TE Vfgh Erkenntnis 1997/10/4 B1435/96

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Veröffentlicht am 04.10.1997
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0030 Bezüge, Bürgermeisterentschädigung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des fünften Satzes des §3 Abs4 Sbg Gemeindeorgane-BezügeG mit E v 04.10.97, G387/96 ua.

Spruch

Die beschwerdeführende Gemeinde ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Salzburg ist schuldig, der beschwerdeführenden Gemeinde zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

Am 10. Juni 1995 stellte der ehemalige Bürgermeister der Marktgemeinde St. Michael im Lungau an die Gemeindevertretung gemäß §3a des Salzburger Gesetzes über die Bezüge der Mitglieder der Gemeindeorgane, LGBl. 39/1976 idF vor der Novelle LGBl. 98/1995, einen Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges, und zwar für die Jahre 1993 und 1994 in der Höhe von 50 % der Bürgermeisterentschädigung.

Am 13. Dezember 1995 faßte die Gemeindevertretung der Marktgemeinde St. Michael im Lungau den Beschluß, den Ersatz des Verdienstentganges nicht zuzuerkennen. Am 14. Dezember 1995 teilte der Bürgermeister dem Rechtsvertreter des Antragstellers folgendes mit:

"Ich darf Ihnen mitteilen, daß die Gemeindevertretung der Marktgemeinde St. Michael im Lungau in der Sitzung am 13. Dezember 1995 betreffend Verdienstentgang R.W. in geheimer Wahl das Begehren Ihres Mandanten abgelehnt hat.

Die Gemeindevertretung ist nach Durchsicht aller Unterlagen zur Überzeugung gekommen, daß kein Verdienstentgang 1993 und 1994 entstanden ist.

Ich ersuche um Kenntnisnahme und verbleibe ..."

2. Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die Salzburger Landesregierung mit Bescheid vom 15. März 1996 Folge und hob den Bescheid der Gemeindevertretung vom 14. Dezember 1995 wegen Unzuständigkeit auf.

In der Begründung des Bescheides ist dazu ausgeführt:

"§3a Abs3 des Gemeindeorgane-Bezügegesetzes, LGBl. 39/1976 idF LGBl. 42/1994 (lautete):

'(3) Erleiden Bürgermeister, die nicht öffentlich Bedienstete sind, durch die Ausübung ihrer Funktion einen Verdienstentgang, so hat ihnen die Gemeindevertretung auf Antrag hiefür einen Ersatz bis höchstens 50 v. H. der Bürgermeisterentschädigung (§3 Abs1) zuzuerkennen. Der Verdienstentgang ist im einzelnen nachzuweisen.'

Diese Bestimmung wurde mit LGBl. 98/1995 aufgehoben und gleichzeitig auch der §3 Abs4 leg. cit. geändert. Gemäß ArtII Abs1 dieses Gesetzes tritt die Änderung mit Beginn des auf die Kundmachung folgenden Monats in Kraft. Das Landesgesetzblatt wurde am 31.08.1995 ausgegeben, sodaß die Änderung mit 01.09.1995 in Kraft getreten ist. §3 Abs4 Gemeindeorgane-Bezügegesetz idF LGBl. 98/1995 bestimmt hinsichtlich der Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges, daß die entsprechenden Nachweise beim Gemeindeamt vorzulegen sind. Erfolgt eine Auszahlung des Verdienstentganges in der nachgewiesenen Höhe nicht innerhalb von zwei Wochen ab Vorlage der Nachweise, so kann der Bürgermeister Aufsichtsbeschwerde an die Landesregierung erheben, die über den Verdienstentgangersatz und dessen Höhe mit Bescheid zu entscheiden hat.

Es ist daher davon auszugehen, daß ab 01.09.1995 der Gemeindevertretung keine Zuständigkeit zur Entscheidung über den Ersatz eines Verdienstentganges mehr zukam. Die Bestimmungen über das Inkrafttreten der Novelle sehen keine Regelungen hinsichtlich laufender Verfahren vor. Es ist daher die zum Zeitpunkt der Entscheidung jeweils geltende Rechtslage anzuwenden. Dieser Mangel der Zuständigkeit war von amtswegen wahrzunehmen."

3. Gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung wendet sich die gemäß Art144 Abs1 B-VG erhobene Beschwerde der Marktgemeinde St. Michael im Lungau, in der sie die Verletzung des Rechtes auf Selbstverwaltung unter anderem durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und die Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend macht.

4. Die belangte Behörde hat unter Vorlage der Verwaltungsakten eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden begehrt. Dazu langte eine Replik der beschwerdeführenden Gemeinde beim Verfassungsgerichtshof ein.

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat am 10. Oktober 1996 aus Anlaß der Beratung über die Beschwerde beschlossen, von Amts wegen gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des fünften Satzes des §3 Abs4 des Gesetzes über die Bezüge der Mitglieder der Gemeindeorgane, Sbg. LGBl. 39/1976 idF LGBl. 98/1995, einzuleiten.

2. Mit Erkenntnis vom 4. Oktober 1997, G387/96, G16/97, hat der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogene Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.

3. Die belangte Behörde hat somit ein verfassungswidriges Gesetz angewendet. Es ist nach der Lage des Falles offenkundig, daß seine Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gemeinde nachteilig war.

Die beschwerdeführende Gemeinde wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3000 S enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B1435.1996

Dokumentnummer

JFT_10028996_96B01435_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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