TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/7 W123 2194680-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2018
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Entscheidungsdatum

07.08.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §33

Spruch

W123 2194680-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.04.2018, 1092817501/151654656/BMI-BFA_STM_AST_01 (Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung vom 29.03.2018 in die Frist zur Erhebung einer Beschwerde), zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 30.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.02.2018, 1092817501/151654656/BMI-BFA_STM_AST, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte IV.-VI.).

3. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb der Rechtsmittelfrist keine Beschwerde eingebracht.

4. Am 29.03.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und erhob gleichzeitig Beschwerde.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 05.04.2018, 1092817501/151654656/BMI-BFA_STM_AST_01, wurde der Antrag des Beschwerdeführers "I. [...] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 29.03.2018 [...] gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen. II. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung wird gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG die aufschiebende Wirkung zuerkannt."

6. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 05.04.2018 wurde mit Schreiben vom 07.05.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer stellte am 30.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit E-Mail vom 24.08.2017 wurde der belangten Behörde das Bestehen eines Vertretungsverhältnisses zwischen dem Rechtsanwalt Mag. Robert Bitsche und dem Beschwerdeführer bekanntgegeben.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.02.2018, 1092817501/151654656/BMI-BFA_STM_AST, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs .1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte IV.-VI.).

Der Bescheid wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 05.02.2018 per Rsa-Brief zugestellt. Folglich endete die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Bescheid vom 01.02.2018 mit Ablauf des 05.03.2018.

Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers informierte diesen über die Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 01.02.2018 am 09.02.2018 per E-Mail; eine weitere Verständigung durch den Rechtsanwalt erfolgte nicht. Der Beschwerdeführer erlangte keine Kenntnis von diesem E-Mail.

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb der Rechtsmittelfrist keine Beschwerde eingebracht.

Am 15.03.2018, dh nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, wurde dem Beschwerdeführer der Bescheid vom 01.02.2018 durch seinen Rechtsvertreter übermittelt.

Am 29.03.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und erhob gleichzeitig eine Beschwerde.

Mit bei der belangten Behörde am 28.03.2018 eingelangtem Schreiben gab der Rechtsanwalt Mag. Robert Bitsche die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt.

2. Beweiswürdigung:

Diese Ausführungen gründen sich auf die jeweils erwähnten Entscheidungen, Unterlagen und Schriftsätze, welche Teil der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verfahrensakten sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Spruchpunkt A)

3.1. Obwohl gemäß dem Deckblatt der gegenständlichen Beschwerde "BESCHWERDE in vollem Umfang gem Art 130 (1) Z 1 iVm 132 (1) Z 1 B-VG" erhoben wurde, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass vom Beschwerdeführer lediglich intendiert war, Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides anzufechten (arg. "Beschwerdegründe Die belangte Behörde führt begründend aus, dass die vom BF vorgebrachten Gründe kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellen und keinesfalls geeignet sind, einen Wiedereinsetzungsantrag gem § 71 AVG zu begründen. Es sei nicht ersichtlich, dass der BF den Bescheid nicht rechtzeitig erhalten habe. Weiter habe der BF sorglos gehandelt, da er sich selbstständig in gewissen Zeitabständen über den aktuellen Verfahrensstand hätte informieren müssen. Dagegen richtet sich gegenständliche Beschwerde."). Folglich war vom Bundesverwaltungsgericht nur über Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu entscheiden.

3.2. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann jegliches Geschehen, dh nicht nur tatsächliches, in der Außenwelt stattfindendes, sondern auch so genannte psychologische Vorgänge, wie Vergessen, Verschreiben, sich Irren usw., als "Ereignis" iSd § 42 Abs. 3 AVG gewertet werden (vgl. ua VwGH 27.09.2013, 2010/05/0202). Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis "unabwendbar" ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann (vgl. VwGH 24.01.1996, 94/12/0179; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Rz 39 mwN). Die Beurteilung, ob ein Ereignis "unvorhergesehen" ist, hängt demgegenüber nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, "wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und sein Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte, wobei das im Begriff der ‚Unvorhergesehenheit' gelegene Zumutbarkeitsmoment dahin zu verstehen ist, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit auch dann noch gewahrt ist, wenn der Partei ein nur ‚minderer Grad des Versehens' unterläuft" (vgl. VwGH 29.02.2008, 2008/04/0006).

Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt somit voraus, dass die Partei an der Versäumung der Frist oder der mündlichen Verhandlung kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Unter einem minderen Grad des Versehens ist nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, dh er darf die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra 2015/01/0125). Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (ua VwGH 20.06.2013, 2013/06/0098 mwN; VwGH 02.09.2009, 2009/15/0096;

Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 44 mwN). War die Versäumung voraussehbar und hätte sie durch ein dem Parteienvertreter zumutbares Verhalten abgewendet werden können, dann ist die Wiedereinsetzung zu verweigern (ua VwGH 01.06.2006, 2005/07/0044 mwN). Vor allem ist der Vertreter verpflichtet, um sein Verschulden auszuschließen, sich auch selbst unverzüglich die erforderlichen Informationen zu verschaffen, um die Einspruchsfrist wahren zu können (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 45 mwN).

Soweit sich eine Partei im Verfahren eines Rechtsvertreters bedient, ist ihr nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Verschulden dieses Vertreters wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Im Falle einer Fristversäumung hängt die Bewilligung der Wiedereinsetzung diesfalls (ua) davon ab, dass weder die Partei noch den bevollmächtigten Rechtsanwalt ein Verschulden trifft, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht (ua VwGH 17.07.2008, 2007/21/0227). Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrendes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (ua VwGH 23.06.2008, 2008/05/0122).

3.3. Der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Bescheid, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen worden sei, am 05.02.2018 beim Rechtsanwalt des Beschwerdeführers eingegangen sei. In weiterer Folge habe die Rechtsanwaltskanzlei dem Beschwerdeführer am 09.02.2018 ein E-Mail geschickt, mit welchem dem Beschwerdeführer als Anhang der genannte Bescheid zugesendet worden sei. Da der Beschwerdeführer dieses E-Mail nicht erhalten habe, habe dieser erst am 15.03.2018 von der negativen Entscheidung bezüglich seines Antrages auf internationalen Schutz erfahren, als er keine Grundversorgung erhalten habe. Der Beschwerdeführer habe nie Probleme aufgrund nichterhaltener E-Mails gehabt, weshalb sich dieser den Nicht-Erhalt des E-Mails nicht erklären könne. Es liege daher - wenn überhaupt - nur ein milder Verschuldensgrad des Beschwerdeführers vor.

3.4. Dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides vom 01.02.2018 durch einen Rechtsanwalt vertreten war, ergibt sich zum einen aus dessen Ausführungen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und zum anderen aus der eidesstattlichen Erklärung des Beschwerdeführers vom 21.03.2018.

Im vorliegenden Fall wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers der Bescheid vom 01.02.2018 am 05.02.2018 rechtswirksam zugestellt (auch dieser Umstand wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten), dh die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid endete mit Ablauf des 05.03.2018. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers informierte den Beschwerdeführer über den Erhalt dieses Bescheides der belangten Behörde vom 01.02.2018 lediglich am 09.02.2018 per E-Mail; eine weitere Verständigung durch den Rechtsanwalt, beispielsweise durch den Versand eines weiteren E-Mails und/oder durch einen Anruf (über die Telefonnummer des Beschwerdeführers dürfte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers laut E-Mail vom 15.03.2018 verfügt haben) erfolgte nicht. Am 15.03.2018, dh weit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, wurde dem Beschwerdeführer aufgrund dessen telefonischer Urgenz der Bescheid vom 01.02.2018 vom Rechtsanwalt übermittelt. Zu diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer noch durch seinen Rechtsanwalt vertreten.

Der Beschwerdeführer vermochte im gegenständlichen Fall kein Ereignis im Sinne des § 33 VwGVG anzuführen, welches eine Stattgabe eines Antrages auf Wiedereinsetzung zu begründen vermag: Der Beschwerdeführer irrte zwar im vorliegenden Fall über den Umstand der Zustellung des Bescheides vom 01.02.2018; der zum Zeitpunkt der Zustellung am 05.02.2018 durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführer erlangte erst weit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist Kenntnis von der Zustellung des Bescheides. Da der Beschwerdeführer jedoch zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides vom 01.02.2018 bis zumindest zum Ende der Rechtsmittelfrist jedenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten war, ist dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers daher die Zustellung des Bescheides bzw. die nicht erfolgte Erhebung eines Rechtsmittels dagegen zuzurechnen.

Folglich betrifft nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes der Umstand, dass der Beschwerdeführer von seinem Rechtsvertreter nicht über die Zustellung des Bescheides vom 01.02.2018 informiert wurde und dieser deshalb gehindert war, rechtzeitig Beschwerde dagegen zu erheben bzw. vertretungsweise erheben zu lassen, das interne Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer, dh zwischen dem Rechtsvertreter und dem Beschwerdeführer, und mag daher die Stattgabe eines Antrages auf Wiedereinsetzung bereits deshalb nicht zu begründen.

Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall auch nicht von der wie im angefochtenen Bescheid angeführten Verpflichtung des Beschwerdeführers, sich in gewissen Zeitabständen selbstständig über seinen Verfahrensstand zu informieren, ausgegangen werden kann, kann die Prüfung bezüglich des Nicht-Vorliegens von Verschulden bzw. des Vorliegens eines minderen Grad des Versehens hinsichtlich des Beschwerdeführers unterbleiben.

3.5. Allenfalls zu überprüfen wäre daher im gegenständlichen Fall, ob das Verhalten des ehemaligen Rechtsvertreters des Beschwerdeführers die Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrages, dh ob ua dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers kein Verschulden bzw. kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten ist, zu begründen vermag, da dem Beschwerdeführer das Verhalten seines Rechtsanwaltes jedenfalls zuzurechnen ist (vgl. VwGH 17.07.2008, 2007/21/0227):

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes wäre der Rechtsvertreter verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer aufgrund des seinerseits reaktionslos gebliebenen E-Mails über den Erhalt des Bescheides vom 01.02.2018 mittels eines weiteren Mal E-Mails erneut zu kontaktieren oder zu versuchen, den Beschwerdeführer auf telefonischem Weg (bzw. auf jedem anderen möglichen Kommunikationsweg) zu erreichen. Dies deshalb, um sicherzustellen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich vom Erhalt des Bescheides vom 01.02.2018 Kenntnis erlangt hatte und dass das Schweigen des Beschwerdeführers als Verzicht auf die Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid zu werten ist. Für das Bundesverwaltungsgericht kann im vorliegenden Fall nicht davon gesprochen werden, dass dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers kein bzw. nur ein minderer Grad des Versehens unterlaufen ist, da er - insbesondere aufgrund seiner Rechtskundigkeit - die Wichtigkeit der Angelegenheit hätte erkennen und dementsprechend reagieren müssen.

Folglich war in Bezug auf den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers das Vorliegen eines minderen Grad des Versehens nicht anzunehmen. Dass dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers kein Verschulden bzw. ein Versehen minderen Grad unterlaufen wäre, wurde vom Beschwerdeführer auch gar nicht vorgebracht; auch die Einvernahme des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers bzw. seiner Mitarbeiter zur Untermauerung eines diesbezüglichen allfälligen Vorbringens wurde weder im Antrag auf Wiedereinsetzung noch in der Beschwerde beantragt. Auch das Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses in Bezug auf den ehemaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wurde vom Beschwerdeführer nicht ins Treffen geführt.

3.6. Da sohin der vorliegende Sachverhalt in Bezug auf den Beschwerdeführer keine Stattgabe eines Antrages auf Wiedereinsetzung zu begründen vermag und das Vorliegen eines minderen Grad des Versehens durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nicht anzunehmen war, konnte dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung einer Beschwerde von der belangten Behörde nicht stattgegeben werden, weshalb die vorliegende Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

3.7. Sowohl die belangte Behörde als auch das Verwaltungsgericht müssen nicht gleichzeitig über den Antrag auf Wiedereinsetzung und die versäumte Handlung entscheiden (Reisner, in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte § 33 Rz 32 mit Hinweis auf VwGH 24.02.2005, 2005/07/0004). Folglich kann über die Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.02.2018 vom Bundesverwaltungsgericht gesondert entschieden werden.

3.8. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich dazu Folgendes (vgl. zB VwGH 29.01.2014, 2013/03/0004; 28.08.2013, 2011/06/0006, zu § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG): In seinem Urteil vom 18.07.2013, Nr 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), legte der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dar, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne. Die staatlichen Behörden können auch auf Aspekte der Effizienz und Verfahrensökonomie Rücksicht nehmen und auf das Gebot der angemessenen Verfahrensdauer Bedacht nehmen (vgl. VwGH 23.10.2013, 2012/03/0002; 27.09.2013, 2012/05/0212).

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG iVm § 21 Abs. 7 BFA-VG abgesehen werden, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt im gegenständlichen Fall geklärt ist, in der vorliegenden Beschwerde die behördliche Beweiswürdigung nicht bekämpft wurde, der festgestellte Sachverhalt unbestritten blieb und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ausschließlich Rechtsfragen (das Vorliegen eines unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses betreffend den Beschwerdeführer und das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens in Bezug auf den ehemaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers) von Bedeutung waren, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine öffentlich mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK wie auch Art. 47 GRC in Hinblick auf unionsrechtlich garantierte Rechte stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe hierzu die unter II.3. zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fristversäumung, Rechtsmittelfrist, Sorgfaltspflicht, Verschulden
des Vertreters, Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W123.2194680.2.01

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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