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21/03 GesmbH-Recht;Norm
BAO §115 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Michael Böhme, Rechtsanwalt in Wien I, Rotenturmstraße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. Jänner 1998, GZ RV/015-07/07/98, betreffend Haftung für Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftsteuer 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich Haftung für Gewerbe- und Körperschaftsteuer 1992 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.190,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In einem an den Beschwerdeführer gerichteten Schreiben des Finanzamtes für Körperschaften vom 21. März 1995 wurde ausgeführt, die Einbringung der Abgabenrückstände der M GmbH in Höhe von S 407.652,-- sei bisher vergeblich versucht worden. Es werde dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer dieser GmbH anheim gestellt, einen Beweis dafür zu erbringen, dass er ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, für die Entrichtung dieser Abgaben zu sorgen.
Daraufhin gab der Beschwerdeführer in einer Eingabe vom 7. April 1995 bekannt, Alleingesellschafter der M GmbH sei die S GmbH, Wien, gewesen, bei der der Beschwerdeführer als Angestellter tätig gewesen sei. Die M GmbH und die S GmbH seien im selben Büro untergebracht gewesen. Hans-Dieter E aus Bremen sei Geschäftsführer der S GmbH gewesen. Dieser sei für alle Belange beider Gesellschaften zuständig gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich bemüht, alles zu unternehmen, um die beiden Gesellschaften "zu Ende zu führen". Ab Juli 1994 habe der Beschwerdeführer das Büro nicht mehr betreten können, da eine Räumungsklage des Vermieters eingebracht worden sei. Bis Juni 1994 seien alle Abgaben der M GmbH entrichtet worden. Ab 1. Juli 1994 sei der Beschwerdeführer nicht mehr tätig gewesen. Um aus der Verantwortung entlassen zu werden, sollte eine Generalversammlung einberufen werden. Ein diesbezüglicher Einschreibbrief vom 28. Juni 1994 nach Bremen sei als unzustellbar zurückgekommen.
Der Eingabe waren Kopien verschiedener Schriftstücke angeschlossen. So forderte eine Steuerberatungsgesellschaft Hans-Dieter E in einem Schreiben vom 17. Februar 1994 auf, die Buchhaltungsunterlagen der M GmbH für das Jahr 1992 mit dem Beschwerdeführer "durchzugehen", damit die Steuererklärungen für 1992 erstellt werden könnten. In einem weiteren Schreiben der Steuerberatungsgesellschaft vom 29. März 1994 wurde Hans-Dieter E darauf hingewiesen, dass mehrfache telefonische Kontaktnahmeversuche erfolglos geblieben seien. Auf Schreiben der Steuerberatungsgesellschaft habe dieser nicht reagiert. Nach einem Schreiben des Beschwerdeführers an Hans-Dieter E vom 28. Juni 1994 legte der Beschwerdeführer die Geschäftsführung zurück, wobei er darauf hinwies, dass er Hans-Dieter E bis zum genannten Zeitpunkt nicht erreicht habe.
Mit Bescheid vom 25. August 1995 wurde der Beschwerdeführer zur Haftung für Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftsteuer für 1992 in Höhe von S 330.450,-- herangezogen. In der Begründung des Haftungsbescheides wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass die Abgaben der GmbH für 1992 (mit Bescheid vom 13. Dezember 1994) geschätzt worden seien, da keine Abgabenerklärungen eingereicht worden seien. Die Abgabenfestsetzung sei rechtskräftig geworden.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde insbesondere ausgeführt, der Beschwerdeführer habe seit Juli 1994 keinen Zutritt zu den Geschäftsräumen der GmbH mehr gehabt. Falls Poststücke an deren Adresse zugestellt worden seien, so seien diese von ihm nie gesehen worden.
In einer die Berufung ergänzenden Eingabe vom 15. April 1996 wurde ausgeführt, die Forderung des Finanzamtes sei dadurch entstanden, dass Hans-Dieter E trotz vieler Aufforderungen des steuerlichen Vertreters nicht dazu zu bewegen gewesen sei, für die Jahre 1992 und 1993 Bilanz zu legen. Schon ab Mitte 1993 habe die M GmbH fast keine Geschäfte mehr getätigt, weil weitere Unternehmen in Bremen und Hamburg, deren Inhaber ebenfalls Hans-Dieter E gewesen sei, sich in Konkurs befunden hätten. Ab Dezember 1993 seien bei der S GmbH nur noch zwei Angestellte verblieben. Neben einer Buchhaltungskraft sei der Beschwerdeführer als Angestellter der S GmbH und gleichzeitig als Geschäftsführer ("ohne Vertrag und ohne Bezüge") der Tochterfirma M GmbH tätig gewesen. Als ab März 1994 auch kein Geld mehr für die Gehälter des Beschwerdeführers und der zweiten Angestellten sowie für die Miete vorhanden gewesen sei, sei mit viel Mühe die Kündigung mit der Unterschrift des Hans-Dieter E erlangt worden. Der Beschwerdeführer sei somit ab 30. Juni 1994 als Angestellter der S GmbH und auch als Geschäftsführer der M GmbH ausgeschieden. Er habe die Post- und Büroschlüssel noch bis Ende September 1994 besessen. Die Räumungsklage sei damals schon ein halbes Jahr "gelaufen". In dieser Zeit sei auch eine Zahlungsaufforderung des Finanzamtes an die M GmbH über den Betrag von S 4.800,-- eingelangt, die der Beschwerdeführer durch Bezahlung aus seinem privaten Geld erledigt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde ging in der Begründung dieses Bescheids davon aus, dass der Rücktritt des Geschäftsführers mit dem Empfang der entsprechenden Erklärung durch den Aufsichtsrat oder die Gesellschafter wirksam werde. Die Erklärung des Beschwerdeführers sei als unzustellbar zurückgekommen. Der Rücktritt des Beschwerdeführers sei somit nicht wirksam gewesen. Es wäre dem Beschwerdeführer aber möglich gewesen, die Bestellung eines Abwesenheitskurators zu erwirken und diesem gegenüber die Niederlegung der Geschäftsführung zu erklären. Dass zum Fälligkeitszeitpunkt keinerlei Mittel zur Begleichung der Abgaben vorhanden gewesen wären, habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch aus der Aktenlage ergäben sich keinerlei Hinweise für das Fehlen der für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel der GmbH.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer vertritt zunächst die Auffassung, der Zeitpunkt, für den die Pflichtverletzung des Vertreters im Sinne des § 9 BAO zu beurteilen ist, bestimme sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben wie Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer sei grundsätzlich die erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend. Hinsichtlich Umsatzsteuer übersieht dabei der Beschwerdeführer, dass die Vorauszahlungen gemäß § 21 Abs 1 UStG spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats zu entrichten ist. Durch eine Nachforderung auf Grund eines Veranlagungsbescheides wird keine davon abweichende Fälligkeit begründet (§ 21 Abs 5 UStG). Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren - ebenso wenig wie in der Beschwerdeschrift - keinerlei Angaben darüber gemacht, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Entrichtung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Jänner bis Dezember 1992 zu sorgen, unmöglich gewesen sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers bezog sich vielmehr stets auf im Jahre 1994 verwirklichte Sachverhalte, auf einen Zeitraum also, in dem die Fälligkeit der Umsatzsteuer für 1992 längst eingetreten war. Soweit sich die Beschwerde gegen die Heranziehung des Beschwerdeführers für Umsatzsteuer 1992 wendet, ist sie somit nicht begründet.
Der Beschwerdeführer stellt weiters in Frage, ob überhaupt hinsichtlich der in Rede stehenden Abgaben Bescheide gegenüber der M GmbH wirksam erlassen wurden. In diesem Zusammenhang wird von ihm ausgeführt, erst im Zuge der Verfassung der Beschwerde habe er festgestellt, dass die Bescheide durch Hinterlegung am 15. Dezember 1994 zugestellt worden seien. Abgesehen davon, dass im Verwaltungsverfahren nicht behauptet worden ist, die Zustellung der Bescheide sei nicht wirksam erfolgt, übersieht der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen, dass abgabenrechtliche Haftungen wohl das Bestehen einer Schuld (vgl § 4 BAO), nicht aber voraussetzen, dass diese Schuld gegenüber dem Abgabenschuldner geltend gemacht worden ist. Abgabenrechtliche Haftungen haben insoweit keinen bescheidakzessorischen Charakter (vgl zB die hg Erkenntnisse vom 2. August 1995, Zl 93/13/0056 und Zl 94/13/0095).
Im weiteren wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Folgerung der belangten Behörde, die Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion vom 28. Juni 1994 sei nicht wirksam geworden. Eine solche Zurücklegung erfolgt durch eine einseitig empfangsbedürftige Erklärung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH (den Gesellschaftern; vgl das hg Erkenntnis vom 23. Jänner 1997, Zl 95/15/0163). Der Beschwerdeführer hat selbst im Verwaltungsverfahren ausgeführt, die von ihm in diesem Sinne abgegebene Erklärung sei als nicht zustellbar zurückgekommen. Auf Grund dieses Vorbringens konnte die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen, dass die Erklärung über die Zurücklegung der Geschäftsführerbefugnis vom Alleingesellschafter nicht empfangen worden ist. Das Beschwerdevorbringen, die eingeschriebene Sendung sei von der Deutschen Post ordnungsgemäß hinterlegt und nach Ablauf der Lagerfrist retourniert worden, stellt ein im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliches neues Vorbringen dar. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war dabei die belangte Behörde keineswegs gehalten, ihm die sich aus seinen eigenen Erklärungen ergebenden Folgen vorzuhalten. Auch aus § 161 BAO - in welcher Gesetzesstelle die Prüfung der Abgabenerklärungen geregelt ist - ergibt sich eine solche Verpflichtung nicht.
Die Beschwerde ist jedoch insoweit, als sie sich gegen die Inanspruchnahme zur Haftung für Körperschaft- und Gewerbesteuer 1992 wendet, dennoch im Recht: Waren nämlich Abgaben schon im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit uneinbringlich, dann schließt dies die Annahme einer Pflichtverletzung durch den zur Entrichtung der Abgaben Verpflichteten aus (vgl das hg Erkenntnis vom 2. August 1995, 94/13/0095). Bereits in seiner Eingabe vom 15. April 1996 hat der Beschwerdeführer die ab Mitte 1993 eingetretenen Zahlungsschwierigkeiten dargelegt. Danach seien ab März 1994 keine Mittel für Gehälter und Miete mehr vorhanden gewesen. Weiters hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren Ausführungen über die Räumung der Geschäftsräumlichkeiten gemacht. Wenn die belangte Behörde demgegenüber im angefochtenen Bescheid ausführt, der Beschwerdeführer habe nicht behauptet, es seien keinerlei Mittel zur Begleichung der Abgaben vorhanden gewesen und es ergäben sich aus der Aktenlage keinerlei Hinweise für das Fehlen der erforderlichen Mittel der GmbH, so ist dies unzutreffend. Hätte sich die belangte Behörde mit dem angeführten Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander gesetzt, so hätte sie - hinsichtlich Haftung für Körperschaft- und Gewerbesteuer 1992 - zu einem anderen Bescheid kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich Haftung für Körperschaft- und Gewerbesteuer 1992 gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war dabei aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abzusehen.
Die Kostenentscheidung stützt sich in Bindung an den gestellten Antrag auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am 15. Dezember 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998130060.X00Im RIS seit
20.11.2000