TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/19 I420 2169251-1

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Veröffentlicht am 19.07.2018
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Entscheidungsdatum

19.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

I420 2169271-1/11E

I420 2169256-1/9E

I420 2169265-1/9E

I420 2169251-1/9E

I420 2169262-1/9E

I420 2169268-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Magdalena HONSIG-ERLENBURG als Einzelrichterin über die Beschwerden der XXXX geb. XXXX des XXXX geb. XXXX, des minderjährigen XXXX geb. XXXX des minderjährigen XXXX geb. XXXX des minderjährigen XXXX geb. XXXX und des minderjährigen XXXX geb. XXXX die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch XXXX alle nigerianische Staatsbürger und vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2017, Zl. 46146800/140169337, 831370510/1722012, 46146909/140169396, 74965903/140169353, 1017626104/140085958 und 1155546200/170674521, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.06.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Verfahren von XXXX (Erstbeschwerdeführerin), ihres Lebensgefährten XXXX (Zweitbeschwerdeführer) sowie ihrer vier minderjährigen Kinder (des am XXXX geborenen Drittbeschwerdeführers XXXX des am XXXX geborenen Viertbeschwerdeführers XXXX des am XXXX geborenen Fünftbeschwerdeführers XXXX und des am XXXX geborenen Sechstbeschwerdeführers XXXX) sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

Die Erstbeschwerdeführerin reiste am 27.06.2013 in Österreich ein und stellte am 13.11.2014 für sich und ihre drei minderjährigen Kinder, den Drittbeschwerdeführer, den Viertbeschwerdeführer und den Fünftbeschwerdeführer, einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am selben Tag wurde die Erstbeschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie in Nigeria kein gutes Leben geführt habe, lediglich ihre Mutter habe sich um sie gekümmert und sie habe auch Probleme in der Familie gehabt. Weitere Fluchtgründe habe sie keine. Für den Drittbeschwerdeführer, den Viertbeschwerdeführer und den Fünftbeschwerdeführer würden die gleichen Fluchtgründe gelten.

Der Zweitbeschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in Österreich am 23.09.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, dass er, nachdem er von Italien nach Nigeria abgeschoben worden sei, erfahren habe, dass sich seine Lebensgefährtin samt Kindern in Österreich befinde und deswegen beschlossen habe auch nach Österreich zu kommen. Außerdem werde ihm in Nigeria vorgeworfen, homosexuell zu sein, da er bei einem homosexuellen Schulfreund gewohnt habe und sei er deswegen auch mit dem Umbringen bedroht worden.

Am XXXX wurde der Sechstbeschwerdeführer geboren und am 08.06.2017 brachte die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin einen Asylantrag für diesen ein.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde am 06.06.2017 niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Sie gab zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass ihr Mann, ihre Kinder, ihr Vater und ihre Mutter in Österreich leben würden und sie gemeinsam mit ihrer Familie in Österreich leben sowie ihren Kindern ein gutes Leben ermöglichen wolle. Weitere Fluchtgründe habe sie keine. Bei einer Rückkehr befürchte sie, dass ihre Mutter in Österreich ohne ihre Hilfe sterben könnte. Sie selbst habe auch Diabetes.

Nach der Erstbeschwerdeführerin wurde auch der Zweitbeschwerdeführer am 06.06.2017 niederschriftlich durch das BFA einvernommen. Er gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er in Österreich um Asyl ansuche, da hier seine ganze Familie lebe. Weitere Fluchtgründe habe er keine.

In der Folge wurden die Anträge der Beschwerdeführer mit den im Spruch genannten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurden die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide).

Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde fristgerecht am 25.08.2017 mit einem Schreiben betreffend die im Spruch angeführten Bescheide der Erstbeschwerdeführerin, des Drittbeschwerdeführers, des Viertbeschwerdeführers, des Fünftbeschwerdeführers sowie des Sechstbeschwerdeführers sowie mit einem Schreiben betreffend den im Spruch angeführten Bescheid des Zweitbeschwerdeführers Beschwerde erhoben sowie entsprechende Vollmachten für die Vertretung durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vorgelegt. Es wurde beantragt das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG durchführen; die angefochtenen Entscheidungen hinsichtlich Spruchpunkt I. beheben und den Beschwerdeführern Asyl zuerkennen; in eventu die angefochtenen Bescheide hinsichtlich Spruchpunkt II. beheben und den Beschwerdeführern subsidiären Schutz gewähren; in eventu die angefochtenen Bescheide bezüglich des Spruchpunktes III. aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt wird; in eventu die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 und 4 VwGVG beheben und zur Erlassung neuer Bescheide an die Behörde zurückverweisen.

Beschwerden und Bezug habende Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 31.08.2017 vorgelegt. Am 21.02.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zugewiesen.

Am 08.06.2018 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht abgehalten, in welcher die Erstbeschwerdeführerin sowie der Zweitbeschwerdeführer befragt wurden; im Vorfeld war den Beschwerdeführern das aktuelle Länderinformationsblatt zu Nigeria zugeschickt worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Nigerias. Es handelt sich bei den Beschwerdeführern um eine volljährige Frau (Erstbeschwerdeführerin), ihren Lebensgefährten (Zweitbeschwerdeführer) sowie ihre vier minderjährigen Kinder (Drittbeschwerdeführer, Viertbeschwerdeführer, Fünftbeschwerdeführer und Sechstbeschwerdeführer).

Die Identität des Zweitbeschwerdeführers steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest, jene der Erstbeschwerdeführerin, des Drittbeschwerdeführers, des Viertbeschwerdeführers sowie des in Österreich geborenen Fünftbeschwerdeführers und des ebenfalls in Österreich geborenen Sechstbeschwerdeführers stehen fest.

Die Erstbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführer halten sich seit spätestens 27.06.2013 in Österreich auf. Der Zweitbeschwerdeführer hält sich seit spätestens 23.09.2013 in Österreich auf. Der Fünftbeschwerdeführer wurde am XXXX2014 und der Sechstbeschwerdeführer wurde am XXXX2017 in Österreich geboren.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind volljährig und bekennen sich zum christlichen Glauben. Die Erstbeschwerdeführerin ist Angehörige der Volksgruppe der Isan, der Zweitbeschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Benin an.

Die Erstbeschwerdeführerin verließ Nigeria im Jahr 2009 und hielt sich bis 2013 in Italien auf, ehe sie nach Österreich einreiste. Der Zweitbeschwerdeführer lebte bis zu seiner Abschiebung nach Nigeria 2013 fünf Jahre lang in Italien und verließ Nigeria im selben Jahr erneut, um nach Österreich einzureisen. Die Familie hält sich seit ca. fünf Jahren in Österreich auf.

Die Familie der Erstbeschwerdeführerin, bestehend aus ihren Geschwistern sowie diversen Onkeln und Tanten, lebt in Nigeria. Zu ihrer Familie besteht telefonischer Kontakt. Auch hat die Erstbeschwerdeführerin noch Kontakt zu Schulkolleginnen und Schulkollegen. Sie verfügt über eine Schulbildung und besuchte eine Lehrerausbildungsanstalt. Zudem hat man ihr das Frisieren von Haaren beigebracht.

Die Familie des Zweitbeschwerdeführers, bestehend aus seiner Mutter sowie zahlreichen Geschwistern und Onkeln mütterlicherseits, lebt auch in Nigeria. Zur Mutter und zu ehemaligen Teamkollegen besteht noch Kontakt. Der Zweitbeschwerdeführer verfügt über eine Schulbildung, hat ein Mikrobiologie-Studium begonnen, aber nicht abgeschlossen und verdiente seinen Lebensunterhalt in Nigeria zuletzt als Fußballspieler.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer befinden sich in einem arbeitsfähigen Alter. Die Familie lebt von der Grundversorgung. Die Erstbeschwerdeführerin sowie der Zweitbeschwerdeführer sprechen etwas Deutsch und haben eine Deutschprüfung Niveau A2 bestanden. Der Zweitbeschwerdeführer hat sich zudem ehrenamtlich betätigt, Reinigungsarbeiten in seiner Unterkunft durchgeführt sowie mit Kindern Fußball trainiert. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer besucht in Österreich bereits die Schule und der Viertbeschwerdeführer sowie der Fünftbeschwerdeführer besuchen den Kindergarten. Außerdem leben die Eltern der Erstbeschwerdeführerin in Österreich, aufgrund der örtlichen Distanz zwischen Tirol und Wien basiert der Kontakt hauptsächlich auf Telefonaten und befindet sich die Mutter in einem Pflegeheim. Weitere maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen wurden nicht vorgebracht.

Die Erstbeschwerdeführerin sowie der Zweitbeschwerdeführer leiden an keinen lebensbedrohlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Auch der Drittbeschwerdeführer, der Viertbeschwerdeführer, der Fünftbeschwerdeführer und der Sechstbeschwerdeführer sind gesund.

Abgesehen von der Erstbeschwerdeführerin sind die Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten. Die Erstbeschwerdeführerin wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 24.09.2014 wegen falscher Beweisaussage zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer in Nigeria aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würden.

Zusammenfassend wird in Bezug auf die Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass sie im Fall einer Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein werden.

Für die minderjährigen Beschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

1.3. Zur allgemeinen Situation in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer sind gegenüber den in den angefochtenen Bescheiden vom 04.08.2017 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 07.08.2017) "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria auszugsweise zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Wahlen von Präsident und Nationalversammlung 2015 und die seitdem stattgefundenen Wahlen der Gouverneur- und Landesparlamente in 31 von 36 Bundesstaaten haben die politische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im All Progressives' Congress (APC) vereinigte Opposition gewann neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments und regiert nun auch in 23 der 36 Bundesstaaten. Die seit 1999 dominierende People-s Democratic Party (PDP) musste zum ersten Mal in die Opposition und ist durch Streitigkeiten um die Parteiführung stark geschwächt. Lediglich in den südöstlichen Bundesstaaten des ölreichen Niger-Deltas konnte sie sich als Regierungspartei behaupten (AA 21.11.2016). Bei den Präsidentschaftswahlen am 28.3.2015 besiegte der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, Muhammadu Buhari, den bisherigen Amtsinhaber Goodluck Jonathan mit 54,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei diesen Wahlen, die von der internationalen Öffentlichkeit als beispielhaft für die Demokratie Afrikas gelobt wurden, kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel (GIZ 7.2017a).

Im Länderbericht ergibt die geschilderte allgemeine Sicherheitslage keine konkrete gegen die Personen der Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungsgefahr, die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land, sodass sich Bürger in jedem Teil des Landes niederlassen können. Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Darüberhinaus sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen. Prinzipiell sollte es einer Person, die von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen.

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Nigerian Police Force (NPF). Die NPF untersteht dem Generalinspektor der Polizei. Er ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Ihm unterstehen in jedem Bundesstaat Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden (USDOS 13.4.2016). Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein. Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016b).

In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen (CIA 7.6.2017; vgl. GIZ 7.2017b). Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich bzw. "christlich-animistisch" (AA 21.11.2016). Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein Teil des Landes ist von starker Verfolgung betroffen (der Teil, der überwiegend von Muslimen bewohnt wird), wohingegen der andere, überwiegend von Christen bewohnte, Landesteil überhaupt nicht beeinträchtigt ist.

Der Begriff "Kult" ist in Nigeria sehr weitgreifend und kann für jede organisierte Gruppe von Menschen verwendet werden, um welche sich Geheimnisse ranken. Der Begriff umfasst auch eine religiöse Dimension (UKHO 12.2013; vgl. DACH 2.2013, EASO 6.2017), die generell auf die Verwendung von Juju abzielt. Die Spannweite reicht von den berühmten Ogboni über ethnische Vigilantengruppen bis zu Bruderschaften an Universitäten. Kulte und Geheimgesellschaften sind vor allem im Süden von Nigeria verbreitet, nur in geringem Maße im Norden. Die geheimen Bruderschaften operieren bis hinauf in die gesellschaftliche Elite des Landes (UKHO 12.2013; vgl. DACH 2.2013; vgl. EASO 6.2017). Mitglieder dieser Kulte sind auch hochrangige Nigerianer, Beamte, Unternehmer, Politiker und sogar Sicherheitskräfte (DT 18.6.2016). Es wird in Nigeria weithin angenommen, dass Personen an der Macht geheime Netzwerke bilden, bei welchen der Missbrauch okkulter Kräfte zur Routine gehört (UKHO 12.2013; vgl. DACH 2.2013). Viele treten Kulten bei, da diese mit Macht, Reichtum und Ansehen in der Gesellschaft verbunden werden. Es gibt auch eigene Kulte für Frauen (DT 18.6.2016; vgl. EASO 6.2017). Kulte greifen generell niemanden an, der nicht selbst in Kult-Aktivitäten involviert ist (VA1 16.11.2015; vgl. IRB 3.12.2012). Das "Secret Cult and Similar Activities Prohibition" Gesetz aus dem Jahr 2004 listet offiziell ca. 100 Kult-Gruppen auf, die verboten worden sind. Diese Kulte umfassen kriminelle Banden; spirituell und politisch motivierte Gruppen auf der Suche nach Macht und Kontrolle; sowie Banden, die Wasserwege, Durchfahrtswege oder Ölreserven kontrollieren (UKHO 1.2013; vgl. EASO 6.2017). Personen, die sich vor einer Schlechtbehandlung/Misshandlung durch derartige Gruppierungen fürchten, können entweder Schutz erhalten oder aber eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen, um der befürchteten Misshandlung zu entgehen (UKHO 12.2013).

Zur wirtschaftlichen Lage ist allgemein auszuführen, dass Nigeria seit 2014 als die größte Volkswirtschaft Afrikas gilt, im Jahr 2014 wurde sogar das Bruttoinlandsprodukt von Südafrika übertroffen (GIZ 6.2016c; vgl. AA 5.2016), neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 3.12.2015).

Es ist davon auszugehen, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 7.2014).

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014).

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014). Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖBA 7.2014).

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik. (IOM 8.2014). Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 4.7.2017). Laut dem Gesundheitsministerium gibt es weniger als 150 Psychiater in Nigeria (IRIN 13.7.2017). Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 21.11.2016). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 21.11.2016). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 3.3.2017). In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten An-tibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 21.11.2016).

Es besteht auch wie im Länderbericht ausgeführt, keine Gefahr dahingehend, dass ein ob eines abgelehnten Asylantrages rückgeführter Asylwerber bei seiner Rückkehr nach Nigeria mit staatlichen Repressionen zu rechnen habe. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt außerdem darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 7.2014).

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

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http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 12.6.2017

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UKHO - UK Home Office(3.2015): Country Information and Guidance Nigeria: Sexual orientation and gender identity, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1429090981_nga-cig-sogi-15-3-19-v-1-0.pdf, Zugriff 2.8.2017

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VA1 - Vertrauensanwalt 1 der Österreichischen Botschaft Abuja (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

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UKHO - United Kingdom Home Office (10.8.2016): Country Information and Guidance Nigeria: Background information, including actors of protection and internal relocation, https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august-2016.pdf, Zugriff 29.8.2016

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

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FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 8.6.2017

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IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/16296710/16800759/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2013%2C_deutsch.pdf?nodeid=16801531&vernum=-2, Zugriff 8.6.2017

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IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 4.7.2017

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (7.2014): Asylländerbericht Nigeria

1.4. Zur Situation von Frauen und Kindern in Nigeria:

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.11.2016). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.11.2016). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).

Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings vier Vizegouverneurinnen (AA 21.11.2016). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering - nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 4.2017a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 3.3.2017).

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sich mit sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, psychologischer Gewalt, schädlichen traditionellen Praktiken und sozioökonomischen Gewalt. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Das Gesetz ist nur im Federal Capital Territory (FCT) gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 3.3.2017).

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet oft bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 3.3.2017).

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 3.3.2017). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).

Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 3.3.2017).

Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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