TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/1 W233 2171090-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.08.2018
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Entscheidungsdatum

01.08.2018

Norm

AsylG 2005 §5 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W233 2171093-3/3E

W233 2171087-3/3E

W233 2171108-3/3E

W233 2171104-3/3E

W233 2171101-3/3E

W233 2171090-3/3E

W233 2171095-3/3E

W233 2162881-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerden von

1. des XXXX , am XXXX geboren, Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018, Zahl: 1130887810 - 161309195,

2. der XXXX , am XXXX geboren, Staatsangehörige der Russischen Födera-tion, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018, Zahl: 1130888208 - 161309301,

3. der minderjährigen XXXX , am XXXX geboren, Staatsangehörige der Rus-sischen Föderation, vertreten durch XXXX , am XXXX geboren, Staatsange-hörige der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018, Zahl:

1130888404 - 161309336,

4. der minderjährigen XXXX , am XXXX geboren, Staatsangehörige der Rus-sischen Föderation, vertreten durch XXXX , am XXXX geboren, Staatsange-hörige der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018, Zahl:

1130887004 - 161309352,

5. der minderjährigen XXXX , am XXXX geboren, Staatsangehörige der Rus-sischen Föderation, vertreten durch XXXX , am XXXX geboren, Staatsange-hörige der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018, Zahl:

1130886900 - 161309344,

6. des minderjährigen XXXX , am XXXX geboren, Staatsangehöriger der Russischen Föderation, vertreten durch XXXX , am XXXX geboren, Staats-angehörige der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremden-wesen und Asyl vom 20.06.2018, Zahl:

1130887102 - 161309379:

7. der minderjährigen XXXX , am XXXX geboren, Staatsangehörige der Rus-sischen Föderation, vertreten durch XXXX , am XXXX geboren, Staatsange-hörige der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018, Zahl:

1130887200 - 161309395 und

8. der minderjährigen XXXX , am XXXX geboren, Staatsangehörige der Rus-sischen Föderation, vertreten durch XXXX , am XXXX geboren, Staatsange-hörige der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018, Zahl:

11394391104 - 170410065,

zu Recht:

A) In Erledigung der Beschwerden werden gem. § 28 Abs. 3 VwGVG,

Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Die Beschwerdeführer (BF bis BF 8) sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und brachten am 29.09.2016 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz in Österreich ein.

2. Über die Beschwerdeführer (BF 1 und BF 2) sind im EURODAC-Informationssystem Treffer-meldungen nach Asylantragstellung in der Republik Polen vom 22.07.2016 und 16.08.2017 gespeichert.

3. Am 29.09.2016 gab der BF 1 im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organen der Landespolizeidirektion Wien im Wesentlichen an, dass er an keinen Krankheiten oder Beschwerden leide, die ihn an dieser Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigten würden. Zu seiner Reiseroute befragt gab der BF 1 zu Protokoll, das er ca. einen Monat vor seiner Ankunft in Österreich beschlossen hätte seinen Herkunftsstaat zu verlassen. In der Folge wäre er mit seiner Familie mit einem Zug nach Weißrussland gereist und daran anschließend nach Polen weitergereist. In Polen wären sie von den Behörden angehalten und ihnen die Fingerabdrücke abgenommen worden. Er habe jedoch wissentlich keinen Asylantrag in Polen gestellt, sondern den polnischen Behörden mitgeteilt, dass sie nach Österreich reisen möchten. In Polen wären sie ca. eine Woche in einem Lager untergebracht gewesen. Da man ihnen gesagt hätte, dass sie nach Belarus abgeschoben werden würden, hätte er nach einer Woche dieses Lager mit seiner Familie verlassen und wäre mit einem Reisezug nach Österreich gereist. Über den Aufenthalt in Polen befragt, führte der BF 1 aus, dass sie dort "normal" gelebt hätten, jedoch ihnen nur ein Raum für die ganze Familie zur Verfügung gestanden hätte und sie darüber hinaus von den polnischen Behörden kaum beachtet worden seien. Ihr Reiseziel sei von Anfang an Österreich gewesen, da hier sein Schwiegervater lebe.

Als eigentlichen Fluchtgrund brachte der BF 1 vor, dass sein Schwiegervater in seinem Heimatland ein Menschenrechtsaktivist gewesen wäre und er deswegen vom "FSB" vorgeladen worden wäre. Er sei auch zweimal zusammengeschlagen worden und glaube, dass es sich bei diesen Leuten um Mitarbeiter des "FSB" gehandelt habe.

Die BF 2 gab im Rahmen ihrer Ersteinvernahme am 29.09.2016 an, dass sie an keinen Krankheiten oder Beschwerde leide, jedoch im achten Monat schwanger sei und dieser Einvernahme ohne Probleme folgen könne. Auch die BF 2 gab zu Protokoll, dass Österreich ihr Zielland gewesen sei, da hier ihr Vater aufhältig sei. Nachdem sie über Belarus in die Republik Polen eingereist seien, hätte man ihnen die Fingerabdrücke abgenommen und wären sie einvernommen worden. Sie hätten jedenfalls in der Republik Polen um politisches Asyl angesucht. Da aber ihr Vater in Österreich lebe, hätten sie sich entschieden nach Österreich zu kommen. In Polen seien sie eine Woche in einem Lager untergebracht und dort versorgt worden. Auch die BF 2 gab als eigentlichen Fluchtgrund an, dass ihr Vater seinem Heimatland ein Menschenrechtsaktivist gewesen sei und sich der Geheimdienst nun auch bei ihnen gemeldet hätte. Da sie Angst um ihre Familie gehabt hätte, hätten sie sich entschlossen ihren Herkunftsstaat zu verlassen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete sodann unter Hinweis auf die über den BF 1 und die BF 2 im EURODAC System gespeicherten polnischen Treffer am 11.10.2016 ein für die BF 1 bis BF 7 auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen. Mit Schreiben vom 13.10.2016 und vom 14.10.2016 stimmten die polnischen Behörden dem Ersuchen zur Wiederaufnahme aller sieben Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO ausdrücklich zu.

4. Die Achtbeschwerdeführerin wurde am XXXX im Bundesgebiet geboren und stellte für diese ihre gesetzliche Vertretung am 04.04.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Schriftsatz vom 13.04.2017 teilte das Bundesamt der polnischen Dublin Behörde im Sinne von Art. 20 Abs. 3 der Dublin III-VO mit, dass sich die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrages der neugeborenen Achtbeschwerdeführerin nach der Zuständigkeit ihrer Mutter, der Zweitbeschwerdeführerin, richte, deren Wiederaufnahme Polen bereits mit Schreiben vom 14.10.2016 zugestimmt habe.

5. Nach Durchführung dieses ersten Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt mit als "Bescheid" bezeichneten Ausfertigungen vom 06.11.2016 die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer (BF 1 bis BF 7) ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Polen für die Prüfung der jeweiligen Anträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkte I.). Die Außerlandes-bringung der Beschwerdeführer (BF 1 bis BF 7) wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkte II.). Diese als "Bescheid" bezeichneten Schriftstücke wurden am 15.11.2016 gem. § 8 Abs. 3 (sic!) iVm § 23 Zustellgesetz ohne vorherigen Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt.

6. Mit Bescheid vom 06.06.2017 wurde der Antrag der Achtbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

7. In der Folge wurden alle acht Beschwerdeführer am 26.07.2017 nach Polen überstellt.

8. Aufgrund der mit Schriftsatz vom 10.08.2017 gegen die "Bescheide" der BF 1 bis BF 7 eingebrachten Beschwerden hat das BVwG mit Beschluss vom 28.09.2017 diese mangels rechtswirksamer Zustellung als unzulässig zurückgewiesen und unter einem der Beschwerde der BF 8 mit selben Beschluss stattgeben und den bekämpften Bescheid behoben.

9. Am 02.10.2017 reisten die Beschwerdeführer erneut nach Österreich ein und sprachen in der Polizeiinspektion Traiskirchen vor. Im Zuge dieser Einvernahme brachte der BF 1 vor, dass er gesund sei und an keinen Beschwerden oder Krankheiten leide, die diese Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. In der Republik Polen hätten sie im August 2017 Asylanträge gestellt, wären dazu auch einvernommen worden, hätte aber noch keine Entscheidung der polnischen Behörden erhalten. Nachdem man sie von Österreich aus in die Republik Polen überstellt habe, wären sie in Polen in einem Lager namens " XXXX " untergebracht gewesen. Sie hätten gehört, dass in diesem Lager nur Asylwerber untergebracht werden, die abgeschoben werden. Daher wären sie am 01.10.2017 mit einem Kleinbus von Polen aus wieder nach Österreich gereist.

In der Folge richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) unter Hinweis auf die über den BF 1 und die BF 2 im EURODAC System gespeicherten polnischen Treffer am 04.10.2017 neuerlich ein für alle acht Beschwerdeführer auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an die Republik Polen.

Die Republik Polen stimmte mit Schreiben vom 16.10.2017 dem Ersuchen zur Wiederaufnahme aller acht Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Am 25.01.2018 erfolgte nach durchgeführter Rechtsberatung, im Beisein einer Rechtsberaterin, die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführer (BF 1 und BF 2) vor dem Bundesamt. Hierbei gab der BF 1 zu Protokoll, dass er gesund sei. Konfrontiert mit dem Umstand, dass die Republik Polen für die Prüfung ihrer Asylanträge zuständig sei, führte der BF 1 aus, dass er nicht nach Polen zurückkehren möchte. Konkret nachgefragt, warum er eine Überstellung nach Polen ablehne, gab der BF 1 zu Protokoll, dass es in Polen nicht gut gewesen wäre und es sich wie in Russland angefühlt hätte. Jede Person könne aus Russland nach Polen einreisen und ihn in Gefahr bringen. Polen sei jedenfalls nicht sicher. Man würde sie in Polen finden. Zudem kenne er in Polen niemanden und wolle daher dort nicht bleiben. Seine Kinder seien krank und wäre es für sie nicht gut nach Polen überstellt zu werden. Seine Frau sei ebenfalls in Gefahr und bestünde bei ihr aufgrund ihrer Schwangerschaft die Gefahr einer Fehlgeburt. In Österreich sei sein Schwiegervater aufhältig und bestünde zu ihm eine sehr gute Beziehung und würde er ihnen helfen und ihnen Geld geben. Befragt nach dem Verfahrensstand in seinem polnischen Asylverfahren gab der BF 1 diesmal an, eine negative Entscheidung erhalten zu haben.

Die BF 2 bestätigte im Wesentlichen das Vorbringen ihres Ehmanns, des BF 1, wobei sie ergänzend zu den Gründen warum sie nicht nach Polen überstellt werden wollen ausführte, dass sie gesehen hätten das tschetschenische Asylwerber aus Polen abgeschoben werden würden.

Beide Beschwerdeführer gaben auf Einladung, dass ihnen die aktuellen Länderfeststellungen über die Republik Polen übersetzt zur Kenntnis gebracht werden, an, dass sie dies nicht wünschen.

Die während der Einvernahme anwesende Rechtsberaterin stellte den Antrag auf Zulassung der Asylverfahren in Österreich und begründet dies damit, dass die Zweitbeschwerdeführerin mittlerweile im achten Monat schwanger sei.

10. Nach Durchführung dieses zweiten Ermittlungsverfahrens wies die belangte Behörde mit Spruchpunkt I. der beschwerdegegenständlichen Bescheide die Anträge aller acht Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurück und sprach aus, dass Polen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") für die Prüfung dieser Anträge zuständig sei.

Mit Spruchpunkt II. der beschwerdegegenständlichen Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

11. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer durch ihre Vertretung mit Schriftsatz vom 09.03.2018 rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und hielten fest, dass die Bescheide vollinhaltlich angefochten werden. Gleichzeitig wurden die Anträge gestellten, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

12. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 16.03.2018 wurden den Beschwerden gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

13. In der Folge hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschlüssen jeweils vom 03.04.2018, Zahlen: W233 2171093-2/3E, W233 2171087-2/3E, W233 2171108-2/3E, W233 21711042/3E, W233 2171101-2/3E, W233 2171090-2/3E, W233 2171095-2/3E und W233 2162881-2/3E, den Beschwerden gemäß § 21 Absatz 3 2. Satz BFA-VG stattgegeben, die Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz zugelassen und die bekämpften Bescheide behoben, sowie die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht für zulässig erklärt.

Begründend führt das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen dazu aus, dass aus der Aktenlage nicht nachvollziehbar sei, aus welchen Gründen die erstinstanzliche Behörde eine abschließende Beurteilung des Gesundheitszustands der Viertbeschwerdeführerin nicht für erforderlich gehalten habe und aus welchen Gründen ohne eine solche Beurteilung die angefochtenen Bescheide erlassen worden seien. Für das Bundesverwaltungsgericht sei es nicht nachvollziehbar, warum das Bundesamt in der angefochtenen Entscheidung von der Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 ausgegangen sei. In diesem Zusammenhang verweist das Bundesverwaltungsgericht auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, der ausführt, dass zwar mit § 5 Abs. 3 AsylG 2005 eine gesetzliche "Beweisregel" geschaffen wurde, die es - im Hinblick auf die vom Rat der Europäischen Union vorgenommene normative Vergewisserung - grundsätzlich nicht notwendig macht, die Sicherheit des Asylwerbers vor "Verfolgung" im nach dem Dublin-System zuständigen Mitgliedstaat von Amts wegen in Zweifel zu ziehen. Die damit aufgestellte Sicherheitsvermutung ist jedoch unter näher bezeichneten Voraussetzungen widerlegbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2015, Ra 2015/17/0113 bis 0120, mwN auf die bisherige hg. Rechtsprechung). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe sich trotz des Vorbringens der Vierbeschwerdeführerin, dass sie von Geburt an schwer behindert sei, zu wenig mit ihrem aktuellen Gesundheitszustand auseinandergesetzt. Insbesondere sei nicht abgeklärt worden, ob bei der Viertbeschwerdeführerin die - allenfalls auch unter welchen Auflagen - Überstellungsfähigkeit nach Polen gegeben sei bzw. aufgrund einer abschließenden Beurteilung ihres jeweiligen Gesundheitszustandes eine aktuelle Gefährdung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgeschlossen werden könne. Dem Bundesamt wurde daher vom Bundesverwaltungsgericht aufgetragen, durch die Veranlassung der Einholung entsprechender medizinischer Gutachten abzuklären, ob bei der Viertbeschwerdeführerin tatsächlich eine ganz außergewöhnlichen Fallkonstellationen vorliege, die im Falle ihrer Überstellung nach Polen - auch wenn sich diese nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befinde - eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes, die ein starkes Leid zur Folge hätte, oder zu einer erheblichen Verringerung der Lebenserwartung führen würde. Im Besonderen werde dieses Gutachten auch den erforderlichen Behandlungsbedarf festzustellen und darüber hinaus allfällige erforderliche Rehabilitationsmaßnahmen und ob bei der Viertbeschwerdeführerin eine dauernde oder bloß vorübergehende Reiseunfähigkeit vorhanden ist bzw. die Frage, ob die Abschiebung nach Polen nur unter Auflagen und bejahendenfalls unter welchen Auflagen durchgeführt werden dürfe zu behandeln haben.

14. Am 06.06.2018 wurden die Zweit- und die Viertbeschwerdeführerin jeweils einer weiteren Einvernahme im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unterzogen. In diesen beiden Einvernahmen wurde sowohl die Zweitbeschwerdeführerin über den Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin befragt, als auch die Viertbeschwerdeführerin selbst zu ihrem Gesundheitszustand einvernommen.

15. In der Folge kontaktierte das Bundesamt für Fremdenwesen am 18.06.2018, um 09:01 Uhr, per E-Mail Nachricht die im Bundesministerium für Inneres für medizinische und Gesundheitsangelegenheiten zuständige Abteilung I/10, mit der Bitte "um Begutachtung der medizinischen Befunde zu jener Person mit anschließender Beurteilung, ob eine Überstellung als möglich erachtet wird". Weiters ist in dieser E-Mail Nachricht wörtlich ausgeführt: "Die erste Entscheidung wurde behoben, weshalb ich nun ein medizinisches Gutachten für den Bescheid benötige."

Mit E-Mail Nachricht vom 18.06.2018, von 12:23Uhr, informierte die Abteilung I/10 des Bundesministeriums für Inneres das Bundesamt, wie folgt:

"es ist nach Durchsicht der Befunde eine Arztbegleitung bei dem Kind YADUEVA Janetta erforderlich. Am Russland Charter ist diese ohnehin gegeben."

Das Bundesamt hat daraufhin die Abteilung I/10 im Bundesministerium für Inneres mit E-Mail vom 18.06.2018, um 13:25Uhr, neuerlich kontaktiert und wie folgt ausgeführt:

"[...]

In jenem Fall wäre eine Überstellung nach Polen geplant. Ist in jenem Fall ebenfalls eine Arztbegleitung gegeben und kann die Asylwerberin auch in Polen behandelt werden?"

Auf diese neuerliche Anfrage hat die Abteilung I/10 des Bundesministeriums für Inneres mit E-Mail Nachricht vom 18.06.2018, um 13:45Uhr, wie folgt reagiert:

"für den Transfer nach Polen bitte Rücksprache mit Frau F. [Name vom BVwG annonymisiert] zur Arztbegleitung. Innerhalb der EU ist von einer optimalen medizinischen Versorgung auszugehen."

Das Bundesamt hat sodann mit E-Mail Nachricht vom 18.06.2018, um 13:47, Frau F. aus der Abteilung I/10 des Bundesministeriums für Inneres kontaktiert und "um Mitteilung ersucht, ob eine Arztbegleitung für jene Person möglich ist."

Am 18.06.2018, um 14:16 Uhr hat Frau F. per E-Mail mitgeteilt, dass "eine Arztbegleitung in diesem möglich ist. [...]".

Der oben wiedergegebene E-Mail-Verkehr zwischen dem Bundesamt und der Abteilung I/10 des Bundesministeriums für Inneres, ist im Verwaltungsakt der Viertbeschwerdeführerin auf den AS 173 bis 179 dokumentiert.

16. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass die Republik Polen für die Prüfung ihrer Anträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung in die Republik Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

17. Gegen diese Bescheide wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der Verwaltungsbehörde und der eingebrachten Beschwerde.

1. Feststellungen:

Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen, weshalb zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide durch die belangte Behörde keine Entscheidungsreife vorlag.

Hinsichtlich des Verfahrensganges und festzustellenden Sachverhalt wird auf die unter Punkt I getroffenen Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Der für die gegenständlichen Zurückverweisungen des Bundesverwaltungsgerichtes relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei. Die bekämpften Entscheidungen erweisen sich im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz aufgrund von Feststellungsmängeln als mangelhaft; dies aus folgenden

Überlegungen:

Mit den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.04.2018,

Zahlen: W233 2171093-2/3E, W233 2171087-2/3E, W233 2171108-2/3E, W233 21711042/3E, W233 2171101-2/3E, W233 2171090-2/3E, W233 2171095-2/3E und W233 2162881-2/3E, wurde den Beschwerden gegen die damals angefochtenen Bescheide vom 31.01.2018 gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattgegeben und die bekämpften Bescheide behoben. Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass aus der Aktenlage ist nicht nachvollziehbar sei, aus welchen Gründen die belangte Behörde eine abschließende Beurteilung des Gesundheitszustands der Viertbeschwerdeführerin nicht für erforderlich gehalten hat und aus welchen Gründen ohne eine solche Beurteilung am 12.02.2018 der behobene Bescheid erlassen worden sei. Gerade zur Beurteilung der Frage, ob bei der Viertbeschwerdeführerin eine ganz außergewöhnliche Situation gegeben ist, die einer Überstellung nach Polen widersprechen würde, hat die belangte Behörde keine Beweiserhebungen zur Feststellungen des Sachverhalts getroffen, sondern die abschließende Beurteilung ihres Gesundheitszustandes unterlassen. Somit bedarf es aktueller Feststellungen zu ihrem psychischen und physischen Gesundheitszustand, um eine Grundlage für eine Entscheidung zu schaffen, ob eine Überstellungsfähigkeit der Viertbeschwerdeführerin nach Polen gegeben ist und um eine Gefährdung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausschließen zu können.

Da sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl trotz des Vorbringens der Viertbeschwerdeführerin, zu wenig mit ihrem aktuellen Gesundheitszustand auseinandergesetzt hatte, hat das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt mit Erkenntnis vom 03.04.2018 aufgetragen, bei der Viertbeschwerdeführerin durch die Einholung entsprechender medizinischer Gutachten abzuklären, ob bei ihr tatsächlich eine ganz außergewöhnlichen Fallkonstellationen vorliegt, die im Falle ihrer Überstellung nach Polen - auch wenn sich diese nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befindet - eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes, die ein starkes Leid zur Folge hätte, oder zu einer erheblichen Verringerung der Lebenserwartung führen würde. Im Besonderen werde dieses Gutachten auch den erforderlichen Behandlungsbedarf festzustellen und darüber hinaus allfällige erforderliche Rehabilitationsmaßnahmen und ob bei der Viertbeschwerdeführerin eine dauernde oder bloß vorübergehende Reiseunfähigkeit vorhanden ist bzw. die Frage, ob die Abschiebung nach Polen nur unter Auflagen und bejahendenfalls unter welchen Auflagen durchgeführt werden dürfe, zu behandeln haben. Die belangte Behörde hat allerdings nicht, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 03.04.2018 (siehe den dortigen Punkt 3.7) deutlich ausführt ein medizinisches Gutachten zur Beurteilung ihres Gesundheitszustandes bzw. zur Beantwortung der Frage ob bei ihr tatsächlich eine ganz außergewöhnliche Fallkonstellation vorliegt, die einer Überstellung ihrer Person entgegensteht, eingeholt, sondern bloß einen E-Mail Verkehr mit der für im Bundesministerium für Inneres für medizinische und Gesundheitsangelegenheiten zuständigen Abteilung /10 unterhalten, welcher den Anforderungen an eine ihm gerichtlich aufgetragene Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nicht einmal ansatzweise entspricht.

Im Besonderen enthält dieser E-Mail-Verkehr keinen Gutachtensauftrag, der dem medizinischen Amtssachverständigen des Bundesamts klar und eindeutig vorschreibt, was er klären soll. Auch wenn man in der E-Mail Nachricht der Abteilung I/10 vom 18.06.2018, von 12:23 Uhr, einen Befund über den realen Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin erkennen will, insofern er dort heißt, dass nach Durchsicht der Befunde eine Arztbegleitung erforderlich ist, fehlen diesen Ausführungen die Tatsachen, die dem Befund zugrunde gelegt worden sind. Auch finden sich im gesamten E-Mail-Verkehr keine auf diesen Befund aufbauenden Schlussfolgerungen eines medizinischen Sachverständigen, also das Gutachten im engeren Sinn, zu der dem Bundesamt vom Bundesverwaltungsgericht mit Punkt 3.7. des Erkenntnisses vom 03.04.2018 aufgetragenen Vorgangsweise in seinem fortgesetzten Verfahren. Somit hat das Bundesamt auch im fortgesetzten Verfahren keine abschließende Beurteilung des Gesundheitszustandes der Viertbeschwerdeführerin mit dem Ziel vorgenommen, eine Grundlage für die Entscheidung zu schaffen, ob - und allenfalls unter welchen Auflagen - ihre Überstellungsfähigkeit nach Polen gegeben ist um eine Gefährdung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte aufgrund allfällig gegebener gesundheitlicher Beeinträchtigungen auszuschließen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass es in der E-Mail Nachricht der Abteilung I/10 des Bundesministeriums für Inneres heißt, dass "innerhalb der EU von einer optimalen medizinischen Versorgung auszugehen sei". Dies allein schon deshalb, da nach der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 unter Bedachtnahme auf die individuelle Lage der betroffenen asylwerbenden Parteien als widerlegbar angesehen wird (vgl. z.B. VwGH vom 08.09.2015, Ra 2015/18/0113).

Ebenso vermag die im angefochtenen Bescheid der Viertbeschwerdeführerin getroffene Feststellung und in der Folge in den Ausführungen des Bundesamtes in der Beweiswürdigung wiederholten Aussage, dass sie zu einer Untersuchung in die Ärztestation der Erstaufnahmestelle Ost geladen wurde, dieser Ladung jedoch keine Folge geleistet habe, nicht zu überzeugen. Im Akt der Viertbeschwerdeführerin findet sich zwar auf AS 149 eine von einem Organ des Bundesamtes unterschriebene Ladung, ausgestellt am 18.05.2018, mit dem Ersuchen, dass die Viertbeschwerdeführerin am 06.06.2018, um 12:00 Uhr, im Haus 7, in der Krankenstation der Betreuungsstelle Traiskirchen erscheinen möge. In diesem Schreiben ist auch der Vermerk "gesundheitliche Untersuchung" und "alle medizinischen Befunde sind mitzunehmen" angeführt. Ein Nachweis der Zustellung dieser Ladung sowie auch jener der im Akt der Viertbeschwerdeführerin auch einliegenden Entwürfe einer Ladung für den 06.06.2018, 09:00 Uhr, zur Rechtsberatung (AS 151-153) und einer Ladung für den 06.06.2018, 10:00 Uhr, zur Einvernahme (AS 155-157) ist im dem BVwG von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt nicht auffindbar. Im Verwaltungsakt der Zweitbeschwerdeführerin und zugleich gesetzlichen Vertreterin der Viertbeschwerdeführerin finden sich auf den AS 285 - 289 gleichlautende Schreiben, wobei diese drei Schreiben keine Unterschrift eines Organwalters aufweisen. Allerdings ist auf diesen Schreiben jeweils am linken unteren Rand handschriftlich der Familien- und Vorname der Zweitbeschwerdeführerin ersichtlich. Dabei handelt es sich aber offensichtlich nach einem Vergleich mit der von der Zweitbeschwerdeführerin unterschriebenen Einvernahme vom 06.06.2018 (AS 293) nicht um die Unterschrift der Zweitbeschwerdeführerin. Für das Bundesverwaltungsgericht ist es daher nicht nachvollziehbar ob die Viertbeschwerdeführerin tatsächlich für den 06.06.2018, um 12:00 Uhr, in die Krankenstation der Betreuungsstelle Traiskirchen förmlich geladen worden ist. Ebenso scheint weder in der mit der Zweit- und mit der Viertbeschwerdeführerin am 06.06.2018 aufgenommen Niederschrift (AS 291 ff die Zweitbeschwerdeführerin betreffend und AS 159 ff die Viertbeschwerdeführerin betreffend) kein Hinweis auf, dass die Viertbeschwerdeführerin im Anschluss an ihre Einvernahme am 06.06.2018 in der Krankenstation der Erstaufnahmestelle Traiskirchen zu erscheinen habe. Vielmehr enthalten beide Einvernahmen den Vermerk, dass für das BFA keine weiteren Fragen mehr offen seien.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 BFA-VG regelt dieses Bundesgesetz die allgemeinen Bestimmungen, die für alle Fremden, die sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor den Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, oder einem Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 vor dem Bundesverwaltungsgericht befinden, gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und dem FPG bleiben davon unberührt.

Aufgrund der erfolgten Verfahrenszulassung durch das BFA ist im gegenständlichen Fall § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG maßgeblich (vgl. VwGH vom 05.10.2016, Ra 2016/19/0208-8). § 28 VwGVG lautet wie folgt:

"§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Zu A) Aufhebung der angefochtenen Bescheide:

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt. Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist. Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof vielfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG).

Einzelfallbezogen ergibt sich hieraus folgendes:

Im gegenständlichen Fall hätte die belangte Behörde auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.04.2018 hin ein medizinisches Gutachten über den Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin einzuholen gehabt, um abzuklären, ob bei ihr tatsächlich eine ganz außergewöhnliche Fallkonstellation vorliegt, die im Falle ihrer Überstellung nach Polen - auch wenn sich diese nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befindet - eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes, die ein starkes Leid zur Folge hätte, oder zu einer erheblichen Verringerung der Lebenserwartung führen würde. Im Besonderen hätte dieses Gutachten auch den erforderlichen Behandlungsbedarf festzustellen und darüber hinaus allfällige erforderliche Rehabilitationsmaßnahmen und ob bei der Viertbeschwerdeführerin eine dauernde oder bloß vorübergehende Reiseunfähigkeit vorhanden sei bzw. die Frage, ob die Abschiebung nach Polen nur unter Auflagen und bejahendenfalls unter welchen Auflagen durchgeführt werden dürfe, zu behandeln gehabt.

Anstatt dessen hat die belangte Behörde mit der für medizinische und Gesundheitsangelegenheiten zuständigen Abteilung I/10 des Bundesministeriums für Inneres einen E-Mail Schriftverkehr unterhalten, der in keinster Weise den Anforderungen an ein medizinisches Sachverständigengutachten entspricht. Diesem Schriftverkehr fehlen sowohl ein Gutachtensauftrag, ein Befund und die aus dem Befund gezogenen Schlussfolgerungen des Sachverständigen, das Gutachten im engeren Sinn.

Mit dieser Vorgangsweise hat die belangte Behörde die vorhin erwähnten gerichtlichen Vorgaben allerdings missachtet und somit keinen tauglichen Schritt zur Umsetzung dieser gerichtlichen Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne seines Beschlusses vom 03.04.2018 gesetzt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten benötigt, das Gutachten im engeren Sinn (vgl. z.B. E 24. Oktober 2012, 2008/17/0122).

Im Lichte der in den Vorabsätzen dargelegten Überlegungen wird die belangte Behörde ihre - entsprechend den gerichtlichen Vorgaben des BVwG in seinem Beschluss vom 03.04.2018 - Ermittlungen mit dem Ergebnis nachzuholen haben, dass vor einer allfälligen Überstellung der Viertbeschwerdeführerin ein den Anforderungen eines Sachverständigengutachtens entsprechendes medizinisches Gutachten über ihren Gesundheitszustand, inklusive des allfällig nötigen weiteren Behandlungsbedarfs und allfälliger Rehabilitationsmaßnahmen insbesondere auch ob diese nach ihrer Überstellung nach Polen möglich und auch tatsächlich gewährleistet werden können, eingeholt wird.

Die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise stellt in der hier vorliegenden Form letztlich eine qualifizierte Rechtsverletzung dar, welche das ho. Gericht ermächtigt, von der ihm ausnahmsweise eingeräumten Möglichkeit einer kassatorischen Entscheidung Gebrauch zu machen. Die gegenständlichen Rechtssachen sind auch nicht mit jenem Anlassfall der Entscheidung des VwGH Ro 2016/19/0005-4, vom 14.12.2016 vergleichbar, in welchem der VwGH ausführte dass wenn (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen sind, die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG liege, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen sei. Nur mit dieser Sichtweise könne ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führe doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszuges gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Juni 2016, Ra 2016/03/0027, und vom 26. April 2016, Ro 2015/03/00389).

Aufgrund des Umstandes das der Antrag der Viertbeschwerdeführerin im Rahmen eines Familienverfahrens zu prüfen ist, sind auch die Bescheide des Erst-, der Zweit-, der Dritt-, der Fünft-, des Sechst-, der Siebent- und der Achtbeschwerdeführerin zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu verweisen gewesen.

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. die angefochtenen Bescheide aufzuheben waren.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

4.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Familienverfahren,
Gesundheitszustand, Gutachten, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W233.2171090.3.00

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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