Entscheidungsdatum
06.08.2018Norm
AlVG §10Spruch
G305 2189399-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Ingrid KUSTER und Mag. Robert DRAXLER als Beisitzer über den Antrag des XXXX, geb. XXXX, XXXX, auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle XXXX des Arbeitsmarktservice vom 07.02.2018, VSNR:
XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung b e s c h l o s s e n:
A)
Der auf die Gewährung der Verfahrenshilfe gerichtete Antrag wird z u r ü c k g e w i e s e n.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Mit Bescheid vom 07.02.2018, VSNR: XXXX, sprach die regionale Geschäftsstelle XXXX des Arbeitsmarktservice (in der Folge: belangte Behörde oder kurz AMS) gegenüber XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) aus, dass er gemäß § 38 iVm. § 10 Abs. 4 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) 1977 den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum 23.01.2018 bis 31.01.2018 verloren habe und Nachsicht nicht erteilt werde.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der BF am Kurs HubstaplerführerInnen-Ausbildung mit Prüfung vom 23.01. bis 31.03.2018 unentschuldigt gefehlt hätte.
2. In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde, die er mit den Anträgen verband, dass der Bescheid aufgehoben werden möge, die Notstandshilfe für den Zeitraum ausgezahlt und eine Beweisaufnahme und ein sachgemäßes Verfahren durchgeführt werden mögen, und ihm überdies femäß § 61 VwGG iVm. § 64 ZPO Verfahrenshilfe gewährt werden möge, führte er im Wesentlichen kurz zusammengefasst begründend aus, dass er am Ende des letzten Jahres einen beruflichen Einstieg mit einer Weiterbildung forcieren wollte und habe er sich über Kursangebote des AMS erkundigt. Darauf hin sei er mit seinem Betreuer ins Gespräch gekommen und habe ein im Jänner stattfindender Staplerkurs im Raum gestanden. Beim ersten AMS-Termin dieses Jahres habe sich die Ausgangssituation geändert und habe er seinem AMS-Betreuer die schriftliche Zusage für eine Arbeitsstelle überreicht. Der Staplerkurs hätte seit diesem Zeitpunkt für seine Zukunft keine Bedeutung mehr gehabt. Obwohl er seinen Betreuer dies mitteilte, habe dieser vorgeschlagen, dass er den Kurs trotzdem besuchen solle. Am Montag, den 22.01.2018, um 08:00 Uhr, hätte er den Kursleiter auf diese Problematik angesprochen; dieser habe ihm auf seine Frage, ob er die Theorie im Selbststudium lernen könne, mitgeteilt, dass dies möglich sei, er aber die praktischen Stunden absolvieren und bei der Prüfung anwesend sein müsse. Nach dem Absolvieren des praktischen Teils habe nur noch die mündliche Prüfung am Dienstag, 30.01.2018 gefehlt. Am Montag, 29.01.2018 habe er mit der zuständigen WIFI-Zentrale über den genauen Zeitpunkt der mündlichen Prüfung Kontakt aufgenommen und der dortigen Mitarbeiterin, XXXX, seine Situation geschildert. Sie habe ihm mitgeteilt, dass es sich um ein Missverständnis und eine Fehlinformation des Kursleiters gehandelt habe und dass bei WIFI-Kursen eine 70%ige Anwesenheitspflicht herrsche.
3. Am 15.03.2018 legte die belangte Behörde den mit der Beschwerde verbundenen Verfahrenshilfeantrag dem Bundesverwaltungsgericht vor und wurde dieser der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.
Im Begleitschreiben heißt es, dass sich die belangte Behörde die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vorbehalte.
4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 24.04.2018, GZ: XXXX, sprach die belangte Behörde innerhalb offener Frist über die gegen den Bescheid vom 07.02.2018 erhobene Beschwerde des BF ab, indem sie den angefochtenen Bescheid dahingehend abänderte, als ausgesprochen wurde, dass er gemäß §§ 38 iVm. 10 Abs. 4 AlVG den Anspruch auf Gewährung der Notstandshilfe am 23.01.2018, 24.01.2018 und am 26.01.2018 verloren hätte, weil er unentschuldigt vom Kurs ferngeblieben war. Gegen die dem BF zugestellte Beschwerdevorentscheidung brachte dieser keinen Vorlageantrag ein.
5. Am 06.08.2018 wurde eine mündliche Verhandlung anberaumt, anlässlich der der Beschwerdeführer als Partei einvernommen wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Rechtliche Beurteilung:
1.1. Zu Spruchteil A): Zurückweisung der Anträge
1.1.1. Gegenständlich hat der BF mit seiner gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 07.02.2018 erhobenen Beschwerde einen Verfahrenshilfeantrag verbunden, über den das Bundesverwaltungsgericht abzusprechen hat.
Die relevante Bestimmung des § 8a VwGVG lautet auszugsweise wiedergegeben wie folgt:
"§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.
(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.
[...]"
1.1.2. Die Artikel 47 und 51 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl 2012/C 326/02, lauten auszugsweise wörtlich wiedergegeben wie folgt:
"Artikel 47
Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht
Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.
Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.
Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten."
"Artikel 51
Anwendungsbereich
(1) Diese Charta gilt für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Dementsprechend achten sie die Rechte, halten sie sich an die Grundsätze und fördern sie deren Anwendung entsprechend ihren jeweiligen Zuständigkeiten und unter Achtung der Grenzen der Zuständigkeiten, die der Union in den Verträgen übertragen werden."
1.1.3. Im gegenständlichen Fall bedeutet dies:
Durch die Bestimmung des § 8a VwGV soll dem Erkenntnis des VfGH vom 25.06.2015 zur Zl. G 7/2015, wonach die Bewilligung der Verfahrenshilfe auch abseits der Verwaltungsstrafverfahren in Administrativverfahren gewährleistet sein muss, Rechnung getragen werden. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe kommt nach dieser Bestimmung zunächst nur insoweit in Betracht, als durch Bundes- oder Landesgesetz hinsichtlich der Regelung von Verfahrenshilfe nicht anderes bestimmt ist; die Bestimmung gelangt daher nur subsidiär zur Anwendung. Dabei ist wesentlich, dass in den betreffenden Materiengesetzen der Verfahrenshilfe entsprechende Regelungen, die eine unentgeltliche Unterstützung der Partei im Verfahren gewährleisten, vorhanden sind (siehe dazu Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Aufl., Wien 2017, K2 zu § 8a VwGVG). Ein Rechtsanspruch auf Bewilligung der Verfahrenshilfe besteht jedoch nur, wenn nachstehende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:
* Art 6 EMRK und Art. 47 GRC erfordern die Bewilligung;
* der notwendige Unterhalt der Partei wird durch die Kosten der Verfahrensführung beeinträchtigt;
* die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf nicht offenbar mutwillig erscheinen;
* die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf nicht offenbar aussichtslos erscheinen (Eder/Martschin/Schmid, Verfahrensrecht, 2. Aufl., K 5 zu § 8a VwGVG)
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 22.12.2010, Rs C-279/09 festgehalten, dass die Frage der unionsrechtlich gebotenen Gewährung von Prozesskostenhilfe, die auch Gebühren für den Beistand eines Rechtsanwaltes umfassen können, einzelfallbezogen nach Maßgabe folgender Kriterien zu erfolgen haben: Begründete Erfolgsaussichten des Klägers, die Bedeutung des Rechtsstreits für diesen, die Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeit des Klägers, sein Anliegen wirksam (selbst) zu verteidigen (VwGH vom 03.09.2015, Zl. Ro 2015/21/0032). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die Verfahrenshilfe nicht in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren. In seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung der Bestimmung des § 40 VwGVG führte, fasste der Verfassungsgerichtshof die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dahingehend zusammen, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten zum Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe RV 1255 der Beilagen XXV. GP, Erl. zu § 8a VwGVG).
In Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht besteht grundsätzlich keine Anwaltspflicht. Anlassbezogen hat der Antragsteller seine gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 07.02.2018 erhobene Beschwerde mit einem Verfahrenshilfeantrag verbunden.
Über die Beschwerde des BF hat die belangte Behörde innert offener Frist mit Beschwerdevorentscheidung vom 24.04.2018, GZ: XXXX abgesprochen. Da der BF gegen diesen ihm zugestellten Bescheid keinen Vorlageantrag eingebracht hat, ist dieser in Rechtskraft erwachsen.
Dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht ist durch die Erlassung der rechtskräftigen Beschwerdevorentscheidung jede Möglichkeit genommen, über die gegen den Bescheid vom 07.02.2018 eingebrachte Beschwerde inhaltlich abzusprechen.
Es war daher aus den angeführten Gründen spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist im vorliegenden Fall gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen und es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Verfahrenshilfe, ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G305.2189399.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.09.2018