TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/7 G314 2185558-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2018
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Entscheidungsdatum

07.08.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G314 2185558-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, slowakischer Staatsangehöriger, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots beschlossen und zu Recht erkannt:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahin abgeändert, dass Spruchpunkt I. zu lauten hat:

"Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen."

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX.2017 in XXXX verhaftet. Mit dem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 12.12.2017, XXXX, wurde er wegen Vermögensdelinquenz zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.

Mit Schreiben vom 27.12.2017 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu äußern. In seiner Stellungnahme vom 28.12.2017 führte der BF aus, dass sein Lebenszentrum immer schon die mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn bewohnte Wohnung in XXXX sei. In Österreich habe er keine familiären Bindungen; seine ganze Familie lebe in der Slowakei. Er habe lange als technischer Angestellter gearbeitet und verfüge über keine großen finanziellen Mittel. Er habe sich am Tag seiner Festnahme zum Einkaufen im Bundesgebiet aufgehalten und wollte Österreich am selben Tag wieder verlassen. Er sei zuvor noch nie straffällig geworden und zum ersten Mal in Haft.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde dagegen die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung und dem Fehlen familiärer, sozialer und beruflicher Bindungen in Österreich begründet.

Dagegen richtet sich die wegen Verfahrensfehlern und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde mit den Anträgen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben, in eventu, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, in eventu, die Dauer des Aufenthaltsverbotes herabzusetzen, in eventu, einen Durchsetzungsaufschub gemäß § 70 Abs 3 FPG zu erteilen, in eventu, den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit an das BFA zurückzuverweisen.

Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er bis zu seiner Inhaftierung ein geregeltes Einkommen gehabt habe und somit über ausreichende Existenzmittel verfüge, bisher unbescholten gewesen sei, in Grenznähe wohne und regelmäßig zum Einkaufen nach Österreich komme. Das BFA hätte bei der Gefährlichkeitsprognose seine Arbeiten während der Strafhaft, die einen positiven Resozialisierungseffekt hätten, berücksichtigen müssen. Der BF werde künftig keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen. Ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot stehe in keinem angemessenen Verhältnis zu seinem persönlichen Verhalten und dem Eingriff in seine persönlichen Rechte. Da er in unmittelbarer Nähe zur österreichischen Grenze wohne, schränke das Aufenthaltsverbot seine Bewegungsfreiheit unverhältnismäßig ein.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 08.02.2018 einlangten, und beantragte, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen.

Am 16.02.2018 wurde der BF nach dem Vollzug des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe in die Slowakei abgeschoben.

Feststellungen:

Der heute 51-jährige, geschiedene BF stammt aus XXXX, wo er als Techniker erwerbstätig war. Er spricht Slowakisch. Er lebte vor seiner Einreise in das Bundesgebiet mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen 21-jährigen Sohn in einer Wohnung in XXXX. Sein Lebensmittelpunkt liegt in der Slowakei. Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF hat keine familiären, beruflichen oder sonstigen Bindungen zu Österreich.

Im November 2017 reiste der BF gemeinsam mit einer slowakischen Staatsangehörigen nach Österreich, um hier Diebstähle in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung über einen Zeitraum von zumindest einigen Wochen eine nicht bloß geringfügige Einkommensquelle von monatlich durchschnittlich EUR 400 zu erschließen, zu begehen. Zu diesem Zweck nahm der BF zwei Zangen, eine Nagelschere und einen Magneten mit, um damit Diebstahlssicherungen zu entfernen. Am XXXX.2017 wurden er und seine Komplizin von einem Ladendetektiv auf frischer Tat betreten, angezeigt und festgenommen. In der Folge wurden sie in Untersuchungshaft genommen.

Der Verurteilung des BF durch das Landesgericht XXXX vom 12.12.2017, XXXX, liegt zugrunde, dass er am XXXX.2017 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit seiner Mittäterin in gewerbsmäßiger Absicht in drei Angriffen Bekleidungsartikel im Gesamtwert von ca. EUR 315 stahl und bei einem weiteren Angriff Kleidung im Wert von ca. EUR 738 zu stehlen versuchte, wobei sie beobachtet und angehalten wurden, nachdem sie den Kassenbereich ohne Bezahlung passiert hatten. Die Gewerbsmäßigkeit ergab sich daraus, dass sie mehr als zwei solche Taten begingen und die Diebstahlssicherungen mit Mitteln, die die wiederholte Begehung nahelegten (Zangen, Nagelschere, Magnet), entfernten. Der BF hat dadurch das Vergehen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall, 15 StGB begangen und wurde - ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe gemäß § 130 Abs 1 StGB - rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt, wobei ein Strafteil von neun Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Es handelt sich um seine erste strafgerichtliche Verurteilung in Österreich. Bei der Strafzumessung wurden das Teilgeständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, und die objektive Schadenswiedergutmachung als mildernd berücksichtigt. Die mehrfachen (über die Voraussetzungen für die Gewerbsmäßigkeit [§ 70 StGB] hinausgehenden) Angriffe und die Einreise nach Österreich zur Begehung von Diebstählen wirkten sich erschwerend aus. Ferner wurden gemäß § 19a Abs 1 StGB die bei der Tat verwendeten bzw. zur Tatbegehung bestimmten Zangen, die Nagelschere und der Magnet konfisziert.

Der BF verbüßte den unbedingten Strafteil von drei Monaten von zwischen XXXX und XXXX in der Justizanstalt XXXX.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen zur Identität des BF und zu seinen persönlichen Verhältnissen beruhen auf den entsprechenden Angaben im Strafurteil sowie der damit übereinstimmenden Angaben des BF in seiner Stellungnahme vom 28.12.2017 und der Beschwerde. Der Personalausweis des BF liegt dem BVwG in Kopie vor.

Slowakischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft und seines Lebensmittelpunktes in XXXX plausibel, zumal eine Verständigung mit dem Dolmetsch im Strafverfahren problemlos möglich war. Anhaltspunkte für weitere Sprachkenntnisse des BF sind nicht aktenkundig.

Die Feststellungen zur Einreise und der Absicht, im Bundesgebiet Straftaten zu begehen, konnten aufgrund der entsprechenden Feststellungen im Strafurteil getroffen werden. Aus dem Strafurteil ist auch ersichtlich, dass der BF zugestand, die Zangen und den Magneten aus der Slowakei mitgenommen zu haben, um sie hier bei der Entfernung von Diebstahlssicherungen bei Diebstählen auszuprobieren.

Die Feststellungen zu den vom BF und seiner Komplizin begangenen Straftaten, zu ihrer Verurteilung und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf dem Strafurteil. Die Verurteilung des BF wird auch durch den entsprechenden Eintrag im Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen aufscheinen.

Die Feststellungen zum Strafvollzug basieren auf der Vollzugsinformation und dem Strafregisterauszug, aus dem der Vollzug des unbedingten Strafteiles mit XXXX.2018 ersichtlich ist.

Aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) ergibt sich, dass der BF - abgesehen von der Wohnsitzmeldung in der Justizanstalt im Zeitraum November 2017 bis Februar 2018 - im Bundesgebiet nie meldeamtlich erfasst war. Damit im Einklang steht, dass er laut eigenen Angaben seinen Lebensmittelpunkt in der Slowakei hat.

Die Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit und zum Gesundheitszustand des BF beruhen darauf, dass er in einem erwerbsfähigen Alter ist, jahrelang als technischer Angestellter arbeitete und laut dem Beschwerdevorbringen auch in der Justizanstalt arbeitete. Es bestehen keine Hinweise auf gesundheitliche Einschränkungen.

Anhaltspunkte für familiäre oder andere private Bindungen des BF oder für eine relevante Integration oder Anbindung in Österreich bestehen nicht. Der BF gibt in seiner Stellungnahme selbst an, keine Bezugspunkte in Österreich zu haben.

Aus dem Fremdenregister ergibt sich, dass der BF am 16.02.2018 in seinen Herkunftsstaat abgeschoben wurde.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG nunmehr auch ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Als Staatsangehöriger der Slowakei ist der BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wenn der EWR-Bürger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (so etwa, wenn er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbots ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration

(Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Mangels eines längeren Aufenthalts des BF in Österreich ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.

Da der BF mit der Intention, im Bundesgebiet gewerbsmäßig Diebstähle zu begehen, nach Österreich einreiste und diesen Plan gemeinsam mit seiner Komplizin auch tatsächlich umsetzte, indem sie im Bundesgebiet mehrere Ladendiebstähle begingen, um sich dadurch über einen längeren Zeitraum eine Einnahmequelle zu erschließen, und zur Verwirklichung des Tatplans entsprechende Werkzeuge mitbrachten, ist auf eine erhebliche kriminelle Energie und damit eine beträchtliche von ihm ausgehende Gefahr zu schließen. Das persönliche Verhalten des BF stellt somit eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr dar, zumal die professionell und arbeitsteilig ausgeführten Straftaten noch nicht lange zurückliegen, er erst vor knapp fünf Monaten aus der Haft entlassen wurde und aufgrund der gewerbsmäßigen Begehungsweise eine erhöhte Wiederholungsgefahr besteht.

Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Derzeit kann daher noch nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der durch die strafgerichtliche Verurteilung des BF indizierten Gefährlichkeit ausgegangen werden. Seiner Arbeit während der Haft kommt angesichts der in § 44 StVG festgelegten Arbeitspflicht für Strafgefangene keine wesentliche Bedeutung zu. Der in der Beschwerde behauptete besondere Resozialisierungseffekt kann darin nicht erblickt werden, weil dies auf alle arbeitsfähigen Strafgefangenen zutrifft.

Die Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz von fremdem Eigentum ist jedenfalls ein Grundinteresse der Gesellschaft. Unter Bedachtnahme auf Art und Schwere der Straftaten, auf das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt, und das Gesamtverhalten des BF ist die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erforderliche aktuelle Gefährdung von öffentlichen Interessen in maßgeblicher Intensität zu bejahen. Seine bereits vor der Einreise geplante Vermögensdelinquenz, die eine teilbedingte Haftstrafe erforderlich machte, legt nahe, dass von ihm auch zukünftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 67 Abs 1 FPG ausgehen wird. Aktuell kann ihm noch keine positive Zukunftsprognose attestiert werden.

Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF muss verhältnismäßig sein. Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt, zumal sich sein Lebensmittelpunkt in der Slowakei befindet und er in Österreich weder einen Wohnsitz noch andere private oder familiäre Anknüpfungspunkte hat. Dem mit der Unmöglichkeit, Einkaufsfahrten nach Österreich zu unternehmen, verbundenen (vergleichsweise geringen) Eingriff in das Privatleben des BF stehen seine strafgerichtliche Verurteilung und das große öffentliche Interesse an der Verhinderung derartiger strafbarer Handlungen gegenüber. Bei der Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass der BF gerade eine solche Einkaufsfahrt nach Österreich nutzte, um mehrere Ladendiebstähle zu begehen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch das BFA erfolgte somit dem Grunde nach zu Recht.

Eine fünfjährige Dauer des Aufenthaltsverbotes ist jedoch unverhältnismäßig, zumal die Straftaten des BF nicht der Schwerkriminalität zuzurechnen sind, der Strafrahmen nur zu einem Drittel ausgeschöpft wurde, die Verhängung einer teilbedingten Freiheitsstrafe ausreichte und der zuvor unbescholtene BF zum ersten Mal das Haftübel verspürte. Die Dauer des Aufenthaltsverbots ist daher auf ein seinem Fehlverhalten entsprechendes Maß zu reduzieren. Das Gericht geht davon aus, dass aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der vom BF begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe ein dreijähriges Aufenthaltsverbot ausreicht, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und ihn zu einem Umdenken hin zu einem rechtstreuen Verhalten zu bewegen, zumal davon auszugehen ist, dass dem Erstvollzug eine erhöhte spezialpräventive Wirkung zukommt. Diese Dauer ist - auch im Hinblick auf die dreijährige Probezeit für den bedingten Strafteil - notwendig, aber auch ausreichend, um eine nachhaltige Änderung seines Verhaltens und seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken. Das Aufenthaltsverbot laut Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist somit in Stattgebung des entsprechenden Eventualantrages in der Beschwerde auf drei Jahre zu reduzieren. Es ist dem BF zumutbar, währen dieses Zeitraums auf Einkäufe in Österreich zu verzichten. Die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Beschränkung seiner Bewegungsfreiheit wird durch seinen grenznahen Wohnort nicht signifikant vergrößert.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Da beim BF angesichts seiner Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Eigentumskriminalität eine hohe Wiederholungsgefahr besteht, ist dem BFA darin beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise nach der Haftentlassung im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich war.

Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids unbegründet ist.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Da hier der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbotes möglich wäre, kann eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal der BF kein ergänzendes, klärungsbedürftiges Tatsachenvorbringen erstattete.

Zu Spruchteil C):

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Angemessenheit, Antragsbegehren, Aufenthaltsverbot, aufschiebende
Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Diebstahl, EU-Bürger,
Gefährdungsprognose, Gewerbsmäßigkeit, Herabsetzung, mangelnder
Anknüpfungspunkt, öffentliches Interesse, strafrechtliche
Verurteilung, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2185558.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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