TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/12 I414 2197075-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.07.2018
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Entscheidungsdatum

12.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

I414 2197075-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Kamerun, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH p.A. ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.07.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin reiste im Dezember 2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am 30.12.2014 stattgefundenen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, gab die Beschwerdeführerin befragt nach ihrem Fluchtgrund folgendes an:

"Mein Mann war bei der SCNC Partei. Er wurde von der Regierung verfolgt. Da ich auch mit meinem Mann bei der Partei mitgearbeitet habe wurde ich im September 2014 in meinem Geschäft festgenommen. Ich war 3 Monate im Gefängnis und konnte von dort flüchten. Ich habe mich in Dual aufgehalten. Von dort habe ich meine weitere Flucht organisiert".

Am 13.04.2017 wurde die Beschwerdeführerin von dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als belangten Behörde bezeichnet) niederschriftlich einvernommen.

Mit Bescheid vom 26.04.2018, Zl. XXXX, nachweislich zugestellt am 26.04.2018, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 28.12.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Die Beschwerdeführerin wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Kamerun zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Mit Verfahrensanordnung vom 26.04.2018 wurde der Beschwerdeführerin die ARGE-Rechtsberatung als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Mit fristgerecht eingebrachtem Schriftsatz erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde in vollem Umfang an das Bundesverwaltungsgericht. Darüber hinaus wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt. Beiliegend zum Beschwerdeschriftsatz wurde ein medizinischer Bericht, eine Teilnahmebestätigung Deutsch A2, diverse Fotos und Zeitungsberichte vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 29.05.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 01.06.2018, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.06.2018, Zl. I414 2197075-1/4Z wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Schreiben vom 12.06.2018 wurden Seitens der Beschwerdeführerin ergänzend zu der eingebrachten Beschwerde eine Bestätigung über die Remunerationstätigkeiten bei der Caritas, eine Bestätigung des Magistrats XXXX über Reinigungstätigkeiten, eine Bestätigung über die Mitgliedschaft im Verein XXXX (XXXX) und eine Bestätigung über die Mitgliedschaft im Verein XXXX (XXXX), vorgelegt.

Am 06.07.2018 wurde eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht abgehalten. Gemeinsam mit der Ladung war der Beschwerdeführerin das Länderinformationsblatt zu Kamerun übermittelt worden.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde ein Konvolut von ca. fünfundachtzig Fotografien, eine Bestätigung der AIDS-Hilfe Oberösterreich, eine Bestätigung über die Teilnahme und über das Nichtbestehen der Integrationsprüfung A2 und diverse Zeitungsartikel, vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Beschwerdeführerin ist volljährig, Staatsangehörige Kameruns und bekennt sich zum christlichen Glauben.

Die Identität der Beschwerdeführerin steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest.

Die Beschwerdeführerin reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, über welchen wie im Verfahrensgang ausgeführt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2018 negativ entschieden wurde.

Die Beschwerdeführerin leidet an einer HIV Infektion im Stadium CDC C3. Im August 2015 wurde eine HIV-Therapie eingeleitet, die Therapie ist seit Juli 2016 beendet und der gesundheitliche Zustand der Beschwerdeführerin ist zufriedenstellend.

Die Beschwerdeführerin hat eine mehrjährige Schulausbildung absolviert und war in Kamerun als Friseurin und als Verkäuferin für Textilien tätig.

Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin über Verwandte in Kamerun verfügt, es kann jedoch nicht festgestellt werden, ob die Beschwerdeführerin derzeit in Kontakt zu ihren Verwandten steht.

Die Beschwerdeführerin ist arbeitsfähig.

In Österreich verfügt die Beschwerdeführerin über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Die Beschwerdeführerin weist auch keine relevante Integration in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht in Österreich auf, jedenfalls keiner über das Ausmaß eines mittlerweile knapp vier Jahre andauernden Aufenthaltes möglich gewesener und zu erwartender Integration auf.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung.

Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven und der individuellen Rückkehrsituation der Beschwerdeführerin:

Entgegen ihrem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin eine aktive Unterstützerin des SCNC (Southern Cameroon National Council) ist und aus diesem Grund in Kamerun Verfolgung durch den Staat zu befürchten hat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sie sich im Jahr 2014 in Haft befand. Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Kamerun mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.3. Feststellungen zur Lage in Kamerun:

Zur aktuellen Lage in Kamerun wird auf die der Beschwerdeführerin zu der Ladung der mündlichen Beschwerdeverhandlung übermittelten Länderberichte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Kamerun; Stand 23.03.2017; samt integrierter Kurzinformation vom 05.06.2018 verwiesen, aus welchen sich auszugsweise Folgendes ergibt:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 5.6.2018: Kameruns Armee tötet im anglophonen Westen 22 Menschen und verhaftet anglophone Aktivisten zu langjährigen Haftstrafen (Relevant für Abschnitt 11/Allgemeine Menschenrechtslage, Abschnitt 12/Meinungs-und Pressefreiheit und Abschnitt 13, 13.1/Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit/Opposition).

22 Menschen wurden am Freitag, den 25.5.2018, bei einem Zusammenstoß zwischen der Armee und einer Gruppe von "Kriminellen" im englischsprachigen Nordwesten Kameruns getötet, erfuhr die AFP am Samstag von einem Abgeordneten der Opposition (JA 26.5.2018). Im unruhigen englischsprachigen Teil von Kamerun hat die Armee mindestens 22 Menschen getötet. Die Zusammenstöße ereigneten sich im Dorf Menka im Westen des Landes, wie Nji Tumasang, ein Politiker der Oppositionspartei Sozialdemokratische Front (SDF), mitteilte. Die Armee bestätigte den Vorfall und bezeichnete die Getöteten als "Terroristen". Die Armee erklärte, sie habe in dem Ort "mehrere Terroristen neutralisiert" (DS 27.5.2018; vgl. DW 27.5.2018; JA 26.5.2018). Der Armee sei gemeldet worden, dass sich in Menka "eine Gruppe von Terroristen" aufhalte, erklärte ein Armeesprecher im Online-Netzwerk Facebook. Soldaten hätten daraufhin ein Hotel umstellt und sich einen "langen Schusswechsel" mit den Bewohnern geliefert. Bewohner bestätigten, dass es eine Schießerei gegeben habe und in den Hotelzimmern mehrere Leichen gefunden worden seien (DS 27.5.2018; vgl. DW 27.5.2018).

Die Sicherheitskräfte gehen in der Region seit Ende 2016 gegen Separatisten vor, die eine Abspaltung des englischsprachigen Westen Kameruns vom französischsprachigen Rest des Landes fordern. Die Separatisten setzen sich für die Unabhängigkeit zweier Regionen im Westen Kameruns ein, in denen der überwiegende Teil der englischsprachigen Bevölkerung lebt. Etwa ein Fünftel der Kameruner gehört der anglophonen Minderheit an, die übrigen Bewohner des zentralafrikanischen Landes bilden die französischsprachige Mehrheit. Die sprachliche Aufteilung des Landes ist eine Folge der Kolonialzeit. Die Unabhängigkeitsbewegung beklagt eine Diskriminierung der Anglophonen durch die Frankophonen. Sie erklärte im Oktober 2017 symbolisch die Unabhängigkeit der "Republik Ambazonia", nachdem Kameruns Präsident Paul Biya ihre Forderung nach mehr Autonomie zurückgewiesen hatte (DW 27.5.2018). Seit Ende 2017 hat sich die Sicherheitslage in den englischsprachigen Regionen des Nordwestens und Südwestens erheblich verschlechtert, da bewaffneten Separatistengruppen vermehrt Gewaltaktionen gegen Staatssymbole (Gendarmerieangriffe, Entführungen von Beamte, Auseinandersetzungen mit der Armee) unternahmen (JA 7.4.2018). In den englischsprachigen Regionen des Nordwestens und Südwestens kam es seit 2016 fast täglich zu Kämpfen zwischen den kamerunischen Sicherheitskräften und bewaffneten Männern, die die "Wiederherstellungskräfte" eines englischsprachigen Staates forderten (JA 7.4.2018; vgl. JA 26.5.2018). Nach Angaben der International Crisis Group (ICG) wurden seit Ende 2016 "mindestens 120" Zivilisten und "mindestens 43" Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet (JA 7.4.2018; vgl. JA 26.5.2018). Yaoundé reagierte mit Gewalt und setzte einen starken Sicherheitsapparat ein. Die Armee wurde mehrfach des Missbrauchs durch Zeugenaussagen in der Presse und in sozialen Netzwerken beschuldigt (JA 7.4.2018).

Die tiefe Krise, die Yaoundé in seinen englischsprachigen Regionen durchlebt, könnte die Präsidentschaftswahlen Ende 2018 stören (7.4.2018).

Zudem verurteilte ein Militärgericht in Yaounde am 28.5.2018 sieben anglophone Aktivisten zu Haftstrafen zwischen zehn und 15 Jahren (BAMF 28.5.2018; vgl. BBC 26.5.2018 ) sowie zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von je rund 41.000 Euro. Ein Angeklagter wurde freigesprochen. Der bekannteste der Angeklagten ist Mancho Bibixy, ein Radiomoderator aus der englischsprachigen Region Nordwest, der wegen Terrorismus, Feindseligkeit gegen das Heimatland, Sezession, Revolution und Aufstand zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde. Er hatte am 21.11.2016 in Bamenda zu Demonstrationsteilnehmern gesprochen und dabei die Marginalisierung der englischsprachigen Minderheit in Kamerun kritisiert (BAMF 28.5.2018; vgl BBC 26.5.2018). Im Jänner 2017 waren er und die weiteren Angeklagten verhaftet worden (BAMF 28.5.2018).

Quellen:

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (28.5.2018): Briefing Notes, Kamerun, Zugriff 4.6.2018

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BBCNews Africa (26.5.2018): Cameroon military court jails Anglophone activists, http://www.bbc.com/news/world-africa-44263218, Zugriff 4.6.2018

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JA - Jeune Afrique (26.5.2018): Cameroun: 22 morts vendredi lors d'un affrontement en zone anglophone, http://www.jeuneafrique.com/562827/politique/cameroun-22-morts-vendredi-lors-dun-affrontement-en-zone-anglophone/ Zugriff 4.6.2018

-

JA - Jeune Afrique (7.4.2018): Cameroun: un défenseur des droits humains accuse l'armée d'exactions en zone anglophone, http://www.jeuneafrique.com/549425/politique/cameroun-un-defenseur-des-droits-humains-accuse-larmee-dexactions-en-zone-anglophone/, Zugriff 4.6.2018

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DS - der Standard (27.5.2018): Mindestens 22 Tote bei Gewalt im Westen Kameruns,

https://derstandard.at/2000080493197/Mindestens-22-Tote-bei-Gewalt-im-Westen-Kameruns, Zugriff 28.5.2018, Zugriff 4.6.2018

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DW- Deutsche Welle (27.5.2018): Kameruns Armee tötet im anglophonen Westen 22 Menschen, http://www.dw.com/de/kameruns-armee-t%C3%B6tet-im-anglophonen-westen-22-menschen/a-43945919, Zugriff 4.6.2018

KI vom 2.5.2018: Anhalten der Proteste und Gewalt in den englischsprachigen Regionen Süd- und Nordwest Kamerun (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 11/Allgemeine Menschenrechtslage, Abschnitt 12/Meinungs- und Pressefreiheit und Abschnitt 13. und 13.1/ Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit/Opposition).

Als Anfang Oktober 2017 der "Präsident" Sisiku Ayuk die Unabhängigkeit Ambasoniens ausrief, löste diese eine schwere Krise aus (DS 1.2.2018). Diese einseitige Proklamation der unabhängigen Republik "Ambazonie" markierte einen Wendepunkt und Zehntausende von Menschen flohen (JA 17.2.2018). Die Unabhängigkeitsbewegung beklagt die Diskriminierung der Anglophonen durch die französischsprachige Mehrheit. Präsident Paul Biya reagiert mit aller Härte und ordnet immer wieder Durchsuchungen und Reisebeschränkungen an (TS 4.4.2018). Die Armee reagierte mit dem Einsatz von Kampfhubschraubern und gepanzerten Fahrzeugen, um den zunehmenden, bewaffneten Aufstand niederzuschlagen (JA 17.2.2018). Mindestens 40 Militärangehörige und mehr als 500 Zivilisten wurden seit Ausbruch der sogenannten anglophonen Krise Ende 2016 im englischsprachigen Raum Kameruns getötet, so das Central African Human Rights Defenders Network (REDHAC). Darüber hinaus sind nach Angaben des UNHCR mehr als 7.000 Menschen in den Bundesstaat Cross River in Nigeria geflohen. Die nigerianische Emergency Management Agency (SEMA) nennt eine Zahl von 28.000 Menschen (AN 14.4.2018). Nach anderen Angaben sind in den vergangenen Monaten bereits 43.000 Menschen ins benachbarte Nigeria geflohen. Sie verweilen zumeist in den Grenzregionen, etwa in Danare oder Boki. Unten ihnen befinden sich auch politisch Aktive, die Guerilla-Attacken organisieren. Die große Mehrheit sucht aber einfach nur Schutz vor der kamerunischen Regierungsgewalt - Verhaftungen stehen dort an der Tagesordnung. Den Schutz, den sie suchen, finden sie in Nigeria nur bedingt. Wenn Nigeria "Separatisten" aufspürt, liefert das Land sie an Kamerun aus. Außerdem will Nigeria verhindern, Separatisten im eigenen Land zu inspirieren (DS 1.2.2018). Die Menschen in den Flüchtlingslagern sind kampfbereit und die Zahl der potenziellen Kämpfer wird auf rund 5.000 geschätzt (JA 17.2.2018).

Mit Beginn des Jahres stand Präsident Biya noch immer vor einer der größten Krisen des Landes. Diese Krise war nicht neu, das Ausmaß der Eskalation schon. Truppen der Armee spüren weiterhin geflohene separatistische Rebellen in Niger auf (DS 1.2.2018) und Nigerias Nationaler Sicherheitsberater bekräftigte, dass Nigeria bereit sei, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um nicht als Transitzone benutzt zu werden (JA 8.2.2018). Mitte Jänner 2018 äußerte sich Amnesty International besorgt über das Schicksal der in Nigeria inhaftierten Separatisten, die "mit Folter bedroht werden könnten und in ihr Heimatland einem unfairen Prozess ausgesetzt wären" (JA 31.1.2018). Der Anführer der anglophonen Separatistenbewegung, Sisiku Ayuk Tabe, wurde bereits am 5. Jänner 2018 zusammen mit 9 seiner Anhänger in einem Hotel in Abuja verhaftet (JA 8.2.2018; vgl. JA 31.1.2018).

Als Reaktion auf den Einsatz der kamerunischen Armee entwickelte sich die gesellschaftspolitische Krise in den Regionen des Nordwestens und Südwestens Kameruns allmählich zu einem bewaffneten Konflikt geringer Intensität, der durch isolierte Angriffe auf die Symbole des Staates (Gendarmerie, Entführungen von Beamten, Zusammenstöße mit der Armee), gekennzeichnet sind (JA 12.4.2018; vgl. AN 14.4.2018, JA 23.4.2018). Der Westen des Landes wurde in der Vergangenheit wirtschaftlich kaum bedacht, während etwa Biyas Heimatprovinz im Süden die meisten Infrastrukturgelder erhielt. Die Regionen der anglophonen Bevölkerung werfen der Regierung außerdem zunehmend eine "Französisierung" vor. Weil die Regierung auf diesen wachsenden Unmut zumeist mit Ignoranz reagierte, organisierten Anglophone immer öfter Demonstrationen, die zum Teil in Gewalt eskalierten (DS 1.2.2018).

Die Separatisten, die für die Unabhängigkeit des englischsprachigen Teils Kameruns kämpfen, forderten die Vertreter und Sicherheitskräfte Kameruns auf, ihr Territorium zu verlassen (JA 12.4.2018).

Der Anführer der Ambazonian Defence Forces (ADF) ist Lucas Cho Ayaba. Der ADF bildet zusammen mit drei weiteren Milizen - den Southern Cameroons Defence Forces (SOCADEF), den Southern Cameroons Defence Forces (SCDF) und der Ambazonia Restoration Army (ARA) - die Hauptkräfte, deren Gesamtzahl an Kombattanten auf über 300 geschätzt wird, so die International Crisis Group (ICG). Daneben gibt es etwa zehn gewalttätige Gruppen oder Selbstverteidigungsgruppen mit durchschnittlich zehn bis 30 Mitgliedern (JA 17.2.2018).

Laut eigenen Angaben verfolgen die Separatisten zwei Ziele bei der "Verteidigung" der Heimat: sie unregierbar zu machen und die Kosten der "Besatzung" (durch die kamerunische Armee) zu erhöhen (JA 17.2.2018).

In Kamerun wurde berichtet, dass Dörfer im englischsprachigen Nordwesten in Brand gesteckt wurden und Hunderte von Bewohnern wegen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Rebellen geflohen seien. Das Militär behauptet, dass bewaffnete Separatisten mindestens acht Dörfer im Nordwesten Kameruns niedergebrannt haben; jedoch erklärten die Bewohner, dass das Feuer vom Militär gelegt wurde (VOA 20.4.2018).

Zudem kam es in der anglophonen Zone zu einem bewaffneten Angriff auf den Konvoi des Gouverneurs. Quellen berichteten von Schüssen und mehreren Verwundeten im Konvoi (JA 23.4.2018).

Es scheint wenig Hoffnung auf einen Dialog zu geben. Präsident Paul Biya meint, er werde keine Gespräche führen, die die nationale Einheit bedrohen (VOA 20.4.2018). Somit ist eine Entspannung der Situation noch nicht in Sicht. Kameruns Bevölkerung soll darüber hinaus dieses Jahr zu den Urnen, um ihren Langzeitpräsidenten Biya wieder zu wählen (DS 1.2.2018).

Quellen:

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AN- AfricaNews.fr (14.4.2018): Cameroun: des attaques armées sanglantes dans la zone anglophone (médias), http://fr.africanews.com/2018/04/14/cameroun-des-attaques-armees-sanglantes-dans-la-zone-anglophone-medias/, Zugriff 30.4.2018

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DS - derStandard.at (1.2.2018): 43.000 Flüchtlinge:

Kamerun-Konflikt droht zu eskalieren, https://derstandard.at/2000073449239/43-000-Fluechtlinge-Kamerun-Konflikt-in-droht-zu-eskalieren, Zugriff 30.4.20188

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JA - Jeune Afrique (31.1.2018): Cameroun : opération des forces de sécurité camerounaises au Nigeria, http://www.jeuneafrique.com/525808/politique/cameroun-operation-des-forces-de-securite-camerounaises-au-nigeria/, Zugriff 30.1.2018

-

JA - Jeune Afrique (8.2.2018): Cameroun : interrogations autour de l'extradition des séparatistes arrêtés au Nigeria, http://www.jeuneafrique.com/527777/politique/cameroun-interrogations-autour-de-lextradition-des-separatistes-arretes-au-nigeria/, Zugriff 30.4.2018

-

JA - Jeune Afrique (17.2.2018): Au Cameroun anglophone, les séparatistes armés dans une logique de guérilla, http://www.jeuneafrique.com/532575/politique/au-cameroun-anglophone-les-separatistes-armes-dans-une-logique-de-guerilla/, Zugriff 30.4.2018

-

JA - Jeune Afrique (11.4.2018): Cameroun : la situation humanitaire en zone anglophone inquiète l'ONU et des ONG, http://www.jeuneafrique.com/550331/politique/cameroun-la-situation-humanitaire-en-zone-anglophone-inquiete-lonu-et-des-ong/, Zugriff 30.4.2018

-

JA - Jeune Afrique (12.4.2018): Cameroun : libération d'un ex-magistrat enlevé en zone anglophone, http://www.jeuneafrique.com/551001/politique/cameroun-liberation-dun-ex-magistrat-enleve-en-zone-anglophone/, Zugriff 30.4.2018

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TS - tagesschau.de (4.4.2018): Touristen in Kamerun: Verwirrung um Geiselnahme,

https://www.tagesschau.de/ausland/touristen-kamerun-101.html, Zugriff 30.4.2018

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VOA - Voice of America; in AllAfrica: Cameroon (20.4.2018):

Villages Burn as Troops Clash With Separatists, http://allafrica.com/stories/201804200241.html, Zugriff 30.4.2018

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JA - Jeune Afrique (23.4.2018): Cameroun: attaque du convoi d'un gouverneur en zone anglophobe

http://www.jeuneafrique.com/553914/politique/cameroun-attaque-du-convoi-dun-gouverneur-en-zone-anglophobe/, Zugriff 30.4.2018

KI vom 23.10.2017: Verhaftungen und Todesfälle bei Demonstrationen in den englischsprachigen Regionen Süd- und Nordwest Kamerun (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 11/Allgemeine Menschenrechtslage, Abschnitt 12/Meinungs- und Pressefreiheit und Abschnitt 13. und 13.1/ Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit/Opposition)

Die Lage im Kamerun ist angespannt (DW 3.10.2017). Kameruns Anglophonen-Krise erreichte einen neuen Tiefstand (IRIN 4.10.2017), als laut Amnesty International, im Zuge der Proteste für die Unabhängigkeit der englischsprachigen Regionen Süd- und Nordwest Kamerun (BAMF 16.10.2017; vgl. DW 3.10.2017), Sicherheitskräfte zwischen 17 und 20 Menschen töteten (DS 2.10.2017; vgl. DW 3.10.2017, BAMF 16.10.2017). Ferner kam es vom 1.10. bis 8.10.2017 zu willkürlichen Verhaftungen in beiden Regionen. In Bamenda (Hauptstadt der Region Nordwest) wurden mindestens 200 Personen und in Buea (Hauptstadt der Region Südwest) mindestens 300 in überfüllte Haftanstalten gebracht (BAMF 16.10.2017; vgl. DM 16.10.2017). Die Regierung reagiert mit Repression, weil sich die englischsprachigen 20 Prozent der Kameruner zunehmend durch die französischsprachige Zentralregierung unterdrückt sehen und an eine Abspaltung vom Staat denken. Als sich mit Demonstrationen von 50.000 Menschen, eine neue Protestwelle abzeichnete, kam es zum Einsatz des Militärs (DS 2.10.2017).

Anführer der Proteste proklamierten symbolisch am Sonntag, 1.10.2017, die Unabhängigkeit des selbst ernannten Staates "Ambazonia" (DW 3.10.2017; vgl. DS 2.10.2017, JA 12.10.2017), bestehend aus den beiden anglophonen Provinzen des Landes an der Grenze zu Nigeria (DW 3.10.2017; vgl. DS 2.10.2017). Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften gewaltsam unterdrückt: 10 Tote laut Regierung, 17 laut Amnesty International, 100 laut dem Zentralafrikanischen Netzwerk für Menschenrechtsverteidiger (JA 12.10.2017; vgl. DW 3.10.2017).

Bereits im Dezember 2016 kam es in Bamenda und in der Universitätsstadt Buea zu heftigen Ausschreitungen. Polizei und Armee griffen brutal ein. Staatlich gelenkten Medien informieren nicht objektiv, so dass Falsch- und Hassmeldungen große Wirkung entfalten können. Viele Kameruner bestätigen, dass sie verunsichert sind und gar nicht wissen, wer eigentlich hinter den einzelnen Protestaktionen steckt. Das führt auch dazu, dass viele Angestellte und Geschäftsleute in den anglophonen Regionen seit Wochen montags zu Hause bleiben. Per anonymen Anruf oder SMS wird montags "Ghosttown" ausgerufen - alle Geschäfte und Märkte bleiben zu. Man weiß nicht, ob die Anordnungen aus Überzeugung oder aus Angst befolgt werden (DF 6.5.2017).

Viele englischsprachige Kameruner protestieren seit fast einem Jahr gegen Benachteiligung, die sich nach ihrer Ansicht in sprachlicher Diskriminierung, mangelnder Repräsentation in staatlichen Instanzen sowie in einer zunehmenden Zentralisierung niederschlägt (DS 2.10.2017). Die Wurzel des Missstands liegt in der Wut über die Unterentwicklung der Region, ihrer fehlenden politischen Repräsentation und der wahrgenommenen Erosion eines anglophonen Kulturerbes (IRIN 4.10.2017). Gemäß einer Meldung der UN-Nachrichtenagentur IRIN vom Oktober 2017 hat sich die Aufruhr im Zuge der Forderung nach einer Rückkehr zu einem längst aufgelösten föderalistischen System insofern verstärkt, als nun auch zunehmenden Forderungen nach völliger Sezession geäußert werden (JA 2.10.2017; vgl. IRIN 4.10.2017). Diese Szenarien werden von Yaoundé kategorisch abgelehnt (JA 2.10.2017) und Demonstranten werden als "Terroristen" bezeichnet (DS 2.10.2017). Statt mit politischen Gesprächen auf die Beschwerden einzugehen, versucht Präsident Biya die Revolte mit Gewalt zu zerschlagen. Mit solchen Maßnahmen erzielt der Präsident das Gegenteil seiner Absicht: Nachdem die Westkameruner zunächst nur die Wiederherstellung der Föderation gefordert hätten, treten sie nun immer mehr für eine Abspaltung ein (DS 2.10.2017).

Quellen:

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (16.10.2017): Briefing Notes, Kamerun, AI: Mindestens 500 Personen nach Demonstrationen inhaftiert, Zugriff 16.10.2017

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DF - Deutschlandfunk.de (6.5.2017): Anglofone Minderheit streikt für das Recht auf Selbstbestimmung, http://www.deutschlandfunk.de/kamerun-anglofone-minderheit-streikt-fuer-das-recht-auf.799.de.html?dram:article_id=385538, Zugriff 19.10.2017

-

DM - Daily Mail Online (16.10.2017): Cameroon premier in troubled anglophone region for 'dialogue', http://www.dailymail.co.uk/wires/afp/article-4986008/Cameroon-premier-troubled-anglophone-region-dialogue.html, uen Staat in Kamerun,

http://derstandard.at/2000065196591/Grossproteste-fuer-neuen-Staat-in-Kamerun, Zugriff 19.10.2017

-

DW - Deutsche Welle (3.10.2017): Amnesty: Tote bei Protesten in Kamerun,

http://www.dw.com/de/amnesty-tote-bei-protesten-in-kamerun/a-40785242, Zugriff 19.10.2017

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IRIN - Integrated Regional Information Network (4.10.2017):

Cameroon's descent into crisis: the long history of anglophone discord,

http://www.irinnews.org/news/2017/10/04/cameroon-s-descent-crisis-long-history-anglophone-discord, Zugriff 19.10.2017

-

JA - Jeune Afrique (2.10.2017): Cameroun anglophone : sept morts en marge de la proclamation symbolique d'indépendance, http://www.jeuneafrique.com/479228/politique/cameroun-anglophone-sept-morts-en-marge-de-la-proclamation-symbolique-dindependance/, Zugriff 19.10.2017

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JA - Jeune Afrique (12.10.2017): Cameroun : comment éviter la fracture? francophone-anglophone?, http://www.jeuneafrique.com/mag/481489/politique/cameroun-comment-eviter-la-fracture%e2%80%89-francophone-anglophone/, Zugriff 19.10.2017

Politische Lage

Kamerun ist eine Präsidialrepublik. Zwar kann die Staatsform als semipräsidentiell bezeichnet werden, d.h. es gibt neben dem Präsidenten als zweite Exekutivgewalt den Regierungschef (= Premierminister), dessen Regierung dem Parlament verantwortlich ist, aber die Verfassung sichert dem Staatspräsidenten - seit 1982 ist dies Paul Biya - eine überragende Stellung (GIZ 2.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017). Legislative und Justiz haben nur geringe Kontrolle über die Exekutive (BS 2016).

Das Land wird seit 1966 von der Partei "Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais" (RDPC, bis 1985 "Union Nationale Camerounaise") regiert. Staatspräsident Paul Biya (82 Jahre) regiert seit 1982. Die nächsten Präsidentenwahlen finden turnusgemäß 2018 statt. Nach Einführung des Mehrparteiensystems fanden 1992 zum ersten Mal Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Diese und nachfolgende Wahlen verliefen nicht ganz regulär. Die seit 1996 geltende Verfassung ist eine Präsidialverfassung nach französischem Vorbild und sieht die Schaffung eines Verfassungsgerichts vor, was allerdings bis heute nicht geschehen ist. Das politische System Kameruns ist auf den Präsidenten ausgerichtet, der die verschiedenen politischen, ethnischen und regionalen Kräfte im Lande so an der Macht beteiligt, dass sie in einer effizient austarierten Balance verharren (AA 9.12.2016).

Die jetzt gültige Verfassung ist die 3. seit dem Erlangen der Unabhängigkeit im Jahr 1960. Diese 3. Verfassung wurde unter Biya inzwischen dreimalig einer Revision unterzogen: 1984, in der Phase der Machtkonsolidierung Biyas, wurde der Staat in "Republik Kamerun" umbenannt und die Provinzgrenzen neu gezogen. 1996 wurden die Weichen für eine moderate Dezentralisierung gestellt. So wurde die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer (Senat) beschlossen und die Amtszeit des Staatspräsidenten auf sieben Jahre, mit einmaliger Möglichkeit der Wiederwahl, festgesetzt. 2008 kam es zur vorläufig letzten Verfassungsänderung: die RDPC /CPDM nutzte ihre breite Parlamentsmehrheit und beschloss sowohl eine unbeschränkte Amtszeit des Präsidenten, als auch dessen Immunität über die Zeit der Präsidentschaft hinaus (GIZ 2.2017a).

Bei den letzten Präsidentschaftswahlen Anfang Oktober 2011 wurde Paul Biya mit deutlicher Mehrheit im Amt bestätigt und bleibt damit kamerunischer Präsident für die nächsten sieben Jahre. Paul Biya erhielt 78% der Stimmen. Gemäß offiziellen Angaben soll die Wahlbeteiligung bei 65% gelegen haben (GIZ 2.2017a; vgl. BS 2016). Mit ihren 22 Präsidentschaftskandidaten landete die Opposition weit abgeschlagen. Der Ausgang dieser Wahl war kaum überraschend, im Land herrscht Resignation hinsichtlich eines demokratischen Wandels vor, scharfe Kritik wird vor allem von den im Ausland lebenden Kamerunern geäußert (GIZ 2.2017a).

Parlaments- und Kommunalwahlen werden zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen abgehalten. Nach wiederholter Wahlterminverlegung (die Opposition hatte immer wieder Reformen des Wahlverfahrens angemahnt) fanden am 30. September 2013 die bislang letzten Parlaments- und Kommunalwahlen statt; - mit wenig überraschendem Ergebnis: Die RDPC/CPDM behauptete sich mit Abstand (GIZ 2.2017a). Ihr gehören 148 (zuvor 152) der 180 Abgeordneten an. Als größte Oppositionspartei stellt die SDF (Mitglied der Sozialistischen Internationale) 18 Abgeordnete, während 5 kleinere Parteien insgesamt 14 Sitze erhielten. Die Kommunalwahlen entschied die RDPC ebenfalls klar für sich: Sie kann in 305 Kommunen allein regieren, die Oppositionsparteien lediglich in 24 (AA 9.12.2016).

Am 14.4.2013 wurden zum ersten Mal Senatoren für die 2.Kammer gewählt - 17 Jahre nach Schaffung der verfassungsrechtlichen Grundlagen. Großer Gewinner war die RDPC/CPDM (GIZ 2.2017a; vgl. AA 9.12.2016). Senatspräsident ist der 81-jährige Marcel Niat Njifendji, ex-Vizepremierminister. Er würde im Falle der Amtsunfähigkeit des Staatspräsidenten übergangsweise dessen Amtsgeschäfte führen (AA 9.12.2016).

Die über 200 Parteien bieten kaum politische Alternativen: Die meisten Oppositionsparteien, so auch die SDF, kranken an ähnlich überkommenen Strukturen wie die Regierungspartei RDPC. Parteigründer sind oftmals gleichzeitig ewige Vorsitzende (in einigen Fällen inzwischen deren Söhne) und führen ihre Partei in autokratischem Stil. Zudem stützen sich die meisten Oppositionsparteien auf eine regionale Hochburg (meist der Herkunftsort des Vorsitzenden). So auch die SDF: 13 ihrer 18 Parlamentssitze errang sie in der anglophonen Region Nord-West, aus der Parteigründer und Vorsitzender John Fru Ndi (74 Jahre) stammt (AA 9.12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Cameroon Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Cameroon.pdf, Zugriff 9.3.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2017a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 9.3.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Cameroon, http://www.ecoi.net/local_link/337135/479899_de.html, Zugriff 9.3.2017

Sicherheitslage

Für den Großteil des Staatsgebiets Kameruns wird seitens des französischen Außenministeriums bzgl. Reisen nicht abgeraten. Abgeraten wird lediglich von Reisen in die Grenzgebiete zu Nigeria, dem Tschad und der zentralafrikanischen Republik; in die Provinz Extrême-Nord und den nördlichen Teil der Provinz Nord. Reisen in die Provinzen Nord und Adamoua sollten nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind (FD 17.3.2017b). In den englischsprachigen Regionen um die Städte Bamenda und Buea kommt es nach Streiks von Teilen der anglophonen Bevölkerung zu gewalttätigen Demonstrationen und Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften, die bereits mehrere Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das österreichische Außenministerium warnt ausdrücklich vor Reisen in den Norden des Landes. Reisen in die Grenzgebiete zum Tschad und zur zentralafrikanischen Republik sollen nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind. Die Lage ist gespannt und unsicher und kann sich innerhalb kürzester Zeit verschlechtern. Das Risiko von Überfällen durch gewalttätige Straßenräuber sowie Entführungen ist besonders hoch. In den letzten Jahren wurden mehr als 20 ausländische Staatsangehörige im Norden des Landes entführt (BMEIA 17.3.2017).

Derzeit steht Kamerun vor großen Herausforderungen, da sich das Umfeld in den Nachbarländern Zentralafrikanische Republik und Nigeria destabilisiert hat. An der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik ist es seit Ausbruch der Seleka-Rebellion im Dezember 2012 mehrfach zu bewaffneten Übergriffen auf kamerunische Orte gekommen. Seit Beginn der Rebellion sind über 259.000 Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik in Kamerun eingetroffen (AA 9.12.2016). Das Grenzgebiet mit der Zentralafrikanischen Republik gilt wegen dieser grenzüberschreitender Übergriffe bewaffneter Gruppen der dortigen Rebellen als unsicher (AA 17.3.2017; vgl. FH 2016). Es kam dort auch zu Gefechten zwischen zentralafrikanischen Rebellen und kamerunischen Kräften (FH 2016).

In der Provinz Extrême-Nord, die an die Hochburg der Boko Haram in Nigeria grenzt, kommt es zu wiederholten Einfällen der Extremisten (FH 2016). Im Norden Kameruns, besonders in der Region Extreme-Nord, bedrohen Übergriffe von Boko Haram die Stabilität. Die Regierung geht u. a. mit Militäreinsätzen gegen die Bedrohung vor. Vor allem in der Region Extrême -Nord sind fast 59.000 Menschen aus Nigeria geflüchtet (AA 9.12.2016).

In der Provinz Extrême-Nord besteht ein hohes Entführungsrisiko für Ausländer. An der Grenze zu Nigeria und in Maroua, der Hauptstadt der Region Extrême-Nord, ist es zu Selbstmordanschlägen mit zahlreichen Todesopfern gekommen (AA 17.3.2017; vgl. FD 17.3.2017a). Auch in den Grenzgebieten zu Nigeria in den Provinzen Nord und Adamaoua können terroristische Aktivitäten vorkommen (FD 17.3.2017b). Laut einem Bericht der International Crisis Group wurden im Zuge der Angriffe durch Boko Haram, seit März 2014, 1.500 Menschen getötet und 155.000 verdrängt (IRIN 11.1.2017). Boko Haram war vor allem in der Region Extrême-Nord für Menschenrechtsverstöße verantwortlich (AI 22.2.2017).

Gewarnt wird darüber hinaus vor Reisen zur Halbinsel Bakassi und Umgebung aufgrund fortdauernder Sicherheitsprobleme. Im gesamten Golf von Guinea gibt es Bandenunwesen. In der Vergangenheit gab es Überfälle und Geiselnahmen auf Küstenorte, Fischkutter, Öltanker oder Ölplattformen (AA 17.3.2017; vgl. BMEIA 17.3.2017).

Die allgemeine Sicherheitslage ist vor allem in den Städten bzw. auf den Überlandstraßen von zunehmender Gewaltkriminalität gekennzeichnet (GIZ 2.2017a). In den Regionen Nord und Adamaoua sowie in den Grenzgebieten zu Nigeria und Tschad kommt es vermehrt zu gewalttätigen Raubüberfällen (AA 17.3.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 17.3.2017

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AA - Auswärtiges Amt (17.3.2017): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/KamerunSicherheit_node.html, Zugriff 17.3.2017

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Cameroon, https://www.ecoi.net/local_link/336459/479100_de.html, Zugriff 17.3.2017

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BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (17.3.2017): Reiseinformation Kamerun, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kamerun/, Zugriff 17.3.2017

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FD - France Diplomatie (17.3.2017a): Cameroun - Conseils aux voyageurs - Dernière minute,

http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/cameroun/#derniere, Zugriff 17.3.2017

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FD - France Diplomatie (17.3.2017b): Cameroun - Conseils aux voyageurs - Sécurité,

http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/cameroun/#securite, Zugriff 17.3.2017

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FH - Freedom House (2016): Freedom in the World 2016 - Cameroon, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/cameroon, Zugriff 19.8.2015

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2017a): Kamerun - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 17.8.2015

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IRIN - Integrated Regional Information Network (10.8.2015): Boko Haram still a threat to refugees in Cameroon, http://www.irinnews.org/feature/2017/01/11/boko-haram-still-threat-refugees-cameroon, Zugriff 17.3.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Das kamerunische Rechtssystem ist uneinheitlich. Neben der traditionellen Rechtsprechung, die für jede Volksgruppe spezifisch ist, existiert das moderne Recht, das bis vor kurzem, sowohl von der britischen (common law) als auch von der französischen Rechtskultur (Code Napoléon) bestimmt worden war, bis das Parlament 2006 eine Harmonisierung des Strafgesetzbuchs verabschiedete. Moderne Gerichte gibt es auf Arrondissements-Ebene (tribunal de première instance) und Départements-Ebene (tribunal de grande instance), Berufungsgerichte auf Provinzebene (cour d¿appel). Probleme bereiten der absolute Mangel an Gerichten, die Bestechlichkeit von Richtern, die Konzentration der Rechtsanwaltsbüros auf Douala und Yaoundé, die mangelnde Unabhängigkeit der Gerichte von der Exekutive und die Blockierung de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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