TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/18 W220 2182065-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.07.2018
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Entscheidungsdatum

18.07.2018

Norm

AVG §19
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46 Abs2a
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W220 2182065-2/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nepal, vertreten durch XXXX , Rechtsanwalt in XXXX Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2018, Zl. 1076141903-180020898, betreffend Ladungsbescheid zum Zweck notwendiger Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes gemäß §§ 19 AVG und 46 Abs. 2a FPG, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 19 AVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid gem. § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21.11.2017, Zl. 1076141903-150783407, wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Nepal (im Folgenden: BF) auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt (Spruchpunkt VI)

1.2 Die dagegen am 18.12.2017 rechtzeitig erhobene Beschwerde wurde samt Verwaltungsakt am 08.01.2018 der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes vorgelegt und wurde über die eingebrachte Beschwerde bis dato noch nicht entschieden.

1.3. Mit Ladungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2018, Zl. 1076141903-180020898, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 19 AVG und 46 Abs. 2a FPG aufgefordert, zwecks notwendiger Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes am 14.02.2018 um 13.30 Uhr zur belangten Behörde zu kommen und mitzuwirken. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.

1.4. Gegen diesen Bescheid vom 08.01.2018 erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 26.01.2018 eine mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbundene Beschwerde, in der unter anderem ausgeführt wurde, die Zulässigkeit einer Abschiebung setze gemäß § 46 Abs 1 FPG voraus, dass eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar sei. § 46 Abs 2 FPG ermächtige zu einer Handlung, die der Realisierung einer Abschiebung dienen solle. Demnach sei Voraussetzung für eine Handlung nach § 46 Abs 2 FPG, dass im Zeitpunkt deren Vornahme eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestehe. Der Beschwerdeführer habe gegen die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und komme dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu. Die gegen den BF erlassene Rückkehrentscheidung sei nicht in Rechtskraft erwachsen und sei somit auch nicht durchsetzbar. Eine Abschiebung gemäß § 46 Abs. 1 FPG und in der Folge eine Erlangung eines Ersatzreisedokumentes gemäß § 46 Abs. 2 und 2a FPG komme daher nicht in Betracht. Eine Vorführung des BF sei somit rechtswidrig und andererseits schlicht nicht notwendig, wenn man von der Übermittlung der erlaubten Daten ausgehe, die bereits dem BFA vorlägen.

1.5. Die Beschwerde vom 26.01.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 01.02.2018 zur Entscheidung vorgelegt.

1.6. Mit hg. Erkenntnis vom 03.02.2018, Zl. W220 2182065-2/2E wurde der Beschwerde gemäß § 46 Abs. 1 iVm § 46 Abs. 2a FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben (Spruchteil A). Unter Spruchteil B wurde die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig erklärt.

1.7. Gegen dieses Erkenntnis erhob die belangte Behörde am 19.03.2018 ordentliche Amtsrevision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 6 Z 2 B-VG, welcher mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 29.05.2018, Zl. Ro 2017/21/0006 stattgegeben und das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Feststellungen:

Der unter Punkt 1. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

3. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen, unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und der Gerichtsakten des BVwG.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A (Behebung des angefochtenen Bescheides):

4.1. Zur Entscheidung in der Sache

Der mit "Ladungen" betitelte § 19 AVG lautet:

"(1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.

(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.

(3) Wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.

(4) Eine einfache Ladung erfolgt durch Verfahrensanordnung."

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des § 46 Abs. 1 bis 2b FPG unter der Überschrift "Abschiebung" lauten:

"(1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis im gegenständlichen Fall unter Verweis auf sein Erkenntnis vom 15.03.2018, Ra 2018/21/0012 und unter Bedachtnahme auf die historische Entwicklung der maßgeblichen Normen und auf seine bisherige Judikatur ausgesprochen, dass Vorbereitungshandlungen des BFA zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes und in diesem Zusammenhang vorgenommene Ladungen zum BFA insbesondere mit dem Zweck der Identitätsfeststellung des Fremden nicht generell das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme voraussetzen (VwGH 29.05.2018, Ro 2018/21/0006).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29.05.2018, Ro 2018/21/0006 ausführte, kam er in seinem Erkenntnis vom 15.03.2018, Ra 2018/21/0012 zu dem Ergebnis, dass sich aus der generellen, für alle Fremden geltenden Norm des § 108 FPG keine ausdrückliche zeitliche Einschränkung für die Vornahme von Handlungen, die die Beschaffung eines Einreiseersatzdokumentes vorbereiten, ableiten lasse. Allerdings sei jedenfalls im Zusammenhang mit Ladungen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der sich aus § 46 FPG ergebende Zweck eines Ersatzreisedokumentes, nämlich die - das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme voraussetzende - Abschiebung zu ermöglichen, einzubeziehen. In diesem Sinne sei der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die Frage der Notwendigkeit von solchen Ladungsbescheiden in zahlreichen Entscheidungen der Sache nach auch vom Erfordernis des Vorliegens einer (zumindest) durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme ausgegangen. Das lasse aber trotzdem einen dem BFA zuzubilligenden Spielraum, ausnahmsweise eine solche Ladung auch schon vor Bestehen einer durchsetzbaren besonderen aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verfügen, wenn sie fallbezogen aus besonderen Gründen schon in diesem Stadium unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nötig iSd § 19 Abs. 1 AVG sei.

Der Verwaltungsgerichtshof führte weiter aus, dies gelte grundsätzlich auch für Asylwerber, allerdings mit der sich aus § 33 Abs. 4 BFA-VG ergebenden Einschränkung, dass zur Beschaffung von notwendigen Einreisebewilligungen erforderliche personenbezogene Daten nur dann an den Herkunftsstaat übermittelt werden dürfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bereits ab- oder zurückgewiesen worden ist oder wenn dem Asylwerber ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt. Die Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten von Asylwerbern zur Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes setze somit auch der angeführten Bestimmung zufolge nicht zwingend und generell voraus, dass bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliege. Allerdings gelte auch für die in diesem Zusammenhang ergehende Ladung eines Asylwerbers, dass sie schon in diesem Stadium nötig iSd § 19 Abs. 1 AVG und damit verhältnismäßig sein müsse.

Der Verwaltungsgerichtshof wies weiters darauf hin, dass die Ausnahmeregelung des zweiten Satzes des § 33 Abs. 4 BFA-VG grundsätzlich nur die Voraussetzungen für die "Übermittlung" personenbezogener Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat regle, nicht jedoch die Voraussetzungen für die Erlangung von Daten aufgrund unmittelbarer und persönlicher Befragung eines Asylwerbers durch Botschaftsvertreter seines Herkunftsstaates. Diesbezüglich sei jedenfalls ergänzend zu betrachten, dass es einem Asylwerber - außer es handle sich um einen Folgeantrag - in der Regel nicht zumutbar sein werde, während des noch nicht rechtskräftig beendeten Verfahrens auf Gewährung von internationalem Schutz Vertretern des Herkunftsstaates gegenübergestellt und von diesen zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen befragt zu werden.

Für den gegenständlichen Fall sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, das BVwG hätte unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen gehabt, ob die gegenständliche Ladung ausnahmsweise schon in diesem Stadium nötig war.

Für den gegenständlichen Fall ergibt sich daher Folgendes:

Gemäß § 19 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Die Rechtmäßigkeit einer Ladung setzt somit voraus, dass sie "nötig" im Sinne der genannten Bestimmung ist. Das Erscheinen der geladenen Person ist in diesem Sinne nicht "nötig", wenn die Behörde den mit der Ladung verfolgten Zweck auch auf andere Weise erreichen kann (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0149 mwN).

Mit dem am 01.07.2011 in Kraft getretenen FrÄG 2011 wurde mit dem damals neuen § 46 Abs. 2a eine dem § 46 Abs. 2a FPG idgF inhaltlich entsprechende Berechtigung für die Fremdenpolizeibehörde geschaffen, Personen, für die sie ein Ersatzreisedokument bei der zuständigen ausländischen Behörde einzuholen hat, vorzuladen. Dabei wurde - über § 19 Abs. 1 AVG hinausgehend - bestimmt, dass die Amtshandlung auch außerhalb des Amtsbereichs der zuständigen Behörde stattfinden könne (vgl. VwGH 15.02.2018, Ra 2018/21/0012).

Es ist der belangten Behörde zuzustimmen, wenn diese unter Verweis auf die §§ 19 Abs. 2 und 56 AVG darauf hinweist, dass der Gesetzgeber von einer Ermittlungs- und Begründungspflicht für Ladungsbescheide absieht und eine solche auch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht besteht (vgl. VwGH 28.11.2011, 2009/22/0089, Hengstschläger/Leeb, AVG § 19, Rz 9 [Stand 01.01.2014, rdb.at]). Es ist ferner auch zutreffend, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beurteilung, ob zur Erreichung des mit einer Ladung verfolgten Zwecks ein Erscheinen des Geladenen nötig ist, oder ob dieser Zweck auch auf andere Weise erreicht werden kann, grundsätzlich der Behörde obliegt (vgl. VwGH 04.08.2018, Ra 2016/21/0149 mwN).

Es ist jedoch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im gegenständlichen Fall anzumerken, dass dieser ausführt, Ladungen zur Sicherung eines Ersatzreisedokumentes könnten schon vor Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme verfügt werden, wenn dies "fallbezogen aus besonderen Gründen schon in diesem Stadium unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nötig iSd § 19 Abs. 1 AVG sei". Aus dieser Formulierung sowie aus dem Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes, das BVwG habe in solchen Fällen zu prüfen, ob die gegenständliche Ladung "ausnahmsweise schon in diesem Stadium nötig" sei, ergibt sich zunächst, dass das Vorliegen einer solchen Notwendigkeit in diesem Stadium (in dem es also noch keine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gibt) für den Normalfall nicht angenommen werden kann.

Zu prüfen ist daher, ob im gegenständlichen Fall bereits ohne Vorliegen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung außergewöhnliche Umstände vorliegen, die den gegenständlichen Ladungsbescheid "ausnahmsweise nötig" machen.

Vorweg ist festzuhalten, dass im gegenständlichen Ladungsbescheid vom 08.01.2018 als Gegenstand der Amtshandlung "Notwendige Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments" angeführt wurden, jedoch in keinster Weise konkretisiert wurde, worin diese "notwendigen Handlungen" bestehen. Erst in der ordentlichen Revision vom 19.03.2018 wurde ausgeführt, dass es anlässlich der Amtshandlung, zu der der Beschwerdeführer geladen wurde, zu keiner Kontaktaufnahme mit Vertretern Nepals gekommen wäre, sondern das BFA lediglich Vorbereitungshandlungen treffen habe wollen. Dies war somit alleine aufgrund der Ladung für den Beschwerdeführer nicht ersichtlich. Die belangte Behörde führte weiters aus, dass Hintergrund der Ladung die Feststellung der genauen Identität des Beschwerdeführers gewesen sei. So sei es regelmäßig erforderlich, einem Ersuchen um Ausstellung eines Ersatzreisedokuments die Niederschrift einer näheren Befragung des betroffenen Fremden zu seiner Identität und Herkunft beizulegen. Diese Vorgehensweise sei auch bei Staatsangehörigen Nepals notwendig.

Zur Mitwirkung an der Feststellung ihrer Identität und Herkunft sind Antragsteller im Asylverfahren schon aufgrund der in § 15 Abs. 1 iVm § Abs. 3 AsylG 2005 normierten Mitwirkungspflicht verpflichtet. Es erscheint alleine aufgrund dieser Tatsache zumutbar, dass der Beschwerdeführer einer Ladung zu diesem Zweck auch nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens Folge leistet. Insbesondere wird von ihm nicht verlangt, Angaben zu tätigen oder Informationen bereitzustellen, zu denen er nicht schon im Rahmen des Asylverfahrens verpflichtet gewesen wäre.

Es sind jedoch hinsichtlich der zeitlichen Komponente keine Gründe vorgebracht worden, aufgrund derer es schon vor Abschluss des Verfahrens vor dem BVwG und somit vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung "ausnahmsweise nötig" gewesen wäre, den Beschwerdeführer zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments einzuvernehmen. Weder ist absehbar, dass der Beschwerdeführer dem BFA im Falle einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nicht mehr zur Verfügung stehen würde, noch wurde vorgebracht oder ist notorisch, dass die Erlangung eines Ersatzreisedokuments im Falle Nepals dermaßen lange dauern würde, dass möglichst früh Vorbereitungshandlungen gesetzt werden müssten.

Wenn in der Revisionsbeantwortung seitens des Beschwerdeführers ausgeführt wird, dass zum Zeitpunkt der Ladung noch keine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorlag und sohin noch nicht feststand (und weiterhin noch nicht feststeht), ob in der Zukunft überhaupt ein Ersatzreisedokument nötig sein wird, ist dem grundsätzlich beizupflichten. Zutreffend ist auch, dass dies zu einem unnötigen und erheblichen Verwaltungsaufwand in jenen Fällen führen würde, in welchen in weiterer Folge eine ursprünglich seitens des BFA erlassene Rückkehrentscheidung behoben und daher nie durchsetzbar wird.

Mit dem Vorbringen in der Revision, der Beschwerdeführer hätte im vorliegenden Fall keinerlei staatliche Verfolgung, sondern lediglich eine Verfolgung durch private Akteure und mangelnde Schutzfähigkeit des Staates behauptet, kann das Vorliegen einer "ausnahmsweisen Notwendigkeit" nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht begründet werden. Würde man nämlich alleine aufgrund dieses Vorbringens annehmen, die gegenständliche Ladung sei in diesem Stadium "ausnahmsweise nötig", würde dies einer vorweggenommenen Beurteilung des noch anhängigen Beschwerdeverfahrens hinsichtlich des Antrags des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gleichkommen. Dies zumal der Beschwerdeführer in der Revisionsbeantwortung vorbrachte, es liege jedenfalls eine staatliche Verfolgung vor. Wenn man also die "ausnahmsweise Notwendigkeit" auf die vorgebrachten Fluchtgründe des Beschwerdeführers stützte, würde dies einer Prognose bzw. vorweggenommenen Beurteilung im Hinblick auf die noch ausständige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen.

Es ist im Ergebnis nicht ersichtlich, weshalb die Ladung schon zu besagtem Zeitpunkt ausnahmsweise erforderlich gewesen sein soll und erfolgte dafür seitens der belangten Behörde auch keine Begründung.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. zur verfahrensrechtlichen Grundlage der ersatzlosen Behebung VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162).

4.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 1 iVm Abs 4 VwGVG entfallen, da im vorliegenden Fall ausschließlich eine Rechtsfrage zu beurteilen war, zumal von beiden Parteien des Verfahrens die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt wurde. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25 Absatz 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF., hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar teilweise zur früheren Rechtslage ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, ersatzlose Behebung, Ladungsbescheid,
Rechtsanschauung des VwGH, Reisedokument

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W220.2182065.2.01

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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