TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/9 W234 2122634-1

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Veröffentlicht am 09.08.2018
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Entscheidungsdatum

09.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch

W234 2122634-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA°Kenia, vertreten durch RA Edward W. Daigneault, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2016, Zl. 558987800/151395175, zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein kenianischer Staatsangehöriger, stellte am 21.06.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag begründete der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit einem Streit um ein Grundstück im Herkunftsstaat, dessentwegen er dort Übergriffen ausgesetzt (gewesen) sei. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamts vom 15.11.2011 gemäß § 3 und § 8 AsylG abgewiesen. Unter einem wurde der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Kenia ausgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

2. Motiviert durch strafgerichtliche Verurteilungen des Beschwerdeführers wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen ihn erlassen: Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) wurden dem Beschwerdeführer Aufenthaltstitel gemäß § 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG 2005 gegen den Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt I). Unter einem wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Kenia zulässig sei (Spruchpunkt II). Eine Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG 2005 nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III). Schließlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z. 1 FPG 2005 gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die hier zu erledigende Beschwerde, welche am 01.03.2016 beim Bundesamt per Telefax einlangte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zum Verfahrensgang:

1.1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 21.06.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag begründete er im Wesentlichen mit einem Streit um ein Grundstück im Herkunftsstaat, dessentwegen er dort Übergriffen ausgesetzt (gewesen) sei. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamts vom 15.11.2011 gemäß § 3 und § 8 AsylG abgewiesen. Unter einem wurde der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Kenia ausgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. In diesem Bescheid ging das Bundesasylamt davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht an einer lebensbedrohenden Krankheit leide.

1.1.2. Mit Bescheid des Bundesamts wurden dem Beschwerdeführer Aufenthaltstitel gemäß § 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG 2005 gegen den Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt I). Unter einem wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Kenia zulässig sei (Spruchpunkt II). Eine Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG 2005 nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III). Schließlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z. 1 FPG 2005 gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen (Spruchpunkt IV).

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 16.02.2018 zugestellt.

1.1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die hier zu erledigende Beschwerde, welche am 01.03.2016 beim Bundesamt per Telefax einlangte.

1.1.4. Mit Email vom 13.04.2018 teilte der Vertreter des Beschwerdeführers mit, dass dieser aufgrund einer Niereninsuffizienz mittlerweile regelmäßiger Dialyse bedürfe, welche für ihn in seinem Heimatland nicht finanzierbar sei. Außerdem sei er schwerhörig geworden und wegen dieser Behinderung kaum dazu in der Lage, am Erwerbsleben in seinem Heimatland teilzunehmen. Zum Beleg dieser Ausführungen wurde unter einem die Kopie einer Bestätigung des AKH Wien vom 12.04.2018 übersendet, wonach der Beschwerdeführer seit 2016 wegen terminaler Niereninsuffizienz Dialysepatient des Krankenhauses sei.

1.1.5. Am 14.06.2018 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er anlässlich der Erstbefragung am selben Tag im Wesentlichen damit, dass er seit 2016 krank sei. Er leide unter Nierenproblemen und müsse regelmäßig zur Dialyse. Zudem sei er schwerhörig und höre trotz der Verwendung eines Hörgeräts kaum. Im Falle der Rückkehr in die Heimat befürchte der Beschwerdeführer zu versterben, weil er kein Geld für die nötigen medizinischen Behandlungen habe. Diese Änderungen seiner Situation seien ihm erst seit dem Jahr 2016 bekannt, als seine Beschwerden begonnen hätten.

1.2. Zum Beschwerdeführer:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Kenia.

1.3. Zu den örtlichen Gegebenheiten in Kenia:

Von einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung ist Kenia weit entfernt. Aus Kostengründen werden zunächst nach wie vor traditionelle Heiler und Wahrsager konsultiert und auf heimischen Kräutern basierende Therapien zurückgegriffen. Auf tausend Bürger kommen nur 0,14 Ärzte. Krankenhäuser gibt es nur in größeren Städten (GIZ 12.2016b). In Nairobi gibt es Krankenhäuser mit internationalem Standard (GIZ 12.2016c).

In den staatlichen Hospitälern werden Patientinnen und Patienten, die nicht bezahlen können, rasch entlassen. In Privatkrankenhäusern werden Patienten ohne Kreditkarte nicht zugelassen. HIV/AIDS ist ein großes Thema in der kenianischen Gesundheitspolitik, und selbst in abgelegenen und von Traditionen geprägten Gebieten findet ein Umdenken statt. Weil es an Geld fehlt, stehen zehntausende HIV-Infizierte ohne die nötigen antiretroviralen Medikamente da (GIZ 12.2016b).

Quellen:

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2016b): Kenia, Gesellschaft, https://www.liportal.de/kenia/gesellschaft/, Zugriff 29.12.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2016c): Kenia, Alltag,

https://www.liportal.de/kenia/alltag/#c60360, Zugriff 29.12.2016

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesasylamtes und des Bundesamtes und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers folgt der Feststellung des angefochtenen Bescheids. Es hat sich nichts ergeben, was an der kenianischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zweifeln ließe.

Die Feststelllungen zu den örtlichen Gegebenheiten in Kenia stützen sich auf die jeweils zitierten Quellen.

3. Rechtliche Beurteilung

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A)

3.1. In seiner neueren Rechtsprechung führte der Verwaltungsgerichtshof zu Fällen der Erlassung und Prüfung der Rechtmäßigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen auch ohne unter einem oder zuvor ergehende Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz aus, dass - wenn der Fremde im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme drohende Verletzungen seiner Rechte gemäß Art. 3 EMRK für den Fall der Abschiebung substantiiert behaupte - diese Behauptung durch die Stellung eines (bei Sachverhaltsänderungen allenfalls erneuten) Antrags auf internationalen Schutz geltend zu machen sei. Denn nur ein solcher Antrag führe bei Zutreffen der Verfolgungsbehauptungen zur Gewährung von Asyl oder von subsidiärem Schutz und könne entsprechende (umfassende) Aufenthaltsberechtigungen verschaffen; zumindest könne bei Vorliegen einer Konstellation iSd § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 auf diesem Weg eine Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat erreicht werden, woran die Aufenthaltsduldung gemäß § 46a Abs. 1 Z 2 FPG anknüpfe (siehe zu alledem VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234). Stelle der Fremde auf Grund solch einer Behauptung dann tatsächlich einen Antrag auf internationaler Schutz, so seien anhängige Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen und bereits erlassene erstinstanzliche, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidungen vom Verwaltungsgericht ersatzlos zu beheben (siehe dazu VwSlg 19425 A/2016).

3.2. Im vorliegenden Fall behauptet der Beschwerdeführer - sogar durch eine Bestätigung eines Krankenhauses untermauert - in der Zeit nach Beendigung seines Asylverfahrens wegen einer Niereninsuffizienz zum Dialysepatienten geworden zu sein, ohne Dialyse sterben zu müssen und die in Kenia privat aufzubringenden hohen Kosten für Dialyse nicht tragen zu können. Mit dieser Begründung stellte er am 14.06.2018 einen (erneuten) Antrag auf internationalen Schutz. Zudem deckt sich die Einschätzung des Beschwerdeführers hinsichtlich der zu erwartenden Kostentragung von Dialyse in Kenia mit den hier getroffenen Feststellungen zu den örtlichen Gegebenheiten dort. Auch lagen diese Gesundheitsprobleme des Beschwerdeführers bei Durchlaufen seines Asylverfahrens noch nicht vor, sodass sie schon deswegen damals nicht zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen konnten. Der beim Beschwerdeführer vorliegende Dialysebedarf ist also eine seit Abschluss des Asylverfahrens eingetretene Neuerung. Im Ergebnis ist angesichts der sehr substantiierten Behauptung des Beschwerdeführers, mangels Zugangs zu Dialyse in Kenia nach einer Abschiebung dorthin womöglich sogar alsbald zu versterben und der Stellung eines erneuten Antrags auf internationalen Schutz mit dieser Begründung mit Blick auf die zuvor dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hier mit der Aufhebung der im angefochtenen Bescheid gegen den Beschwerdeführer verhängten Rückkehrentscheidung vorzugehen.

Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheid ist daher ersatzlos zu beheben.

3.3. Da die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 in Spruchpunkt II die Erlassung einer Rückkehrentscheidung tatbestandlich voraussetzt, ist auch Spruchpunkt II ersatzlos zu beheben.

3.4. Da die Festlegungen des Spruchpunkt III, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers nicht gewährt und der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt werde, tatbestandsmäßig ebenso eine Rückkehrentscheidung voraussetzen, ist auch dieser Spruchpunkt wegen der Aufhebung der Rückkehrentscheidung ersatzlos zu beheben.

3.5. Schließlich setzt auch das in Spruchpunkt IV über den Beschwerdeführer verhängte Einreiseverbot tatbestandlich die nunmehr aufgehobene Rückkehrentscheidung voraus, sodass auch dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben ist.

3.6. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in der gg. Rechtssache gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

2.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Erkrankung, ersatzlose Behebung, Folgeantrag, geänderte
Verhältnisse, medizinische Versorgung, Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W234.2122634.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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