TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/3 W144 1248891-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

03.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W144 1248891-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , XXXX geb., StA. von Liberia, vertreten durch Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler, Rechtsanwältin in 1040 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.04.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 10 Abs. 3, 55 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG iVm §§ 46, 52 Abs. 3 und Abs. 9, 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG iVm § 4 Abs. 1 Z 2 und Z 3 AsylG-DV mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der zweite Satz im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt" ersatzlos behoben wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Liberia, stellte am 09.10.2003 einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.01.2004, Zl. XXXX , gemäß § 7 AsylG 1997 idgF abgewiesen wurde. Unter einem wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Liberia gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig erklärt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 29.03.2004, XXXX , wurde der BF wegen § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Gewährung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 08.06.2005, XXXX , wurde der BF wegen § 28 Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt.

Die Bundespolizeidirektion Wien erließ mit Bescheid vom 14.07.2005, Zl. XXXX , ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und § 39 Abs. 1 Fremdengesetz idgF gegen den BF.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 04.12.2008, XXXX , wurde der BF wegen § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall SMG, § 27 Abs. 3 SMG, § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 13 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.04.2009, Zl. A5 248891-0/2008, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.01.2004, Zl. XXXX , gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass dem Vorbringen des BF die Asylrelevanz zu versagen sei, weil nicht von der Glaubwürdigkeit seiner Angaben auszugehen sei und sich aus dem Umstand, dass er als Mandingo einer ethnischen Minderheit angehört, kein Verfolgungstatbestand im Sinne der GFK konstruieren lasse. Zur Frage des Refoulementschutzes wurde festzuhalten, dass während des gesamten Verfahrens keine Anhaltspunkte zu Tage getreten seien, die auf die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK oder darauf hindeuten würden, dass der BF bei seiner Rückkehr in eine ausweglose und die Existenz bedrohende Lage geraten würde. Es lägen keine "außergewöhnlichen Umstände" vor, die eine Abschiebung des BF unzulässig erscheinen ließen.

Am 04.03.2011 wurde der BF wegen rechtswidrigen Aufenthalts auf freiem Fuß angezeigt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 19.05.2011, Zl. XXXX , wurde der BF gemäß § 53 Abs. 1 FPG ausgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 08.11.2011, Zl. XXXX , keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 125 Abs. 14 FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011 iVm § 52 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011 erlassen wird.

Am 15.02.2012 nahm die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid, Zl. XXXX , gemäß § 77 FPG idgF iVm § 57 Abs. 1 AVG idgF von der Anordnung der Schubhaft gegen den BF Abstand und ordnete die Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 Abs. 3 Z 1 und Z 2 FPG an.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 06.03.2012, Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF gemäß § 69 Abs. 2 FPG idgF vom 13.01.2012 auf Aufhebung des Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 14.07.2005, Zl. XXXX , mit welchem ein Aufenthaltsverbot erlassen worden war, abgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21.05.2012, Zl. XXXX , keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Bezug habende Norm des Antrags § 60 Abs. 5 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 lautet.

Am 09.04.2013 wies das Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, mit Bescheid, Zl. XXXX , den Antrag des BF vom 06.12.2011 auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 NAG idgF ab.

1.2. Am 18.01.2016 brachte der BF einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG per Post ein, wobei er im Wesentlichen anführte, dass er liberianischer Staatsangehöriger sei, ledig sei, Grundversorgung und private Zuwendungen von Freunden erhalte, von seiner Kirche unterstützt werde, seit 2003 durchgängig in Österreich aufhältig sei, ein wenig Deutsch spreche, über eine Beschäftigungszusage verfüge und sich seit seiner letzten Verurteilung vor acht Jahren wohl verhalten habe. Unter einem brachte er folgende Unterlagen in Vorlage:

* zwei Sozialberichte und eine Bestätigung über die Grundversorgung ausgestellt vom Verein XXXX

* Bestätigung der Meldung aus dem Zentralen Melderegister

* E-Card

* ein Unterstützungsschreiben vom 25.10.2015

* "Arbeitsvorvertrag" vom 22.12.2015

* Anmeldebestätigung, Antrittsmeldung und Teilbesuchsbestätigung für einen Deutsch-Integrationskurs A1

* Bestätigung der Mitgliedschaft in einer Freikirche

Nachdem der BF mit Verfahrensanordnung vom 26.01.2016 aufgefordert worden war, seinen Antrag persönlich einzubringen und Identitätsdokumente vorzulegen, andernfalls sein Antrag zurückgewiesen werden müsste, stellte er am 12.02.2016 persönlich den Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.

Mit Schriftsatz des damaligen rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 25.02.2016 beantragte der BF nach § 4 Abs. 1 Z 2 und Z 3 AsylG-DV die Heilung des Mangels der Vorlage eines Reisepasses und einer Geburtsurkunde, weil er keine Angehörige in Liberia habe, die ihm bei der Beschaffung der Geburtsurkunde behilflich sein könnten, und er nach Deutschland reisen müsste, um sich dort bei der liberianischen Botschaft einen Reisepass ausstellen zu lassen.

In der Stellungnahme des damaligen rechtsfreundlichen Vertreters vom 17.03.2016 zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 02.03.2016 wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der BF seit mehr als 12 Jahren in Österreich aufhalte und er weitreichende Integrationsschritte gesetzt habe. Derzeit werde er vom Verein XXXX betreut, er stehe in Grundversorgung und könnte im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels bei einer Firma eingestellt werden. Im Falle einer Rückkehr nach Liberia wäre seine medizinische Versorgung nicht gewährleistet und er wäre aufgrund der herrschenden Massenarmut und des fehlenden Kontakts zu seinen Angehörigen mittellos, was einer unmenschlichen Behandlung nach Art. 2 und Art. 3 EMRK gleichkommen würde.

Mit Bescheid vom 13.04.2016 wies das BFA den Antrag des BF vom 12.02.2016 gemäß § 55 AsylG 2005 idgF ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG idgF (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Liberia zulässig sei (Spruchpunkt II.) und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.). Unter einem wurde der Antrag auf Heilung vom 25.02.2016 gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und Z 3 iVm Abs. 2 AsylG-DV abgewiesen (Spruchpunkt IV.). Begründend wurde ausgeführt, dass kein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens vorliege, zumal der BF in Österreich keine Angehörigen habe und seine Familie in Liberia lebe. Da sich der BF überwiegend unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, straffällig geworden sei, am Verfahren zur Feststellung seiner Identität nicht mitwirke, untergetaucht sei und keine gelungenen Integrationsschritte vorweisen könne, würden die öffentlichen Interessen an der Erlassung einer Rückkehrentscheidung höher gewertet werden als die privaten Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich, weshalb die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG nicht in Betracht komme. Seine Abschiebung nach Liberia sei zulässig, weil die Asylgründe durch den Asylgerichtshof als nicht glaubwürdig erachtet worden seien und der BF keinerlei Gründe angeführt habe, die zu einer neuerlichen Prüfung der Unzulässigkeit einer Abschiebung geführt hätten. Da die Beschaffung von Dokumenten bei den liberianischen Vertretungsbehörden möglich sei und der BF am Verfahren zur Feststellung seiner Identität nicht mitgewirkt habe, sei der Antrag auf Heilung gemäß § 4 AsylG-DV abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF im Wege seines damaligen rechtsfreundlichen Vertreters fristgerecht Beschwerde, in welcher im Wesentlichen moniert wurde, dass gegen die ausgesprochene Rückkehrentscheidung der annähernd 13-jährige Aufenthalt des BF, seine ehrenamtliche Tätigkeit in einer Freikirche, seine ausreichenden Deutschkenntnisse und der Arbeitsvorvertrag sprechen würden. Zudem sei sein Aufenthalt knapp sechs Jahre rechtmäßig gewesen und habe er sich seit Entlassung aus der Strafhaft sieben Jahre lang wohl verhalten. Im Hinblick auf die angezweifelte Mitwirkung im Rückkehrverfahren werde daran erinnert, dass der BF keine Möglichkeit habe, Dokumente zu erhalten, und dass seit 2009 für keinen einzigen Liberianer ein Heimreisezertifikat ausgestellt worden sei.

Im Rahmen der beim Bundesverwaltungsgericht am 29.05.2018 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde der BF zu seiner Person und im Hinblick auf seine Integration in Österreich befragt. Vorgelegt wurden ein Sozialbericht vom 25.05.2018, ein Arztbrief vom 24.05.2018 und eine Ambulanzkarte für eine Augenambulanz.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Liberia. Er reiste am 08.10.2003 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und hält sich seither in Österreich auf. Er leidet an Hypertonie, ACE-Hemmer-Husten und an erhöhtem Augendruck. Die gesundheitlichen Beschwerden des BF werden medikamentös behandelt.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.01.2004 wurde der Asylantrag des BF vom 09.10.2003 gemäß § 7 AsylG 1997 idgF abgewiesen und unter einem die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Liberia gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig erklärt. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.04.2009 gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 abgewiesen.

Die Bundespolizeidirektion Wien erließ mit Bescheid vom 14.07.2005 ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und § 39 Abs. 1 Fremdengesetz idgF gegen den BF.

Mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 08.11.2011 wurde der gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 19.05.2011 erhobenen Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 125 Abs. 14 FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011 iVm § 52 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011 erlassen wird.

Mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 09.04.2013 wurde der Antrag des BF vom 06.12.2011 auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 NAG idgF abgewiesen.

Am 12.02.2016 stellte er einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG und beantragte mit Schriftsatz vom 25.02.2016 die Heilung gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und Z 3 AsylG-DV. Mit Bescheid vom 13.04.2016 wies das BFA den Antrag des BF vom 12.02.2016 gemäß § 55 AsylG 2005 idgF ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG idgF (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Liberia zulässig sei (Spruchpunkt II.). und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.). Unter einem wurde der Antrag auf Heilung vom 25.02.2016 gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und Z 3 iVm Abs. 2 AsylG-DV abgewiesen (Spruchpunkt IV.).

In Österreich verfügt der BF weder über Familienangehörige, noch lebt er in einer Lebensgemeinschaft. Er besuchte einige Deutschkurse und bestand am 22.12.2016 eine ÖSD-Deutschprüfung für das Niveau A2 mit der Beurteilung "gut". Der BF verfügt über eine Einstellungszusage als Hilfskraft bei der Firma XXXX . Er geht keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach, hilft in der Flüchtlingsunterkunft beim XXXX als Remunerant, ist gemeinnützig in einer Freikirche tätig und verteilt Flugblätter in Schwarzarbeit. Seit dem 27.01.2005 bezieht er - abgesehen von einem Zeitraum von insgesamt rund drei Jahren staatliche Unterstützung in Form der Grundversorgung. Er verfügt über einen hauptsächlich aus afrikanischen Staatsangehörigen bestehenden Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich und ist Mitglied einer Freikirche. Darüber hinaus konnten weitere maßgebliche Anhaltspunkte, die für die Annahme einer besonderen Integration des BF im Bundesgebiet in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sprechen würden, nicht festgestellt werden.

Der BF weist drei strafgerichtliche Verurteilungen wegen Suchtmitteldelikten auf:

* Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 29.03.2004, XXXX , wurde er wegen § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Gewährung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.

* Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 08.06.2005, XXXX , wurde er wegen § 28 Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt.

* Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 04.12.2008, XXXX , wurde er wegen § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall SMG, § 27 Abs. 3 SMG, § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 13 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Der BF brachte keine Identitätsdokumente in Vorlage, trat in Österreich unter verschiedenen Identitäten auf und kam zwei Ladungen zur Identifikationsprüfung durch eine Expertendelegation aus Liberia ungerechtfertigt nicht nach.

Seit dem 19.07.2018 befindet sich der BF in Untersuchungshaft.

Der BF verfügt über keine Schulbildung und hat seinen Lebensunterhalt im Heimatstaat als Fischer bestritten. Seine Eltern sind verstorben. Seine Ehefrau, seine zwei Kinder und seine vier Geschwister lebten zuletzt im Herkunftsstaat des BF. Zu seinen Familienangehörigen hat er keinen Kontakt.

1.2. Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Liberia:

Politische Lage

Liberia ist eine Präsidialrepublik nach amerikanischem Vorbild. Der Präsident wird für jeweils sechs Jahre und höchstens zwei Amtsperioden direkt vom Volk gewählt. Er ist Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Regierungschef und ernennt das Kabinett mit Zustimmung des Senats. Die Legislative besteht aus dem Senat mit 30 Mitgliedern, die eine Amtsperiode von neun Jahren haben, und aus einem Repräsentantenhaus mit 64 Mitgliedern, die vom Volk für jeweils sechs Jahre gewählt werden. Der Congress for Democratic Change (CDC), die Liberty Party (LP), die Coalition for the Transformation of Liberia (COTOL) und die Unity Party (UP) sind die größten Parteien. 1984 wurde durch Volksabstimmung eine neue Verfassung in Kraft gesetzt, die sich, wie die vorhergehende, eng an das US-amerikanische Modell anlehnt. Verwaltungsmäßig gliedert sich Liberia in 15 Verwaltungsbezirke ("Counties"), die je nach Größe in unterschiedlich viele Distrikte unterteilt werden. Die liberianische Regierung ernennt die Verwaltungschefs (County Superintendent und District Commissioner) dieser nachgeordneten Einheiten. Städte verfügen über gewählte Bürgermeister und Stadträte. Neben dieser "modernen" politischen Struktur existiert eine traditionelle Führung auf unterschiedlichen Ebenen (Town Chief, Clan Chief und Paramount Chief), die vor allem in ländlichen Gebieten über beträchtlichen Einfluss verfügen. Dieser Dualismus setzt sich auch im Rechtswesen fort, wo öffentliche und traditionelle Gerichtsbarkeit nebeneinander bestehen (GIZ 3.2018a).

Seit 2006 war Ellen Johnson Sirleaf Präsidentin und Regierungschefin des Landes. Bei den am 10.10.2017 stattfindenden (Parlaments-) und Präsidentschaftswahlen konnte sie nicht mehr kandidieren. Schwerpunkte ihrer Regierungsarbeit waren die Rehabilitierung der Straßen- und Energieinfrastruktur sowie der Wiederaufbau des Bildungs- und Gesundheitssektors. Trotz Fortschritten in der Wirtschaft, dem Erlass fast aller Auslandsschulden im Rahmen der Initiative für hochverschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries - HIPC), der Erhöhung staatlicher Einnahmen, der Verabschiedung wichtiger Gesetze, der Stabilisierung von Institutionen und Erfolgen bei der Verbesserung der Transparenz in der Rohstoffindustrie, steht Liberia weiterhin vor gewaltigen Herausforderungen. Verbreitete Korruption sowie mangelnde Kapazitäten in Verwaltung und Justiz erschweren die Durchführung der Entwicklungspläne (AA 3.2017a).

Seit Ende Juli 2016 stand die Liste der Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen fest. Als aussichtsreich galten von vornherein der bisherige Vizepräsident Joseph Boakai (UP) und George Weah (CDC). Da im ersten Wahlgang niemand die absolute Mehrheit erlangen konnte, gab es am 26. Dezember 2017 eine Stichwahl zwischen Joseph Boakai (38,5 Prozent) und George Weah (61,5 Prozent). Die Wahlkommission bestätigte, dass der 51-Jährige 61,5 Prozent der Stimmen erhalten hat, während sein Gegner, Vizepräsident Joseph Boakai von der regierenden Einheitspartei (UP), 38,5 Prozent der Stimmen erhielt (BAMF 8.1.2018). Der ehemalige Fußballstar George Manneh Weah wurde somit zum neuen Präsidenten Liberias gewählt (DS 22.1.2018; vgl. GIZ 3.2018a; JA 22.1.2018). Vizepräsidentin wird damit Jewel Howard Taylor. Am 22. Januar 2018 wurde Weah zum Präsidenten vereidigt (DS 22.1.2018; vgl. GIZ 3.2018a). Seine Antrittsrede hielt er im Fußballstadion in Monrovia vor mehr als 35.000 Zuschauern und einem Dutzend Staatsoberhäuptern. Einige Stunden vor der offiziellen Zeremonie ist das Samuel Kanyon Doe Stadion voll (GIZ 3.2018a; vgl. DS 21.1.2018; JA 22.1.2018).

Eines der wichtigsten Themen darin war sein Versprechen, die Korruption nachhaltig zu bekämpfen. Viele arme Menschen in Liberia setzen große Hoffnungen in Weah, der selbst in einem Slum in Monrovia aufgewachsen ist (GIZ 3.2018a). Für Liberia ist es die erste Amtsübergabe zwischen zwei demokratische gewählten Regierungschefs seit 1944. Darüber hinaus hat Weah versprochen, die Schaffung von Wohlstand und Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt seiner Präsidentschaft zu stellen (DS 22.12018; vgl. JA 22.1.2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Liberia - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/liberia-node/-/222404, Zugriff 20.3.2018

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (8.1.2018): Briefing Notes,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1423373/5734_1517489986_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-08-01-2018-englisch.pdf, Zugriff 26.3.2018

-

DS - der Standard (22.1.2018): International, Afrika, Liberia, George Weah als Liberias Präsident vereidigt, https://derstandard.at/2000072773862/George-Weah-als-Liberias-Praesident-vereidigt, Zugriff 10.4.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018a): Geschichte & Staat - Liberia, http://liportal.giz.de/liberia/geschichte-staat/, Zugriff 26.3.2018

-

JA - Jeune Afrique (22.1.2018): Politique, Libéria, George Weah investi président du Liberia devant des dizaines de milliers de personnes,

http://www.jeuneafrique.com/518474/politique/liberia-george-weah-investi-president-ce-lundi/, Zugriff 10.4.2018

Sicherheitslage

Auch 14 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs und seit dem Übergang der Sicherheitsverantwortung an die nationalen Behörden im Juli 2016 ist die Sicherheitslage in Liberia zwar unter Kontrolle, aber weiterhin fragil. Die Friedenstruppe UNMIL ist noch bis Ende März 2018 vor Ort, wenn auch ressourcenmäßig weiter reduziert und primär als Unterstützer für einen evtl. Krisenfall (AA 20.3.2018). Die Anwesenheit von immer noch fast 12.000 ivorischen Flüchtlingen (laut BMEIA 20.000) in der Grenzregion stellt auch weiterhin eine starke humanitäre Belastung und ein potentielles zusätzliches Sicherheitsrisiko dar (AA 20.3.2018; vgl. auch BMEIA 20.3.2018 und EDA 20.3.2018).

Die Ebola-Epidemie 2014/2015 stellte eine enorme Herausforderung für die staatlichen Strukturen Liberias dar. Präsidentin Johnson Sirleaf verhängte zeitweilig sogar den Staatsnotstand. Nach drei örtlich und bezüglich der Zahl der Infizierten eng begrenzten Folgeausbrüchen (zuletzt Ende März 2016; alle im Großraum Monrovia) erklärte die WHO Liberia am 9.6.2016 wieder für Ebola-frei (AA 3.2017a).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Liberia - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/liberia-node/-/222404, Zugriff 20.3.2018

-

AA - Auswärtiges Amt: (20.3.2018): Reise- und Sicherheitshinweise

-

Liberia,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/liberia-node/liberiasicherheit/222378, Zugriff 20.3.2018

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äusseres (20.3.2018): Reiseinformationen - Liberia, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/liberia-de.html, Zugriff 20.3.2018

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor (BS 2018; USDOS 3.3.2017). Die Regierung der Ex-Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf hat die Bürgerrechte in Liberia gestärkt. Das Justizsystem ist jedoch dysfunktional und Rechtsmittel gegen Handlungen des Staates oder seiner Beamten einzulegen, hat oft keine Wirkung. Die Korruption von Richtern und Geschworenen, auch in Gerichtsverfahren, stellt ein großes Hindernis für faire und transparente Verfahren dar (BS 2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Richter bleiben weiterhin bestechlich und trotz Bemühungen seitens der Regierung ist Korruption immer noch ein verbreitetes Problem. Die ungleiche Anwendung des Rechts und die ungleiche Verteilung von Personal und Ressourcen bleiben Probleme im gesamten Rechtssystem (GIZ 3.2018a; vgl. USDOS 3.3.2017), hinzu kommen noch Infrastrukturprobleme und häufige Absenzen vom Arbeitsplatz. Aufgrund von Korruption hat die Bevölkerung wenig Vertrauen in Polizei und Gerichte (GIZ 3.2018a). Verzögerungen bei Gerichtsverfahren führen dazu, dass viele Menschen über lange Zeiträume hinweg in Untersuchungshaft sitzen. Ungefähr 80 Prozent der Gefängnisinsassen sind Untersuchungshäftlinge. Ende 2012 standen in jedem Bezirk staatlich bestellte Verteidiger zur Verfügung. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichten, dass es dennoch sehr schwer sei, einen kostenfreien Rechtsbeistand zu finden (AI 22.1.2018).

Es existiert ein gemischtes Rechtssystem aus dem Zivilrecht, basierend auf dem anglo-amerikanischen Recht und dem Gewohnheitsrecht. Alle formalen Gerichte sind Teil des nationalen Systems und stehen unter Aufsicht des Obersten Gerichtshofs, des Supreme Courts. Er befindet sich im "Temple of Justice" auf dem Capitol Hill in Monrovia. Es ist die letzte Instanz in Verfassungsfragen und kann somit auch die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung bestimmen. Der Oberste Gerichtshof ist außerdem die letzte Berufungsinstanz in allen Fällen. Das Gericht besteht aus dem Chief Justice of Liberia und vier Associate Justice, die vom Präsidenten ernannt und vom Senat bestätigt werden (GIZ 3.2018a).

Die Circuit Courts sind Bezirksgerichte und haben die erstinstanzliche Zuständigkeit in den schwerwiegendsten Fällen, darunter schwere Körperverletzung, Einbruch, Vergewaltigung und Mord (GIZ 3.2018a).

Die Amtsgerichte, Magistrates Courts, sind zuständig für Zivil- und Strafgerichtsbarkeit. Sehr schwere Fälle, einschließlich Vergewaltigung, Mord oder Einbruch, müssen nach vorläufigen Anhörungen an die Circuit Courts überwiesen werden (GIZ 3.2018a).

Friedensrichter (Justices of Peace) sind Laienrichter. Sie sind befugt, in einem sehr begrenzten Bereich von Zivil- und Strafsachen zu entscheiden (GIZ 3.2018a).

Neben dem formalen Recht existiert im ländlichen Liberia das traditionelle Recht. Clan Chiefs, Stadt Chiefs und Paramount Chiefs, die lokalen traditionellen Autoritätspersonen, haben die Befugnis, Zivilsachen zu regeln, haben aber keine Autorität über Strafsachen. Wenn ein Konflikt zwischen dem formalen Recht und Gewohnheitsrecht besteht, hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass das formale Recht vorherrscht. In der Praxis wird in solchen Fällen aber auch oft das Gewohnheitsrecht angewendet. Seit Ende des Krieges sind weitgehende Justiz- und Sicherheitsreformen durchgeführt worden. Nach wie vor sind die Kapazitäten aber nicht ausreichend, um einen angemessenen Zugang zum Recht zu gewährleisten, deshalb unterstützen internationale und nationale Organisationen den Zugang durch die Etablierung von Rechtsberatungs- und Mediationsangeboten, zum Teil auch gezielt für Frauen (GIZ 3.2018a).

Die Regierung sieht sich weiterhin ernsthaften Schwierigkeiten gegenüber, was die Fähigkeit ihrer Justiz- und Sicherheitsbehörden betrifft, Kriminelle zu verhaften, festzunehmen und zu verurteilen (BS 2018).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (22.1.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1425482.html, Zugriff 20.3.2018

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Liberia,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Liberia.pdf, Zugriff 26.3.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018a): Geschichte & Staat - Liberia, https://www.liportal.de/liberia/geschichte-staat/, Zugriff 26.3.2018

Sicherheitsbehörden

Das Justizministerium ist für die Umsetzung der Gesetze und die Aufrechterhaltung der Ordnung im Land zuständig, mitunter für die Beaufsichtigung der LNP (Liberia National Police) und weiterer Strafverfolgungsbehörden. Die Streitkräfte von Liberia (Armed Forces Liberia) sind für Landesverteidigung bzw. die äußere Sicherheit zuständig. Sie haben aber auch Aufgaben in Bezug auf die innerstaatliche Sicherheit, insbesondere die Küstenwache (USDOS 3.3.2017).

Die United Nations Mission in Liberia (UNMIL) hat bereits offiziell die volle Sicherheitsverantwortung an Liberia zurückgegeben, obwohl eine Resttruppe von 1.240 Soldaten und 606 U.N.-Polizisten übrig ist (BS 2018).

Die zivilen Behörden haben im Allgemeinen wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte beibehalten. Die Straflosigkeit bleibt ein ernsthaftes Problem, da die Regierung nur sporadisch und in begrenztem Umfang versucht, gegen Beamte zu ermitteln, die des Missbrauchs beschuldigt werden, sei es in den Sicherheitskräften oder anderswo in der Regierung. Korruption auf allen Regierungsebenen untergräbt weiterhin das Vertrauen der Öffentlichkeit in staatliche Institutionen (USDOS 3.3.2017). Dies spiegelt zum Teil das mangelnde Vertrauen in die Liberia National Police (LNP) wieder, von der oft angenommen wird, dass sie mit kriminellen Akteuren zusammenarbeitet (BS 2018).

Die Unabhängige Nationale Kommission für Menschenrechte berichtete, dass gewalttätige Handlungen der Polizei während Verhaftungen die häufigste Beschwerde wegen Amtsverletzung sind. Die Professional Standards Division der LNP ist zuständig für die Untersuchung von Vorwürfen polizeilichen Fehlverhaltens und die Verweisung von Fällen zur Strafverfolgung. Im Laufe des Jahres 2016 unterzeichnete der Präsident ein neues Polizeigesetz, das die Einrichtung eines zivilen Beschwerdeausschusses zur Verbesserung der Rechenschaftspflicht und Aufsicht vorschreibt. Im Laufe des Jahres gab es dennoch Fälle, in denen zivile Sicherheitskräfte ungestraft agierten (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2018), BTI 2018 Country Report - Liberia,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Liberia.pdf, Zugriff 23.3.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018c): Gesellschaft - Liberia, https://www.liportal.de/liberia/gesellschaft/, Zugriff 26.3.201

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 20.3.2018

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen. Das Strafgesetzbuch sieht strafrechtliche Sanktionen für die übermäßige Anwendung von Gewalt durch Strafverfolgungsbeamte vor und regelt die zulässige Anwendung von Gewalt während der Festnahme oder bei der Verhinderung der Flucht eines Gefangenen aus der Haft (USDOS 3.3.2017).

Dennoch missbrauchen Polizisten und andere Sicherheitsbeamte Personen in Polizeigewahrsam, belästigen und nötigen diese. Es kommt zur Anwendung von Folter. Im Oktober 2016 hat die UNMIL neue Standardverfahren zur Meldung und Untersuchung von Vorwürfen von Fehlverhalten zur Bekämpfung weiterer SEA-Fälle (sexuelle Ausbeutung und Missbrauch) herausgegeben (USDOS 3.3.2017).

Im Rahmen von traditionellen Verfahren gegen der Hexerei Angeklagter kommt es zu folterähnlichen Praktiken, obwohl das Innenministerium daran arbeitet, diese traditionelle Praxis und die Praktizierenden dazu zu bringen, sich an den formalen Rechtsrahmen des Landes anzupassen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 21.3.2018

Korruption

Korruption ist immer noch ein verbreitetes Problem, auch innerhalb der Regierung (BS 2018; vgl. GIZ 3.2018a). Die Bevölkerung hat wenig Vertrauen in Polizei und Gerichte. Laut Transparency International "Corruption Perception Index" 2017 nimmt Liberia Platz 122 von 180 Staaten ein (GIZ 3.2018a). Das Gesetz sieht keine expliziten strafrechtlichen Sanktionen für offizielle Korruption vor, obwohl es strafrechtliche Sanktionen für wirtschaftliche Sabotage, Misswirtschaft, Bestechung und andere korruptionsbezogene Handlungen gibt. Korruption auf allen Regierungsebenen untergräbt weiterhin das Vertrauen der Öffentlichkeit in staatliche Institutionen. Die geringe Rechenschaftspflicht der Justiz verschärft die offizielle Korruption und trägt zu einer Kultur der Straflosigkeit bei. Die Regierung hat Beamte wegen angeblicher Korruption entlassen oder in einigen Fällen suspendiert (USDOS 3.3.2018).

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor. Richter werden beeinflusst und in Korruption verwickelt und fordern manchmal Bestechungsgelder (BS 2018; vgl. USDOS 3.3.2017).

Die Korruption der Polizei bleibt ebenfalls ein Problem. Die LNP untersucht Berichte über polizeiliches Fehlverhalten oder Korruption und die Behörden suspendierten und entließen bereits mehrere Beamte (USDOS 3.3.2017).

Es existieren Organisationen zur Bekämpfung der Korruption - von der "Liberia Anti-Corruption Commission (LACC)" bis zur "General Auditing Commission (GAC)" und der Kommission für öffentliche Aufträge und Konzessionen (PPCC) (BS 2018; vgl. GIZ 3.2018a). Allerdings fehlt es ihnen oft an Befugnissen und Ressourcen, um Bestechungen zu verhindern. Eine innovative Methode, der Korruption etwas entgegenzusetzen stellt die TV-Show "Integrity Idol" (Integritätsidol) im liberianischen Fernsehen dar. Zuschauer können dort über den ehrlichsten Staatsdiener in Liberia abstimmen, um korrektes Verhalten zu fördern und für die Probleme der Korruption zu sensibilisieren (GIZ 3.2018a).

Quellen:

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Liberia,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Liberia.pdf, Zugriff 23.3.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018a): Geschichte & Staat - Liberia, https://www.liportal.de/liberia/geschichte-staat/, Zugriff 21.3.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 26.3.2018

(...)

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtssituation hat sich im ganzen Land kontinuierlich gebessert. Seit Ende des Krieges hat Liberia Fortschritte bei der Gewährung internationaler Menschenrechte gemacht. Trotzdem gilt es noch, eine Reihe von Herausforderungen zu bewältigen, vor allem in der Rechtsprechung und Rechtsstaatlichkeit, wo es immer noch gravierende Unzulänglichkeiten im Justizsystem gibt (GIZ 3.2018a). Staatliche Sicherheitskräfte verhafteten manchmal Journalisten, weil sie angeblich kriminell verleumderische Meinungen veröffentlichen und die Regierung kritisieren. Darüber hinaus nehmen Sicherheitskräfte weiterhin willkürliche Verhaftungen vor, angeblich um kriminelle Aktivitäten zu verhindern (USDOS 3.3.2017).

Die unabhängige nationale Kommission für Menschenrechte (Independent National Commission on Human Rights - INCHR) ist seit 2009 für die Förderung der nationalen Umsetzung und Einhaltung der von Liberia unterzeichneten internationalen und regionalen Menschenrechtsverträge zuständig, ist aber öffentlich bisher nur punktuell in Erscheinung getreten (GIZ 3.2018a).

Neben den Organisationen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit sind verschiedene kirchliche und private Hilfswerke in Liberia aktiv. Cap Anamur hat bis Mitte 2010 in Monrovia eine Klinik für psychisch kranke Menschen - oft traumatisierte Bürgerkriegsopfer - unterhalten. Misereor-Partnerorganisationen kümmern sich um kriegsgeschädigte Kinder in Liberia und eröffnen ihnen Perspektiven für ein Leben im Frieden. Außerdem berät Misereor Gesundheitseinrichtungen. Die Diakonie Katastrophenhilfe war bei der Behandlung von Ebolapatienten aktiv tätig und hat zusammen mit Brot für die Welt und dem Deutschen Institut für Ärztliche Mission (Difäm) Menschen vor Ort im Kampf gegen Ebola gestärkt und über die kirchlichen Gesundheitseinrichtungen eine Basisversorgung aufrecht erhalten. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat ein Ebola-Behandlungszentrum betrieben, das aber auf Grund des deutlichen Rückgangs der Ebola-Neuinfektionen in Liberia keine Ebola-Patienten behandelt hat. Stattdessen wurde das Behandlungszentrum für eine temporäre Unterstützung des liberianischen Gesundheitssystems bei der Behandlung von Nicht-Ebola-Infektionskrankheiten eingesetzt und nach einigen Monaten geschlossen. Brot für die Welt und die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) unterstützen liberianische Nichtregierungsorganisationen durch die Entsendung von Entwicklungshelfern und Friedensfachkräften, im Bildungsbereich zum Beispiel das Kofi Annan Institut für Konflikttransformation (KAICT) der liberianischen Universität und den Nationalen Verband für Erwachsenenbildung in Liberia (NAEAL) (GIZ 3.2018b).

Die Verfassung sieht Rede- und Pressefreiheit vor und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen, wenn auch mit gewissen Einschränkungen (BS 2018; USDOS 3.3.2017; vgl.GIZ 3.2018a). Die Medien operieren weitgehend ohne Beschränkungen durch die Regierung. Für die meisten Bürger Liberias ist der Rundfunk die wichtigste Informationsquelle. (BS 2018; vgl. GIZ 3.2018a). Am 21.7.2012 hat Präsidentin Johnson Sirleaf die Table Mountain Declaration unterzeichnet, ein Schritt hin zur Abschaffung von repressiven Maßnahmen gegenüber afrikanischen Journalistinnen und Journalisten. Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2017 belegt Liberia Platz 94 von 180 (GIZ 3.2018a).

Die Verfassung sieht die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vor, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (BS 2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Für öffentliche Versammlungen sind Genehmigungen erforderlich (USDOS 3.3.2017). Oppositionsparteien können frei für ihre Ziele werben. Zivilgesellschaftliche Organisationen, zum Beispiel Straßenhändler, protestierten wiederholt und blockierten Hauptstraßen ohne Belästigung. Bei Eskalationen, übten Exekutivbeamte weiterhin exzessive Gewalt aus (BS 2018).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (22.1.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1425482.html, Zugriff 26.3.2018

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Liberia,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Liberia.pdf, Zugriff 23.3.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018a): Geschichte & Staat - Liberia, https://www.liportal.de/liberia/geschichte-staat/, Zugriff 28.3.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 26.3.2018

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen bleiben weiterhin hart und teilweise lebensbedrohlich (USDOS 3.3.2017) und entsprechen nicht den internationalen Standards. Die Gefängnisse sind nach wie vor überfüllt und Häftlinge befinden sich oft lange in Untersuchungshaft (AI 22.1.2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Die Häftlinge haben auch nicht ausreichend Zugang zu medizinischer Versorgung (AI 22.1.2018).Es kommt auch zu Nahrungsmittelknappheit, Mangel an sanitären Einrichtungen und unzureichender medizinischer Versorgung. Grund- und Notfallversorgung, sowie Trinkwasser tragen zu den zum Teil lebensbedrohlichen Bedingungen in den 16 Gefängnissen und Haftanstalten des Landes bei. Gefängnisbeamte veruntreuen Lebensmittel und andere Gegenstände, die für Häftlinge bestimmt sind. Die lokale Presse und die Nichtregierungsorganisation Prison Fellowship Liberia (PFL) berichteten, dass Gefängnisbeamte das Leben von Gefangenen bedrohen. Das Bureau of Corrections and Rehabilitation (BCR) des Justizministeriums meldete bis zum 15.9.2016 drei Todesfälle von Gefangenen. Die Bedingungen für weibliche Häftlinge sind etwas besser als jene für Männer (USDOS 3.3.2017).

Die Regierung erlaubt eine unabhängige Überwachung der Haftbedingungen durch lokale Menschenrechtsgruppen, internationale NGOs, den Vereinten Nationen, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), diplomatischem Personal und Medien. Einige Menschenrechtsgruppen, darunter nationale und internationale Organisationen, besuchen regelmäßig Häftlinge im Polizeipräsidium und Gefangene im Monrovia Central Prison (MCP) (USDOS 3.3.2017).

Die Verfassung verbietet willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, aber die Regierung setzt dieses Verbot nicht effektiv um und es kommt weiterhin zu willkürlichen Verhaftungen, Körperverletzungen und Inhaftierungen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (22.1.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1425482.html, Zugriff 26.3.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 26.3.2018

Todesstrafe

Die Todesstrafe wurde 2005 abgeschafft, aber 2008 wieder eingeführt (Begründung: Zunahme von Gewaltverbrechen). Die Präsidentin erklärte, keine Todesurteile in ihrer Regierungszeit zu unterzeichnen. Bisher wurde kein Todesurteil vollstreckt (AA 3.2017a). Es gab Berichte über mögliche rituellen Tötungen. Am 2.3.2016 wurden drei Männer des Mordes (rituelle Tötung) verurteilt. Die Männer wurden zum Tode durch Erhängen verurteilt (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Liberia - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/liberia-node/-/222404, Zugriff 23.3.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 21.3.2018

Religionsfreiheit

Die Verfassung sieht eine Trennung von Religion und Staat vor und legt fest, dass alle Personen Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Rel

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten