sie dann vor, dass sie 2009 von den Polizeibeamten geschlagen worden sei. Konkret sei sie seit dem 26.07.2009 täglich geschlagen worden. Am 29.07.2009 sei die Erstbeschwerdeführerin sehr stark geschlagen worden und hätten ihr die Polizisten gedroht, sie zu begraben, wenn sie keine Auskunft über den Aufenthaltsort ihres Mannes erteile. Am 30.07.2009 sei die Erstbeschwerdeführerin neuerlich von den Polizeibeamten geschlagen worden und in der Folge aufgrund von Blutungen ins Krankenhaus gekommen, wo sie 18 Tage lang, bis zum 18.08.2009 verblieben sei. Als sie das Krankenhaus verlassen habe, sei sie nach Hause gegangen, habe ihre Sachen gepackt und am 20.08.2009 ihre Heimat verlassen. Am 20.08.2009 sei sie nach Minsk und von dort weiter nach Teraspol geflogen. Damit konfrontiert, dass sie in ihrer Einvernahme am 21.09.2009 bezüglich ihres Fluchtgrundes gänzlich andere Angaben gemacht habe, rechtfertigte sich die Erstbeschwerdeführerin damit, dass ihr damals ihr Anwalt sowie auch die Behörden gesagt hätten, dass sie ohnehin keine Chance auf Behandlung ihres Antrages in Österreich habe, sodass sie nicht alles zu ihrem Fluchtgrund gesagt habe. Nach erfolgter Rückübersetzung ergänzte die Erstbeschwerdeführerin, den letzten Tag vor der Ausreise bei ihrer Cousine, XXXX , verbracht zu haben. Am ersten Tag nach dem Begräbnis, nämlich am 02.08.2009 sei der Mann der Erstbeschwerdeführerin zu ihr nach Hause gekommen, habe seine Sachen gepackt und sei gegangen. Als sie ihn gefragt habe, wohin er gehen würde, habe dieser gesagt, dass dies seine Sache sei und er wieder zurückkehre, wenn dies an der Zeit wäre. Als sie am zweiten Tag nach dem Begräbnis, somit am 03.08.2009 zu ihnen ins Haus gekommen seien, seien der Vater und Cousin nicht alleine gewesen, sondern seien noch ungefähr zehn andere Verwandte dabei gewesen, die alle Regierungsmitglieder gewesen seien. Die Erstbeschwerdeführerin brachte weiters vor, dass die Privatpersonen, mit denen sie Probleme gehabt habe, Polizeibeamte seien und sie diese deswegen nicht anklagen könne. Ihr Mann sei nicht nur vom Vater und vom Cousin des Verstorbenen, sondern auch von den anderen Polizisten geschlagen worden. Nachgefragt, was die Erstbeschwerdeführerin damit sagen wolle, dass die Polizeibeamten zur Regierung gehört hätten, führte sie aus, dass sie die Gesichter gekannt habe und sie daher gewusst habe, dass sie allesamt Regierungsmitglieder seien. Damit konfrontiert, dass ihre Angabe, wonach sie die Gesichter erkannt habe, nicht genug erscheine, um zu erklären, wie sie darauf komme, dass die Verwandten tatsächlich Regierungsmitglieder gewesen seien, brachte sie vor, dass die Polizei alles machen könne, weswegen sie darauf schließe, dass diese der Regierung angehören müssten. Zu ihren Krankheiten brachte die Erstbeschwerdeführerin ergänzend vor, in der linken Hand nichts lange halten zu können; ansonsten sei sie psychisch krank. Auf Vorhalt, dass die Erklärung, wonach die Polizeibeamten in Issani gearbeitet hätten, nicht automatisch zulasse, dass diese mit Mamuka verwandt seien, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dann nicht zu verstehen, weshalb sie von den Polizisten geschlagen worden sei und weshalb diese automatisch auf der Seite von Mamukas Verwandten gewesen seien. Damit konfrontiert, dass ihre Angaben, wonach ihrer Großmutter im Jahr 2007 das Haus weggenommen worden sei und sie im Juli 2009 wiederum in das Haus ihrer Mutter zurückgekehrt sei, nicht stimmen könnten, führte die Erstbeschwerdeführerin aus, seit Mai 2007 nicht gewusst zu haben, wo sie ihre Mutter aufhalte. Sie sei zu ihren Verwandten, nämlich zu ihrer Cousine Diana, gegangen. Zu ihrer Verhaftung im Jahr 2007 befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin an, nie verhaftet worden zu sein. Sie sei niemals im Gefängnis gewesen, sondern sei in ihrem eigenen Haus vergewaltigt worden. Damit konfrontiert, dass sie sich an verschiedene Menschenrechtsorganisationen, an den Ombudsmann, an Gerichte oder an die Hauptpolizeistelle in Tbilisi hätte wenden können, führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass es in Georgien keine Organisationen gebe, welche sie beschützen könnten. Darauf angesprochen, dass sie im Zuge ihrer Einvernahme angegeben habe, am 30.07.2009 Blutungen erlitten zu haben und für 18 Tage im Krankenhaus gelegen zu sein und sie daher am 02. oder 03.08.2009 nicht zu Hause gewesen sein könne, brachte sie vor, dass am 02.08.2010 ihr Mann und nicht sie geschlagen worden sei. Dazu befragt, wann sie aufgrund der Blutungen im Krankenhaus in Georgien gewesen sei, gab sie an, dass es einen Schock ausgelöst habe, als der Mann am 24.07.2009 vor ihren Augen gestorben sei und sie am selben Tag ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Von 26.07.2009 bis 30.07.2009 seien die Polizisten jeden Tag gekommen und sei sie am 30.07.2009 sehr stark geschlagen worden. Die Frage, ob sie am 20.07.2009 ins Krankenhaus gekommen sei, bejahte die Erstbeschwerdeführerin; sie sei für 18 Tage im Krankenhaus gewesen. Auf Vorhalt, dass sie dann am 02. und 03.08.2009 nicht zu Hause gewesen sein könne, gab die Erstbeschwerdeführerin an, ein wenig verwirrt zu sein und nicht zu wissen, wo sie gewesen sei. Nachgefragt, wann ihr Gatte seine Sachen gepackt habe, führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass ihr Mann am Tag des Begräbnisses sehr stark geschlagen worden sei. Am Tag nach dem Begräbnis, am 02.08.2009, sei er nach Hause gekommen und habe seine Sachen gepackt. Die Erstbeschwerdeführerin sei am 20.08.2009, am zweiten Tag nach der Entlassung, nach Minsk geflogen. Es tue ihr leid, dass sie sich die Monate nicht mehr merken könne. Damit konfrontiert, dass sie erst als ihr vorgehalten worden sei, dass die Daten nicht zusammenpassen würden, angegeben habe, dass sie sich nicht mehr an die Daten erinnern könne, davor jedoch während der gesamten Einvernahme exakte Daten genannt habe, rechtfertigte sich die Erstbeschwerdeführerin damit, dass es nicht einfach sei, zu verarbeiten, was sie erlebt habe. Nach Erklärung, dass ein Polizist nicht immer automatisch ein Vertreter des Volkes im Parlament sei, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass die Polizisten tun könnten, was sie für richtig halten würden, weswegen sie davon ausgehe, dass sie Regierungsmitglieder seien. Sie habe Angst, dass sie ihren Sohn töten könnten. Nachgefragt, ob es außer den genannten Asylgründen noch andere Ausreisegründe gebe, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie ihre Kinder töten würden. Ihr Lebensgefährte habe sie erniedrigt und sei dieser ihr Feind. Konkret habe er vor ihren Augen und vor den Augen ihres Kindes Drogen konsumiert und auch andere Drogenabhängige nach Hause gebracht. Auch habe er Fremde nach Hause genommen, diese geschlagen und ihnen Geld abgenommen. Die Polizisten hätten zu diesem Kreis gehört und ihren Lebensgefährten unterstützt. Sie hätten das Geld untereinander aufgeteilt. Darauf angesprochen, dass sie angegeben habe, aufgrund ihrer armenischen Volksgruppenzugehörigkeit in Georgien Verfolgung zu befürchten, brachte sie vor, dass es wegen ihrer Arbeit gewesen sei. Sie sei von ihrem Arbeitsplatz entlassen worden und sei stattdessen ein Georgier aufgenommen worden. Auch sei ihrer Großmutter das Haus weggenommen worden, dies obwohl sie im Grundbuch eingetragen gewesen sei. Wären sie Georgier gewesen, wäre dies nicht passiert. Nachgefragt, ob es auch persönliche Übergriffe gegeben habe, führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass sie zu ihnen gekommen seien und sie vergewaltigt worden seien. Grund für diesen Übergriff sei gewesen, dass sie das Haus nicht hätten räumen wollen. Außerdem habe die Großmutter der Erstbeschwerdeführerin die Beschwerde beim Höchstgericht zurückziehen sollen. Im Falle einer Rückkehr würde die Erstbeschwerdeführerin von Polizisten getötet werden. "Gia" und "Kacha" hätten sie geschlagen. Nachgefragt, ob aus ihrer Sicht Gründe gegen eine Ausweisung sprechen würden, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihre Mutter und in Bruder in Österreich seien und ihr Bruder bereits einen positiven Bescheid erhalten habe. Derzeit lebe sie mit ihren Kindern und ihrer Mutter zusammen in Wels. Ihr Bruder sei mit seiner Familie in Linz wohnhaft. Zu ihrem Tagesablauf befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin an, die Wohnung geputzt zu haben. Drüber hinaus versuche sie Deutsch zu lernen. Der minderjährige Zweitbeschwerdeführer besuche die Schule. Die Frage, ob der minderjährige Zweitbeschwerdeführer Medikamente einnehmen müsse, verneinte die Erstbeschwerdeführerin. Er habe damals, als sie in Thalham gewesen seien, einen Psychologen besucht. Jetzt gehe er zu keinem Psychologen mehr, weil der minderjährige Zweitbeschwerdeführer Angst habe. Auch gehe er aufgrund der Vorkommnisse in Polen nicht alleine zur Schule.

Am 15.02.2011 wurde ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben.

Am 09.03.2011 wurde die Mutter der Erstbeschwerdeführerin als Zeugin einvernommen. Die Frage, ob sie Deutsch spreche, verneinte sie. Sie verstehe die Sprache zwar, spreche jedoch kein Wort und habe bis dato auch keinen Deutschkurs besucht. Nachgefragt, wann sie ihre Heimat verlassen habe, gab sie an, dass dies am 24.05.2008 gewesen sei. Zuvor sei sie regelmäßig in die Türkei gereist, habe dort Textilien eingekauft und diese anschließend in Georgien verkauft. Mit dieser Arbeit habe sie auch ihre Kinder versorgt; sie hätten nicht hungern müssen. Zu ihren Kindern befragt, führte die Erstbeschwerdeführerin aus, vier Kinder zu haben. Die Erstbeschwerdeführerin sei die Älteste. Der Vater ihrer Kinder lebe ihres Wissens nach in Georgien; genaue Angaben über seinen aktuellen Aufenthaltsort könne sie nicht machen. Ihre Mutter lebe in Tbilisi; die Mutter der Erstbeschwerdeführerin habe sie vor ihrer Ausreise zu ihren Verwandten in Tbilisi gebracht. Konkret handle es sich um eine Tante ihrer Mutter und deren Familie. Nachgefragt, wie lange die Erstbeschwerdeführerin die Schule besucht habe, führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass diese in Tbilisi für acht Jahre die Schule besucht habe. Ihre Tochter sei 1989 eingeschult worden und habe die Schule 1997 oder 1998 beendet. Nachgefragt, wann die Erstbeschwerdeführerin ihren Lebensgefährten kennengelernt habe, führte die Mutter der Erstbeschwerdeführerin aus, von der Beziehung ihrer Tochter erst erfahren zu haben, als diese schwanger gewesen sei. Geheiratet hätten die beiden nie. Zusammengezogen seien sie ungefähr im April 2001. Die Erstbeschwerdeführerin habe mit ihrem Lebensgefährten immer Streit gehabt, sodass diese immer wieder zu ihr gekommen sei und wieder zurückgegangen sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe mit ihrem Lebensgefährten in einem Einfamilienhaus gelebt, welches dem Großvater des Lebensgefährten gehört habe. Die Erstbeschwerdeführerin habe ihren Enkelsohn immer mitgenommen als sie in die Türkei gereist sei, sodass ihr Kind beaufsichtigt gewesen sei. Der Vater des Zweitbeschwerdeführers habe sich überhaupt nicht um ihn gekümmert.

Am 15.03.2011 langte das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. Christoph Röger ein, wonach bei der Erstbeschwerdeführerin eine leicht- bis mittelgradige Episode diagnostiziert worden sei. Diese sei situationsbedingt auf die unklaren Lebensumstände der Antragstellerin zurückzuführen und sei nicht von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit auszugehen. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Überstellung nach Georgien in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten würde.

Am 27.05.2011 wurde die Erstbeschwerdeführerin im Verfahren ergänzend einvernommen. Auf ihren Gesundheitszustand angesprochen führte diese aus, dass es ihr sehr schlecht gehe. Damit konfrontiert, dass aufgrund des von den polnischen Behörden durchgeführten Verfahrens, insbesondere aufgrund der Gespräche mit den Ärzten und der Verifizierung der medizinischen Dokumentation, festgestellt worden sei, dass die polnischen Behörden über keine Angaben verfügen würden, welche die von der Erstbeschwerdeführerin in Polen genannten Probleme bestätigen würden, brachte diese vor, dass ihr Sohn von vier Kindern vergewaltigt worden sei. Die Angaben der Behörden zu den bei ihrem Sohn vorgenommenen Untersuchungen und Medikamentenverordnungen würden nicht übereinstimmen. Es sei alles eine Lüge; sie habe in Polen keinerlei Hilfe bekommen und Polen deswegen verlassen. Auf Vorhalt ihrer Angaben, die sie vor den polnischen Behörden getätigt hat, brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass es um Polen gehe. Ihr Sohn sei in der Schule in Polen geschlagen und erniedrigt worden und habe sie ihren Sohn deswegen nicht mehr in die Schule schicken wollen. Auch in Georgien habe sie nicht gewollt, dass ihr Sohn eine Schule besuche, weil er dort in eine russische und nicht in eine georgische Schule habe gehen sollen. In Polen haben sie von den Behörden keinerlei Unterstützung bekommen; ansonsten wäre sie nicht nach Österreich gekommen. Damit konfrontiert, dass sie gegenüber den österreichischen Behörden angegeben habe, im Jahre 2007 von den Polizeibeamten vergewaltigt worden zu sein, diesen Sachverhalt den polnischen Behörden gegenüber jedoch nicht angegeben habe, führte die Erstbeschwerdeführerin aus, auch vor den polnischen Behörden darüber berichtet zu haben. Auf Vorhalt des Sachverständigengutachtens, wonach im Falle einer Rückkehr der Mutter der Erstbeschwerdeführerin nach Georgien einer kurz- bis mittelfristigen Verschlechterung auszugehen sei, ein lebensbedrohliches Ausmaß dieser Verschlechterung jedoch nicht zu erwarten sei und die Erstbeschwerdeführerin die psychiatrische Betreuung, welche sie bereits vor ihrer Ausreise in Anspruch genommen habe, im Falle einer Rückkehr fortsetzen könne, brachte sie vor, nicht zurückkehren zu können, weil ihr Leben in Georgien in Gefahr sei. Nachgefragt, ob sie zum Inhalt des Gutachtens etwas zu sagen habe, gab die Erstbeschwerdeführerin an, innerlich immer aggressiv zu sein und sich nicht gesund zu fühlen. Wenn sie sehe, wie krank ihr Sohn sei, werde es ihr niemals gut gehen. Ihr Sohn suche einmal in der Woche eine klinische Psychologin auf. Nachgefragt, seit wann ihr Sohn bei Mag. Baminger in Behandlung sei, gab sie an, dass dies der Fall sei, seit sie Thalham verlassen hätten. Die Frage, ob ihr Sohn Medikamente einnehme, verneinte die Erstbeschwerdeführerin. Die Erstbeschwerdeführerin selbst nehme derzeit das Medikament Atarax ein. Nach 17 Uhr sollte sie auch andere Medikamente einnehmen, könne den Namen jedoch nicht angeben.

Am 14.06.2011 langte eine schriftliche Stellungnahme des Dr. Blum ein, in welcher darauf hingewiesen wurde, dass im Befund von einer leicht- bis mittelgradigen depressiven Episode die Rede sei, niederschriftlich jedoch nur eine leichtgradige depressive Episode festhalten worden sei. Weiters habe die besorgniserregende Situation des Sohnes der Erstbeschwerdeführerin niederschriftlich keine Erwähnung gefunden. Die Erstbeschwerdeführerin sei durch das laufende Asylverfahren sehr stark beeinträchtigt, befinde sich in einer schlechten Wohnsituation und in schlechten Lebensumständen. Dazu käme die besorgniserweckende Entwicklung des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers. Die aus Polen eingelangten und von der Behörde übersetzten Unterlagen seien, was den minderjährigen Drittbeschwerdeführer beträfe, unvollständig und würden keine Auskunft über die Hintergründe der Erkrankung des Zweitbeschwerdeführers und keine Krankheitsbeschreibung enthalten. Laut den Ausführungen der Antragstellerin sei jedoch von einer Vergewaltigung des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers auszugehen und stelle die rechtsfreundliche Vertretung daher den Antrag in Polen Erkundigungen hinsichtlich des genauen Krankheitsbildes des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers einzuholen.

Am 13.07.2011 langte ein von Dr. Lindenbauer erstelltes psychiatrisches Gutachten betreffend den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer ein. Im Ergebnis sei diesem Gutachten zu entnehmen, dass der minderjährige Drittbeschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit leichtgradiger depressiver Symptomatik infolge Traumatisierung 2010 leide. Es sei eine teilweise Remission eingetreten, aufgrund derer von einer weiteren Besserung auszugehen sei. Im Falle einer Abschiebung bestehe keine unmittelbare Gefährdung, es sei von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Übergangs in eine chronische Verlaufsform der Erkrankung auszugehen. Eine Behandlung und der Schutz der Familie würden das Risiko verkleinern.

Mit Schriftsatz vom 26.07.2011 langte eine Stellungnahme des Rechtsvertreters ein, worin moniert wurde, dass sich die Ausführungen von Dr. Lindenbauer nicht mit den Beobachtungen der Erstbeschwerdeführerin decken würden. Darüber hinaus sei Dr. Lindenbauer nicht in die Sachverständigenliste eingetragen. Weiters wurde die Einholung eines kinderpsychologischen / kinderpsychiatrischen Gutachtens zum Beweis für die Schilderungen des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers beantragt. Es wurde darauf hingewiesen, dass es angesichts der Gebräuche in Georgen denkunmöglich sei, den geschilderten sexuellen Übergriff anzusprechen und mit psychotherapeutischer oder psychiatrischer Hilfe aufzulösen.

Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesasylamtes vom 30.08.2011 wurden die Anträge der Erstbeschwerdeführerin sowie der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer vom 04.11.2010 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), diesen der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien ausgewiesen.

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. kurz zusammengefasst festgehalten, dass dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin zu den von ihr behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Weder aus ihrem Vorbringen, noch aus dem Amtswissen lasse sich ableiten, dass die Erstbeschwerdeführerin in Georgien der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Auch der allgemeinen Situation bzw. Menschenrechtssituation in ihrem Heimatstaat, könne nicht alleine ausschlaggebende Bedeutung bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft zukommen. Bezüglich Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin keine wie immer geartete Rückkehrgefährdung ergeben habe. Auch sei unter Zugrundelegung der Rechtsprechung ein krankheitsbedingtes Überstellungshindernis zu verneinen. Eine medizinische Versorgung im Heimatland der Beschwerdeführer sei gegeben. Im Hinblick auf Spruchpunkt III. wurde festgehalten, dass die Erstbeschwerdeführerin in Österreich mit ihren minderjährigen Kindern zusammenlebe und somit ein im Sinne von Art 8 EMRK schützenswertes Familienleben in Österreich vorliege, dies Personen jedoch im selben Umfang wie die Erstbeschwerdeführerin selbst von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen seien, weshalb diesbezüglich die Ausweisung keinen Eingriff in ihr Familienleben darstelle. Auch liege kein gegenseitiges Pflege- oder Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Erstbeschwerdeführerin und ihrer in Österreich lebenden Mutter bzw. ihrem Bruder vor. Was das Privatleben der Beschwerdeführer betreffe, so könne dieses aufgrund der fehlenden Bezugspunkte nur als sehr rudimentär bezeichnet werden. Eine Reintegration in ihr Heimatland und somit das Führen eines Privatlebens sei auch in Georgien möglich, weil sie über familiäre Anknüpfungspunkte in Georgien verfügen würden, die dortige Sprache sprechen würden und das Führen des Privatlebens in Österreich daher nur minder schützenswert sei. Bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatschen könnten keine Hinweise vorgefunden werden, welche den Schluss zuließen, dass durch eine Ausweisung auf unzulässige Weise im Sinne des Art 8 Abs. 2 EMRK eingegriffen würde.

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 13.09.2011 wurde von der Erstbeschwerdeführerin sowie den minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer Beschwerde wegen Gesetzeswidrigkeit erhoben und beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, die angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass ihnen antragsgemäß Asyl bzw. subsidiärer Schutz gewährt werde; jedenfalls aber ihre Ausweisung nach Georgien auf Dauer für unzulässig erklären oder die Bescheide der Erstbehörde aufzuheben und dieser die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass die Erstbeschwerdeführerin als alleinstehende Frau mit zwei minderjährigen Kindern ohne männliche Begleitung und männlichen Schutz in der georgischen Gesellschaft ausgestoßen wäre und keine Lebensgrundlage hätte. Erschwert werde die Situation noch durch die Stigmatisierung des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers durch den ihm in Polen widerfahrenen sexuellen Missbrauch, der in Georgien in keiner Weise in angemessener und dem Wohl ihres Sohnes entsprechender Form aufgearbeitet werden könne. Diese Umstände würden noch zu den von ihnen bereits geltend gemachten Verfolgungsgründen in Georgien hinzukommen und würden die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl in Folge der Bedrohung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe vorliegen. Die Erstbeschwerdeführerin beantrage in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch die Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens. Der Gesundheitszustand des Zweitbeschwerdeführers sei schlecht und werde diesbezüglich auf das Gutachten von Dr. Lindenbauer sowie auf die Stellungnahme des Dr. Blum vom 26.07.2011 und den dort gestellten Beweisantrag auf Einholung eines kinderpsychologischen / kinderpsychiatrischen Sachverständigengutachtens verwiesen. Aufgrund der psychischen Probleme ihres Sohnes wäre für diesen im Falle einer Abschiebung nach Georgien von einer lebensbedrohlichen Situation auszugehen. Der vom Erstgericht beigezogenen Sachverständige Dr. Lindenbauer erfülle die erforderlichen fachlichen Qualifikationen nicht und werde daher neuerlich die Einholung eines kinderpsychologischen / kinderpsychiatrischen Sachverständigengutachtens beantragt.

Mit Eingabe vom 26.01.2012 wurde seitens des Dr. Blum ein Arztbrief der Abteilung für Psychiatrie am Landes-Nervenklinikum Wagner Jauregg, hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin vorgelegt.

Am 09.03.2012 wurde ein Arztbrief der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Landes-, Frauen- und Kinderklinik Linz vom 19.01.2012 betreffend den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer übermittelt.

Am 04.04.2012 langte eine Teilnahmebestätigung der Erstbeschwerdeführerin zu einem Alphabetisierungskurs (Stufe 1) vom 31.01.2012 bis 22.03.2012 im Ausmaß von 32 Unterrichtseinheiten ein.

Mit Schreiben vom 18.09.2013 übermittelte der Rechtsvertreter eine aktuelle Krankengeschichte betreffend die Erstbeschwerdeführerin. Demnach habe das Wagner Jauregg Krankenhaus unter anderem eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.

Mit Eingabe vom 21.07.2014 langte ein Bericht der Jugendwohlfahrtsbehörde des Magistrates der Landeshauptstand Linz betreffend die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer ein.

Am 19.08.2014 übermittelte der Rechtsvertreter ein Konvolut an Unterlagen betreffend die Integration und den Gesundheitszustand der Beschwerdeführer.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine mündliche Verhandlung für den 22.09.2015 an, zu welcher die Beschwerdeführer und die Mutter der Erstbeschwerdeführerin geladen wurden. Am 16.10.2015 wurden Unterlagen zum Gesundheitszustand der Mutter der Erstbeschwerdeführerin eingebracht, aus welchem hervorgehe, dass eine Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung nicht empfohlen werde. Weiters wurden diverse Integrationsunterlagen der Beschwerdeführer eingebracht.

Mit Eingabe vom 14.06.2016 wurden diverse Integrationsunterlagen sowie ärztliche Befunde eingebracht.

Am XXXX wurde die Viertbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren und für diese am 08.05.2017 der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Mit Schreiben vom 06.09.2017 wurde dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht einvernahmefähig sei und diesbezügliche Unterlagen nachgereicht werden würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Viertbeschwerdeführerin bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag der Viertbeschwerdeführerin bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Georgien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Ferner wurde der Beschwerdeführerin unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Unter Spruchpunkt IV. wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG der Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Mit Schreiben vom 01.02.2018 wurde eine anonyme Stellungnahme über die Erstbeschwerdeführerin und ihre Mutter eingebracht.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 28.02.2018, rechtskräftig seit 06.03.2018, wurde der Zweitbeschwerdeführer wegen §§ 142 Abs. 1, 229 Abs. 1, 241e Abs. 3 sowie 135 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Mit Eingabe vom 12.06.2018 wurde eine Semesterinformation der Volksschule 4 Mozartschule Linz zur Vorlage betreffend den Drittbeschwerdeführer gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, des Antrages auf internationalen Schutz der Erstbeschwerdeführerin vom 04.10.2010, ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.11.2010, der niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt 24.11.2010, am 14.02.2011 und der Befragung ihrer Mutter als Zeugin am 09.03.2011, sowie der zahlreichen in Vorlage gebrachten Unterlagen, werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

Die Identität der Beschwerdeführer steht fest. Sie sind Staatsangehörige von Georgien und gehören der armenischen Volksgruppe an. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer. Dier Dritt- und Viertbeschwerdeführer sind im Bundesgebiet geboren. Die Erstbeschwerdeführerin arbeitete vor ihrer Ausreise aus Georgien als Reinigungskraft und befinden sich noch Verwandte der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat.

Die Erstbeschwerdeführerin reiste erstmals am 09.09.2009 illegal mit dem Zweitbeschwerdeführer in das Bundesgebiet ein und wurden - nach rechtskärftigem Abschluss des ersten zurückgewiesenen Verfahrens aufgrund der Zuständigkeit Polens - die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz vom 04.11.2010 nach Wiedereinreise in Österreich zugelassen. Der Drittbeschwerdeführer wurde am XXXX im Bundesgebiet geboren und wurde für ihn am 16.12.2009 der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Die Viertbeschwerdeführerin wurde am XXXX im Bundesgebiet geboren und wurde für diese am 08.05.2017 der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Die Erstbeschwerdeführerin hat keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht. Die gesetzliche Vertreterin der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer, die Erstbeschwerdeführerin, hat keine Fluchtgründe für ihre Kinder vorgetragen und beziehen sich allesamt auf das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin.

Nicht festgestellt werden konnte, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach Georgien reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für diese als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Die Beschwerdeführer leiden an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen (im Endstadium), bezüglich derer es keine Behandlungsmöglichkeiten in Georgien gibt.

Die Beschwerdeführer führen im Bundesgebiet ein schützenswertes Privat- und Familienleben. Die Erstbeschwerdeführerin hat Kenntnisse der deutschen Sprache des Niveaus A2. Die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer gehen in die Schule. Der Bruder der Erstbeschwerdeführerin befindet sich im Bundesgebiet und verfügt über ein dauerhaftes Bleiberecht als anerkannter Flüchtling. Die Mutter der Erstbeschwerdeführerin reiste am 24.05.2008 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 24.05.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie befindet sich auch weiterhin im Asylverfahren und ist im Bundesgebiet aufhältig. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag verfügt diese über ein Bleiberecht für das Bundesgebiet. Diese kümmert sich um die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer.

Die Erst-, Dritt- und Viertbeschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten.

Die Erst, - Dritt- und Viertbeschwerdeführer erfüllen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005.

Der Zweitbeschwerdeführer erfüllt nicht die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005. Der Zweitbeschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 28.02.2018, rechtskräftig seit 06.03.2018, wegen §§ 142 Abs. 1, 229 Abs. 1, 241e Abs. 3 sowie 135 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Damit verwirklichte er den Tatbestand des Raubes, der Urkundenfälschung, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel sowie der dauernden Sachentziehung.

Zur Situation in Georgien wird festgestellt:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 30.3.2017, Visafreiheit (relevant für Abschnitt 19/ Bewegungsfreiheit)

Für Georgien ist am 28.3.2017 der visumfreie Reiseverkehr mit der Europäischen Union in Kraft getreten. Nach den neuen Regeln dürfen georgische Bürger die Länder des Schengen-Abkommens bis zu 90 Tage ohne ein Visum besuchen. Vorangegangen waren mehrjährige Verhandlungen (DW 28.3.2017). Die Einreise georgischer Staatsbürger in die Europäische Union ist auch nach der neuen Regelung an bestimmte Auflagen gebunden, wie an das Vorhandensein eines biometrischen Passes und den Nachweis ausreichender finanzieller Mittel für den Aufenthalt im Mitgliedstaat der EU, nachgewiesen etwa durch Kreditkarten oder Bargeld (GS o.D.).

Der georgische Innenminister, Giorgi Mghebrishvili, kündigte am 27.3.2017 an, dass die georgischen Grenzbeamten georgische Reisende in den Schengenraum detailliert befragen werden, um einen Missbrauch des Visaregimes und folglich dessen mögliche Suspendierung durch die EU zu verhindern. Bei Überschreitung des Aufenthaltes, der auf 90 Tage innerhalb von 180 Tagen beschränkt ist, würden laut Innenminister die EU-Mitgliedsstaaten proaktiv informiert werden. Überdies gab Mghebrishvili bekannt, dass Georgien am 4.4.2017 ein Partnerschaftsabkommen mit EUROPOL unterzeichnen werde (Civil.ge 28.3.2017).

Quellen:

Civil.ge (28.3.2017): Government Speaks on Safeguards against Visa-Waiver Abuse, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=29970, Zugriff 30.3.2017 DW - Deutsche Welle (28.3.2017): Georgier dürfen ohne Visum in die EU reisen,

http://www.dw.com/de/georgier-d%C3%BCrfen-ohne-visum-in-die-eu-reisen/a-38164800, Zugriff 30.3.2017

GS - Georgienseite (o.D.): Visafreiheit für georgische Staatsangehörige,

http://www.georgienseite.de/startseite/magazin-georgien-nachrichten-bilder-galerien/georgien-nachrichten-news-tbilissi-magazin/informationen-der-deutschen-botschaft/, Zugriff 30.3.2017

Politische Lage

In Georgien leben mit Stand 1.1.2016 laut georgischem Statistikamt 3,72 Mio. Menschen. 2014 waren es noch rund 4,49 Mio. Menschen auf

69.700 km² (GeoStat 2017).

Georgien ist eine demokratische Republik. Das politische System hat sich durch die Verfassungsreform 2013 von einer semi-präsidentiellen zu einer parlamentarischen Demokratie gewandelt, (AA 11.2016a). Staatspräsident ist seit 17.11.2013 Giorgi Margvelashvili (RFE/RL 17.11.2013). Regierungschef ist seit dem überraschenden Rücktritt von Irakli Garibaschwili Giorgi Kvirikashvili (seit 29.12.2015) (RFE/RL 29.12.2015). Beide gehören der Partei bzw. dem Parteienbündnis "Georgischer Traum" an.

Georgien besitzt ein Einkammerparlament mit 150 Sitzen, das durch eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht für vier Jahre gewählt wird. Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei, "Georgischer Traum", sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze im Parlament gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR u.a. 30.10.2016). Transparency International - Georgia beurteilte den Wahlgang als ruhig. Obgleich 70 relativ ernsthafte prozedurale Verstöße festgestellt wurden, hatten diese keinen entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang (TI-G 31.10.2016).

Die Opposition warf dem Regierungslager Wahlmanipulationen vor. Unter anderem sollen Wähler unter Druck gesetzt und Stimmen gekauft worden (Standard 31.10.2016, vgl. CK 31.10.2016).

Bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2013 konnte sich der Kandidat von "Georgischer Traum", Georgi Margwelaschwili, mit klarer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang gegen den Wunschkandidaten des amtierenden Präsidenten Michail Saakaschwili (Vereinte Nationale Bewegung), durchsetzen. Saakaschwili, zuletzt umstritten, durfte nach zwei Amtszeiten laut Verfassung nicht mehr zur Wahl antreten. Diese Wahl brachte den ersten demokratischen Machtwechsel an der georgischen Staatsspitze seit dem Zerfall der Sowjetunion (FAZ 27.10.2013).

Die Regierungspartei "Georgischer Traum" sicherte sich infolge eines überwältigenden Sieges bei den Gemeinderatswahlen im Sommer 2014 die Kontrolle über die lokalen Selbstverwaltungskörperschaften. Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) berichteten, dass es im Vorwahlkampf angeblich Druck auf oppositionelle Kandidaten gab, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Überdies sei es zu Störungen von Versammlungen der Opposition und zu etlichen Vorfällen von Gewalt gegen Wahlaktivisten gekommen. Obschon diese den Behörden bekannt waren, blieb eine amtliche Verfolgung aus (HRW 29.1.2015).

Am 27.6.2014 unterzeichneten die EU und Georgien ein Assoziierungsabkommen. Das Abkommen soll Georgien in den Binnenmarkt integrieren, wobei die Prioritäten in der Zusammenarbeit in Bereichen wie Außen- und Sicherheitspolitik sowie Justiz und Sicherheit liegen. Russland sah sich hierdurch veranlasst, seinen Druck auf die Regierung in Tiflis zu erhöhen. Am 24. November 2014 unterzeichneten Russland und das abtrünnige georgische Gebiet Abchasien eine Vereinbarung über eine "strategische Partnerschaft", mit der Moskau seine militärische und wirtschaftliche Kontrolle in Abchasien erheblich ausweitete (EP 5.12.2014).

Die EU würdigte im Juni 2016 im Rahmen ihrer Globalen Strategie zur Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik die Rolle Georgiens als friedliche und stabile Demokratie in der Region. Am 1.7.2016 trat das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Georgien in Kraft, wodurch laut der EU die politische Assoziierung und wirtschaftliche Integration zwischen Georgien und der Union merkbar gestärkt werden. Georgien hat seine Demokratie und Rechtsstaatlichkeit konsolidiert und die Respektierung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten sowie der Anti-Diskriminierung gestärkt (EC 25.11.2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (11.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

* CK - Caucasian Knot (31.10.2016): In Georgia, "UNM" Party claims mass violations at elections,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/37376/, Zugriff 21.2.2017

* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,

http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 21.2.2017

* EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 21.2.2017

* EP - Europäisches Parlament (5.12.2014): Assoziierungsabkommen EU-Georgien,

http://www.europarl.europa.eu/EPRS/EPRS-AaG-542175-EU-Georgia-Association-Agreement-DE.pdf, Zugriff 21.2.2017

* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.10.2013): Georgi Margwelaschwili gewinnt mit klarer Mehrheit, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/praesidentschaftswahl-in-georgien-georgi-margwelaschwili-gewinnt-mit-klarer-mehrheit-12636443.html, Zugriff 21.2.2017

* GeoStat - National Statistics Office of Georgia (2017):

population,

http://www.geostat.ge/index.php?action=page&p_id=473&lang=eng, Zugriff 21.2.2017

* HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/295489/430521_de.html, Zugriff 21.2.2017

* IFES - International Foundation for Electoral Systems (9.3.2015a):

Election Guide, Democracy Assistance & Elections News - Georgia, http://www.electionguide.org/elections/id/2287/, Zugriff 10.11.2015

* OSCE/ODIHR u.a. - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 21.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (17.11.2013):

Margvelashvili Sworn In As Georgia's New President, http://www.rferl.org/content/georgia-president-inauguration/25170650.html, Zugriff 21.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (29.12.2015): Giorgi Kvirikashvili Confirmed As Georgia's New Premier, http://www.rferl.org/content/georgian-parliament-vote-kvirikashvili-government-december-29/27454801.html, Zugriff 21.2.2017

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 21.2.2017

* TI-G - Transparency International - Georgia (31.10.2016):

Assessment of the 2016 Parliamentary runoff elections, http://www.transparency.ge/en/blog/assessment-2016-parliamentary-runoff-elections, Zugriff 21.2.2017

* Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50,

http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 21.2.2017

Sicherheitslage

Die Lage in Georgien ist - mit Ausnahme der Konfliktgebiete Abchasien und Südossetien - insgesamt ruhig. Beide genannte Gebiete befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung in Tiflis. In den Gebieten und an ihren Verwaltungsgrenzen sind russische Truppen stationiert (AA 20.3.2017a).

Im Zuge der Auflösung der UdSSR erhöhten sich die Spannungen innerhalb Georgiens in den Gebieten Abchasien und Südossetien, als der autonome Status der Provinzen von georgischen Nationalisten in Frage gestellt wurde. Nach der georgischen Unabhängigkeit führten heftige Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung 1992 zu Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens und Abchasiens, die aber von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wurden. Der Einfluss des nördlichen Nachbarlandes wuchs kontinuierlich, unter anderem durch Ausgabe russischer Pässe an die abchasische und südossetische Bevölkerung. Nach zahlreichen blutigen Zwischenfällen und Provokationen aller Seiten eskalierte der Konflikt um Südossetien am 7. August 2008 nach einem Vorstoß georgischer Truppen in die südossetische Hauptstadt Tskhinvali zu einem georgisch-russischen Krieg, der nach fünf Tagen durch einen von der EU vermittelten Waffenstillstand beendet wurde. Am 26. August 2008 erkannte Russland Abchasien und Südossetien, einseitig und unter Verletzung des völkerrechtlichen Prinzips der territorialen Integrität Georgiens, als unabhängige Staaten an und schloss wenig später mit diesen Freundschaftsverträge ab, die auch die Stationierung russischer Truppen in den Gebieten vorsehen. Infolge des Krieges wurden nach Schätzungen internationaler Hilfsorganisationen bis zu 138.000 Personen vorübergehend zu Vertriebenen und Flüchtlingen. Etwa 30.000 Georgier aus Südossetien konnten bis heute nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die zivile EU-Beobachtermission EUMM nahm Anfang Oktober 2008 in Georgien ihre Arbeit auf. Das OSZE-Mandat lief Ende 2008 aus, UNOMIG endete im Juni 2009. EUMM ist damit die einzige verbliebene internationale Präsenz zur Stabilisierung in Georgien (AA 11.2016b).

Ein wichtiges diplomatisches Instrument zur Deeskalation des Konflikts sind die sogenannten "Geneva International Discussions - GID" (Genfer Internationale Gespräche). Diese finden seit 2008 unter Beteiligung der involvierten Konfliktparteien unter dem gemeinsamen Vorsitz von Vertretern der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der OSZE statt. Aus den Genfer Gesprächen resultierte der "Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM)" sowie die Involvierung der EUMM, sodass die lokalen Sicherheitsbehörden der Konfliktparteien vor Ort in Kontakt treten können bzw. ihnen die Möglichkeit zum Dialog eröffnet wird (OSCE 6.11.2014).

Abchasien und Südossetien bleiben außerhalb der Kontrolle der Zentralregierung und werden von mehreren tausend russischen Truppen und Grenzpolizisten unterstützt. Russische Grenzschutzbeamte beschränken die Bewegung der örtlichen Bevölkerung. Die Behörden beschränken die Rechte, vor allem von ethnischen Georgiern, am politischen Prozess teilzuhaben, in Eigentumsfragen oder bei der Registrierung von Unternehmen. Überdies ist die Reisefreiheit eingeschränkt. Die südossetischen Behörden verweigern den meisten ethnischen Georgien, die während und nach dem Krieg von 2008 vertrieben wurden, nach Südossetien zurückzukehren. Die Behörden erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang zu Südossetien, um humanitäre Hilfe zu leisten. Die Russische "Grenzziehung" der administrativen Grenzen der besetzten Gebiete setzte sich während des Jahres fort, trennte die Bewohner aus ihren Gemeinden und untergrub ihren Lebensunterhalt (USDOS 3.3.2017).

Die Vereinten Nationen zeigten sich Ende Jänner 2017 besorgt darüber, dass die angekündigten Schließungen von Grenzübertrittsstellen seitens der abchasischen Behörden negative Konsequenzen für die Bevölkerung beidseits der administrativen Grenze haben werden. Für die Menschen in Abchasien wird es schwieriger sein, auf grundlegende Dienstleistungen wie Gesundheitswesen und Bildung in Georgien zurückzugreifen und an Wirtschaftsaktivitäten und gesellsch

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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