TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/9 W207 2202705-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.08.2018
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Entscheidungsdatum

09.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a

Spruch

W207 2202705-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1997, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2018, Zahl 1068101005-150497315, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe,

dass Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat wie folgt: "Gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG haben Sie das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 24.08.2016 verloren."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 12.05.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am 13.05.2015 abgehaltenen Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, am 06.02.1997 in XXXX , Jalalabad, Provinz Nangarhar, Afghanistan geboren zu sein, Pashtu als Muttersprache zu sprechen und der Volksgruppe der Paschtunen sowie dem moslemischen Glauben anzugehören. Er habe sieben Jahre die Grundschule besucht und seinem Vater, der in der Landwirtschaft tätig gewesen sei, geholfen. Seine letzte Wohnadresse sei eine näher genannte Adresse in der Provinz Nangarhar gewesen, wo er ab seinem 14. Lebensjahr bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan gelebt habe.

Seine Eltern, drei Brüder und eine Schwester würden in der Provinz Nangarhar leben, seine Eltern würden dort ein Haus besitzen, sein Vater würde in der Landwirtschaft arbeiten. Der Beschwerdeführer habe vor ca. fünf oder sechs Monaten den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat gefasst, vor ca. zwei Monaten habe der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat verlassen, die Reise habe sein Onkel organisiert. Er wisse nicht, ob er sich in Pakistan oder dem Iran aufgehalten habe, er könne gar nichts angeben, er wisse nicht, über welche Staaten er nach Österreich gereist sei. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, sohin zu seinen Fluchtgründen, gab der Beschwerdeführer an, er habe Afghanistan wegen der Taliban verlassen. Die Taliban hätten auf Zettel, die diese ins Haus gebracht hätten, geschrieben, dass der Beschwerdeführer und seine Brüder sich ihnen anschließen und für sie arbeiten sollten. Am 28.08.2014 sei einer seiner Brüder von den Taliban umgebracht worden. Daraufhin habe sein Vater mit seinem Onkel die Ausreise des Beschwerdeführers und seiner Brüder aus Afghanistan organisiert. Im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchte der Beschwerdeführer, von den Taliban umgebracht zu werden. Die Fragen, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe die Todesstrafe drohe oder ob der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, verneinte der Beschwerdeführer.

Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 24.04.2018 in einer näher genannten Justizanstalt durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA; in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Paschtu niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes vor:

"[...]

Gesundheitszustand

F: Wie geht es Ihnen gesundheitlich? A: Ganz gut.

F: Befinden Sie sich in ärztlicher Behandlung oder in Therapie? Nehmen Sie zurzeit Medikamente ein?

A: Nein und ich nehme keine Medikamente

F: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?

A: Ja

....

F: Haben Sie im Verfahren bis dato, bei den bisherigen Befragungen, die Wahrheit gesagt? wurden Ihre Angaben jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

A: Ja, aber es wurde mir nicht rückübersetzt.

Persönliche Daten

F: Wie heißen Sie?

A: I.

F: Wann und wo sind Sie geboren? (Gregorianischer Kalender)

A: Am 06.02.1997 in Jalalabad im Dorf X in Afghanistan.

F: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

A: Afghanistan.

F: Wo war Ihr letzter Wohnort in Afghanistan?

A: Dorf X, in Jalalabad, im disktrikt Khewa Afghanistan.

F: Welche Sprachen sprechen Sie?

A: Paschtu, Dari, Urdu, und Englisch und Deutsch.

F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

A: Paschtune.

F: Welcher Religion gehören Sie an?

A: Moslem: Sunnit.

F: Verstehen Sie den Dolmetsch einwandfrei?

A: Ja

F: Können Sie einen kurzen Lebenslauf bezüglich Ihrer Person schildern? z.B.: Wo sind Sie aufgewachsen, welche Schulausbildung haben Sie absolviert, welchen Beruf haben Sie ausgeübt etc. ?

A: Ich bin in Jalala bad in der Provinz Khewa geboren. Ich habe bis zur 10 Klasse die Schule besucht. Nebenbei habe ich in der Landwirtschaft meines Vaters geholfen. Ich war 17 Jahre alt als ich ausreiste. Das Grundstück gehörte nicht meinen Vater, es gehörte dem Dorfältesten. Er hat es bewirtschaftet und ist dafür bezahlt geworden. Aber wir haben ein eigenes Haus gehabt. Ich habe auch Computerkurse gemacht über 4 Monate.

Dokumente

F: Haben Sie Personaldokumente oder Reisedokumente?

A: Ich hatte eine Tazkira aber ich habe sie in Österreich verloren. Ich kann aber vielleicht eine organisieren.

Anm: Eine Frist bis 2 Wochen nach der Entlassung wird vereinbart.

F: Wo sind diese Dokumente?

A: Ich hatte keine anderen Dokumente.

Familienleben

F: Sind Sie verheiratet?

A: Nein

F: Haben Sie Kinder?

A: Nein

F: Wie sah Ihr Leben in Afghanistan aus, was haben Sie so den ganzen Tag gemacht? A: Wie ich gesagt habe. Ich ging zur Schule und am Nachmittag in den Englischkurs. Dann half ich meinem Vater in der Landwirtschaft. Nachgefragt gebe ich an, dass das ich bis zur Ausreise so gemacht habe. Mein Vater meinte ich würde Arzt werden.

F: Haben Sie Verwandte in Österreich oder anderen EU-Staaten?

A: In Österreich habe ich einen minderjährigen Bruder: A., er hat auch einen Asylantrag gestellt. Er wohnt in Linz in der der Z. straße in einem Heim. Er hat noch keinen Bescheid erhalten.

Ausreise Afghanistan

F: Wann genau haben Sie sich entschlossen, dass Sie Ihr Heimatland verlassen?

A: Ich wusste von nichts, mein Vater sagte mir dass ich gehen muss.

F: Wann haben Sie Ihr Heimatland tatsächlich verlassen?

A: Ich weiß es nicht genau, ca vor 3 Jahren.

F: Wo verbrachten Sie die letzte Nacht vor Ihrer Flucht?

A: Bei uns zu Hause.

F: Schildern Sie Ihre Ausreise aus dem Heimatstaat und den Reiseweg?

A: Das kann ich nicht sagen. Ich kann mich nicht erinnern. Über Kabul reisten wir aus, sie meinten wir fahren über den Iran. Ich war auch in der Türkei und war 15 Tage lang eingesperrt. Ich bin alleine ausgereist.

F: Sind Sie schlepperunterstützt nach Österreich gereist?

A: Ja

F: Wie viel haben Sie für die Reise bezahlt?

A: Ich weiß es nicht.

F. Woher stammte das Geld für den Schlepper?

A: Weiß ich nicht.

Einreise Bundesgebiet

F: Wie sind Sie in Österreich eingereist?

A: Illegal

F: Seit wann halten Sie sich in Österreich auf?

A: Etwa 2,5 bis 3 Jahre

F: Haben Sie in einem anderen Land, außer Österreich, um Asyl angesucht? A: Nein

F: Welches Land war das Ziel Ihrer Reise?

A: Wir hatten kein Ziel. Als wir aufgegriffen wurden sind wir hier geblieben.

F: Wen meinen Sie mit "wir"?

A: Die Gruppe der Flüchtenden.

Familienleben

F: Welche Familienangehörige leben noch in Ihrem Herkunftsstaat (Name, Geburtsdatum, Wohnort, was arbeiten diese, Staatsangehörigkeit)?

A:

Vater: N., 53 Jahre alt, ich weiß nicht ob er noch in Afghanistan lebt, X;

Mutter: M., 48 Jahre alt, wh wie Vater;

Bruder: I., 25 Jahre alt, wh wie Vater;

Bruder: J., 15 Jahre alt, wh wie Vater;

Bruder: K., 9 Jahre alt, wh wie Vater;

Schwester: L., 12 Jahre alt, wh wie Vater;

F: Welche engeren Freunde leben noch in Ihrem Herkunftsstaat (Name, Geburtsdatum, Wohnort, was arbeiten diese, Staatsangehörigkeit)?

A: Nein.

F: Wie besteht der Kontakt zu den im Herkunftsstaat befindlichen Familienangehörigen und Freunden?

A: Nein. Nur mit meinem Bruder in Österreich sonst mit niemanden. Leider habe ich Drogen konsumiert und Alkohol getrunken. Daher haben alle meine Familienmitglieder den Kontakt mit mir abgebrochen.

F: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt mit diesen?

A: Im November 2016, als ich das erste Mal eingesperrt wurde fragten sie warum. Seit dem hatten wir keinen Kontakt mehr.

Fluchtgrund

F: Beantworten Sie die nachstehenden Fragen mit "Ja" oder "Nein". Sie haben später noch die Gelegenheit, sich ausführlich zu diesen Fragen zu äußern:

F: Sind Sie vorbestraft, waren Sie in Ihrem Heimatland inhaftiert oder hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat?

A: Nein, Nein, Nein

F: Bestehen gegen Sie aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief, etc?

A: Nein.

F: Sind oder waren Sie politisch tätig?

A: Nein, Nein.

F: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei?

A: Nein und Nein

F: Hatten Sie in ihrem Herkunftsstaat aufgrund Ihres Religionsbekenntnisses bzw. Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit irgendwelche Probleme?

A: Nein, Nein

F: Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.)?

A: Nein.

F: Nahmen Sie in Ihrem Heimatland an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teil?

A: Nein.

F: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, von sich aus vollständig, detailliert und wahrheitsgemäß.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

Sie haben jetzt auch Gelegenheit, sich zu den Fragen, die von ihnen mit "Ja" oder "Nein" beantwortet wurden, zu äußern.

A: Mein Vater bekam mehrere Briefe von den Taliban, dass er seine Söhne zu den Taliban schicken soll. Damit diese mit den Taliban kämpfen. Mein Vater wollte das nicht, bis ein Bruder von mir namens S. mit 16 Jahren getötet wurde. Wir wissen nicht ob er von den Taliban oder von jemand anderen getötet wurde. Aber nach seinem Tod meinte mein Vater, dass wir Afghanistan verlassen sollten weil unser Leben in Gefahr sei.

F: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert?

A: Ja

F: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Sie wissen doch, dass in Afghanistan überall die Taliban sind. Mit meiner Familie habe ich keinen Kontakt mehr. Wo soll ich hin? Ich habe niemanden mehr dort. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Aber ich hab 2,5 Jahre hier verbracht. Ich kann nicht mehr neu dort anfangen. Ich habe meine Strafe gebüßt. Ich möchte hierbleiben.

F: Lebte Ihre Familie im November 2016 noch im Haus Ihres Vaters?

A: Ich weiß es nicht, ich habe nicht gefragt. Sie meinten es ginge ihnen gut.

Es wird rückübersetzt. AW wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. noch etwas zu ergänzen ist.

Nach erfolgter Rückübersetzung gibt AW an:

A: Es hat alles gepasst.

F: Wie haben Sie vom Tod Ihres Bruders erfahren?

A: Ich war in der Schule und als ich nach Hause kam, sah ich seine Leiche auf einer Trage liegen.

F: Wie kam Ihr Bruder ums Leben?

A: Mein Bruder wurde mit 10 Schüssen getroffen.

F: Gab es ein Gefecht oder ähnliches?

A: Er saß vor einem Geschäft und wurde erschossen.

F: Wurden mehrere Menschen erschossen?

A: Nein nur mein Bruder, er saß vor seinem Geschäft.

F: Um welches Geschäft handelte es sich?

A: Ein kleiner Supermarkt.

F: Warum wurde Ihr Bruder getötet?

A: Nein ich habe nicht gefragt.

F: Wo sind Ihre anderen Brüder heute?

A: Ich weiß es nicht.

F: Hat Ihr jüngerer Bruder noch Kontakt mit Ihrer Familie?

A: Ja. Er hat mich hin und wieder besucht.

F: Und haben Sie sich nie über Ihre Familie unterhalten?

A: Nein.

F: Warum nicht?

A: Ich will es nicht. Ich habe Fehler gemacht und ich wollte nicht, dass er bei mir war, wenn ich Drogen konsumiert habe. Ich will nicht, dass er die gleichen Fehler macht.

F: Sind die Taliban noch ein weiteres Mal (außer anhand der Zettel) auf Sie zugekommen?

A: Ich habe sie zwar gesehen aber sie haben mich nie angesprochen.

F: Wurden Sie jemals persönlich bedroht oder verfolgt?

A: Nein. Ich war noch zu jung die gingen zu meinem Vater. Ich hatte Freunde die von den Taliban entführt wurden.

F: Waren Ihr Vater bei den afghanischen Behörden wegen den Briefen?

A: Nein. Die afghanische Polizei kann niemanden helfen.

F: Warum sind Sie nicht nach Kabul geflüchtet?

A: Nein.

F: Warum nicht?

A: Als minderjähriger kann man nicht einfach nach Kabul, man braucht jemanden der auf einen aufpasst.

F: Warum schickte Ihr Vater nicht auch die restlichen Söhne nach Europa?

A: Mein ältester Bruder war verheiratet und lebte woanders. Wir waren 3 Söhne im relativ gleichen Alter. Einer wurde getötet und uns beiden wollte er mitnehmen. Die anderen kleinen waren noch zu jung.

F: Warum flüchteten Sie nicht mit dem Bruder gemeinsam?

A: Bis in den Iran flüchteten wir gemeinsam. Dort trennten uns die Schlepper. Wir kamen deshalb getrennt hier an.

F: Dieser Onkel, der die Reise organisierte, lebt der noch in Afghanistan?

A: Ich weiß es nicht.

F: Warum haben Sie in keinem durchreisten, sicheren Land um Asyl angesucht?

A: Ich weiß es nicht. Die Schlepper brachten uns bis hierher.

F: Sind Sie oder Ihre mitgereisten Angehörigen je von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer in Österreich betroffen gewesen?

A: Nein

F: Sie haben während Ihres Aufenthaltes über 2,5 Jahre über 10 Anzeigen erhalten und wurden bereits mehrmals wegen Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz sowie weiteren Delikten rechtskräftig verurteilt worden. Wie erklären Sie sich das, in Hinblick darauf, dass Sie hierher aus Angst um Ihr Leben geflüchtet sind?

A: Am Anfang versuchte ich Deutschkurse zu bekommen in L., aber der Quartiergeber konnte mit und den anderen keine Arbeit und Beschäftigung geben. Daher fing ich an Alkohol zu konsumieren. Als ich kein Geld mehr hatte, machte ich Sachen die ich jetzt bereue. Ich habe Drogen konsumiert.

Privat und Familienleben

F: Sie wurden bez (§83 Körperverletzung) am 23.02.2016 zur Anzeige gebracht. Was sagen Sie dazu?

A: Das war in L.? Dort war ich doch verletzt, damals wurde ich geschlagen und angezeigt. Ich hatte ein Ladegerät und einer wollte es mir wegnehmen. Als ich meinte, dass es mir gehöre, stoß er mich gegen das Bett und ich verletzte mich im Gesicht.

F: Sie werden beschuldigt am 09.04.2016 gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen zu haben.

Was sagen Sie dazu?

A: Ja ich war mit den falschen Leuten unterwegs, damit ich Drogen kaufen konnte brauche ich Geld. Daher habe ich auch mit Drogen gedealt.

F: Sie wurden vom am 24.08.2016 (rk 24.08.2016) vom Landesgericht Linz wegen §27 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 6 Wochen bedingt (Probezeit 3 Jahre) verurteilt. Sie sind schuldig am 14.07.2016 gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen zu haben. Sie sind schuldig an einem öffentlich zugänglichen Ort vorschriftswidrig Marihuana einem anderen gegen Entgelt überlassen zu haben. Was sagen Sie dazu?

A: Ja ich war mit den falschen Leuten unterwegs, damit ich Drogen kaufen konnte brauche ich Geld. Daher habe ich auch mit Drogen gedealt.

F: Sie werden beschuldigt am 11.07.2016 gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen zu haben. Was sagen Sie dazu?

A: Ja ich war mit den falschen Leuten unterwegs, damit ich Drogen kaufen konnte brauche ich Geld. Daher habe ich auch mit Drogen gedealt.

F: Sie werden beschuldigt am 20.11.2016 gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen zu haben. Was sagen Sie dazu?

A: Ja ich war mit den falschen Leuten unterwegs, damit ich Drogen kaufen konnte brauche ich Geld. Daher habe ich auch mit Drogen gedealt.

F: Sie wurden am 29.03.2017 (rk 29.03.2016) vom Landesgericht Linz wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt (§ 269 StGB) am 05.01.2017 sowie Versuch des Widerstandes gegen die Staatsgewalt (§15 StGB §269 StGB) am 01.02.2017, Körperverletzung (§ 83 StGB) und schwerer Körperverletzung (§ 84 StGB) am 05.01.2017 sowie am 01.02.2017, gefährlicher Drohung (§107 StGB) am 01.02.2017 und wegen Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz (§27 1 SMG) am 05.01.2017 sowie am 01.02.2017, verurteilt. Was sagen Sie dazu?

A: Es gab sogar einen Zeugen, dass diese Drogen mir gehörten aber trotzdem hat mich der Richter verurteilt.

F: Und die anderen Vorwürfe?

A: Ja das war komisch. Das waren nicht meine Drogen ich wollte gehen und bin nicht stehen geblieben. Als er mich fassen wollte hat er sich am Mittelfinger verletzt und hat mich angezeigt.

Anm: AW wird lauter

A: Ich war unter Drogen als mir die Polizei auf Facebook schrieb wir sollen uns Treffen. Ich lief weg und fiel hin und ein Polizist hat mich im Gesicht verletzt. Ich war so betrunken ich weiß nichts mehr. Die Polizei schlug mich derart, dass ich aus Mund und Nase und Ohren blutete. Dann meinten sie, ich hätte gesagt ich würde sie umbringen. Meine Kleidung wurde gewaschen und ich bekam einen Brief, ich hätte die Polizei bedroht und würde eingesperrt werden.

F: Warum liefen sie von der Polizei weg?

A: Ich weiß nicht was ich geschrieben habe auf Facebook, ich war betrunken und weiß nicht warum ich gelaufen bin.

F: Sie werden beschuldigt am 19.09.2017 gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen zu haben. Was sagen Sie dazu?

Ja, wie bereits gesagt, ich war mit den falschen Leuten unterwegs, damit ich Drogen kaufen konnte brauche ich Geld. Daher habe ich auch mit Drogen gedealt.

F: Aufgrund Ihrer Straffälligkeiten werden von der Behörde der Ausschluss aus dem Asylverfahren sowie ein Einreiseverbot geprüft. Möchten Sie dazu noch etwas sagen?

A: Ja ich habe Fehler gemacht, aber dafür sitz ich doch gerade. Wohin soll ich zurück?

F: Haben Sie Verwandte in Österreich? Wenn ja, welche und wo wohnen diese? Wie gestaltet sich der Kontakt zu diesen?

A: Nein nur meinen Bruder.

F: Sind Sie mit den in Österreich lebenden Verwandten gemeinsam aufgewachsen? Haben Sie im gemeinsamen Haushalt gelebt?

A: Ja.

F: Besteht zu den in Österreich befindlichen Verwandten eine besondere Beziehungsintensität, ein Abhängigkeitsverhältnis?

A: Nein.

F: Haben Sie Privatbesitz in Österreich?

A: Nein.

F: Haben Sie anderweitige private Interessen in Österreich?

A: Mein Bruder gehört zu meiner Familie. Ansonsten nein.

F: Wie sehen Ihre sozialen Kontakte/Aktivitäten in Österreich aus?

A: Ich kannte gute und schlechte Leute. Afghanen, Syrer, Österreicher auch ungarische Freunde.

Integration

F: Haben Sie Deutschkurse besucht bzw. positive Prüfungen abgelegt?

A: Ja ich habe A1 besucht. Ich machte auch die Prüfung.

F: Was wollen Sie in Österreich arbeiten?

A: Ich habe jetzt keine Ahnung. Wann ich raus komme versuch ich es. Eine Frau von "Z" meinte ich bekomme eine Wohnung und vielleicht eine Lehre bekommen. Ich wäre gerne Mechaniker.

Nachgefragt, ich weiß nicht genau was ich hierfür machen muss, ich glaube einen Kurs.

F: Leben Sie in Österreich in einer Lebensgemeinschaft?

A: Ich habe in der Asylunterkunft gewohnt

Anm: AW versteht bereits Deutsch und spricht in gebrochenen Sätzen. Der Dolmetscher ergänzt, dass der AW bei der Rückübersetzung auf Deutsch gut mitgelesen hat.

F: Was erwarten Sie sich in Österreich?

A: Wie ich gesagt habe, mein Betreuer sagte, wenn ich rauskomme kann ich in N. eine Wohnung bekomme und Mechaniker werden und selbstständig werden. Ich habe 2017 einen Fehler gemacht, dafür wurde ich verurteilt. Dass ich jetzt hier bin ist nicht meine Schuld. Die haben mich unschuldig eingesperrt.

F: Haben Sie andere Drogen außer Marihuana?

A: Ja Crystal Meth. Ich habe es nicht so lange konsumiert.

Ich habe einen Entzug bei einem Freund gemacht. Ich habe mir auch nichts eingefangen.

F: Sind Sie in einem Verein aktiv tätig? Wenn ja, wo und wie lange? Ist die Vorlage einer Bestätigung möglich?

A: Nein

F: Gehen Sie einer ehrenamtlichen Tätigkeit nach? Wenn ja, wo und wie lange? Ist die Vorlage einer Bestätigung möglich?

A: Als ich noch im Heim lebte, habe ich gearbeitet und 5 Euro pro Tag bekommen.

F: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Probleme vollständig und so ausführlich, wie Sie es wollten, zu schildern?

A: Ja

F: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

A: Nein das war es danke.

F: Sind Sie mit amtswegigen Erhebungen vor Ort unter Wahrung Ihrer Anonymität, eventuell unter Beiziehung der Österreichischen Botschaft und eines Vertrauensanwaltes einverstanden?

A: Ja.

Vorhalt: Es werden Ihnen nunmehr die wesentlichen Feststellungen (siehe Beilage) zu Ihrem Herkunftsstaat einschließlich der Quellen vorgehalten bzw. durch den Dolmetscher übersetzt. Sie haben im Anschluss daran die Möglichkeit dazu innerhalb von 14 Tagen Stellung zu beziehen und Ihre Sicht der Lage darzustellen.

Nach Übersetzung:

F: Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

A: Nein, ich verzichte.

Es wird rückübersetzt. AW wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. noch etwas zu ergänzen ist.

Nach erfolgter Rückübersetzung gibt AW an, dass alles richtig und vollständig ist und alles richtig wiedergegeben wurde.

F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Einvernahme einwandfrei verstanden?

A: Ja.

F: Hat der Dolmetscher das rückübersetzt, was Sie gesagt haben?

A: Ja.

[...]"

Wie diesen Ausführungen zu entnehmen ist, verzichtete der Beschwerdeführer auf eine Einsichtnahme in die seitens der Behörde herangezogenen Berichte zur Situation in Afghanistan sowie auf die Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 13 Absatz 2 Ziffer 1 Asylgesetz wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 21.05.2016 verloren hat (Spruchpunkt VIII.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX.).

Die belangte Behörde stellte fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen Staatsangehörigen Afghanistans aus der Provinz Nangarhar handle, welcher der moslemisch-sunnitischen Glaubensrichtung sowie der Volksgruppe der Paschtunen angehöre. Die Identität des Beschwerdeführers könne nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer verfüge über eine zehnjährige Schulbildung und mehrjährige Berufserfahrung in der Landwirtschaft in Afghanistan und sei arbeitsfähig. Er leide an keiner psychischen oder physischen Erkrankung, vielmehr sei er gesund. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Er verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan, der Vater, die Mutter, drei Brüder und eine Schwester würden nicht weit von Kabul in Afghanistan leben, die Familie besitze ein Einfamilienhaus. Der Beschwerdeführer könne daher im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan selbst für den Unterhalt sorgen sowie mit Unterstützungen durch Familienangehörige rechnen. Der Beschwerdeführer sei im paschtunischen Kulturkreis aufgewachsen und mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut.

Der Beschwerdeführer habe einen näher genannten jüngeren, im Jahr 2001 geborenen Bruder in Österreich, dessen Antrag auf internationalen Schutz am 11.12.2017 erstinstanzlich abgewiesen worden und gegen den eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei; aktuell befinde sich das diesbezügliche Verfahren des Bruders im Beschwerdestadium. Der Beschwerdeführer besuche in Österreich keine Kurse und Schulen und sei nicht in Vereinen aktiv, auch gehe er keiner Arbeit nach. Es bestünden keine besonderen sozialen Kontakte, die den Beschwerdeführer an Österreich binden würden. Der Beschwerdeführer sei während seines dreijährigen Aufenthaltes in Österreich bereits fünfmal aufgrund des Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz zur Anzeige gebracht worden, in weiterer Folge sei er bereits dreimal strafrechtlich verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei illegal in das Bundesgebiet eingereist, eine wesentliche integrative Bindung zu Österreich könne nicht festgestellt werden.

Zur Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten führte die belangte Behörde in einer Zusammenschau der getroffenen Feststellungen, der beweiswürdigenden Ausführungen sowie der rechtlichen Beurteilung begründend im Ergebnis im Wesentlichen erkennbar aus, der Beschwerdeführer habe glaubhaft gemacht, Afghanistan aufgrund von Problemen, die die Taliban seiner Familie verursacht hätten und aufgrund der Ermordung des Bruders durch die Taliban verlassen zu haben; das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers wurde daher dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt. Nicht festgestellt werden könne jedoch eine daraus resultierende asylrelevante - oder sonstige - Verfolgung in ganz Afghanistan, weil der Beschwerdeführer die Möglichkeit habe, sich in Kabul niederzulassen, wo er keine individuelle, konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten habe; der Beschwerdeführer wurde im angefochtenen Bescheid sohin auf das Vorliegen einer sogenannten inländischen Fluchtalternative verwiesen. In diesem Zusammenhang könne auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer persönlich Probleme mit Behörden seines Herkunftsstaates gehabt habe; der Beschwerdeführer sei, wie er selbst vorgebracht habe, in seinem Heimatstaat weder vorbestraft, noch sei er inhaftiert gewesen noch bestünden gegen ihn staatliche Fahndungsmaßnahmen. Es liege beim Beschwerdeführer kein politisches Engagement vor, welches darauf schließen lassen würde, dass er im gesamten Staatsgebiet Afghanistans als Person bekannt wäre und als hochrangiges Ziel gelten würde bzw. habe er keine besonderen Tätigkeiten in Afghanistan ausgeführt mit gleichzeitigem Erlangen eines hohen Bekanntheitsgrades. Auch habe der Beschwerdeführer keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit mit den staatlichen Behörden oder mit Privatpersonen vorgebracht.

Zur Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei in einer Gesamtschau nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr nach Afghanistan - konkret bei einer Aufenthaltnahme in Kabul - eine Artikel 2, 3 EMRK entsprechende Notlage zu erwarten hätte, zumal der Beschwerdeführer in Kabul keiner konkret gegen seine Person gerichteten individuellen Gefährdung ausgesetzt wäre. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen gesunden arbeitsfähigen Mann, der über eine zehnjährige Schulbildung verfüge und selbst für seinen Unterhalt aufkommen könne. Unabhängig davon sei bei einer Aufenthaltnahme in Kabul aber neben finanziellen Unterstützungen im Rahmen der Rückkehrhilfe auch eine finanzielle Hilfeleistung durch die in Afghanistan lebende Familie des Beschwerdeführers zu erwarten; der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Umstand, dass er keinen Kontakt mehr zu seiner in Afghanistan lebenden Familie habe wegen seines schlechten Lebenswandels in Österreich, sei nicht plausibel. Darüber hinaus ermögliche es dem Beschwerdeführer auch der Umstand, dass er der Volksgruppe der Paschtunen angehöre, in Kabul Anschluss an Mitglieder seiner Volksgruppe zu finden, die ihn unterstützen würden. Eine Aufenthaltnahme in Kabul, das durch den internationalen Flughafen sicher zu erreichen sei, sei dem Beschwerdeführer daher - dies auch ohne familiären Rückhalt - zumutbar.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 30.07.2018 fristgerecht Beschwerde ein, die den BVwG am 06.08.2018 vorgelegt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist Muslim sunnitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Nangarhar/Afghanistan und ist dort in einem paschtunischen Umfeld aufgewachsen. Er hat in Afghanistan insgesamt 10 Jahre die Schule besucht und in Unterstützung seines Vaters in der Landwirtschaft gearbeitet.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen alleinstehenden, kinderlosen, arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf. Der Beschwerdeführer leidet an keinen körperlichen und an keinen psychischen Erkrankungen. Er spricht Paschtu.

Der Beschwerdeführer verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan, so leben seine Eltern, drei Brüder und eine Schwester in der Provinz Nangarhar, wo die Familie ein Haus besitzt.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich nicht unbescholten:

Mit rechtskräftigem Urteil des LG für Strafsachen Linz vom 24.08.2016, 022 HV 58/2016v, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 27

(1) Z 1 1.2.8. Fall, 27 (2) SMG und §§ 27 (1) Z 1 1.2.8. Fall, sowie § 27 (2a) SMG - Datum der (letzten) Tat 14.07.2016 - zu einer Freiheitsstrafe von 6 Wochen bedingt verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil des LG für Strafsachen Linz vom 29.03.2017, 033 HV 17/2017x, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs. 1 StGB, wegen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 StGB, wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 und 2 StGB, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, und wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1. 2. und 8. Fall, teilweise Abs. 2 SMG, (Datum der (letzten) Tat 01.02.2017) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten unbedingt verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil des BG Linz vom 26.02.2018, 031 U 161/2017w, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 27 (1) Z 1 1.2. Fall, teilweise Abs. 2 SMG (Datum der (letzten) Tat 31.10.2017) zu einer Freiheitsstrafe von 10 Wochen unbedingt verurteilt.

Der in Österreich dreifach strafgerichtlich verurteilte Beschwerdeführer ist nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet seit seiner Antragstellung am 12.05.2015 auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren - unter Abzug des Zeitraumes seit Verlust dieses Aufenthaltsrechtes gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 (vgl. Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides mit der entsprechenden Maßgabe) - rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Er bestreitet den Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer verfügt über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Er hat in Österreich einen jüngeren Bruder, der ebenfalls in Österreich den Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der zwischenzeitlich vom BFA abgewiesen wurde und gegen den eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Der Beschwerdeführer lebt mit diesem Bruder nicht in einem gemeinsamen Haushalt, ein wechselseitiges Abhängigkeitsbedürfnis oder ein sonstiges besonderes Naheverhältnis (wie beispielsweise eine Pflegebedürftigkeit) besteht in Bezug auf diesen Bruder nicht. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen in Österreich. Für außergewöhnliche Integrationsbestrebungen des Beschwerdeführers gibt es keine Anhaltspunkte.

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Festgestellt wird, dass die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Taliban hätten in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, Nangarhar, den Vater des Beschwerdeführers schriftlich aufgefordert, seine Söhne zu den Taliban zu schicken, dies habe der Vater nicht gemacht, schließlich sei ein Bruder des Beschwerdeführers im Alter von 16 Jahren getötet worden, die Familie wisse nicht, ob dies die Taliban gewesen seien oder jemand anderer, in der Folge habe der Vater die Ansicht vertreten, der Beschwerdeführer und sein jüngerer Bruder sollten Afghanistan verlassen, erkennbar zu Grunde gelegt hat.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer bezogen auf den Raum Kabul keine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung durch die Taliban oder durch andere Personengruppen substantiiert vorgebracht hat.

Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

...

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC

20.12.2017) . Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT

11.12.2017) .

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von lEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA

10.2017) ; konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017). Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

High-profile Angriffe:

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC

20.12.2017) . In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera

20.10.2017) .

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC

21.10.2017) . In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani- Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriff auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur

Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017).

Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).

Quellen:

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al Jazeera (20.10.2017): Deadly attacks hit mosques in Kabul and Ghor,

http://www.aliazeera.com/news/2017/10/dozens-feared-dead-attacks-afghanistan-

171020142936566.html, Zugriff 20.12.2017

-

BBC (31.10.2017): Kabul Green Zone attacked by suicide bomber,

http://www.bbc.com/news/world-asia-41819850, Zugriff 20.12.2017

-

BBC (21.10.2017): Afghan suicide mosque attacks kill scores of worshippers, http://www.bbc.com/news/world-asia-41699320, Zugriff 20.12.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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