TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/23 I405 2163401-2

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Veröffentlicht am 23.07.2018
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Entscheidungsdatum

23.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

I405 2163401-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2018, Zl. 1073510306-171181426,

A)

zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. wird als unbegründet abgewiesen.

beschlossen:

II. In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid im Umfang des Spruchpunktes III., IV. V. sowie VI. behoben und die Angelegenheit in diesem Umfang gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach seiner illegalen Einreise ins Bundesgebiet am 15.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Der BF wurde am 15.06.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 20.12.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Als Fluchtgrund brachte er dabei im Wesentlichen vor, dass er Nigeria verlassen habe, da Boko Haram seine Familie angegriffen habe und er von ihnen misshandelt worden sei. Er glaube auch, dass seine Eltern von ihnen verschleppt worden seien. Im Falle seiner Rückkehr habe er Angst um sein Leben, er wolle keinesfalls mehr zurück.

3. Mit Bescheid des BFA vom 22.06.2017, Zl. IFA: 1073510306 VZ 150673423, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Letztlich wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 5 BFA- VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.)

4. Der BF erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2017, Zl. I416 2163401-1/3E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

6. Am 17.10.2017 stellte der BF neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

7. Der BF wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Als Fluchtgrund brachte er dabei Folgendes vor: "Meine Familie war eigentlich Islamischen Glaubens. Noch vor meiner Geburt wechselte meine Familie ihren Glauben und konvertierte zum Christentum. Im Jahr 2011 wurden wir von der Boko Haram verhaftet, ich konnte mit Hilfe von christlichen Glaubensgenossen fliehen. Aufgrund meiner Historie mit den Boko Haram kann ich nach wie vor nicht nach Nigeria zurück."

8. Am 27.12.2017 wurde der BF vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen, wobei er angab, dass seine Fluchtgründe aus dem ersten Asylverfahren nach wie vor aufrecht seien.

9. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.06.2018, Zl. 1073510306-171181426 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten vom 17.10.2017 gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) Zugleich wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für eine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde nicht eingeräumt (Spruchpunkt VI.).

10. Der Bescheid des BFA wurde dem BF samt einer Verfahrensanordnung vom 28.06.2018, mit welcher dem BF eine Rechtsberaterin amtswegig zur Seite gestellt wurde, am 02.07.2018 zugestellt.

11. Mit dem am 03.07.2018 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob der BF fristgerecht Beschwerde und machte darin inhaltlich falsche Entscheidung der belangten Behörde, mangelhafte Verfahrensführung und das Widersprechen von europarechtlichen Gesetzen geltend.

12. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungs- und Gerichtsakten wurden vom BFA am 06.07.2018 dem Bundesverwaltungsgericht (bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt am 09.07.2018 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Feststellung zur Person des BF:

Der BF ist Staatsangehöriger von Nigeria, gehört der Volksgruppe der Yoruba an und bekennt sich zum christlichen Glauben. Die Identität des BF steht nicht fest.

Der strafrechtlich unbescholtene BF leidet an keinen schweren Krankheiten und ist arbeitsfähig.

Seit XXXX ist der BF mit einer slowakischen Staatsbürgerin verheiratet und führen sie einen gemeinsamen Haushalt. Das BFA befragte den BF am 27.12.2017 und der Bescheid wurde am 27.06.2018 erlassen; eine Einvernahme seiner Lebensgefährtin ist dem Akt nicht zu entnehmen.

Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 15.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass er Nigeria aufgrund der Bedrohung von Verfolgung von Boko Haram verlassen habe. Mangels Glaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens beschied das Bundesamt seinen Antrag mit Bescheid vom 22.06.2017, Zl. IFA: 1073510306 VZ 150673423, negativ. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 10.07.2017, Zl. I416 2163401-1/3E, als unbegründet ab. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Am 17.10.2017 stellte der BF den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Der BF brachte vor, dass sein im Erstverfahren genannter Fluchtgrund weiterhin aufrecht ist.

Nicht festgestellt werden kann, dass seit Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde vom 22.06.2017, Zl. IFA: 1073510306 VZ 150673423, zwischenzeitlich aufgrund der allgemeinen Verhältnisse im Herkunftsland Umstände eingetreten sind, wonach der BF in Nigeria aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder dass ihm im Falle einer Rückkehr ins Herkunftsland die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

1.2. Zur Lage in Nigeria wird festgestellt:

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende Peoples Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45 % Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80 % aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Gwoza ist der Sitz der Landesregierung des Borno State. Die Stadt hat ca. 276.000 Einwohner. Die Umgebung der Stadt ist felsig und hügelig. Die Gwoza Hills erreichen eine Höhe von ca 1.300 m Seehöhe und wird durch die Mandara Mountains, die eine natürliche Grenze zwischen Nigeria und Kamerun bilden, abgeschlossen. Gwoza LGA ist als offenkundiges Versteck von Boko Haram Aufrührern bekannt, die dort 2009 angekommen sind. Die Gegend litt unter Gewalt durch islamistische Aufrührer. Am 23.06.2014 erschienen unbestätigte Berichte, dass ganz Gwoza unter Attacken litt. Am 02.06.2014 fand an der nigerianisch-kamerunischen Grenze ein Terroranschlag statt, der mutmaßlich von Boko Haram durchgeführt wurde und zumindest 2.000 Zivilisten das Leben kostete. Am 24.08.2014 verkündete Boko Haram in Gwoza das Kalifat. Seit März 2015 ist Gwoza wieder in der Gewalt des nigerianischen Staates.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des BF:

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seiner Konfession gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften und gleichbleibenden Angaben des BF vor der belangten Behörde. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, dass Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des BF aufkommen lässt.

Da der BF den österreichischen Behörden bislang keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegte, steht seine Identität nicht fest.

Die Feststellung, wonach der BF mit einer slowakischen Staatsbürgerin verheiratet ist, ergibt sich aufgrund der Vorlage der Heiratsurkunde. Dass die Ehefrau des BF bislang von der belangten Behörde nicht einvernommen wurde, ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreic

Die Feststellungen zum rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahren, dem rechtskräftigen Rückkehrentscheidungsverfahren, dem gegenständlichen Asylverfahren und zu den darin vom BF geltend gemachten Fluchtgründen stützen sich auf seine Angaben im ersten Asylverfahren und den vorliegenden Verwaltungsakten sowie auf den diesbezüglichen Angaben vor der belangten Behörde. Die im ersten Asylverfahren vorgebrachten Fluchtgründe wurden von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht - rechtskräftig - als nicht glaubhaft qualifiziert. Der BF bringt in gegenständlichen zweiten Asylverfahren keine neu entstandenen Fluchtgründe vor. Bei seiner niederschriftlichen Befragung führte er aus, dass seine Fluchtgründe dieselben seien. Damit vermochte der BF kein entscheidungsrelevantes neues Vorbringen seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens geltend zu machen.

Auf Basis der vorliegenden aktuellen Länderinformationsblätter und der darin enthaltenen Quellen sowie den diesbezüglichen Aussagen des BF in der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 27.12.2017 gelangte das Bundesverwaltungsgericht zur Überzeugung, dass der BF keine reale Gefahr der Folter, der Todesstrafe, einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung oder ihre persönlichen Unversehrtheit aufgrund eines zwischen- oder innerstaatlichen Konflikts droht.

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die von der belangten Behörde im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von ihr in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedener allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der BF trat den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Zu Spruchpunkt A)

3.2.1. Zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache (Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides):

Da die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz vom 17.10.2017 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Beschwerdegegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieses Antrages nicht aber der Antrag selbst.

Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß Abs 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Eine entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21.03.1985, 83/06/0023, ua). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl zB VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd I, 2. Aufl 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 08.09.1977, 2609/76)

Von einer verschiedenen "Sache" iSd § 68 Abs 1 AVG ist auszugehen, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl VwGH 24.02.2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391; VwGH 20.03.2003, 99/20/0480; VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen. Die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl VwGH 19.09.2013, 2011/01/0187; VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235; VwGH 15.10.1999, 96/21/0097).

Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 24. 8. 2004; 2003/01/0431; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315; VwGH 24. 2. 2000, 99/20/0173; VwGH 21. 10. 1999, 98/20/0467).

Im gegebenen Fall bestätigte das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Erkenntnis vom 10.07.2017, I416 2163401-1/3E, die negative Entscheidung der belangten Behörde vom 22.06.2017, Zl. IFA:

1073510306 VZ 150673423, und erwuchs die negative Erledigung seines ersten Antrags auf internationalen Schutz in Rechtskraft. Dieser Bescheid kann mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr bekämpft werden, weshalb § 68 Abs 1 AVG anzuwenden ist.

Der BF gab im ersten Asylverfahren als Fluchtgrund die Bedrohung und Verfolgung durch Boko Haram an. Dieser Fluchtgrund wurde sowohl von der belangten Behörde als auch vom Bundesverwaltungsgericht als unglaubhaft beurteilt. Insofern erging eine negative Asylentscheidung, die in Rechtskraft erwuchs.

Im Zuge des jetzigen, nunmehr zweiten Verfahrens (Folgeantrag) erklärte der BF ausdrücklich, dass sich seine Fluchtgründe nicht geändert hätten. Somit hat er keine maßgebliche Sachverhaltsänderung seit dem rechtskräftigen Abschluss seines letzten Asylverfahrens darzulegen vermocht. Auch ist - wie oben ausgeführt - eine maßgebliche Veränderung weder im Hinblick auf den Herkunftsstaat des BF, seine persönlichen Verhältnisse und auch nicht im Blick auf die anzuwendende Rechtslage eingetreten.

Der Asylfolgeantrag stützt sich somit auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt, dem die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2017, I416 2163401-1/3E entgegensteht (vgl VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100; VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783).

Ein Antrag auf internationalen Schutz richtet sich aber auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) und daher sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen sind (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Auch im Hinblick auf Art. 2 und 3 EMRK ist - wie oben ausgeführt - nicht erkennbar, dass die Rückführung des Beschwerdeführers nach Nigeria zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und er bei seiner Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm in Nigeria jegliche Lebensgrundlage entzogen würde.

Es ergibt sich aus den angeführten Länderfeststellungen zu Nigeria, dass kein Grund für die Annahme besteht, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer realen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass von einem Rückführungshindernis nach Art. 2 und 3 EMRK keinesfalls auszugehen ist.

Der belangten Behörde ist auch darin beizupflichten, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der Rechtskraft der Entscheidung im ersten Asylverfahren nicht entscheidungswesentlich geändert hat.

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache war sohin rechtmäßig, weshalb die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 68 AVG im Hinblick auf Spruchpunkt I. und II. des bekämpften Bescheides abzuweisen war.

3.3. Zur Zurückverweisung (Spruchpunkt III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Vor dem Hintergrund der soeben zitierten Bestimmung hatte die gegenständliche Entscheidung in Beschlussform zu ergehen.

Eine Zurückweisung der Sache gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, ist dies in der gegenständlichen Rechtssache vom Bundesamt jedoch in qualifizierter Weise unterlassen worden.

3.3.1. Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren erweist sich in wesentlichen Punkten als mangelhaft:

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde gegen den BF unter anderem eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und eine damit verbundene Abschiebung nach Nigeria gemäß § 46 FPG für zulässig erklärt.

In der Beschwerde sowie in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde wurde vom BF vorgebracht, dass er am XXXX eine slowakische Staatsangehörige namens I. A., geb. XXXX, geheiratet habe. Weiters wurde vorgebracht, dass dem BF aufgrund seiner freizügigkeitsberechtigten Ehefrau ex lege die Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger zukomme. Fernerhin wurde auch ein bereits bestehendes Familienleben in einer gemeinsamen Wohnung angeführt.

Dieses mit Beweismitteln substantiierte Vorbringen lässt es jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheinen, dass dem BF als Ehegatten einer in Österreich lebenden freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgerin die Eigenschaft eines "begünstigten Drittstaatsangehörigen" im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG zukommen könnte.

Lautet § 2 Abs. 4 Z 11 FPG wie folgt:

"begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;"

Würde man nun beim BF die Eigenschaft als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" als gegeben annehmen, dann wäre die Erlassung einer Rückkehrentscheidung jedoch nicht zulässig, sondern diesfalls wäre die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 67 FPG oder einer Ausweisung nach § 66 FPG zu prüfen, da sich der Anwendungsbereich von solchen Aufenthaltsverboten und Ausweisungen nicht nur auf unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR- oder Schweizer Bürger, sondern auch auf begünstigte Drittstaatsangehörige erstreckt.

Das Kernproblem des gegenständlichen erstinstanzlichen Bescheides liegt darin, dass die belangte Behörde das Bestehen eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK offenbar schon allein deshalb verneint hat, weil die Dauer der Beziehung ihrer Ansicht nach zu kurz ist. Auch zur vorgebrachten finanziellen Abhängigkeit des BF wurden keinerlei Feststellungen getroffen, obwohl sich der BF nachweislich nicht mehr in der Grundversorgung befindet und wurde letztlich im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich aufgrund der, nach Ansicht der belangten Behörde, zu kurzen Dauer der Beziehung, sowie der Nichterwähnung seiner geplanten Hochzeit bei seiner Erstbefragung unterstellt, dass die Beziehung nicht der Realität entspreche. Eine Einvernahme der Ehefrau des BF ist allerdings dem Akt nicht zu entnehmen. Allein aufgrund der zeitlichen Abfolge der Geschehnisse kann die belangte Behörde, ohne entsprechende Ermittlungsschritte, die Annahme nicht rechtfertigen. Insbesondere ist zu klären ob die Ehefrau des BF ihre Personenfreizügigkeit in Anspruch genommen hat, da dem BF sohin die Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger zukommen würde, unabhängig davon, ob die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist, jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung iSd § 54 Abs. 7 NAG vorliegt (vgl. VwGH vom 25.09.2017, Ra 2017/20/0293 und vom 23.03.2017, Ra 2016/21/0349, mwN) getroffen wurde. Ausgehend von dieser unrichtigen Rechtsansicht hat es die belangte Behörde unterlassen, die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK erforderliche Interessenabwägung durchzuführen (vgl. dazu sowie zu den dabei zu beachtenden Kriterien das hg. Erkenntnis vom 23. September 2009, Zlen. 2006/01/0954 bis 0956, mwN).

Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung des BF unter dem Aspekt der Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

Dabei wird die belangte Behörde zunächst prüfen müssen, ob die Ehegattin des BF einen unionsrechtlichen Freizügigkeitssachverhalt im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG verwirklicht hat. Trifft dies zu, so wird die belangte Behörde in weiterer Folge prüfen müssen, ob auch beim BF alle für die Eigenschaft eines "begünstigten Drittstaatsangehörigen" erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere wird auch zu prüfen sein, ob die vom BF geltend gemachte Heirat insgesamt die Anforderungen an ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK erfüllt und wird eine erforderliche Interessenabwägung dahingehend durchzuführen sein.

Für den Fall, dass die belangte Behörde auf Grund der Ergebnisse des zu wiederholenden Ermittlungsverfahrens beim BF die Eigenschaft des "begünstigten Drittstaatsangehörigen" als nicht erfüllt ansieht, so wird sie sich in weitere Folge hinsichtlich der Rückkehrentscheidung detailliert mit den Gründen auseinanderzusetzen haben, weshalb diese im Zusammenhang mit der Ausweisung aus Österreich verhältnismäßig und daher auch gerechtfertigt wäre.

Die belangte Behörde wird daher erneut alle zur Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und allenfalls - je nach Ausgang des Ermittlungsverfahrens - einen neuen Bescheid zu erlassen haben, in dessen Begründung sie in klarer und übersichtlicher Weise darlegt, auf Grund welchen Sachverhalts sie zu der im Spruch wiedergegebenen rechtlichen Beurteilung gekommen ist. Nur auf diese Weise wird auch eine geeignete nachfolgende verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Bescheides ermöglicht (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre. Dies insbesondere, da bei etwaiger Feststellung, dass der BF begünstigter Drittstaatsangehöriger ist, das Bundesverwaltungsgericht, die in Beschwerde gezogene Entscheidung ohnedies zur neuerlichen Erlassung eines Bescheides an die belangte Behörde hätte zurückverweisen müssen (siehe auch VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0274-7), um erforderlichenfalls eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme setzen zu können.

Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

Da der maßgebliche Sachverhalt zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und damit verbunden zur Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen Spruchpunkt IV. und V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit diesbezüglich zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.

Da die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG (Spruchpunkt III) und die Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.), in untrennbarem Zusammenhang mit der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV und V.) stehen, war der angefochtene Bescheid auch in diesem Umfang zu beheben.

3.4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Im Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, hat der VwGH die folgenden Kriterien entwickelt:

• Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen.

• Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen.

• In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Kriterien sind im vorliegenden Fall erfüllt: Das BFA hat im vorliegenden Verfahren den Sachverhalt zur Frage des internationalen Schutzes in einem ordnungsgemäßen Verfahren erhoben. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung an, und in der Beschwerde wurde kein entgegenstehender Sachverhalt vorgebracht, sondern der bereits der Entscheidung des BFA zugrundeliegende Sachverhalt aufrechterhalten. Ein konkretes Vorbringen oder eine nähere Darlegung der Ereignisse, welche eine Erörterung des Vorbringens notwendig gemacht hätte, sind der Beschwerde in Bezug auf §§ 3, 8 und 57 AsylG nicht zu entnehmen. Zudem steht fest, dass auch bei Wahrunterstellung des Vorbringens aufgrund des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative keinerlei Bedrohung des BF in Nigeria gegeben ist.

Soweit das Familienleben des BF in Österreich betroffen ist, erfolgt mit dem gegenständlichen Erkenntnis eine Zurückverweisung in Bezug auf die Rückkehrentscheidung, da das BFA diesbezügliche Ermittlungen gänzlich unterlassen hat.

In Ansehung der §§ 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 VwGVG konnte daher eine mündliche Verhandlung im konkreten Fall entfallen.

Zu Spruchpunkt B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

begünstigte Drittstaatsangehörige, Ehe, Ermittlungspflicht,
EU-Bürger, Folgeantrag, Identität der Sache, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, persönliche und soziale Bindungen,
Prozesshindernis der entschiedenen Sache, Rückkehrentscheidung
behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I405.2163401.2.00

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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