Entscheidungsdatum
01.08.2018Norm
AVG §57Spruch
W171 2139882-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Polen, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, XXXX zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z. 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF stattgegeben und der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, XXXX aufgehoben, sowie die Anhaltung in Schubhaft vom 30.09.2016 bis zum 08.10.2016 für rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Der Antrag auf Kostenersatz im Umfang der Eingabegebühr wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer wurde 30.09.2014 festgenommen und befand sich bis zum 30.09.2016 aufgrund eines Urteils eines Landesgerichts wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls, teils durch Einbruch, gemäß §§ 127, 129 Z 1, 15 StGB in Haft.
1.2. Am 11.08.2016 wurde der Beschwerdeführer zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots und zur Verhängung der Schubhaft einvernommen. Dabei gab dieser an, in Österreich einen Bruder, eine Schwester und eine Tochter zu haben. Er lebe seit 2001 in Österreich. Er habe eine Lebensgefährtin in Österreich, deren Namen er nicht nennen wolle. In Polen habe er keine Familienangehörigen. Er leide an Prostatakrebs und sei in medikamentöser Behandlung. Er besitze keinen Reisepass.
1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) vom 12.08.2016 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 u. 2 FPG ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt und der Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Gegen diesen Bescheid wurde firstgerecht Beschwerde erhoben.
1.4. Mit Mandatsbescheid vom XXXX wurde über die BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die gegenständliche Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei. Er sei in Österreich nicht gemeldet und sei wiederholt straffällig geworden. Außer einem Bruder und einer Schwester lebten keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer habe seinen Lebensmittelpunkt in Polen, wo seine Kernfamilie lebe und er über soziale und berufliche Anknüpfungspunkte verfüge. Der Beschwerdeführer habe sich aufgrund seines Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen. Aus der fehlenden sozialen Verankerung könne geschlossen werden, dass ein beträchtliches Risiko des Untertauchens bestehe. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ergäbe daher, dass die privaten Interessen an der Schonung der persönlichen Freiheit den Interessen des Staates hintenanzustellen seien. Insofern sei eine ultima-ratio-Situation gegeben und sei auch die Anordnung eines gelinderen Mittels nicht zweckdienlich. Die Verhängung der gegenständlichen Schubhaft sei daher notwendig und rechtskonform erfolgt.
1.5. Der Beschwerdeführer wurde am 30.09.2016 aus der Strafhaft entlassen und befand sich bis zu seiner Abschiebung nach Polen am 08.10.2016 in Schubhaft.
1.6. Mit Beschwerde vom 16.11.2016 gegen den gegenständlichen Schubhaftbescheid führte die Rechtsvertretung im Wesentlichen aus, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, da entgegen § 76 Abs. 4 FPG ein Mandatsbescheid erlassen worden sei, obwohl sich der Beschwerdeführer in Haft befunden habe. Die belangte Behörde sei verpflichtet gewesen, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchzuführen und den Bescheid entsprechend § 60 AVG zu begründen.
Weiters wurde vorgebracht, dass die Schubhaft im Anschluss an die Strafhaft nicht notwendig gewesen sei, da sich der Beschwerdeführer zwei Jahre in Haft befunden habe, seine Identität geklärt sei und er bereits mehrmals aus Österreich abgeschoben worden sei. Dem Beschwerdeführer hätte rechtzeitig Parteiengehör eingeräumt werden müssen, sodass noch vor Ende der Strafhaft die Rechtsmäßigkeit des Schubhaftbescheids durch Erhebung einer Beschwerde hätte überprüft werden können. Darüber hinaus sei der Bescheid mangelhaft begründet und enthalte mehrere unrichtige Feststellungen, insbesondere zu den Familienangehörigen in Österreich. Aufgrund der sozialen Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich wären auch gelindere Mittel in Frage gekommen. Überdies wäre der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers selbst bei Bestehen der Haftfähigkeit in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen gewesen. Der Beschwerde lagen mehrere (unleserliche) ärztliche Befunde bei.
Weiters beantragt wurde der Ersatz etwaiger Dolmetschkosten und der Eingabegebühr sowie der Aufwandsersatz als Ersatz des Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei.
1.7. Das BFA legte dem Gericht am 02.09.2016 die verfahrensgegenständliche Beschwerde vor und beantragte, den bekämpften Bescheid zu bestätigen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
A. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Polen und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Beschwerdeführer ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG. Seine Identität steht fest.
Mit Bescheid des BFA vom 12.08.2016, wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 u. 2 FPG ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt und der Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Zuletzt wurde der Beschwerdeführer mit Urteil eines Landesgerichtes vom 11.12.2014, wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls, teils durch Einbruch, gemäß §§ 127, 129 Z 1, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Er befand sich von 30.09.2014 bis 11.12.2016 in Untersuchungs- und von 11.12.2016 bis 30.09.2016 in Strafhaft.
Gemäß elektronischem Auskunftsportal wurde der Beschwerdeführer am 30.09.2016, 09:35 Uhr im Polizeianhaltezentrum aufgenommen und am 08.10.2016, 09:34 Uhr aus der verhängten Schubhaft zwecks Abschiebung entlassen.
Der Beschwerdeführer wurde am 08.10.2016 nach Polen abgeschoben.
Festgestellt wird, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchzuführen und trotz einer Strafhaft von zwei Jahren (von 30.09.2014 bis 30.09.2016) am XXXX einen Mandatsbescheid zur Verhängung der Schubhaft am Entlassungstag aus der Strafhaft ohne vorhergehende ordnungsgemäße Ermittlung erlassen hat.
B. Beweiswürdigung:
2.1. Die Identität des Beschwerdeführers konnte aufgrund seines abgelaufenen polnischen Reisepasses festgestellt werden.
Die Feststellungen zur Festnahme, zur weiteren Anhaltung und zur Entlassung ergeben sich aus dem Akteninhalt und der Einsicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung. Die Abschiebung ergibt sich aus den im Akt erliegenden Unterlagen der Sicherheitsbehörden zur Abschiebung.
Die Feststellung, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchzuführen sowie der Umstand, dass sie einen Mandatsbescheid erließ, ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem angefochtenen Bescheid.
C. Rechtliche Beurteilung
1. Zu Spruchpunkt I:
1.1. Gesetzliche Grundlage:
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 FPG idgF lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Anordnung zur Außerlandesbringung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.
(1a) Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Das Bundesamt kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn
a) gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Rückkehrentscheidung erlassen wurde;
b) gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 AsylG 2005 eingeleitet wurde;
c) gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder
d) auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.
(2a) Das Bundesamt hat über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn
1. gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung oder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;
2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;
3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;
4. der Asylwerber, gegen den gemäß § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG nicht nachgekommen ist;
5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder
6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 4 vorliegt,
und die Schubhaft für die Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.
(3) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(4) (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)
(5) Wird eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrecht erhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 oder 2a vor, gilt die Schubhaft als nach Abs. 2 oder 2a verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs. 2 oder 2a ist mit Aktenvermerk festzuhalten.
(7) (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"
1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich Folgendes:
Die belangte Behörde hat, obwohl sich der BF seit 30.09.2014 in Strafhaft befand, nach einer knapp gehaltenen Einvernahme am 11.08.2016 einen Mandatsbescheid erlassen. Der Bescheid ist mit "Mandatsbescheid" bezeichnet und stützt sich im Spruch auf § 57 Abs. 1 AVG.
Gemäß § 76 Abs. 3 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen. Dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Der Beschwerde ist dahingehend zu folgen, dass der VwGH im Erkenntnis vom 27.01.2010, Zl 2009/21/0009, festgehalten hat, dass der Gesetzgeber die Verhängung der Schubhaft jedenfalls dann nicht im Mandatsverfahren zulassen wollte, wenn sich der Fremde bereits aus einem anderen Grund in Haft befindet und diese Anhaltung nicht bloß kurzfristig ist. In diesem Fall liegt gemäß dem VwGH nämlich keine Gefahr im Verzug dahingehend vor, dass sich ein Fremder (etwa) seiner Abschiebung entziehen könnte. Es ist somit in den Fällen, in denen ein Fremder bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung eines die Schubhaft anordnenden Bescheides nicht bloß kurzfristig in Haft angehalten wird, geboten, im Fall der beabsichtigten Erlassung eines die Schubhaft anordnenden Bescheides ein Ermittlungsverfahren durchzuführen. Das Ergebnis dieses Verfahrens ist dem Fremden im Rahmen des ihm zustehenden Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen, um die rechtzeitige Wahrnehmung seiner Rechtsschutzbehelfe, die ihm nach Erlassung des Bescheides zustehen (§ 76 Abs 7 iVm § 82 Abs 1 Z 3 FrPolG 2005), nicht zu vereiteln.
Der Beschwerdeführer befand sich im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zur Erlassung eines die Schubhaft anordnenden Bescheides jedenfalls bereits seit fast zwei Jahren und damit nicht bloß kurzfristig in Haft.
Der Beschwerdeführer wurde zwar vor Bescheiderlassung sowohl zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots als auch zur Verhängung der Schubhaft einvernommen, ein Ermittlungsverfahren ist dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht zu entnehmen. Die Angaben des Beschwerdeführers wurden weder überprüft, noch fanden sie überhaupt Eingang in den Bescheid. Daher finden sich im Bescheid mehrere Feststellungen, die den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vom 11.08.2016 widersprechen. Als Familienangehörige in Österreich werden nur ein Bruder und eine Schwester angeführt, obwohl der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben auch eine Tochter in Österreich hat. Auch die Feststellungen, dass der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers in Polen liege, dort seine Kernfamilie lebe und er über soziale und berufliche Anknüpfungspunkte verfüge, steht im Widerspruch zu seinen Angaben, dass er seit 2001 in Österreich lebe, hier eine Lebensgefährtin und eine Tochter habe, seine Eltern verstorben seien, er in Polen keine Angehörigen mehr habe und dort arbeitslos gewesen sei.
Dass es der Behörde nicht möglich gewesen wäre, vor Ende der Strafhaft des Beschwerdeführers ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren zu führen, lässt sich dem Verwaltungsakt nicht entnehmen und wurde von der Behörde auch nicht vorgebracht.
Der gegenständliche Schubhaftbescheid erweist sich damit als rechtswidrig.
Der Beschwerde war daher gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG stattzugeben und der gegenständliche Schubhaftbescheid für rechtswidrig zu erklären.
Im gegenständlichen Fall wurde mit dem angefochtenen Bescheid über den BF die Schubhaft angeordnet und diese auch in Vollzug gesetzt.
Da sich der angefochtene Schubhaftbescheid - wie bereits dargelegt - als rechtswidrig erwiesen hat und die darauf gestützte Anhaltung in Schubhaft somit nicht von einem Bescheid gedeckt ist, erweist sich auch die Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig.
Der Beschwerde war daher gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG stattzugeben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.
2. Zu Spruchpunkt II:
3.1. Der VwGH hat im Erkenntnis vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, ausgeführt, dass die Beschwerde an das BVwG, soweit damit die dem (gemeint: rechtswidrigen) Schubhaftbescheid nachfolgende Anhaltung bekämpft wird, eine Beschwerde gegen die behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, weshalb auch § 35 VwGVG zur Anwendung kommt, und zwar zumindest insoweit, als er einem Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht im Falle des Obsiegens in einem Beschwerdeverfahren wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kostenersatz einräumt.
§ 35 VwGVG lautet:
"(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."
Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:
"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro
7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."
3.2. Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Bescheid, mit dem die Schubhaft angeordnet wurde, als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben.
Da die Anhaltung in Schubhaft, die nicht von einem Bescheid gedeckt ist, für rechtswidrig erklärt wurde, ist gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG die beschwerdeführende Partei die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei.
In der Beschwerde wurde von der beschwerdeführenden Partei beantragt, ihr Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung (Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) und der Eingabegebühr zuzuerkennen.
Da im gegenständlichen Verfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben konnte, war der von der belangten Behörde als unterlege Partei zu leistende Aufwandersatz auf den Ersatz des Schriftsatzaufwandes der beschwerdeführenden Partei in Höhe von 737,60 Euro zu beschränken.
Zu Spruchpunkt III:
Im Gegensatz zu § 59 Abs. 3 VwGG ist ein Zuspruch der Eingabegebühr in § 35 VwGVG nicht vorgesehen. Die Bestimmung über die Kosten bei Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach § 35 VwGVG entspricht laut den Erläuterungen RV 2009 BlgNR 24. GP 8 § 79a AVG. Dieser sah aber anders als § 35 Abs. 4 Z 1 VwGVG in Abs. 4 Z 1 ausdrücklich "die Stempel- und Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat," als Aufwendungen an, die der obsiegenden Partei zu erstatten waren (vgl. UVS Steiermark 12.1.2011, 25.12-7/2010; UVS Wien 6.12.2012, 02/40/6907/2012). Weder § 35 VwGVG noch das GebührenG 1957 sehen einen Kostenersatz im Umfang der Eingabengebühr durch das Bundesverwaltungsgericht vor. Der diesbezügliche Antrag des Beschwerdeführers war daher abzuweisen.
3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B. - Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie bereits ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
Eingabengebühr, Ermittlungspflicht, Kostenersatz, Mandatsbescheid,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W171.2139882.1.00Zuletzt aktualisiert am
12.09.2018