TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/28 W240 2014227-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.06.2018
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Entscheidungsdatum

28.06.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W240 2014231-2/10E

W240 2014224-2/10E

W240 2014227-2/7E

W240 2178553-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerden von XXXX , alle StA. Somalia, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2017, Zlen 1.) 820247307-1463084, 2.) 820247100-1463106, 3.) 831285507-2382996, und 4.) 1118938702-160836729, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.03.2018, zu Recht erkannt:

A) Den Beschwerden wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 und 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, idgF. und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführenden Parteien, Staatsangehörige Somalias, stellten am 29.02.2012 bzw. für den Drittbeschwerdeführer am 05.09.2013 und für die Viertbeschwerdeführerin am 06.06.2016 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben auf ihrer Flucht nach Österreich in Griechenland nach traditionellem Ritus geheiratet; der Drittbeschwerdeführer ist deren in Österreich geborener minderjähriger Sohn, die Viertbeschwerdeführerin ist deren in Österreich geborene Tochter.

Anlässlich der Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers am 29.02.2012 gab dieser im Wesentlichen an, er sei in Mogadischu geboren, sein Vater wäre gestorben. Er habe im Bezirk XXXX in Somalia gelebt. Seine Reisebewegungen hätten in Mogadischu begonnen. Er habe seine Heimat im Februar 2011 mit einem Schiff in Richtung Jemen verlassen. Er sei illegal aus seinem Herkunftsstaat ausgereist. Er habe nie ein Reisedokument gehabt. Er habe in seinem Heimatbezirk in Mogadischu einen Schlepper aufgesucht. Er habe diesen bereits zuvor gekannt, da dieser in seinem Bezirk bekannt wäre. Mit diesem habe er seine Schleppung bis nach Österreich vereinbart. Diesem Schlepper habe er rund 5.000,- USD bezahlt. Seine Reise habe von Februar 2011 bis heute gedauert. Die Reise habe er selbst organisiert. Die Reise sei durch verschiedene Schlepper organisiert worden. Die Kosten der Reise hätten rund

5.000 USD betragen. Er habe keine Kontaktperson gehabt. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er sein Land wegen der schlechten Situation in Somalia verlassen hätte, und weil sein Vater umgebracht worden wäre. Er habe Angst von der Al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Befragt, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte, gab er an, dass er Angst um sein Leben hätte. Die Frage, ob er im Falle seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte, verneinte er.

Anlässlich der Erstbefragung am 29.02.2012 gab die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen an, im Bezirk XXXX in Mogadischu geboren zu sein und dem Clan der Sheikal anzugehören. Ihr Vater wäre im Jahr 2011 verstorben. Ihre Reisebewegungen hätten in Mogadischu begonnen. Sie hätte ihre Heimat im Juni 2011 mit einem Flugzeug verlassen. Sie wäre illegal aus ihrem Herkunftsstaat ausgereist. Sie hätte nie ein Reisedokument gehabt. Sie hätte Ihren Mann erst im Rahmen ihrer Ausreise in Griechenland kennengelernt und danach hätte sie nach islamischem Recht geheiratet. Zu Ihren Fluchtgründen führte sie an, dass sie ein Mitglied der Al Shabaab heiraten hätte wollen. Da sie sich geweigert hätte, wäre er eines Tages zu ihr nach Hause gekommen und hätte ihren Vater umgebracht. Er hätte sie mit dem Umbringen bedroht, deshalb hätte sie aus ihrem Heimatland flüchten müssen. Auf die Frage, was sie bei einer Rückkehr in ihre Heimat befürchte, gab sie an, dass sie Angst um ihr Leben hätte.

Der Erstbeschwerdeführer wurde am 26.04.2012 in Beisein eines Dolmetschers der Sprache Somali beim Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme gab er im Wesentlichen zu seinen Fluchtgründen an:

"(...)

Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.

Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

Tun Sie das so, als hätten Sie noch vor keiner Behörde in Österreich ihre Fluchtgründe geschildert.

Sollten sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor österreichischen Behörden falsche Angaben gemacht haben oder sollte es zu sonstigen Ungereimtheiten gekommen sein, so werden Sie aufgefordert, dies jetzt bekannt zu geben.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

Sie haben jetzt auch Gelegenheit sich zu den Fragen, die von ihnen mit "ja" oder "nein" beantwortet wurden, zu äußern.

A.: Ich bin zur XXXX Schule gegangen, es war im November 2010, wir waren ca. 20 Schüler. Es gab einen jungen Mann, der ist mit uns in diese Schule gegangen. Er hat uns Angst gemacht. Er hat gesagt, dass die Übergangsregierung gestürzt wird, er hat uns gezeigt, wie man ein Tier schlachtet und wie dieses Tier sein Leben verliert. Er hat gesagt, dass wir mit ihnen mitkommen müssen. Sie werden diese Ungläubigen besiegen. Er hat eine Woche lang immer mit uns darüber gesprochen. Ich und mein Freund wollten die Champions Liga im Kino anschauen, plötzlich kam ein Auto, die Männer sind ausgestiegen, dann setzten sie uns Pistolen an den Hals. Er sagte, wir müssen in das Auto einsteigen. Die waren bewaffnet und maskiert. Er hat zu uns gesagt, ich schwöre euch, wenn jemand schreit, den bringen wir sofort um. Die haben uns die Augen verbunden und brachten uns auf den Rücksitz. Das Auto ist losgefahren. Die brachten uns an eine Stelle, dort waren kleine Hütten. Da waren viele Leute, auch Ausländer waren in diesem Lager. Ich war erschrocken, ich habe immer wiederholt, was haben wir angestellt, warum wollen sie uns umbringen. Wir sind aus dem Auto ausgestiegen, dann haben sie uns die Augenbinde entfernt. Dann kam ein Mann mit langem Bart. Der Mann sagte, wir sollen keine Angst haben, die werden uns nichts tun. Wir sind die Leute, die die Religion und das Land verteidigen werden. Er hat gesagt, dass er uns etwas beibringen wird. Der Mann hat uns gepredigt, er sagt diese schwarzen, ungläubigen Leute haben unser Land eingenommen. Wir sind die einzigen die das Land verteidigen. Wir waren erschrocken, wir konnten gar nichts tun. Die Leute die uns dorthin gebracht haben, sind wieder weggefahren. Die haben uns durchsucht und unseren Körper, der andere Junge hatte ein Handy mit, dann haben die ihm das Handy weggenommen. Die haben gesagt, dass das Handy verboten ist und man es nicht besitzen darf. Die haben uns gepredigt, sie sagten jede Nacht hört man Bomben und diese Ungläubigen schrecken vor nichts zurück, die hätten alle unsere Bevölkerung umgebracht. Die haben gesagt, dass sie Leute brauchen, die die Seele opfern, derjenige der das tut, wird im Paradies landen. Der soll einfach den Finger hochhalten. Ein Mann hat vor uns einen Zettel vorgelesen, wenn man das anhört, dann macht das Leben keinen Sinn mehr. Die fragten, ob wir jemand kennen, der Englisch kann. Ich habe Angst gehabt ja zu sagen. Wir haben die gebeten, ob wir unsere Eltern kontaktieren können. Die haben gesagt, jetzt nicht, vielleicht später. Dort gab es auch viele Rebellen, die sagten sie verteidigen unser Land, wir müssten auch mitkommen und auch verteidigen. Dort gab es einen Mann, der heißt XXXX , wir haben nur in der Nacht ein Essen bekommen, es gab kein richtiges Essen. Es war außerhalb von Mogadischu. Wir waren 5 Tage dort, dann haben wir versucht wegzulaufen. Ich habe mit meinem Freund ausgemacht, dass wir weglaufen, dass wir mit allem rechnen müssen, ob sie uns töten oder nicht. Ich habe gesagt, wenn wir hierbleiben, dann werden sie uns etwas Schlimmes antun. Es war um 23 Uhr, wir haben so viele Geräusche gehört, ich glaube die wollten am Krieg teilnehmen, man hat Autos gehört, sie stiegen in Autos ein. Viele Leute sind rausgegangen und wir gingen auch hinaus, wir haben uns dann in einer Ecke versteckt, dort war eine Tür. Wir sind dann gelaufen, die haben uns gesehen, dann sind sie hinter uns her gefahren mit einem Auto Marke Toyota. Die haben uns angegriffen, dann haben sie uns mit dem Auto mitgenommen. Die haben uns geschlagen. Wir sind aus dem Auto ausgestiegen, dann ist einer zu mir gelaufen, er fragte wo ist er, wo ist er. Er hat mich mit der Spitze des Gewehres am linken Unterarm geschlagen.

AW Zeit Narbe vor.

A.: Ich habe beim Daumen gar kein Gefühl durch diese Verletzung. Ich darf auch keine Uhr tragen, es schmerzt. Wenn ich es anfasse, dann schmerzt mir der Daumen. Ich habe so stark geschrien, dann hat er mich nochmal mit dem Gewehrkolben geschlagen. Er hat mich beleidigt, er sagt in mein Land sind Ungläubige gekommen und ich will mein Land nicht verteidigen. Ich wollte mich vor dem Gewehrkolben mit dem Arm schützen. Sie haben mir auf die Hand geschlagen. Es ist jetzt nicht gleichmäßig.

AW zeigt den linken Unterarm.

A.: Ich habe die gebeten, ich sagte, ich werde nie mehr versuchen wegzulaufen, ich werde alles machen was die sagen. Einige haben gesagt, dass wir ungläubig sind, wir wollten einfach weglaufen und unser Land nicht verteidigen. Ich konnte meinen Arm nicht mehr gerade halten, er ist einfach runtergekippt. Ich habe denen nicht gesagt, dass die Hand gebrochen wurde, ich habe nur geschrien. Ich hatte einen langärmligen Pullover an. Sie sagten ich soll den ausziehen, dann habe ich mich übergeben. Ich habe zu denen gesagt, dass ich alles machen werde, was die mir sagen. Ich wäre auch bereit Anschläge zu verüben. Der Chef von dort hat gesagt, dass sie mich verarzten müssen, sie brachten mich in diesem Lager an eine Stelle, wo sie überall mit einem Holzstück meine Hand wieder gerade gemacht haben. Die haben mir eine Naht auf die andere Wunde gemacht. Ich habe gefragt ob sie mir gegen die Schmerzen Medikamente geben. Die sagten, dass die Medikamente die Ungläubigen machen. Meinem Freund haben die gezeigt wie man mit dem Gewehr umgeht. Mir haben sie eine Pistole gezeigt, diese Pistole kann man so aufmachen und so beladen, solche Sachen wurden mir gezeigt. Vorher waren wir 5 Tage dort, dann sind wir weggelaufen, dann waren wir noch 8 Tage dort, insgesamt waren es 13 Tage. Die Rebellen haben mit einer großen Waffe in die Stadt geschossen, direkt dorthin wo der Präsident sein Haus hat. Die Übergangsregierung haben dann Schüsse in unsere Richtung geschossen. Die Übergangsregierung hat mit starken Waffen geschossen, in diesem Lager gab es dann mehrere Verletzte und ein Rebell ist ums Leben gekommen. Es ist mit gelungen wegzulaufen. Es war schwer, ich bin immer gesessen, habe Pause gemacht, dann bin ich wieder gelaufen. Ich bin ungefähr 5 Stunden gelaufen, dann bin ich zu einer Straße gekommen. Diese Straße ist die Autobahn, welche von Afgooye nach Mogadischu geht. Ich bin die ganze Zeit durch den Wald gelaufen, dann bin ich zu dieser Straße gekommen, ich wusste nicht welche Richtung ich nehmen soll. Ich habe mich für eine Richtung entschieden, ich habe gehofft, dass mir Leute entgegenkommen und mir dann vielleicht die richtige Richtung zeigen. Es war bei Sonnenaufgang. Es gibt Autos welche Milch transportieren, ein solches Auto ist gekommen, ich habe meine Hand gehalten und sagte Halt. Er hat gefragt, wer ich bin und wo ich hin will. Ich habe gesagt, dass ich Probleme habe, ich habe Angst gehabt, wenn ich sagen werde, ich habe Angst vor Al-Shabaab, dass er mich nicht mitnimmt. Aber ich habe gesagt, dass ich in diese Richtung wohne. Er sagt er fährt nach Mogadischu. Mein Daumen war so geschwollen. Ich habe zu ihm gesagt, dass mir auch der Arm gebrochen wurde. Ich habe ihn gebeten ob er mich mitnimmt oder mir etwas Geld gibt, damit ich mit einem anderen Auto mitfahren kann. Er hat mir gesagt, dass ich einsteigen soll. Ich bin mit ihm mitgefahren, ich bin bis zum Bezirk XXXX gekommen. Ich bin dort zu Fuß bis nach XXXX gegangen. Ich kam nachhause. Meine Eltern haben angefangen zu weinen, sie haben mich überall gesucht. Meine Mutter hat gefragt, wo ich die ganze Zeit war. Dann habe ich alles erzählt. Alles was ich erlebt habe. Ich habe denen auch erzählt, wo die mich hingebracht haben und dass ich weggelaufen bin. Ich habe aufgehört in diese Schule zu gehen. Nach 2 Monaten bin ich aus der Moschee herausgekommen, ich war beim Abendgebet. Es war bei der Moschee XXXX . 2 Jungs waren hinter mir, ich habe die in der Moschee drinnen gesehen. Ich habe gar keine Angst gehabt, ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich war ungefähr 5 Meter von unserer Haustür entfernt. Einer geht vor mir, der andere war hinter mir. Der vor mir war, hat eine Pistole gehabt. Er wollte mich erschießen, aber leider ist es nicht gegangen. Ich bin zur anderen Ecke weggelaufen. Ich ging bei einer Tür hinein, ich habe mit der anderen Hand die Türe zugemacht, dann hat er in meine Richtung geschossen. Mein Vater wurde von einer Kugel getroffen, er ist durch diese Kugel ums Leben gekommen. Ein Bruder von mir wurde beim Schlüsselbein getroffen. Die Kugel ist nicht wieder herausgekommen, es ist im Körper geblieben und weitergegangen, die Kugel ist jetzt in den Nieren, meine Mutter kann sich keine Operation leisten. Ich habe auch einen Streifschuss bekommen. Die Schüsse sind durch die Türe gegangen. Es war gerade beim Abendessen, zum Glück ist meiner Mutter nichts passiert. Ich habe auch gehört, dass sie meinen Freund umgebracht haben. Er hat versucht wegzulaufen, dann wurde er umgebracht. An dem Tag habe ich mich entschlossen, die Heimat zu verlassen. Ich glaube es war am XXXX . Am 25. habe ich Mogadischu verlassen. Das Land habe ich im selben Monat verlassen.

F.: Gibt es noch andere Gründe die Sie vorbringen möchten?

A.: Nein, das waren alle, wenn die Leute mich nochmal sehen, dann werden die mich umbringen. Die glauben dass ich ungläubig bin.

(...)"

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 26.04.2012 in Beisein eines Dolmetschers der Sprache Somali beim Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme gab sie im Wesentlichen zu ihren Fluchtgründen an:

"(...)

Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.

Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

Tun Sie das so, als hätten Sie noch vor keiner Behörde in Österreich ihre Fluchtgründe geschildert.

Sollten sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor österreichischen Behörden falsche Angaben gemacht haben oder sollte es zu sonstigen Ungereimtheiten gekommen sein, so werden Sie aufgefordert, dies jetzt bekannt zu geben.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

Sie haben jetzt auch Gelegenheit sich zu den Fragen, die von ihnen mit "ja" oder "nein" beantwortet wurden, zu äußern.

A.: Wegen einem Mann.

F.: Schildern Sie alles.

A.: Der Mann war von Al-Shabaab. Dieser Mann lebte in meiner Nachbarschaft, ich habe gehört, dass er zu Al-Shabaab gehört, aber ich habe es nicht geglaubt. Eines Tages ich war zuhause mit meinen beiden Schwestern, hat er an die Türe geklopft. Ich habe die Türe aufgemacht, dann sagte er zu mir, he weißt du, dass ich dich heiraten will. Ich sagte, ich weiß es nicht. Er hat gesagt, ab jetzt muss ich wissen, dass er mich heiraten will. Ich habe die Türe zugemacht. Er ist nochmals gekommen. Bei uns sind neben der Türe kleine Löcher, wenn jemand draußen ist, dann sieht man den. Beim 2. Mal hat er an die Türe geklopft, ich habe nicht aufgemacht. Er hat gesagt, wenn ich nicht höre was er sagt, dann werde ich etwas erleben. Er hat gefragt, ob ich nicht die Türe aufmachen will, ich habe die Türe nicht aufgemacht. Ich habe es meiner Mutter erzählt, sie sagte, ich soll die Türe nicht aufmachen. Beim 3. Mal ist er gekommen, er ist draußen gestanden, dann hat er gesagt, wenn ich ihn nicht heirate, dann wird er meine ganze Familie auslöschen. Er würde eine Bombe werfen. Er hat gesagt, wenn wir zum Schlafen gehen, dann wird er das machen. Ich habe meiner Mutter davon erzählt, ich habe gefragt was wir machen sollen. Meine Mutter sagte, wir müssen es dem Vater erzählen. Meine Mutter hat meinem Vater davon erzählt. Mein Vater sagte, dass dieser Mann zu Al-Shabaab gehört und er ist sehr gefährlich. Mein Vater hat zu mir gesagt, dass er mir ein Angebot machen will, ich soll den Sohn seines Freundes heiraten. Ich war damit einverstanden. Er hat mitbekommen, dass mein Vater mich an einen anderen jungen Mann geben will. Er hat uns überfallen, am Nachmittag ist er zu meinem Vater gekommen, er hat uns Angst gemacht. Der Mann der mich heiraten wolle, mein Vater und 2 andere waren bei uns zuhause, ich war in der Nachbarschaft, die Nachbarn haben mir Henna gemacht, es war vor der Eheschließung. Dann hat er meinen Vater und meinen zukünftigen Ehemann umgebracht und noch 2 Zeugen wurden sehr schwer verletzt. Er hatte auch ein Messer bei sich, ich habe gehört, dass er mich überall gesucht hat, er wollte mich zerstückeln. Meine Mutter ist zu mir gelaufen und der Freund von meinem Vater ist auch in die Nachbarschaft gekommen, wo ich war. Ich bin dann zum Haus des Freundes meines Vaters gekommen. Ich war 9 Tage beim Freund des Vaters, nach 9 Tagen habe ich das Land verlassen. Der Mann hat geschworen, dass er mich umbringen wird. Er wollte mich zerstückeln.

(...)

Betreffend den Erstbeschwerdeführer wurde insbesondere eine gutachterliche Stellungnahme zur Narbenbegutachtung, erstellt von einer Ärztin für Allgemeinmedizin und für Psychotherapeutische Medizin, am 18.06.2012 eingeholt.

Am 01.10.2012 wurde der Erstbeschwerdeführer neuerlich vom BFA niederschriftlich einvernommen und gab zusammengefasst an:

"(...)

F.: Schildern Sie bitte erneut vollständig, was Ihnen in Somalia passiert ist, warum haben Sie Ihr Land verlassen?

A.: Ich bin in eine Privatschule gegangen, in dieser Privatschule waren auch Leute, die zu Al-Shabaab gehören. Die haben zu mir gesagt, dass ich mit denen zusammenarbeiten muss, die Übergangsregierung ist zusammengebrochen, er hat ein Beispiel gesagt, es ist wie ein Tier, das geschlachtet wurde, aber die Seele hat es noch nicht verlassen, so wäre die Regierung. Wir brauchen keine Angst haben, wir müssen alle gemeinsam Dschihad machen. Sie haben immer gesagt, dass ich kommen soll, ich soll mit ihnen zusammenarbeiten und kämpfen. Dann habe ich mich entschlossen nicht mehr in die Schule zu gehen. Eines Abends hat es ein Fußballmatch gegeben, es war ein Champions League spiel, wir mussten es im Kino Super schauen. Ich war mit meinem Freund unterwegs, wir waren kurz davor ins Kino reinzugehen, plötzlich ist vor uns ein Auto stehen geblieben, dann sind zwei junge Männer ausgestiegen, dann haben sie gesagt, wenn wir schreien, dann werden sie uns in den Kopf schießen. Er sagte, wir sollen einsteigen. Wir sind in das Auto eingestiegen. Wir wurden außerhalb von Mogadischu gebracht, es war in ein Lager. Ich hatte Angst, wir beide hatten Angst, wir wussten nicht was die mit uns machen werden. Sie sagten wir sollen aussteigen. In diesem Lager hat ein Mann regiert, dieser Mann heißt XXXX . Es waren mehrere Gefangene dort, dieser Mann ist zu uns gekommen, er hat uns gepredigt. Er hat uns gesagt, dass wir mit ihm kämpfen müssen und unser Land verteidigen, gegen die Ungläubigen kämpfen. Er sagte, wir haben kein Leben mehr, wir müssen Anschläge ausüben. Die machen den Leuten Gehirnwäsche, die predigen bis die Leute ja sagen. 5 Tage später haben wir versucht von dort wegzulaufen. Es war dort kein normales Gebäude, es waren kleine Hütten, im Hof waren einfach Bäume, ich bin mit meinem Freund rausgegangen, in diesem Moment waren die beschäftigt, wir haben auch niemand gesehen. Wir sind einfach weggelaufen, die haben das mitbekommen, ich weiß bis heute nicht ob jemand uns draußen gesehen hat oder ob die es drinnen gemerkt haben. Sie sind mit einem Auto Marke Toyota hinter uns hergefahren. Die haben uns aufgegriffen und uns geschlagen. Zuerst haben sie mir die Gewehrspitze auf die Hand geschlagen, dann haben sie mich mit dem Gewehrkolben am Arm geschlagen. Ich habe geschrien, dann wurde mir mit dem Gewehrkolben auf den Arm geschlagen. Die wollten uns umbringen, aber sie waren sich nicht einig, dass sie uns töten. Die einen haben nein gesagt, die anderen ja. Ich habe geschrien und gesagt, dass ich mitkämpfen werde, ich habe gesagt, ich werde alles machen und dass ich einen Fehler gemacht habe. Die haben uns dann mit dem Auto mitgenommen und uns in dieses Lager zurückgebracht. Die hatten dort einen Arzt, er hat mir die Hand zugenäht. Mein Arm war gebrochen, er hat mich verarztet, er hat mir vier Holzstücke an jede Seite gemacht. Der Arm hat mir noch wehgetan, ich wurde hier in Österreich operiert. Die Ärztin hat mir gesagt, dass die Nerven auch betroffen waren, ich weiß nicht ob es zugeschickt wurde. Ich hatte Angst, dass die mich umbringen, ich habe alles gemacht, was die von mir verlangt haben, ich habe manchmal Abendessen gebracht, ich habe auch zugehört, wenn die gepredigt haben. Die haben immer gesagt, dass man Anschläge ausüben muss, ich sagte es ist richtig. 8 Tage später, haben die mit Bomben auf die Stadt Mogadischu geschossen, die haben die Antwort der Regierung bekommen, die wurden auch beschossen. Die haben mit Madfa geschossen. Das Lager wurde getroffen. Ich habe auch Tode und Verletzte gesehen, alle sind weggelaufen, ich bin auch weggelaufen, ich war ca. 5 Stunden unterwegs im Wald. Meine Hand hat mir noch weggetan, dann kam ich zu einer Straße, diese Straße fährt nach Afgooye, die andere Richtung nach Mogadischu. Ich habe dann ein Auto angehalten, dieses Auto hat Milch transportiert. Es ist stehen geblieben und brachte mich nach XXXX . Ich bin zu Fuß gegangen bis nach XXXX . Ich bin zu meiner Familie gekommen. Die haben nicht geglaubt, alle haben geweint, dass ich es bin. Ich habe entschlossen nicht mehr hinaus zu gehen, damit diese Leute mir nichts mehr antun können. Die haben gesagt, wenn jemand wegläuft dann ist er ungläubig und wenn die ihn wiederfinden, bringen die ihn um. Ich bin zuhause geblieben, meine Mutter hat in der Nachbarschaft Wäsche gewaschen und Geschirr gespült, so hat sie das Geld verdient, mein Vater hat auch nicht gearbeitet, er war zuhause. 2 Monate später bin ich in die Moschee gegangen, es war an einem Freitag. Ich bin fertig geworden mit dem Beten, ich ging raus, Männer gingen hinter mir her. Die sind hinter mir hergegangen, die wollten, dass ich zu einer Straße komme, wo niemand unterwegs ist. Es waren 2 Männer, einer ging hinter mir, der andere neben mir. Ich habe nie gedacht, dass diese Leute etwas von mir wollten. Der Mann der neben mir gegangen ist, der hat mir eine Pistole ans Gesicht gehalten, er wollte auf mich schießen, aber es ist nicht gegangen. Ich bin weggelaufen, der andere der hinter mir gegangen ist, der hat seine Pistole rausgenommen und ist hinter mir hergelaufen, ich bin dann ins Haus meiner Familie gekommen, ich habe die Türe zugemacht. Meine Familie hat zu diesem Zeitpunkt im Vorzimmer zu Abend gegessen, mein 2 jüngeren Brüder, meine Schwester und mein Vater. Sie haben durch die Türe geschossen und mein Bruder wurde durch einer der Schüsse getroffen, er wurde an der linken Hand am Schlüsselbein getroffen. Die Kugel ist jetzt in den Nieren. Mein Vater wurde tödlich getroffen. Ich habe im Oberschenkel einen Streifschuss bekommen. Es war ein Regierungsstützpunkt in der Nähe, die Schüsse wurden gehört, die haben das Feuer eröffnet und die Männer sind weggelaufen.

Ich glaube die wollten zu uns rein, aber als sie die Schüsse der Übergangsregierung gehört haben, hatten die Angst, deshalb sind die weggelaufen, Leute von der Übergangsregierung kamen zu uns, sie sagten, sie werden die Männer suchen. Die Nachbarschaft hat Geld gesammelt, mein Bruder wurde ins Krankenhaus gebracht. Mein Vater war bereits tot, man hat ihn zuhause gelassen. Es ist mir sehr schlecht gegangen psychisch war ich fertig, ich wusste nicht was ich machen sollte. Mein Vater war tot, mein Bruder verletzt. Am nächsten Tag wurde mein Vater beerdigt, ich war nicht dabei. Ich habe nach der Beerdigung entschlossen die Heimat zu verlassen. Im Februar 2011 habe ich das Land verlassen.

F.: Wann war das als man Sie in der Schule angesprochen hat?

A.: Es war im November 2010.

F.: Wer waren diese Männer, die Sie angesprochen haben?

A.: Er war neu in der Schule.

F.: Wie viele Leute waren es?

A.: 4 Männer. Ich hatte Angst, ich habe nie mit den Jungs gesprochen.

F.: Kannten Sie die Männer die Sie mitgenommen haben?

A.: Einer dieser Männer habe ich gekannt, ich habe zwar sein Gesicht nicht gesehen, aber ich habe die Stimme erkannt.

F.: Woher kannten Sie diesen Mann?

A.: Aus der Schule.

(...)"

Am 01.10.2012 wurde die Zweitbeschwerdeführerin neuerlich vom BFA niederschriftlich einvernommen und gab zusammengefasst an:

(...)

F.: Schildern Sie bitte erneut vollständig, was Ihnen in Somalia passiert ist, warum haben Sie Ihr Land verlassen?

A.: Wegen einem Mann habe ich das Land verlassen, dieser Mann gehörte zu Al-Shabaab. Ich habe von Leuten gehört, dass dieser Mann zu Al-Shabaab gehört, aber ich wusste es nicht. Eines Tages hat er an unsere Türe geklopft, ich habe die Türe geöffnet, er hat mir gesagt, "He kleines, weißt du, dass ich dich heiraten will". Ich sagte, dass ich es nicht wüsste. Er sagt, dass ich wissen muss, dass er mich heiraten wird. Dann habe ich die Türe zugemacht. Er ist dann ein zweites Mal gekommen. Beim 2. Mal habe ich die Türe nicht geöffnet. Ich habe aus einem Loch geschaut. Er hat mir gesagt, dass er mich sieht, ich stehe dort und warum ich die Türe nicht aufmache. Ich habe nicht mit ihm gesprochen. Dann habe ich es meiner Mutter erzählt. Meine Mutter hat gesagt, ich darf die Türe nicht aufmachen. Er ist zu mir gekommen und hat gesagt, dass er zu mir und meiner ganzen Familie eine Bombe werfen wird. Meine Mutter hat gesagt, dass wir meinem Vater die Geschichte erzählen müssen. Meine Mutter hat es meinem Vater erzählt. Mein Vater fragte, warum wir es nicht vorher erzählt haben, der Mann wäre sehr gefährlich, er gehört zu Al-Shabaab. Mein Vater hat gesagt, dass dieser Mann sehr gefährlich ist. Mein Vater hat mir einen anderen Mann gegeben, dieser Mann ist der Sohn des Freundes meines Vaters. Der Mann hat schon mitbekommen, dass mein Vater mir einen anderen Mann gegeben hat. Er hat meinem Vater Angst gemacht. Am Tag meiner Hochzeit hat er und überfallen. Er hat den Mann der mich heiraten wollte und meinen Vater umgebracht, er hat 2 weitere Personen verletzt. Er hat beide gnadenlos umgebracht. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht zuhause. Ich war bei einer anderen Familie, dort habe ich Henna gemacht. Er hat ein Messer genommen und er hat gesprochen, wo ist sie, ich werde sie schlachten mit diesem Messer. Wenn er mich gefunden hätte, dann hätte er mich bestimmt geschlachtet, diese Leute kennen keine Gnade. Meine Mutter ist zu mir gelaufen. Mein Onkel ist auch mit ihr mitgekommen, dann haben sie mich ins Haus meines Onkels gebracht. Wir sind zum Onkel gekommen, ich habe die ganze Zeit nur geweint. Der Onkel hat gesagt, wir müssen irgendetwas tun, wenn er das Mädchen wiedersieht, dann wird er sie umbringen, meine Mutter hat ihn gebeten, mich zu retten. Der Onkel hat gesagt, er wird versuchen mich wegzuschicken.

F.: Hatten Sie oder Ihre Familie nochmals Kontakt mit diesem Mann?

A.: Nein.

F.: Hatte der Onkel oder die Familie des Onkels Kontakt mit diesem Mann?

A.: Nein, aber meine Mutter hat gehört, dass er in unserem Bezirk ist.

F.: Wann hat Ihre Mutter das gehört?

A.: Ich war im Haus des Onkels, als sie das gehört hat.

(...)"

Der Erstbeschwerdeführer wurde am 17.12.2012 erneut beim BFA niederschriftlich einvernommen. Zusammengefasst gab er zu ihren Fluchtgründen an:

"(...)

Angaben zum Fluchtgrund:

F.: Schildern Sie nun erneut die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.

Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

Sollten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor österreichischen Behörden falsche Angaben gemacht haben oder sollte es zu sonstigen Ungereimtheiten gekommen sein, so werden Sie aufgefordert, dies jetzt bekannt zu geben.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

Schildern Sie Ihre Fluchtgründe in einer Art und Weise, als hätten Sie das noch vor keiner österreichischen Behörde gemacht.

A.: Ich habe Probleme erlebt. Es war, als ich in diese Schule XXXX gegangen bin. In der Schule sind Männer zu mir gekommen. Einer von denen fragte mich, ob ich XXXX wäre. Ich sagte ja. Er hat gesagt, dass wir die Übergangsregierung stürzen müssten. Sie wären schwach geworden. Er hat mir gesagt, dass die Übergangsregierung wie ein Schaf wäre, dass geschlachtet werden müsste, und dass die Seele noch nicht verlassen hätte. So würde die Übergangsregierung aussehen. Er hat gesagt, dass sie kurz davor wären, die Übergangsregierung zu stürzen, und dass sie derzeit nur in XXXX regieren würden. Ich war nicht der einzige. Ein anderer Junge saß auch neben mir. Uns wurde gesagt, dass wir im Jihad teilnehmen müssten. Wir haben nichts gesagt. Wir haben angedeutet, dass wir einverstanden wären. Beim zweiten Mal sind sie zu uns gekommen, sie haben uns gepredigt. Dann sind sie gegangen. Eines Nachts wollten ich und mein Freund ins Kino gehen. Wir wollten uns ein Bundesliga-Match anschauen. Das war eines Abends.

Bevor wir ins Kino gekommen sind, ist plötzlich ein Auto gekommen. Zwei Männer sind ausgestiegen. Sie waren maskiert und bewaffnet. Sie haben uns die Pistole an den Kopf gehalten und haben uns gesagt, dass wir nicht schreien dürften. Sie haben uns in das Auto einsteigen lassen. Dann haben sie uns die Augen zugebunden. Wir haben uns große Sorgen gemacht, und haben uns gedacht, dass sie uns umbringen würden. Sie haben uns dann in ein großes Lager gebracht, wo viele Rebellen waren. Das war außerhalb von Mogadischu. Es war im Wald. Sie haben Leute dort ausgebildet. Der Mann, der das Lager regiert hat heißt XXXX . Als wir in das Auto eingestiegen sind, brachten wir uns zu anderen Rebellen. Sie haben uns gepredigt. Sie erzählten uns, dass alle anderen somalischen Leute ungläubig wären. Wir haben Angst gehabt, und konnten gar nichts sagen. Es gab in diesem Land auch ausländische Rebellen. Eines Nachts - ich weiß nicht was passiert ist - haben sehr viele Rebellen das Lager verlassen. Wir sind zu diesem Zeitpunkt fünf Tage im Lager gewesen. Mein Freund und ich haben versucht, wegzulaufen. Wir haben gedacht, dass uns niemand gesehen hat. Wir haben das Lager auch nicht direkt verlassen, sondern haben uns versteckt und sind dem Eck entlanggelaufen. Danach sind wir gelaufen, und hinter uns kam ein Auto Marke Toyota. Sie haben uns angegriffen, geschlagen. Sie haben mich verletzt. Anmerkung: AW zeigt auf eine Narbe am linken Unterarm. Das war eine Gewehrspitze. Sie haben mich auch mit einem Gewehrkolben geschlagen. Mein Arm wurde gebrochen. Ich bin auf den Boden gefallen. Einige der Rebellen wollten mich umbringen, die anderen nicht. Sie haben mich in ein Auto reingeworfen. Sie haben mir eine Armschiene mit zwei Holzstücken - die an beiden Seiten des Arms angebracht wurden - gemacht. Sie haben meine Wunde ohne Narkose und ohne Medikamente genäht. Sie haben diese Schienen auch falsch gelegt. Mein Arm ist jetzt nicht richtig gerade. Später habe ich gesehen, dass sie einfach Leute umbringen, und ich habe sie gebeten mich nicht umzubringen. Ich habe gesagt, dass ich alles tun werden würde, was sie von mir verlangen. Dann ist XXXX gekommen und hat eine Rede gehalten. Er sagte, dass derjenige, der nochmals versuchen würde wegzulaufen, nicht mehr Moslem sein würde, sondern ungläubig sein würde, und dass er umgebracht werden würde. Ich habe angefangen ihnen zu helfen. Ich konnte nur eine Hand benützen. Ich habe mal Geschirr abgewaschen, und habe Essen serviert. Ich war noch 8 Tage in Haft.

Sie haben schwere Waffen Richtung statt geschossen, und zwar dorthin, wo der Präsident wohnt. Sie haben dann die Antwort gekriegt und wurden auch beschossen. Die afrikanische Truppe AMISOM hat geschossen. Dann landete eine Bombe genau im Lager. Ein Rebell war tot, es waren auch Verletzte zu sehen. Sie sind gelaufen und haben sich vorbereitet. Sie haben die Verletzten auf ein Auto transportiert. Sie waren sehr beschäftigt, und mir ist es gelungen wegzulaufen. Ich bin alleine weggelaufen. Ich bin gelaufen, und dann habe ich mich unter einem Baum versteckt. Ich war eine Weile unter diesem Baum. Ich bin dann weitergelaufen. Ich war 5 Stunden unterwegs. Ich bin in eine Straße gekommen. Diese Straße führt von Afgooye nach Mogadischu. Ich bin diese Straße entlanggelaufen. Plötzlich kam ein Auto. Dieses Auto transportierte Milch in die Stadt. Er hat mich gefragt woher ich gekommen bin, und ich sagte, dass ich aus dem Wald gekommen bin, und dass ich in den Bezirk XXXX möchte. Um ungefähr 7 Uhr morgens sind wir in XXXX angekommen. Ich bin zu Fuß gegangen, dann bin ich zu meiner Familie gekommen. Meine Familie hatte mich bereits aufgegeben, sie dachten dass ich tot wäre. Das war im November 2010. Nachgefragt gebe ich an, dass die ganzen Probleme in diesem Monat passiert sind.

Meine Mutter hat mir gesagt, dass ich nicht aus dem Haus gehen dürfte, denn wenn jemand von den Al-Shabaab weglaufen würde, dann wäre es ganz schlimm. Sie würden dann glauben, dass es sich um einen Spion handeln würde. Ich habe mich dazu entschlossen, zu Hause zu bleiben. Entweder würde ich einen Glauben haben, der kein richtiger Glauben ist, oder sie würden mich umbringen. Ich war zwei Monate zu Hause. Eines Abends habe ich mich dazu entschlossen, in die Moschee zu gehen. Dort habe ich das Abendgebet gebetet. In der Moschee bin ich zwei jungen Männern begegnet. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Danach wollte ich nach Hause gehen. Die zwei sind hinter mir hergegangen. Einer ist hinter mir hergegangen, der andere neben mir. Ich war ungefähr vier Meter vom Haus meiner Eltern entfernt. Der Mann der neben mir gegangen ist, hat eine Pistole rausgenommen und hat sie mir auf den Kopf gehalten. Er wollte mich erschießen, aber zum Glück funktionierte es nicht. Ich war erschrocken und ich bin einfach gelaufen. Sie sind hinter mir hergelaufen. Ich bin in das Haus meiner Eltern reingekommen. Die Schüsse haben meinen Vater getroffen. Mein Vater war tot. Mein Bruder war schwer verletzt, er wurde am Schlüsselbein getroffen. Ich habe einen Streifschuss am Oberschenkel bekommen. In unserer Nähe befindet sich ein Stützpunkt der Übergangsregierung. Als sie die Schüsse gehört haben, haben sie in diese Richtung geschossen. Sie sind zu uns gekommen. Sie haben uns auch geholfen. Mein Bruder wurde ins Krankenhaus gebracht. Mein Vater war tot, sie haben ihn in einem Zimmer liegen lassen. Er wurde am nächsten Tag beerdigt. Das war Anfang Februar. An diesem Tag habe ich mich dazu entschlossen, die Heimat zu verlassen. Das war 2011. Ich war auch psychisch fertig, und habe vor jeder Person Angst gehabt. Meine Mutter hat sich auch dazu entschlossen, dass ich die Heimat verlasen soll. Sie hat gesagt, dass sie das Haus verkaufen würde. Ich habe erfahren, dass mein Freund auch von den Rebellen getötet wurde. Dann habe ich die Heimat verlassen.

F.: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert?

A.: Ja.

(...)"

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 17.12.2012 erneut beim BFA niederschriftlich einvernommen. Zusammengefasst gab sie zu ihren Fluchtgründen an:

"(...)

F.: Schildern Sie nun erneut die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.

Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

Sollten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor österreichischen Behörden falsche Angaben gemacht haben oder sollte es zu sonstigen Ungereimtheiten gekommen sein, so werden Sie aufgefordert, dies jetzt bekannt zu geben.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

Schildern Sie Ihre Fluchtgründe in einer Art und Weise, als hätten Sie das noch vor keiner österreichischen Behörde gemacht.

A.: Ich habe ein Problem. Ich bin nicht zur Schule gegangen und ich kann leider gar kein Datum nennen. Ich habe das erst hier gelernt. Ich mache jetzt erst einen Sprachkurs.

V.: Schildern Sie Ihre Fluchtgründe.

A.: Es gab einen Mann, der war unser Nachbar. Es gab Gerüchte, dass er den Al-Shabaab angehört. Wir haben es aber nicht geglaubt. Eines Tages hat er an unsere Tür geklopft und er sagte zu mir "weißt du, dass ich dich heiraten will?". Ich sagte ihm, dass ich es nicht wissen würde, und dass ich es auch nicht wissen wollte. Dann habe ich die Türe zugemacht. Er ist dann nochmal gekommen. Ich habe nicht die Türe aufgemacht. Aber es gab einen Teil, wo man nach draußen sehen konnte. Dort hat er mit mir gesprochen. Er hat gesagt, dass er weiß, dass ich zu Hause bin, und dass ich die Türe nicht öffnen will. Er ist gegangen, dann ist meine Mutter nach Hause gekommen. Ich erzählte ihr davon. Sie sagte mir, dass dieser Mann zu den Al-Shabaab gehören würde, und dass ich die Türe nicht aufmachen dürfte. Er ist nochmal zu mir gekommen, und dann sagte er zu mir, dass er eine Bombe auf meine Familie werfen würde, wenn ich ihm nicht zuhören würde, und wenn ich ihn nicht heiraten würde. Er sagte mir, dass ich es mir gut überlegen sollte. Ich habe es meiner Mutter erzählt. Meine Mutter sagte, dass wir diese Geschichte meinem Vater erzählen sollten. Meine Mutter erzählte alles meinem Vater. Mein Vater sagte, dass der Mann sehr gefährlich sein würde, und dass er zu den Al-Shabaab gehören würde. Mein Vater hat einen Freund von ihm angerufen. Ich weiß nicht was sie gesprochen haben, aber später habe ich erfahren, dass sie sich beide dazu entschlossen haben, dass ich den Sohn des Freundes meines Vaters heiraten sollte. Der Rebell hat erfahren, dass ich heirate. Dann ist er zu uns gekommen. Er hat meinem Vater Angst gemacht. Er hat Leute mitgenommen, andere Rebellen. Das war der Tag, an dem meine Hochzeit geplant war. Er hat meinen Vater getötet, meinen zukünftigen Ehemann, und zwei weitere Leute hat er verletzt. Er hat ein Messer genommen und hat nach mir gefragt. Er hat gesagt, dass er mich zerstückeln müsste. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause, ich war bei den Nachbarn. Meine Mutter und mein Onkel sind zu mir gelaufen. Sie sagten, dass alle Leute ermordet worden wären. Sie haben mich mitgenommen und haben mich in das Haus des Onkels nach XXXX gebracht. Meine Mutter hat den Onkel gebeten, dass er mich in ein sicheres Land bringt. Mein Onkel sagte, dass er mich ins Ausland bringen würde.

F.: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert?

A.: Ja.

(...)

2. Am 28.10.2014 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Erst- bis Drittbeschwerdeführer Bescheide, nach denen die Anträge der beschwerdeführenden Parteien bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihnen gemäß § 8 Abs. 1 bzw. § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG subsidiärer Schutz zuerkannt wurde (Spruchpunkt II.) und ihnen befristete Aufenthaltsberechtigungen nach § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 28.10.2015 erteilt wurde (Spruchpunkt III.).

Es wurde darin insbesondere festgestellt, dass die von den Beschwerdeführern angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes unglaubwürdig seien. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Erstbeschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Somalia einer Zwangsrekrutierung und damit einhergehenden Verfolgung durch die Gruppierung Al-Shabaab ausgesetzt sei. Es könne zudem nicht festgestellt werden, dass die Zweitbeschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat Somalia einer drohenden Zwangsverheiratung und damit einhergehenden Verfolgung durch ein Mitglied der Al-Shabaab ausgesetzt sei.

Die beschwerdeführenden Parteien brachten gegen den Spruchpunkt I. dieser Bescheide rechtzeitig Beschwerden ein.

Mit Schreiben vom 21.03.2016 wurde das Bundesverwaltungsgericht von der Geburt der gemeinsamen Tochter der ersten und dritten beschwerdeführenden Partei am XXXX informiert. Am 09.06.2016 wurde die Geburtsurkunde betreffend die Viertbeschwerdeführerin sowie eine schriftliche Asylantragstellung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2016, nachgereicht.

3. Mit Beschluss des BVwG vom 20.06.2016 wurde die Bescheide des BFA betreffend die Erst- bis Drittbeschwerdeführer behoben und die Angelegenheiten gemäß § 34 Abs. 4 AsylG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Begründend wurde im Beschluss des BVwG ausgeführt, dass die Bescheide des BFA betreffend die Erst- bis Drittbeschwerdeführer gemäß § 34 AsylG 2005 zu beheben seien und an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen seien, da das Verfahren betreffend den Antrag auf internationalen Schutz der leiblichen Tochter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin (noch) vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig sei und die Verfahren der Familienangehörigen iSd. § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG 2005 "unter einem" geführt werden sollten.

Im vorliegenden Fall sei besonders zu berücksichtigen, dass der Antrag auf Asyl für die neugeborene Tochter vor dem Hintergrund der in Somalia praktisch kaum vermeidbaren Genitalverstümmelung kleiner Mädchen im Hinblick auf die einschlägige Judikatur durchaus aussichtsreich erscheint. Diesfalls wäre eine Asylgewährung der beschwerdeführenden Parteien auf der Grundlage von § 34 Abs. 2 bzw. § 34 Abs. 2 und 6 AsylG 2005 zu erwägen.

Der Erstbeschwerdeführer wurde am 16.08.2017 in Beisein eines Dolmetschers der Sprache Somali beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ergänzend niederschriftlich einvernommen. Im Zuge Ihrer niederschriftlichen Einvernahme gab er im Wesentlichen an:

"(...)

F: Wie geht es Ihrer Tochter XXXX ?

A: Es geht ihr gut.

F: Ist Ihre Tochter gesund?

A: Ja sie ist gesund.

F: Wer hat das Sorgerecht für Ihre Tochter?

A: Meine Frau und ich.

F: Sind Sie verheiratet?

A: Nach islamischen Recht.

F: Da Sie laut österreichischen Gesetz nicht verheiratet sind, ist somit Ihre Frau die gesetzliche Vertretung Ihrer minderjährigen Tochter, XXXX .

A: Okay. Wir haben jetzt vor standesamtlich zu heiraten.

F: Wann wollen Sie heiraten?

A: Wir müssen noch Dokumente machen lassen, um heiraten zu können.

F: Sie haben am 06.06.2016 einen Asylantrag für Ihre Tochter gestellt. Ist das richtig?

A: Ja.

F: Wenn Ihr Kind eigene Probleme in Ihrer Heimat hat, dann gibt es den originären, eigenen Antrag auf den Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten.

Wenn Ihr Kind keine eigenen Probleme in Ihrer Heimat hat, besteht die Möglichkeit eines Antrags auf Gewährung desselben Schutzes, der Ihnen in Österreich zukommt, bei dem die Entscheidung bzgl. Ihres Antrages auch für Ihre Tochter zutrifft. Haben Sie die Ausführungen verstanden?

A: Ich habe das verstanden.

F: Hat Ihre minderjährige Tochter nunmehr eigene Fluchtgründe?

A: Sie hat keine eigenen Probleme hier. Aber falls wir abgeschoben werden, hat sie dann Probleme. Meine Ehefrau war genitalverstümmelt. Deswegen konnte sie nicht normal entbinden. Das Kind kam per Kaiserschnitt auf die Welt. Ich habe Angst, dass meine Tochter in unserem Heimatland beschnitten wird.

F: Ist Ihr Sohn auch per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen?

A: Ja.

F: Sind Sie gegen eine Beschneidung Ihrer Tochter?

A: Ja.

F: Ist die Mutter gegen eine Beschneidung Ihrer Tochter?

A: Ja.

V: Das Mädchen ohne Einstimmung der Mutter und des Vaters, z.B. von Verwandten einer FGM unterzogen werden, ist aus Sicht der ho. Behörde als äußerst unwahrscheinlich einzuschätzen. Es ist ho. Behörde de facto auch kein derartiger Fall bekannt wo dies ohne Einstimmung der Eltern geschehen wäre. Was sagen Sie dazu?

A: Das wird passieren. Unsere Eltern würden das machen.

F: Welche Eltern würden das machen?

A: Meine Mutter oder die Mutter meiner Frau.

F: Wie könnten die Großmütter ohne Ihre Zustimmung einfach jemand holen um dies durchführen zu lassen?

A: Sie glauben, dass es unrein ist. Und wenn ich nicht bereit bin, dann werden sie das ohne unsere Erlaubnis machen.

V: Lt. der ho. Behörde kommt es letztendlich auf die Standhaftigkeit der Eltern an ob ein Mädchen einer FGM unterzogen wird oder nicht. Was sagen Sie dazu?

A: Meine Frau und ich sind gegen diese Beschneidung. Aber meine Eltern werden das sowieso durchziehen.

V: Bei einer Rückkehr nach Somalia würde niemand wissen ob Ihre Tochter einer FGM unterzogen wurde oder nicht. Es kommt in Somalia auch zu keinen Untersuchungen um eine etwaige FGM festzustellen. Sie könnten vorgeben, dass Ihre Tochter z.B. einer Sunna unterzogen worden ist. Was sagen Sie dazu?

A: Meine Eltern würden es wissen, weil Töchter die im Ausland geboren wurden, sind nicht beschnitten. Sie würden es mir nicht glauben.

V: Es ist davon auszugehen, dass Sie sich im Fall einer Rückkehr nach Somalia wieder in Mogadischu niederlassen würden. Sie müssten dort auch nicht direkt mit Ihren anderen Verwandten oder der Großmutter leben. Gerade in Mogadischu ist die Anonymität eher gegeben bzw. ist davon auszugehen, dass soziale Interaktion eher gering ist. Was sagen Sie dazu?

A: Nein, das ist unmöglich. Ich habe Angst auch getötet zu werden, wenn ich zurückkomme.

F: Können Sie Ihre Tochter in Österreich verheiraten, wenn Sie nicht beschnitten ist?

A: Ja. Ich möchte, dass sie hier aufwächst.

F: Was würde Ihre Tochter erwarten, wenn sie nach Somalia zurückkehren müsste?

A: Ich habe Angst, dass meine Tochter auch beschnitten wird, dann wird sie keine Zukunft haben.

(...)"

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 16.08.2017 in Beisein eines Dolmetschers der Sprache Somali beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ergänzend niederschriftlich einvernommen. Im Zuge Ihrer niederschriftlichen Einvernahme gab sie im Wesentlichen an:

"(...)

F: Wie geht es Ihnen, befinden Sie sich in Therapie, Behandlung oder leiden Sie an einer chronischen Krankheit.

A: Mir geht es gut. Ich befinde mich in keiner Therapie, Behandlung oder leide an einer chronischen Erkrankung. Ich nehme aber jeden Tag Medikamente gegen Gastritis. Ich werde im Oktober operiert.

Anmerkung: Befunde sind dem Akt beigefügt. AW legt auch Teilnahmebestätigung für den Deutschkurs A1 Ihres Mannes bei sowie Mitteilung über einen Leistungsanspruch des AMS für Kurse.

V: Auf die Belehrungen in den Informationsblättern, die ich bei meiner Antragstellung erhalten habe, und auf die Belehrungen aus den Vorbefragungen hinsichtlich der Kontaktaufnahmemöglichkeit mit dem Rechtsberater, die Verschwiegenheitspflicht der behördlichen Organe, insbesondere meine Melde-, Mitwirkungs- und Wahrheitspflicht wurde ich hingewiesen.

F. Können Sie sich an diese Belehrungen erinnern?

A. Ja.

F: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht, wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

A: Dreimal ja.

V: Ihrer Beschwerde wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Österreich mit 20.06.2016 stattgegeben und Ihr bekämpfter Bescheid behoben. Somit wurde die Angelegenheit gem.

§ 34 Abs. 4 AsylG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

A: Ja.

F: Haben oder hatten Sie jemals irgendwelche Dokumente?

A: Nein.

F: Wie geht es Ihrer Tochter XXXX ?

A: Es geht ihr gut.

F: Ist Ihre Tochter gesund?

A: Ja sie ist gesund.

F: Wer hat das Sorgerecht für Ihre Tochter?

A: Mein Mann und ich.

F: Sind Sie verheiratet?

A: Nach islamischen Recht.

F: Da Sie laut österreichischen Gesetz nicht verheiratet sind, sind Sie somit die gesetzliche Vertretung Ihrer minderjährigen Tochter,

XXXX .

A: Okay.

F: Sie haben am 06.06.2016 einen Asylantrag für Ihre Tochter gestellt. Ist das richtig?

A: Ja.

F: Wenn Ihr Kind eigene Probleme in Ihrer Heimat hat, dann gibt es den originären, eigenen Antrag auf den Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten.

Wenn Ihr Kind keine eigenen Probleme in Ihrer Heimat hat, besteht die Möglichkeit eines Antrags auf Gewährung desselben Schutzes, der Ihnen in Österreich zukommt, bei dem die Entscheidung bzgl. Ihres Antrages auch für Ihre Tochter zutrifft. Haben Sie die Ausführungen verstanden?

A: Ich habe das verstanden.

F: Hat Ihre minderjährige Tochter nunmehr eigene Fluchtgründe?

A: Nein. Aber falls wir nach Somalia zurückkehren, würde meine Tochter auch beschnitten werden. Ich habe selbst eine Genitalverstümmelung durchmachen müssen. Ich habe meine beiden Kinder deshalb per Kaiserschnitt bekommen müssen.

F: Sind Sie gegen eine Beschneidung Ihrer Tochter?

A: Ja.

F: Ist der Vater gegen eine Beschneidung Ihrer Tochter?

A: Ja.

V: Das Mädchen ohne Einstimmung der Mutter und des Vaters, z.B. von Verwandten einer FGM unterzogen werden, ist aus Sicht der ho. Behörde als äußerst unwahrscheinlich einzuschätzen. Es ist ho. Behörde de facto auch kein derartiger Fall bekannt wo dies ohne Einstimmung der Eltern geschehen wäre. Was sagen Sie dazu?

A: Unsere Eltern werden das durchführen. Mich hat nicht meine Mutter beschnitten, sondern meine Oma machte das. Das Kind wird in der Heimat beschimpft und sie werden sagen, dass das unrein ist.

F: Wer würde das durchführen?

A: Meine Mutter.

F: Wie könnte Ihre Mutter ohne Ihre Zustimmung einfach jemand holen um dies durchführen zu lassen?

A: Damals hat meine Oma meine Mutter gar nicht um Erlaubnis gefragt.

V: Lt. der ho. Behörde kommt es letztendlich auf die Standhaftigkeit der Eltern an ob ein Mädchen einer FGM unterzogen wird oder nicht. Was sagen Sie dazu?

A: Wenn wir in unsere Heimat zurückkehren würden, würden meine Eltern das Sagen haben und das machen, was sie wollen.

F: Warum hätten Ihre Eltern das Sagen?

A: Es ist dort üblich und sie werden das Kind beschneiden.

V: Bei einer Rückkehr nach Somalia würde niemand wissen ob Ihre Tochter einer FGM unterzogen wurde oder nicht. Es kommt in Somalia auch zu keinen Untersuchungen um eine etwaige FGM festzustellen. Sie könnten vorgeben, dass Ihre Tochter z.B. einer Sunna unterzogen worden ist. Was sagen Sie dazu?

A: Sie werden mir das nicht glauben, sie wissen, dass es in Europa verboten ist. Sie werden nachschauen bei meiner Tochter. Wenn ich einkaufen gehe und zurückkomme, kann es sein, dass meine Tochter schon beschnitten ist.

V: Es ist davon auszugehen, dass Sie sich im Fall einer Rückkehr nach Somalia wieder in Mogadischu niederlassen würden. Sie müssten dort auch nicht direkt mit Ihren anderen Verwandten oder der Großmutter leben. Gerade in Mogadischu ist die Anonymität eher gegeben bzw. ist davon auszugehen, dass soziale Interaktion eher gering ist. Was sagen Sie dazu?

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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