TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/8 I404 2202706-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.08.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

08.08.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I404 2202707-1/4Z

I404 2202706-1/4Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX geb. XXXX StA. NIGERIA und 2. XXXX geb. am XXXX StA. NIGERIA, beide vertreten durch: RA Mag. Dr. Helmut BLUM gegen die Bescheide des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich BAL vom 22.06.2018, Zl. 1045314701-140172435 und 1045314701-140172494 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide Folge gegeben und diese gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 5 BFA-VG ersatzlos behoben.

Der Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide kommt somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zu.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Die Erstbeschwerdeführerin stellte für sich und als gesetzliche Vertreterin ihrer minderjährigen Tochter, die Zweitbeschwerdeführerin, am 14.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führt sie aus, dass ihr Mann und ihre Eltern an Ebola gestorben wären. Aus Angst auch selbst an Ebola zu erkranken, habe sie zusammen mit ihrer Tochter Nigeria verlassen.

2. In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 08.03.2017 machte sie hinsichtlich ihres Fluchtgrundes geltend, dass ihr Mann verstorben sei und sie nunmehr von der Familie ihres Mannes gezwungen werde, den ältesten Bruder ihres Mannes zu heiraten. Außerdem sei sie auf dem Markt in der Nacht von drei Männern vergewaltigt worden.

3. Im Rahmen einer weiteren Einvernahme am 21.06.2018 wiederholte sie ihre Fluchtgründe vom 08.03.2017.

4. Mit den bekämpften Bescheiden vom 22.06.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status desr subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III)., erließ gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.). Die Behörde führte begründend aus, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Beschwerdeführer in Nigeria einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliegen würden. Rechtlich wurde zu Spruchpunkt VI. lediglich ausgeführt, dass wie oben ausgeführt sei, die Ziffer 5 vorliege.

5. Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer vertreten durch ihren Rechtsanwalt rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zu Spruchpunkt A)

1.1. Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 5 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

1.2. § 18 Abs. 1 Z. 5 BFA-VG entspricht inhaltlich § 6 Abs. 1 Z. 4 AsylG idF AsylG 1997 BGBl. I Nr. 101/2003; diese wiederum entspricht § 6 Z. 3 AsylG 1997 in der Stammfassung des AsylG 1997. Aufgrund der nur unmaßgeblich veränderten, im wesentlich aber nahezu wortidenten Formulierungen dieser Bestimmungen ist bei der Prüfung des Vorliegens dieses Tatbestands - somit als Prüfungsmaßstab für die Frage, ob ein Vorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht - jedenfalls die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Vorgängerbestimmungen heranzuziehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung ausgesprochen, dass bei einem von der Behörde als unglaubwürdig angenommenen Vorbringen noch keine Aussage darüber getroffen wird, ob es ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreicht, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung als erfüllt angesehen werden kann. Letzteres kann nur dann angenommen werden, wenn Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss unmittelbar einsichtig ("eindeutig" bzw. "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung tatsächlich wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich aufdrängen, die dazu führenden Gesichtspunkte müssen klar auf der Hand liegen. Im Ergebnis setzt die im gegebenen Zusammenhang erforderliche qualifizierte Unglaubwürdigkeit somit voraus, dass es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedarf, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines Asylwerbers nicht den Tatsachen entspricht (VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0214; 31.01.2002, Zl. 2001/20/0381; 11.06.2002, Zl. 2001/01/0266; 06.05.2004, Zl. 2002/20/0361).

Nur dann, wenn es unmittelbar einsichtig ist und sich das Urteil quasi aufdrängt, die Schilderungen des Asylwerbers, die für die Beurteilung seines Asylansuchens maßgeblich sind, seien tatsächlich wahrheitswidrig, erreicht das Vorbringen ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 erfüllt ist (VwGH 27.09.2001, Zl. 2001/20/0393). Bei der Anwendung des § 6 AsylG 1997 kann es typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, aber nicht um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen (VwGH 19.12.2001, Zl. 2001/20/0442).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu den entsprechenden Vorfassungen dieses Tatbestandes weiters ausgeführt, dass § 6 Z 3 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 76/1997 (nunmehr § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG) lediglich dann anwendbar ist, wenn das gesamte Vorbringen zu einer Bedrohungssituation den Tatsachen offensichtlich nicht entspricht; seine Anwendbarkeit scheidet aus, wenn das Vorbringen auch nur in einem Punkt möglicherweise auf eine wahre Tatsache gestützt wird; auf Einzelaspekte gestützte Erwägungen erweisen sich somit für die Anwendung des Tatbestandes der offensichtlichen Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens zur Bedrohungssituation als nicht tragfähig (vgl. dazu VwGH 21.08.2001, 2000/01/0214).

1.2. In dem auf Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides bezogenen Abschnitt der Begründung fehlen Ausführungen darüber, weshalb das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin zur Gänze offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche. An dieser Stelle führte die belangte Behörde vielmehr lediglich aus, dass - wie oben ausgeführt die Ziffer 5 vorliege. Im Sachverhalt wird zwar ausgeführt, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Beschwerdeführer in Nigeria einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliegen, in der Beweiswürdigung wird von der belangten Behörde jedoch lediglich ausführlich das gesamte Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin widerholt. Es finden sich jedoch keinerlei beweiswürdigenden Ausführungen, dass und allenfalls warum das Fluchtvorbringen als nicht glaubwürdig eingestuft wurde. Vielmehr wird ausdrücklich angeführt, dass bei hypothetischer Wahrunterstellung der behauptete Fluchtgrund bezüglich der Familienangehörigen des Mannes der Erstbeschwerdeführerin rechtlich nicht relevant sei, da dies eine Verfolgung durch Privatpersonen darstelle und nicht davon auszugehen sei, dass der Staat Nigeria nicht gewillt oder in der Lage sei, diese Verfolgung zu unterbinden.

Damit zeigt die belangte Behörde jedoch nicht auf, dass das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin zu ihrer Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.

Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides ist daher ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

Gegenständlich war gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG ein Teilerkenntnis (vgl. auch § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG) zu erlassen, da der Abspruch über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unverzüglich zu erfolgen hat. Der Spruch der Bescheide der belangten Behörde war auch insoweit trennbar, als sich die gegenständliche Entscheidung nur auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Bescheidspruch bezieht.

Über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I bis V. der angefochtenen Bescheide ergeht eine gesonderte Entscheidung.

2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, ersatzlose
Behebung, Feststellungsentscheidung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I404.2202706.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten