TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/6 W251 2147963-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2018
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Entscheidungsdatum

06.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W251 2147963-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.01.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 20.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 22.06.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass die Taliban und ISIS in seiner Wohngegend die Jungen ständig mitnehmen würden. Da er dies jedoch nicht gewollt habe und er Angst habe getötet zu werden, sei er geflüchtet.

3. Am 11.10.2016 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass die Taliban ihn hätten rekrutieren wollen. Der Beschwerdeführer sei in einer Moschee von einem Talibankommandanten angesprochen worden und zur Zusammenarbeit aufgefordert worden. Sowohl er als auch sein Vater seien von Mitgliedern der Taliban jeweils mündlich bedroht worden.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger, lediger Mann, der in der Lage sein werde seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können und daher bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten werde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass es das Bundesamt unterlassen habe sich mit dem gesamten Fluchtvorbringen auseinanderzusetzen und eine unzureichende Befragung zum Fluchtgrund durchgeführt habe.

6. Mit Schreiben vom 25.04.2018 legte der Beschwerdeführer Integrationsunterlagen vor.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 02.05.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer gab an bereits vor 2 Jahren vom islamischen Glauben abgefallen zu sein und sich für das Christentum zu interessieren.

8. Mit Stellungnahme vom 11.05.2018 ist der Beschwerdeführer den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten nicht substantiiert entgegengetreten. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er aufgrund der versuchten Zwangsrekrutierung und wegen seinem Abfallen vom muslimischen Glauben gefährdet sei von den Taliban verfolgt zu werden. Außerdem würde der Beschwerdeführer aufgrund seines langen Auslandsaufenthaltes über keine familiäre oder sonstige Unterstützung in Afghanistan verfügen, weshalb er bei einer Abschiebung nach Afghanistan in eine aussichtslose Lage geraten würde. Zudem wäre auch sein Zugang zum Arbeitsmarkt und zu einer Unterkunft erschwert, da er über kein Netzwerk verfüge.

9. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer Länderinformationen zur Apostasie in Afghanistan. Der Beschwerdeführer ist diesen Länderberichten nicht entgegengetreten. Er führte im Wesentlichen aus, dass er sich für den christlichen Glauben interessiere und vorhabe zum Christentum zu konvertieren. Er gehöre dem muslimischen Glauben an, sei jedoch vor ca. 2 Jahren von diesem Glauben abgefallen. Er sei in Afghanistan einer Anklage und der Todesstrafe ausgesetzt, da er vom Glauben abgefallen sei und vorhabe zum Christentum zu konvertieren. Er könne seine Meinung zum Islam nicht offen äußern. Man werde ihm als Rückkehrer misstrauisch begegnen und ihn verdächtigen seine Kultur verloren zu haben. Es sei ihm auf Grund der Integration und seiner westlichen Einstellung von Relevanz seine Meinung zu sagen, diese stehe im Widerspruch zu den vorherrschenden Gegebenheiten in Afghanistan.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Er spricht Dari als Muttersprache (AS 1; AS 36; Verhandlungsprotokoll vom 02.05.2018 = OZ 16, S. 6) sowie Englisch (OZ 12, Empfehlungsschreiben vom 26.03.2018). Der Beschwerdeführer ist sunnitischer Moslem (AS 41).

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Parwan im Distrikt XXXX in dem Dorf XXXX geboren (AS 38; OZ 16, S. 6). Er ist dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinen vier Geschwistern aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat acht Jahre lang die Schule besucht. In Kabul hat er ca. ein Jahr lang einen Englischkurs besucht. Der Beschwerdeführer hat keinen Beruf gelernt. Der Beschwerdeführer hat im Iran vier Monate in einer Porzellanfabrik gearbeitet (OZ 16, S. 8-10; AS 47).

Die Familie des Beschwerdeführers verfügt in Afghanistan über Grundstücke im Ausmaß von 7.000 Jirib (auch geschrieben Jerib; 1 Jerib sind ca. 0,1 Hektar) die landwirtschaftlich genutzt werden und aus denen ein regelmäßiges Einkommen erwirtschaftet wird sowie über ein Haus (OZ 16, S. 10; AS 38).

Die Familie des Beschwerdeführers lebt derzeit im Iran. Der Beschwerdeführer hat telefonischen Kontakt mit seiner Familie (AS 44 ff; OZ 16, S. 14). Der Beschwerdeführer kann von seiner Familie zumindest vorübergehend finanziell unterstützt werden.

Der Beschwerdeführer verfügt zudem über eine Großtante und einen Großonkel mütterlicherseits die in Kabul leben. Der Beschwerdeführer hat grundlegende Ortskenntnisse betreffend Kabul und auch ca. ein Jahr lang in Kabul gelebt (AS 47; OZ 16, S. 9). Der Beschwerdeführer kann auch von diesen Verwandten zumindest vorrübergehend unterstützt werden. Er kann zumindest vorübergehend bei diesen wohnen.

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest Juni 2015 durchgehend in Österreich auf (AS 1).

Der Beschwerdeführer hat am Kurs "Deutsch für AsylwerberInnen" teilgenommen (AS 53). Der Beschwerdeführer hat die Übergangsstufe der HTL besucht, wobei der Beschwerdeführer die erforderliche Anwesenheit nicht erbracht hat (AS 51). Der Beschwerdeführer hat derzeit eine Lehrstelle im Gastgewerbe als Gastronomiefachmann (AS 214). Der Beschwerdeführer betreibt regelmäßig Sport und hat regelmäßig Kontakt zu österreichischen Familien (OZ 16, S. 12; OZ 15, Schreiben vom 23.03.2018). Er führt seit März 2017 mit einer österreichischen Staatsangehörigen eine Beziehung, mit der er seine Freizeit verbringt. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Freundin nicht in einer gemeinsamen Wohnung. Der Beschwerdeführer und seine Freundin sind finanziell unabhängig, jeder verwaltet seine Finanzen selber. Der Beschwerdeführer und seine Freundin sind nicht miteinander verlobt (OZ 16, S. 7; OZ 16, S. 17 f). Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Verwandte (OZ 16, S. 12).

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund (AS 37; AS 39; OZ 16, S. 12).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1 Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden jemals von den Taliban konkret und individuell mit der Ausübung von physischer oder psychischer Gewalt bedroht.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan nicht aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität oder wegen Lebensgefahr verlassen.

Dem Beschwerdeführer würde im Falle der Rückkehr nach Afghanistan weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität oder Zwangsrekrutierung durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen drohen.

1.2.2. Der Beschwerdeführer wuchs als Angehöriger der muslimischen Religion sunnitischer Ausrichtung auf. Der Beschwerdeführer ist auch weiterhin sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer ist nicht vom Islam abgefallen, er tritt auch nicht religionsfeindlich oder gar spezifisch gegen den Islam auf.

Der Beschwerdeführer nimmt seit Mitte März 2018 an der Katechumen-Vorbereitung teil. Der Beschwerdeführer hat einen christlichen Glauben jedoch nicht verinnerlicht. Ein christlicher Glaube ist nicht wesentlicher Teil seiner Persönlichkeit geworden. Der Beschwerdeführer würde sein behauptetes Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan weder nach außen zur Schau tragen noch dieses verborgen praktizieren.

Es ist weder Familienmitgliedern des Beschwerdeführers noch anderen Personen in Afghanistan bekannt, dass der Beschwerdeführer sich in Österreich in einer Kirche über das Christentum informiert hat oder dort einen Taufvorbereitungskurs besucht. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Familie nicht darüber gesprochen, dass er sich in Österreich für das Christentum interessieren würde.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in die Provinz Parwan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Kabul sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Kabul kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Kabul Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage:

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (LIB 30.01.2018, S. 6). Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil. Der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an. Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierenden Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen. Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (LIB 30.01.2018, S. 10).

Anschläge in großen Städten, auch Kabul, finden hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen statt. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren (LIB 30.01.2018, S. 6-15).

Zwischen 1.1. und 31.12.2016 gab es 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies ist einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung, und gezielter und willkürlicher Tötungen (LIB 30.01.2018, S. 51). Afghanistan hat ca. 33,3 Millionen Einwohner (LIB 30.01.2018, S. 170).

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt sehr unterschiedlich (LIB 30.01.2018, S. 56-127).

Taliban:

Taliban versuchen weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (LIB 30.01.2018 S. 15).

Die Veränderungen des Konfliktschemas wirken sich auf die Rekrutierungsstrategien der Taliban aus. Die Taliban sind aktiver als bisher bemüht, Personal mit militärischem Hintergrund oder militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren. Da das Personal der afghanischen Streitkräfte über diese Fähigkeiten verfügt, versuchen die Taliban diese auf ihre Seite zu ziehen. Aufgrund der Schwerpunktlegung auf militärisches Wissen ist auch das Durchschnittsalter der Rekruten gestiegen (Landinfo, Afghanistan, Rekrutierung durch die Taliban, S. 8).

Menschen schließen sich den Taliban zum einen aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zum anderen aus kulturellen und religiösen Gründen an. Die Rekruten sind durch Armut, fehlende Chancen und die Tatsache, dass die Taliban relativ gute Löhne bieten, motiviert. Es spielt auch die Vorstellung, dass die Behörden und die internationale Gemeinschaft den Islam und die traditionellen Standards nicht respektieren würden, eine zentrale Rolle, wobei sich die Motive überschneiden (Landinfo, Afghanistan, Rekrutierung durch die Taliban, S. 12-13). Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Landinfo, Afghanistan, Rekrutierung durch die Taliban, S. 18). Taliban haben keine Schwierigkeiten beim Zugang zu neuen Rekruten (Landinfo, Afghanistan, Rekrutierung durch die Taliban, S. 8).

Die Taliban nehmen heute vermehrt auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gemeinschaften Rücksicht. Die Organisation der Taliban betreibt Zwangsrekrutierung nicht systematisch und Personen, die sich gegen eine Mobilisierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Reaktionen angedroht. Zudem steht eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in sehr beschränkten Ausmaß und in Ausnahmefällen zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, da die Taliban ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten haben. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Landinfo, Afghanistan, Rekrutierung durch die Taliban, S. 19).

Parwan

Die strategisch bedeutsame Provinz Parwan liegt 64 km nördlich von Kabul. Die Bevölkerungszahl der Provinz beträgt 675.795, und die der Provinzhauptstadt Charikar 57.746. Rund 70% der Bevölkerung sind ethnische Tadschiken, 18% Pashtunen und 11% Hazara - Turkmenen kommen auf 1%. Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Parwan 140 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB 30.01.2018, S. 111)

Das Bagram Airfield liegt in der Provinz Parwan. Als eine der sichersten Einrichtungen in Afghanistan ist dieser Flughafen Ziel von high-profile Angriffen durch Taliban und andere Aufständische. Aktiv sind die Taliban unter anderem in dem abgelegenen Dorf Dara Saidan in der Provinz. Militärische Operationen werden in der Provinz durchgeführt. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Taliban finden statt. Die Polizei hat in der Vergangenheit große Drogenmengen auf der Route der nördlichen Regionen beschlagnahmt. Etwa 100 Personen wurden in Zusammenhang mit Drogenschmuggel im Norden verhaftet (LIB 30.01.2018, S. 111 - 112).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

4.523.718 geschätzt (LIB 30.01.2018, S. 56).

Die afghanische Regierung hat die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. Aufständische Gruppen greifen Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren an. Auch religiöse Orte, wie z.B. Moscheen werden Ziel von Angriffen (LIB 30.01.2018, S. 57). Die genannten Gefährdungsquellen beziehen sich nicht primär auf reine Wohngebiete, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten ist.

Sichere Gebiete in Afghanistan sind in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als in den stark umkämpften Provinzen (LIB 30.01.2018, S. 28).

Kabul ist durch einen internationalen Flughafen sicher erreichbar (LIB 30.01.2018, S. 136). Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar (LIB 30.01.2018, S. 200f). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung (LIB 30.01.2018, S. 209).

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person, sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt (LIB 30.01.2018, S. 208). Kleidung und Nahrung sind daher in Kabul grundsätzlich verfügbar.

In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung (LIB 30.01.2018, S. 209). Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO-Bericht "Afghanistan Netzwerke", S. 31).

Wirtschaft:

Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Armutsrate stagniert bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, in denen die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist. Die Analphabetenquote auf dem Land beträgt rund 90%. Jährlich drängen rund 400.000 junge Menschen neu auf den Arbeitsmarkt, diese können jedoch nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen sowie Gewalt sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (LIB 30.01.2018, S. 196f).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO-Bericht "Afghanistan Netzwerke", S. 29-30).

Rückkehrer:

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghanen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer im Allgemeinen armutsgefährdet. (LIB 30.01.2018, S. 204).

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen, jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (LIB 30.01.2018, S. 207).

IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. IOM gibt auch abgeschobenen Asylbewerbern Unterstützung nach der Ankunft im Land. Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrern in Afghanistan anbieten (LIB 30.01.2018, S. 208).

Es kann nicht festgestellt werden, dass Rückkehrer, auf Grund dieses Merkmals, in Afghanistan systematisch psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt sind.

Soziale Netzwerke:

Die Großfamilie bildet die zentrale Säule der afghanischen Gesellschaft; sie ist die kleinste Einheit in der Gesellschaft und der weitaus wichtigste Baustein des Sozialstruktur Afghanistans. Als maßgebliche soziale Institution bildet die Großfamilie das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Sie trägt zum Schutz, zur Betreuung und Versorgung der Mitglieder der Familiengruppe bei. Die Großfamilie bildet eine wirtschaftliche Einheit; die Männer in der Familiengruppe sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren (Beilage ./V, S. 12).

Die wechselseitige Verpflichtung, einander innerhalb der Großfamilie zu helfen und zu unterstützen, ist stark, und die Traditionen, Verantwortung für Menschen innerhalb der Gruppe zu übernehmen, sind tief verwurzelt. Je enger die Verwandtschaft, desto stärker ist die Pflicht zu helfen und zu unterstützen. Es ist unmöglich, Menschen aus dem engsten Umfeld wie Brüder, die Kinder des Bruders des Vaters etc. zurückzuweisen, es sei denn, es besteht ein schwerwiegender Konflikt innerhalb der Familie. Es ist nicht vorstellbar, dass einem Afghanen kein Dach über dem Kopf angeboten wird, wenn die Alternative wäre, dass ein enges Familienmitglied auf der Straße stünde. Es ist kulturell inakzeptabel, eine Person, die um Zuflucht ersucht, abzuweisen, und das gilt insbesondere für enge Verwandte. Die Dauer des Aufenthaltes ist von den Mitteln der Familie abhängig. Die Pflichten gegenüber der Großfamilie gelten für alle Afghanen ungeachtet der ethnischen Zugehörigkeit (Beilage ./V, S. 13).

Es ist leicht möglich, den Kontakt mit der Großfamilie und den Verwandten wiederherzustellen (Beilage ./V, S. 14). Die Verwandten mütterlicherseits dürfen helfen, wenn die Mittel der Familie väterlicherseits knapp sind und diese damit einverstanden ist (Beilage ./V, S. 15).

Religionsfreiheit

Etwa 9,7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84,7-89,7% Sunniten. Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus (LIB 30.01.2018, S. 161).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam (LIB 30.01.2018, S. 161).

Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern. Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (LIB 30.01.2018, S. 161 f).

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion. Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (LIB 30.01.2018, S. 162).

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (LIB 30.01.2018, S. 163).

Christen:

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Ihre Zahl kann nicht verlässlich angegeben werden, da Konvertiten sich nicht öffentlich bekennen. Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber konvertierten Christen ist ablehnend. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen, der mit dem Tod bestraft werden könnte - sofern die Konversion nicht widerrufen wird. Keiner wurde bisher aufgrund von Konversion durch den afghanischen Staat hingerichtet (LIB 30.01.2018, S. 166).

Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie betrachtet und gemäß der Auslegung des islamischen Rechts durch das Gericht mit dem Tod bestraft. Betroffene Personen haben vor Gericht drei Tage Zeit die Apostasie zu widerrufen. Widerrufen sie nicht, so haben sie die für die Apostasie vorgesehene Strafe zu erhalten. Richter könne zudem geringere Strafen verhängen, wenn Zweifel am Vorliegen von Apostasie bestehen (Anfragebeantwortung von ACCORD, Apostaten, Christen vom 01.06.2017, S. 4f). Geistig zurechnungsfähige Bürger die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grundes und sonstigen Eigentums. Sie könne von der Familie und der Gesellschaft zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren (Anfragebeantwortung von ACCORD, Apostaten, Christen vom 01.06.2017 ./IV, S. 6).

Es gibt heute eine ganze Reihe von Afghanen die zum Christentum übergetreten sind. Diese geben weitgehend nicht einmal gegenüber der eigenen Familie ihren Glaubensübertritt bekannt (Anfragebeantwortung von ACCORD, Apostaten, Christen vom 01.06.2017, S. 8f). Mitglieder religiöser Minderheiten, wie etwa Christen, vermeiden es aus Angst vor Diskriminierung, Misshandlung, willkürlicher Verfolgung oder Tötung, sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen oder sich offen zum Gebet zu versammeln. Mitglieder der kleinen christlichen Gemeinden, von denen viele im Ausland zum Christentum konvertiert sind, halten aus Angst vor Diskriminierung oder Verfolgung weiterhin alleine oder in kleinen Gruppen in Privathäusern Gottesdienste ab. Es gibt keine öffentlichen Kirchen in Afghanistan. Die einzige bekannte Kirche in Afghanistan ist auf dem Gelände der italienischen Botschaft (Anfragebeantwortung von ACCORD, Apostaten, Christen vom 01.06.2017./IV S. 8, 10).

Apostaten (Abfall vom Islam):

Es gibt viele Personen die freitags nicht beten oder während des Ramadans nicht fasten. Dies ist eine heiklere Angelegenheit in den ländlichen Gebieten, als in den städtischen Gebieten. Für das Nichtbeten des Freitagsgebetes werden solche Personen nicht bestraft und von den staatlichen Behörden nicht angewiesen, dies zu tun. Für das Nichtfasten während des Ramadans würden staatliche Behörden bzw. die Gesellschaft dem Nichtfastenden-des-Ramadan anraten und anweisen den Ramadan einzuhalten. Die Gesellschaft behandelt dies als kleine Vergehen (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan, 12.07.2017, S. 5f).

Für gebürtige Muslime ist ein Leben in der afghanischen Gesellschaft möglich, ohne, dass sie den Islam praktizieren würden und auch dann, wenn sie Apostaten oder Konvertiten sind. Solche Personen sind dann in Sicherheit, wenn diese Stillschweigen bewahren. Es kann zu einer Gefährdung kommen, wenn öffentlich bekannt wird, dass diese aufgehört haben an den Islam zu glauben (Anfragebeantwortung von ACCORD, Apostaten, Christen vom 01.06.2017, S. 7).

Apostasie und Blasphemie stellen Kapitalverbrechen dar, bei denen Todesstrafe droht. In beiden Fällen haben die Betroffenen vor Gericht drei Tage Zeit um ihre "Tat" zu widerrufen (Anfragebeantwortung von ACCORD, Apostaten, Christen vom 01.06.2017, S. 14).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers und einer Zeugin (Lebensgefährtin) in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./V (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister Beilage ./I;

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 02.03.2017 mit Aktualisierung vom 30.01.2018, Beilage ./II;

Gutachten Mag. Mahringer vom 05.03.2017, Beilage ./III; Landinfo, Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban vom 29.06.2017 Beilage ./IV; EASO Afghanistan Netzwerke, Jänner 2018, Beilage ./V) und die in der Verhandlung vorgelegten Unterlagen ./A sowie die in der Stellungnahme vom 25.04.2018 (OZ 15) vorgelegten Unterlagen (Gutachten von Frederike Stahlmann zu Afghanistan vom 28.03.2018 Beilage ./A; Verständigung der WKS über Berichtigung des Lehrvertrages; Empfehlungsschreiben vom 26.03.2018; Bestätigung über Besuch der Katechumen Vorbereitung vom 02.04.2018;

Empfehlungsschreiben vom 23.03.2018; Ausbildungs-abrechnung aus Februar 2018; Ausbildungsabrechnung aus März 2018;

Unterstützungsschreiben vom 05.04.2018; Foto) und durch Einsicht in die mit OZ 19 beigezogenen Unterlagen (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan vom 12.07.2017; Anfragebeantwortung von ACCORD zur Situation von 1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen Konvertiten, 3) Personen, die Kritik am Islam äußern,

4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa vom 01.06.2017).

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seiner Schulbildung und seiner Berufserfahrung) sowie zu den Eigentumsverhältnissen seiner Familie gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Das Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer weiterhin der sunnitisch-muslimischen Religionsgemeinschaft angehört. In der Einvernahme beim Bundesamt am 11.10.2016 gab der Beschwerdeführer zu seiner Religionszugehörigkeit an, dass er gläubiger Moslem sei und, dass er nicht vor habe zu einer anderen Religion zu konvertieren (AS 41). Seine Angaben in der mündlichen Verhandlung, bereits damals vom Glauben abgefallen zu sein sowie sein behauptetes Interesse am christlichen Glauben sind daher nicht glaubhaft (siehe insbesondere Punkt II. 2.2.7.).

Dass der Beschwerdeführer Kontakt zu seiner Familie hat, ergibt sich zum einen aus seinen eigenen Angaben, wonach er mit seiner älteren Schwester einmal im Monat Kontakt hat (OZ 16, S. 6). Das Gericht geht zudem davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht vom Islam abgefallen ist (siehe Punkt II.2.2.), sodass für das Gericht ebenfalls nicht glaubhaft ist, dass er seinen Eltern oder anderen Familienmitgliedern erzählen soll, er sei vom Islam abgefallen oder würde sich für das Christentum interessieren. Das behauptete Verstoßen durch seine Familie ist daher für das Gericht als Schutzbehauptung zu qualifizieren und nicht glaubhaft. Es ist für das Gericht daher auch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer seiner Familie gegenüber angeben sollte vom Islam abgefallen zu sein oder sich für das Christentum zu interessieren.

Das Gericht geht daher auch davon aus, dass der Beschwerdeführer sowohl von seiner Familie im Iran, die von den Einnahmen aus der Landwirtschaft in Afghanistan von 7.000 Jirib Grundstücken lebt, als auch von den in Kabul lebenden Verwandten zumindest vorübergehend finanziell bzw. durch die zumindest vorübergehende zur Verfügungstellung von Wohnmöglichkeiten unterstützt werden kann. Auf Grund der wechselseitigen Verpflichtung, einander innerhalb der Großfamilie zu helfen, ist für das Gericht kein Grund ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer nicht auf die Unterstützung von Familienangehörigen zurückgreifen können sollte. Es ist, nach den Länderberichten, auch leicht möglich, den Kontakt mit der Großfamilie und den Verwandten wiederherzustellen. Auch die Familie mütterlicherseits kann Hilfestellungen anbieten.

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 16, S. 7 f), die Zeugeneinvernahme der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers (OZ 16, S. 17 f), sowie auf die von ihm in der Beschwerde und in der Urkundenvorlage vom 25.04.2018 vorgelegten Unterlagen zur Integration.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung (AS 37; AS 39; OZ 16, S.

12) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Strafregisterauszug vom 23.04.2018).

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.2.1 Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen in der Einvernahme beim Bundesamt waren lediglich vage und detaillos. Der Beschwerdeführer präsentierte in der Einvernahme beim Bundesamt eine bloße Rahmengeschichte, die er selbst auf Nachfragen kaum näher ausführen konnte (AS 42 f). Die Schilderungen machen insgesamt nicht den Eindruck, dass es sich dabei um tatsächlich erlebte Ereignisse handeln würde.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt in der freien Erzählung über seine Fluchtgründe Folgendes an: "Meine Fluchtgründe beziehen sich auf die Taliban. Sie haben versucht mich zu rekrutieren. Sie haben gesagt, dass die Ungläubigen uns ausnutzen. Ich bin Moslem und sollte doch für die Taliban arbeiten. Ein Taliban Kommandant namens XXXX bedrohte mich. Ein gewisser XXXX bedrohte meinen Vater. Sie bedrohten uns zwei Mal mündlich und dann versuchten sie es mit Drohbriefen. Ich selber habe keine Drohbriefe erhalten. Nach dem Drohbrief kann man nichts mehr tun. Wenn man einen Drohbrief erhält ist es aus, das Leben steht auf dem Spiel. Ebenfalls wurden auch meine Nachbarn bedroht - zuerst mündlich und dann mittels Brief. Danach wurden sie getötet. Ich bin dann aus Afghanistan geflüchtet. Ich konnte keine Schule besuchen." (OZ 16, S. 42).

Die Angaben des Beschwerdeführers machen nicht den Eindruck, als würde es sich dabei um tatsächlich erlebte Ereignisse handeln.

2.2.2. Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt in der freien Erzählung an, von den Taliban bedroht worden zu sein (AS 42). Der Beschwerdeführer wurde beim Bundesamt auch befragt wie er bedroht worden sei. Der Beschwerdeführer gab an, dass man ihm gesagt habe, er solle in Peschawar eine 6-monatige Ausbildung machen. Er würde danach Geld bekommen und danach in Kabul gegen die Regierung kämpfen (AS 43). Es ist in diesem Gesagten für das Gericht keine Drohung zu erkennen, tatsächlich wurde weder psychische noch physische Gewalt ausgeübt, sondern dem Beschwerdeführer Geld angeboten. Der Beschwerdeführer verneinte, dass es zu Übergriffen gegen ihn gekommen sei (As 43). Er gab auch an danach keinen weiteren Kontakt mit den Taliban gehabt zu haben und noch ein Monat im Dorf bei sich zu Hause verbracht zu habe (AS 43).

Die Angaben des Beschwerdeführers wonach er von den Taliban bedroht worden sei, sind nicht nachvollziehbar.

2.2.3. Die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, wonach sein Vater bzw. seine Familie verlangt habe, dass er sich den Taliban anschließen solle und er eine Ausbildung bei den Taliban machen solle (OZ 16, S. 13), sind nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt zu keinem Zeitpunkt an, dass sein Vater oder andere Familienmitglieder Druck auf ihn ausgeübt hätten oder von ihm verlangt hätten sich den Taliban als Attentäter anzuschließen. Ein starker Druck von der Familie sich den Taliban gegen den eigenen Willen anzuschließen wäre jedoch besonders einprägsam, sodass dies stark in Erinnerung bleiben müsste und der Beschwerdeführer dies wohl bereits beim Bundesamt angegeben hätte, würde es sich tatsächlich um erlebte Ereignisse handeln. Es handelt sich bei diesen Angaben des Beschwerdeführers um eine Steigerung seiner Fluchtgründe die nicht glaubhaft sind.

2.2.4. Die Angaben des Beschwerdeführers sind zudem nicht mit den zugrundeliegenden Länderberichten in Einklang zu bringen. Dem beigezogenen Länderbericht zur Rekrutierung durch die Taliban (siehe Beilage ./IV) ist zu entnehmen, dass die Organisation der Taliban vorwiegend Personal mit militärischem Hintergrund sowie militärischen Fertigkeiten rekrutiert. Der Beschwerdeführer weist jedoch keine militärische Vergangenheit auf, sodass unschlüssig ist, weshalb ausgerechnet der Beschwerdeführer in den Fokus der Taliban gelangen soll. Weiters kommt es nur in sehr beschränktem Ausmaß und in Ausnahmefällen zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, da die Taliban ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten haben.

Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Vater des Beschwerdeführers von den Taliban festgenommen oder geschlagen werden sollte, da die Taliban keinen Zwang zur Rekrutierung anwenden, da diese ausreichenden Zulauf haben.

Es ist daher im Hinblick auf die Länderberichte auch unplausibel, dass ein Nachbar getötet worden sei, weil er es abgelehnt habe eine Ausbildung bei den Taliban zu machen.

Der Beschwerdeführer gab an, dass er in seiner Ausbildung unter anderem lernen sollte, sich in die Luft zu sprengen (OZ 16, S. 13). Dem Länderbericht zur Rekrutierung durch die Taliban ist jedoch zu entnehmen, dass die für Selbstmordattentate herangezogenen Kämpfer besonders vertrauenswürdig sein müssen und eine religiöse und ideologische Überzeugung für die Durchführung des Selbstmordanschlages besonders wichtig ist. Es ist daher nicht schlüssig, dass der Beschwerdeführer, obwohl er das Angebot der Taliban schon abgelehnt hat, für eine solche Aufgabe herangezogen werden soll, zumal der Beschwerdeführer auch angab, dass er von den Taliban auch geschlagen worden sei, da er nicht gerne bete oder in die Moschee gehe. Die Angaben des Beschwerdeführers sind unplausibel und nicht glaubhaft.

2.2.5. Der Beschwerdeführer führte in der Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung weiters aus, dass seine Familie nach seiner Ausreise bedroht worden sei und danach in den Iran gegangen sei (AS 44; OZ 16, S. 15). Zu den genauen Umständen der Drohungen gegen seine Familie machte der Beschwerdeführer lediglich vage Angaben. In der Einvernahme beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer dazu Folgendes an:

"BF: Ständig sind die Taliban aufgetaucht und haben nach mir gefragt. Sie schlugen meinen Vater und nahmen ihn auch fest." (AS 44)

In der mündlichen Verhandlung machte der Beschwerdeführer ebenfalls vage Angaben. Zu den genauen Vorfällen befragt, gab der Beschwerdeführer dabei Folgendes an:

"BF: Man hat meine Familie, besonders meinen Vater bedroht, man fragte, wo sein Sohn wäre, also ich wäre." (OZ 16, S. 16)

Aufgrund der derart vagen und detaillosen Angaben zu der Bedrohung der Familie und im Hinblick auf die Länderinformationen, ist nicht ersichtlich, dass es sich dabei um tatsächliche Ereignisse handelt. Es ist für das Gericht weder glaubhaft dass der Beschwerdeführer noch, dass seine Familie jemals von den Taliban bedroht wurde.

In diesem Zusammenhang ist zudem unschlüssig, dass der Beschwerdeführer beim Bundesamt noch angab, sein Vater sei festgenommen worden. Dies erwähnte er jedoch in der mündlichen Verhandlung, auf die Frage was genau vorgefallen sei, nicht (OZ 16, S. 16). Bei der Festnahme des Vaters handelt es sich jedoch um ein besonders einprägsames Detail, dass wohl nicht in Vergessenheit geraten würde - hätte sich dieses tatsächlich so ereignet.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind nicht glaubhaft.

2.2.5. Da keine Bedrohung durch die Taliban oder durch andere Personen vorliegt, geht das Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen hat.

2.2.6. Es sind auch sonst keine Gründe ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere in die Stadt Kabul, der Gefahr ausgesetzt wäre von den Taliban verfolgt zu werden. Da weder eine gezielte Verfolgung der Taliban noch sonstige Gründe für eine Verfolgung erkennbar waren, wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Taliban oder durch andere Personen drohen würde.

2.2.7. Soweit der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, dass er vom islamischen Glauben abgefallen sei, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubwürdigkeit zu:

2.2.7.1. In der Einvernahme beim Bundesamt am 11.10.2016 gab der Beschwerdeführer zu seiner Religionszugehörigkeit an, dass er gläubiger Moslem sei und, dass er nicht vor habe zu einer anderen Religion zu konvertieren (AS 41). In der mündlichen Verhandlung vom 02.05.2018 gab er hingegen an, dass er kein "praktizierender Moslem gewesen sei" und dass er bereits seit zwei Jahren vom islamischen Glauben abgefallen sei (OZ 16, S. 6). Da die mündliche Verhandlung ca. eineinhalb Jahre nach der Einvernahme stattgefunden hat, ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers, dass er bereits zum Zeitpunkt der Einvernahme "vom Glauben abgefallen" sein müsse. In diesem Zusammenhang ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass sich der Beschwerdeführer in der Einvernahme als gläubiger Moslem bezeichnet hat und eine Konversion klar ausgeschlossen hat. Der vorliegende Widerspruch in Bezug auf die Angabe seiner Religionszugehörigkeit ist daher nicht nachvollziehbar und sind seine diesbezüglichen Angaben nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung von der Richterin dazu befragt, warum er diese Angaben nicht bereits in der Einvernahme beim Bundesamt gemacht hat. Er führte dazu Folgendes aus:

"R: Warum haben Sie dann im Oktober 2016 beim BFA gesagt, dass Sie sunnitischer Moslem sind?

BF: Die Frage war so, dass man mich gefragt hat, was meine Religion in Afghanistan war, deswegen habe ich das so gesagt.

R: Die Frage war damals nicht so, die Frage war: Nennen Sie mir Ihre Religionszugehörigkeit.

BF: Ich habe die Frage damals so verstanden, was meine Religion in Afghanistan gewesen sei." (OZ 16, S. 7)

Die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers waren in diesem Zusammenhang nicht plausibel. Insbesondere deshalb, da der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem Bundesamt angegeben hat, dass er "gläubiger Moslem sei" und nicht vor habe zu einer anderen Religion zu konvertieren (AS 43). Es ist daher für die erkennende Richterin unzweifelhaft, dass beim Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Einvernahme beim Bundesamt noch kein Abfall vom islamischen Glauben vorgelegen ist und es sich dabei nur um eine Schutzbehauptung und Scheinbegründung handelt, um bessere Chancen für ein erfolgreiches Verfahren zu haben. Seine diesbezüglichen Angaben waren nicht glaubhaft und es konnte daher insgesamt nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vom islamischen Glauben abgefallen ist.

2.2.7.2. Der Beschwerdeführer führte in der mündlichen Verhandlung weiters aus, dass er vor habe zum Christentum zu wechseln und seit März 2018 die Kirche besuche (OZ 16, S. 12). Als Beweis dafür legte er eine Teilnahmebestätigung für eine Taufvorbereitung vom 02.04.2018 vor, aus der hervorgeht, dass er seit März 2018 an der Taufvorbereitung teilnimmt. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben in Bezug auf den Abfall vom Islam, sowie der erst kurzen Dauer der Beschäftigung mit dem Christentum ist es für die erkennende Richterin nicht plausibel, dass beim Beschwerdeführer ein tatsächliches Interesse am Christentum oder eine innere Zuwendung zum Christentum vorliegt.

Das Gericht geht aus den oben genannten Gründen davon aus, dass der Beschwerdeführer seine vermeintliche Hinwendung zum Christentum lediglich zur Erlangung eines Asyltitels behauptet. Es ist daher auch nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Einreise nach Afghanistan weiter nachkommen würde und sein Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Einreise nach Afghanistan nach außen zur Schau tragen würde.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat und zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

In der Verhandlung legte der Beschwerdeführer ein Gutachten von Stahlmann vom März 2018 vor, welches im Auftrag des Verwaltungsgerichtes Wiesbaden erstellt wurde. Das Gutachten zeigt jedoch keine konkrete und individuell den Beschwerdeführer treffende Bedrohung bzw. eine Verfolgung auf.

Das Gutachten kommt zum Schluss, dass alleine aufgrund der Anwesenheit einer Person in Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit bestünde. Das Gesamtniveau der Gewalt würde sich aus einer Kombination von Gewaltformen (Gefahr ausgehend von Aufständischen, staatlichen Akteuren oder privaten Akteuren) konstituieren, dass grundsätzlich landesweit drohen würde. Jedoch ist zu beachten, dass im gegenständlichen Gutachten eine subjektive Quellenauswahl und -interpretation vorgenommen wurde und von regionalen Einzelfällen Rückschlüsse auf die Situation in Afghanistan landesweit gezogen werden. Die Gutachterin trifft insbesondere zur Sicherheitslage in Afghanistan teilweise nur sehr allgemein gehaltene Aussagen - die einer rechtlichen Beurteilung gleichkommen - und lässt dabei vor allem regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen vollkommen außer Acht. Außerdem sind die Schlussfolgerungen der Gutachterin, dass eine Ansiedlung in Kabul ohne familiäre oder soziale Unterstützung nicht möglich ist, aufgrund der zugrundeliegenden Quellen zu allgemein gehalten, um daraus eine verallgemeinerungsfähige, über den Einzelfall hinausgehende Feststellung zu treffen. Es wird zwar seitens der Gutachterin eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür aufgezeigt, dass es für afghanische Rückkehrer schwer ist in Kabul eine Arbeit und eine Wohnung zu finden, sie liefert jedoch keinen Nachweis dafür, dass sich die beschriebenen Risiken bei einer bestimmten Anzahl von Rückkehrern tatsächlich realisiert haben und deswegen jeder Rückkehrer einer tatsächlichen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt wäre.

Schließlich weist dieses Gutachten für das erkennende Gericht auch nicht denselben Beweiswert auf, wie länderkundliche Informationen (LIB, UNHCR-Richtlinien, etc.), die einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchliefen, sodass das Gericht seine Feststellungen auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, den Bericht von EASO und auf den Bericht von Landinfo stützt.

Der in der mündlichen Verhandlung (OZ 16, S. 4) gestellte Antrag, auf Bestellung von Frau Stahlmann zur Gutachterin und auf Erörterung des Gutachtens von Frau Stahlmann durch diese in einer mündlichen Verhandlung war abzuweisen. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist Beweisanträgen grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen (so zB VwGH 08.11.2016, Ra 2016/09/0096, mwN).

Es liegt im Wesen der freien Beweiswürdigung, dass Beweisanträge nicht mehr berücksichtigt werden müssen, wenn sich die Verwaltungsbehörde bzw. das Gericht auf Grund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltsmomente machen konnte (VwGH 14.10.2009, 2008/12/0203; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 65 zu § 52 AVG, mit weiterführenden Hinweisen auf die Judikatur).

Da das Bundesverwaltungsgericht länderkundliche Informationen, die eben einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess durchlaufen haben, in das Verfahren eingebracht hat, war es bereits in der Lage, sich ein klares Bild vom relevanten Sachverhalt zu machen. Der Beschwerdeführer vermochte daher mit seinem Antrag keine Verpflichtung zu weiteren Ermittlungen auszulösen. Zudem ist dem Beweisantrag nicht zu entnehmen, welches Beweisthema durch eine Sachverständigenbestellung hätte bewiesen werden sollen, der Beweisantrag ist dahingehend unbestimmt. Der entsprechende Beweisantrag war daher auch aus diesem Grund abzuweisen.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Parwan ergeben sich aus den o.a. Länderberichten. Daraus geht unter anderem hervor, dass die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers volatil ist.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in außerhalb seiner Herkunftsprovinz gelegenen Landesteilen, insbesondere in der Stadt Kabul, ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den o. a. Länderberichten zu Kabul und aus den Angaben des Beschwerdeführers.

In der Hauptstadt Kabul finden überwiegend Angriffe in Regierungs- und Botschaftsnähe, also mit möglichst hoher medialer Reichweite, statt. Dabei kam es immer wieder zu zivilen Opfern. Die Regierung ist jedoch in der Lage hier die Sicherheit abseits dieser High-Profile Attentate zu gewährleisten bzw. ist sogar dabei diese auszubauen. Das Gericht geht daher davon aus, dass es in der Stadt Kabul zu Anschlägen kommt, jedoch nicht in allen Stadtteilen.

Dass die Wohnraum- und Versorgungslage angespannt ist ergibt sich aus den Länderberichten, wonach in Kabul zwar an sich Wohnraum zur Verfügung steht, es jedoch eine erhebliche Anzahl an Rückkehrern gibt, sodass die Lage angespannt ist. Auch gibt es nicht genügend Arbeitsplätze.

Der Beschwerdeführer ist zwar in

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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