Entscheidungsdatum
30.07.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I413 2182932-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID und die Laienrichterin Mag. Heike MORODER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 15.11.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass befristet bis 22.09.2019 vorliegen. B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin beantragte am 15.09.2017 die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung".
2. Der von der belangten Behörde beigezogene amtliche Sachverständige Mag. Dr. XXXX erstattete am 27.10.2017 aufgrund der Untersuchung der Beschwerdeführerin ein Gutachten mit folgenden Schlussfolgerungen:
"Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Pos. Nr. des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB%
1
Hüftgelenke - Untere Extremitüten, Hüftgelenke - Funktionseinschränkung mittleren Grades beidseitig Z.n. Hüftdysplasie beidseits, Funktionseinschränkung mittleren Grades beidseitig mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit
02.05.10
50
Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Folgende beantragen bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: keine
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
X
Dauerzustand
.
Nachuntersuchung
[...]
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Es kann maximal 1 km mit mehreren dazwischen gelegten Pausen zurückgelegt werden, da aufgrund der Hüftprobleme beidseits Schmerzen und Ermüdung auftreten. Das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel sowie der sichere Transport ist gewährleistet."
3. Am 13.11.2017 stellte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. aus.
4. Mit bekämpftem Bescheid vom 15.11.2017, OB: XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab. Begründend verwies die belangte Behörde auf die ärztliche Begutachtung, die ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 22.12.2017, bei der belangten Behörde eingelangt am 28.12.2017, welche die Beschwerdeführerin mit einer Verschlechterung ihres Zustandes begründete und beantragte, ein neuerliches Gutachten einzuholen.
6. Am 15.01.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor. Ergänzend bemerkte die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführerin am 13.11.2017 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt worden sei.
7. Mit Schreiben vom 16.01.2018 zog das Bundesverwaltungsgericht die amtliche Sachverständige Dr XXXX dem Verfahren bei und beauftragte sie mit der Erstattung eines Gutachtens aus dem Fachbereich der Medizin - Orthopädie.
8. In ihrem Gutachten vom 20.01.2018 kam die Amtssachverständige aufgrund der Aktenlage zum Schluss, dass das Ein- und Aussteigen in/aus einem öffentlichen Verkehrsmittel möglich sei, da die Hüftbeugung links 90°, rechts 80° betrage und das Überwinden von Stufen und damit verbunden, das Ein- und Aussteigen, möglich sei. Es bestehe keine Gangunsicherheit, keine Sturzneigung, der Allgemeinzustand sei gut, das Anhalten in einem öffentlichen Verkehrsmittel sei möglich. Hierzu stellte die Sachverständige noch fest, dass die Tendinopathie der linken Supraspinatussehne, welche am 02.06.2016 bestanden habe (und möglicherweise abgeheilt sei), kein Hindernis zum Festhalten darstelle. Ein kurzes Stehen bis zum Einnehmen eines Sitzplatzes sei möglich. Der Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel sei sicher.
9. Dieses Gutachten übermittelte das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 24.01.2018 den Parteien zur Kenntnis und räumte diesen eine Frist zur Stellungnahme hierzu ein.
10. Die belangte Behörde bezeichnete in ihrer Stellungnahme vom 25.01.2018 das Gutachten als vollständig und schlüssig und verzichtete auf eine weitere Stellungnahme.
11. Die Beschwerdeführerin nahm mit Schreiben vom 09.02.2018 zu diesem Gutachten Stellung und teilte darin zusammengefasst mit, dass sie aktuell wöchentlich eine Therapiestunde erhalte, mehr sei nicht bewilligt worden. Sie habe mehrfache Operationen an den Hüften gehabt und können nicht mehr wie früher Radfahren. Sie könne durch die Bewegungseinschränkung nicht ihr Gewicht halten, was dazu führe, dass sie nicht so beweglich sei, dass sie nicht problemlos weitere Strecken zu Fuß zurücklegen könne. Auch die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels sei nicht problemlos möglich. Sie sei auf das Auto angewiesen. Dadurch sei es möglich, jederzeit stehen zu bleiben, wenn die Schmerzen unerträglich würden. Sie nehme Medikamente - nur so seien die Schmerzen erträglich. Sie habe auch Probleme mit dem Anziehen von Kleidung und könne sich nur schwer bücken.
12. Am 04.05.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch und nahm die beschwerdeführende Partei als Partei ein. Aufgrund der Ergebnisse dieser Verhandlung beschloss das Bundesverwaltungsgericht, die Amtssachverständige mit einer weiteren Begutachtung nach Vornahme einer persönlichen Untersuchung heranzuziehen.
12. Mit Schreiben vom 11.05.2018 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die Amtssachverständige Dr. XXXX aus dem Fachbereich der Medizin-Orthopädie um ergänzendes Gutachten, ob und in wie weit die Beschwerdeführerin in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sei, ob die geschilderte Bewegungseinschränkung von Schmerzen oder von einer bestehenden Beweglichkeitseinschränkung herrührt, ob die Zuhilfenahme einer Gehhilfe medizinisch indiziert sei, ob die von der Beschwerdeführerin geschilderte Funktionseinschränkung beim Aufstehen medizinisch objektivierbar sei und ob sich hieraus eine andere Beurteilung gegenüber dem Vorgutachten ergäbe.
13. In ihrem ergänzenden medizinischen Gutachten vom 07.06.2018 stellte die Amtssachverständige fest, dass die Beugung beidseits nur noch 70° betrage, wodurch das alternierende Stiegen steigen erschwert sei. Die Beweglichkeit sei beidseits nun eingeschränkt. Auch der Bewegungs- und Belastungsschmerz sei auf die Arthrose rückführbar. Eine Entlastung beim Gehen mit zwei Krücken sei zur Vermeidung der Belastung am Hüftgelenk und den daraus resultierenden Schmerzen sinnvoll. Die Beschwerdeführerin gehe aber nur mehr ca 150 m zu ihrem Elternhaus. Das von der Beschwerdeführerin beschriebene "Verklemmen der Muskeln" sei eine Beschreibung für den bei Arthrosen typischen Anlaufschmerz. Ein objektivierbares Verspannen oder Verklemmen von Muskeln liege nicht vor. Laut Einschätzungsverordnung liege somit eine Funktionseinschränkung der Hüftgelenke beidseits mittleren Grades vor, Pos.Nr. 02.05.10, GdB 50 %. Dies sei auch im Gutachten vom 24.10.2017 so bewertet worden. Die Beugefähigkeit habe nun in beiden Hüftgelenken weiter abgenommen und betrage nun nur noch 70° beidseits, was ein Überwinden von Stiegen erschwere, die maximal mögliche Gehstrecke werde mit 150 m angegeben. Im Gehtest habe die Beschwerdeführerin bereits nach 8 m eine kurze Pause einlegen müssen. Damit sei derzeit ein Zurücklegen selbst einer kurzen Strecke nicht mehr möglich. Eine Nachuntersuchung sollte in 2 Jahren erfolgen, da sich durch weitere konservative und operative Therapien die Funktionseinschränkung soweit bessern könne, dass der GdB unter 50 % falle und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wieder möglich werde.
14. Mit Schreiben vom 14.06.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien das ergänzende Gutachten und ermöglichte diese zur Abgabe einer Stellungnahme hierzu.
15. Mit Schreiben vom 18.06.2018 bezeichnete die belangte Behörde das ergänzende Gutachten als vollständig und schlüssig und verzichtete auf eine weitere Stellungnahme. Seitens der Beschwerdeführerin langte keine Stellungnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der in Punkt I. dargelegte Verfahrensgang wird festgestellt. Ergänzend werden folgende Feststellungen als entscheidungswesentlicher Sachverhalt getroffen:
1.1 Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz in Österreich.
1.2 Die Beschwerdeführerin leidet an einer Funktionseinschränkung mittleren Grades beidseitig bei Zustand nach Hüftdysplasie beidseits, Funktionseinschränkung mittleren Grades beidseitig mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit.
1.3 Aufgrund dieser Beschwerden weist die Beschwerdeführerin eine Funktionseinschränkung mittleren Grades an den unteren Extremitäten und Hüftgelenken mit dem Grad der Behinderung von 50 % auf. Es handelt sich hierbei um einen Dauerzustand.
1.4 Die Beugefähigkeit in beiden Hüftgelenken der beträgt nur noch 70° beidseits, was ein Überwinden von Stiegen erschwert. Die maximal mögliche Gehstrecke wird von der Beschwerdeführerin mit 150 m angegeben. Im Gehtest musste die Beschwerdeführerin bereits nach 8 m eine kurze Pause einlegen. Ein Zurücklegen selbst einer kurzen Strecke ist nicht mehr möglich.
1.5 Eine Besserung der Funktionsbeeinträchtigung ist durch weitere Therapie möglich.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang, zum Antrag und zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, sowie aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2018 und dem medizinischen Gutachten der Amtssachverständigen Dr. XXXX vom 07.06.2018.
Aus dem im Akt befindlichen Befunden, sowie den medizinischen Gutachten vom 27.10.2017 von Dr. XXXX und der Gutachten vom 20.01.2018 sowie vom 07.06.0218 ergibt sich unbestritten, dass die Beschwerdeführerin von Geburt an einer Funktionseinschränkung beider Hüften mittleren Grades bei Zustand nach Hüftdysplasie beidseits, einer Funktionseinschränkung mittleren Grades beidseitig mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit leidet. Auch der persönliche Eindruck, den sich das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin machen konnte, bestätigt diesen Befund, zumal erkennbar war, wie mühevoll sich die Beschwerdeführerin, eine junge Frau, fortbewegt.
Die Feststellungen zur Beugefähigkeit in beiden Hüftgelenken und zur maximal zurücklegbaren Wegstrecke basieren auf dem nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten der Sachverständigen Dr. XXXX vom 07.06.2018 und sind auch vor dem von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung geschilderten Umständen überzeugend. Diese Schlussfolgerung deckt sich auch mit dem in der mündlichen Verhandlung gewonnen persönlichen Eindruck von der Beschwerdeführerin.
Dass eine Besserung der Funktionsbeeinträchtigungen möglich ist, führt die Amtssachverständige schlüssig aus und wird auch durch die Ausführungen in der Stellungnahme vom 09.02.2018 bestätigt, wonach sich die Beschwerdeführerin noch in Therapie befindet. Daher ist es für das Bundesverwaltungsgericht unzweifelhaft, dass eine Möglichkeit einer Besserung des Grades der Behinderung aufgrund weiterer Therapien möglich und auch wahrscheinlich ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Senate bestehen gemäß § 7 Abs 1 BVwGG aus einem Mitglied als Vorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzenden.
Gemäß § 45 Abs 3 und 4 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch Senat zu erfolgen. Bei solchen Senatsentscheidungen hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessensvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder fachkundigen Laienrichter haben für die jeweiligen Agenten die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechtes) aufzuweisen.
Es lag daher im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
3.2. Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn (1) ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder (2) sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder (3) sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder (4) für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder (5) sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl Nr 22/1970, angehören.
Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs 2 BBG).
Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 1 Abs 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl III Nr 495/2013, ist auf Antrag eines Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nach dieser Vorschrift insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs 2 Z 1 lit b oder d vorliegen.
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, jeweils mwN).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).
3.3 Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung angeführt, ist aufgrund des medizinischen Gutachtens ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Es liegen daher die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vor. Aufgrund seiner von Dr. XXXX festgestellten Funktionseinschränkung mittleren Grades an den Hüften beidseitig mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit der Störung mittleren Grades (Pos.Nr. 02.05.10 der EVO) nicht möglich. Die Beugefähigkeit in beiden Hüftgelenken beträgt gemäß Gutachten von Dr. XXXX lediglich 70°, was das Stiegensteigen sehr stark einschränkt, die maximal zurücklegbare Wegstrecke beträgt nicht mehr als 150 m. Es ist daher von einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auszugehen. Daher war der Beschwerde Folge zu geben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht uneinheitlich. Es liegen sohin keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgeblich sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Hierbei handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorzunehmen war.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I413.2182932.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.09.2018