TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/10 W202 1236376-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.08.2018
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Entscheidungsdatum

10.08.2018

Norm

AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W202 1236376-3/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard Schlaffer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, vertreten durch Österreichische Flüchtlings- und MigrantInnenhilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.02.2017, Zahl 1053661206/151605850/BMI-BFA, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.05.2018 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA-Verfahrensgesetz auf Dauer für unzulässig erklärt.

Herrn XXXX wird gemäß §§ 54 und 55 Abs. 2 Asylgesetz 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein indischer Staatsangehöriger reiste im Oktober 2002 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der seitens des Bundesasylamtes mit Bescheid vom 13.11.2006 negativ beschieden wurde. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien zulässig sei und wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wies der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 25.01.2007, Zl. 236.376-7/9E-XIII/66/06, als unbegründet ab.

Weiters wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 04.09.2008, Zl. III-1206035-FRP/08 gemäß § 53 Abs. 1 FPG ausgewiesen.

Die BPD Wien ordnete mit Bescheid vom 22.12.2009, Zahl III-1206035/FrB/09, gem. § 76 Abs. 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung an. Am 12.02.2010 wurde der BF aufgrund eines Hungerstreiks als haftunfähig aus der Schubhaft entlassen.

Mit Bescheid der BPD Wien vom 12.04.2012, Zahl III-1206035/FrB/12, wurde das gelindere Mittel gem. § 77 FPG angeordnet, wonach sich der Beschwerdeführer täglich bei der zuständigen Polizeiinspektion zu melden habe. Der BF kam dem bis zu seiner Aufhebung nahezu ein Jahr lang nach.

Der Antrag des Beschwerdeführers vom 03.11.2014 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" wurde seitens des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, mit Bescheid vom 26.01.2015, Zl. MA 35-9/2927151-01, gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz abgewiesen.

Mit ausgefülltem Formular des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) "Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK, Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens" vom 22.10.2015 stellte der BF den gegenständlichen Antrag gemäß § 55 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

Dem Antrag legte der BF einen Auszug eines indischen Reisepasses ausgestellt am 08.11.2004, gültig bis 07.05.2005, ein Diplom des ÖSD betreffend eine bestandene Prüfung A1 Grundstufe Deutsch 1, eine Geburtsurkunde, einen Meldezettel, sowie das Deckblatt eines Versicherungsdatenauszuges der Österreichischen Sozialversicherung, jeweils in Kopie, vor.

Am 15.11.2016 wurde der BF seitens des BFA niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen folgendes vorbrachte:

Über Vorhalt, dass er trotz rechtskräftiger Ausweisung das österreichische Bundesgebiet nicht verlassen habe, gab er an, dass er nicht gewusst habe, dass er Österreich verlassen müsse. Er habe einen Antrag gestellt, dass er hierbleiben könne, er wolle nicht nach Indien zurückkehren. Er verfüge über keinen gültigen Reisepass, die Botschaft stelle ihm keinen Reisepass aus. Über Vorhalt, dass er lediglich ein Sprachzertifikat A1 vorgelegt habe, führte er aus, dass er das ÖSD Zertifikat A2 vorlege, den Kurs habe er aber nicht bestanden. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. In Österreich habe er keine Familienangehörigen, ein Onkel mütterlicherseits wohne in Wien. In Indien lebten zwar Familienangehörige, seine Mutter sei bereits verstorben, er habe keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Er habe sein Heimatland im Alter von 16 Jahren verlassen. Er habe keine Bindungen mehr zu seinem Heimatland. Befragt, was er im Falle einer Rückkehr nach Indien befürchte, fragte er, wo er jetzt wohnen solle und führte aus, als er hergekommen sei, sei er in seinem Heimatland verfolgt worden. Wie die jetzige Situation aussehe, wisse er nicht. Er wohne im 20. Wiener Gemeindebezirk, er sei behördlich gemeldet. Er bestreite seinen Lebensunterhalt als Zeitungszusteller und verdiene monatlich etwa 600 Euro. Abgesehen davon arbeite er auch als Werbezettelverteiler und verdiene täglich etwa 25 Euro. Er habe für diese Erwerbstätigkeit keine arbeitsrechtliche Bewilligung, er arbeite auf Werkvertragsbasis. Diesen Vertrag könne er der Behörde nachreichen. Er habe Freunde in Österreich. Er nehme an keinem Vereinsleben teil. Die meisten sozialen Kontakte habe er zu Indern, österreichische Freunde habe er nicht so viele. Abschließend wurde dem BF zur Kenntnis gebracht, dass die Behörde keine Gründe sehe, seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen positiv zu entscheiden.

Seitens des BFA wurde der BF mit Schreiben vom 15.11.2016 davon in Kenntnis gesetzt, dass es beabsichtigt sei, seinen Antrag abzuweisen und eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Mit Schreiben vom 09.12.2016 erfolgte eine Stellungnahme, in dem ein Antrag gemäß § 4 AsylG-DV auf Heilung eines Mangels gestellt wurde. Dabei brachte der BF vor, dass er seit 14 Jahren im Bundesgebiet sei und er während seines Aufenthaltes versucht habe, sich zu integrieren. Er habe das Deutschdiplom A1 absolviert und habe auch den mündlichen Teil der Deutschdiplomprüfung A2 erfolgreich abgeschlossen. Er beabsichtige, seine Deutschkenntnisse weiter zu verbessern. Der BF sei der deutschen Sprache mächtig, dies habe er bei seiner Einvernahme am 15.11.2016 bestätigt, er habe sich bei seiner Einvernahme mit dem Leiter der Amtshandlung in Deutsch unterhalten. Der BF sei bei der Firma Mediaprint auf Werkvertragsbasis tätig, er verdiene etwa 600 Euro. Weiters sei er krankenversichert und wohne in einer ortsüblichen Unterkunft. Auch sei zu erwähnen, dass der BF strafrechtlich nie in Erscheinung getreten sei. Damit sei die Selbsterhaltungsfähigkeit ohne Inanspruchnahme von sozialen Leistungen gegeben. Im Alter von 17 Jahren sei der BF nach Österreich gekommen und habe durch seinen jahrelangen Aufenthalt im Bundesgebiet einen großen Freundeskreis aufgebaut. Dank seines 14-jährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet sei davon auszugehen, dass der BF einen sehr sporadischen Kontakt zu seiner Heimat habe. Es bestünden daher weitreichende Bindungen zu Österreich und liege hier eindeutig der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen. Der BF habe eine Geburtsurkunde vorgelegt sowie eine Kopie des Reisepasses, er habe seine Identität nie verschleiert. Nach einem 14-jährigen Aufenthalt ergäbe sich aus der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei einem derart langen Aufenthalt von einer Integration in Österreich grundsätzlich auszugehen sei.

Mit Schreiben vom 11.01.2017 wurden dem BF die Länderfeststellungen zu Indien seitens des BFA übermittelt, wobei der BF mit am 26.01.2017 beim BFA eingelangtem Schreiben, im Wesentlichen wie folgt Stellung bezog.

Der BF sei als 17-Jähriger, somit minderjährig, nach Österreich gekommen. Er könne nunmehr auf 14 Jahre Aufenthalt im Bundesgebiet zurückblicken. Aufgrund der sehr langen Aufenthaltsdauer sei davon auszugehen, dass nur noch ein sehr sporadischer Kontakt zur ursprünglichen Heimat bestehe. Er würde sich in Indien überhaupt nicht zurechtfinden. Der Freundeskreis und sein ganzes Privatleben finde in Österreich statt. Eine Existenz in Indien könne sich der BF nicht aufbauen. Er würde in eine aussichtslose Lage geraten. Der BF habe fast die Hälfte seines Lebens in Österreich verbracht, dazu komme, dass er hier erwachsen geworden sei und der in Österreich verbrachte Lebensabschnitt der wichtigere und bedeutendere Teil gewesen sei.

Mit Bescheid vom 01.02.2017, Zahl 1053661206/151605850/BMI-BFA, wies das BFA den Antrag des BF vom 15.05.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG ab. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, bei einer Abwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK stehe der Erlassung einer Rückkehrentscheidung sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens nicht entgegen. Die Abschiebung des BF nach Indien sei zulässig. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Dagegen erhob der BF fristgerecht Beschwerde und brachte hierbei vor, dass er bereits seit 14 Jahren im Bundesgebiet sei. Die sehr lange Aufenthaltsdauer sei mit positiven Faktoren und guter Integration verbunden. Der Verwaltungsgerichtshof habe klargestellt, dass bei einem 10-jährigen Aufenthalt von einem Überwiegen der persönlichen Interessen am weiteren Verbleib in Österreich auszugehen sei. Der BF habe die Zeit seines Aufenthalts in Österreich gut genützt und nehme keine sozialen bzw. finanziellen Hilfen in Anspruch. Er sei selbsterhaltungsfähig und krankenversichert. Er scheue nicht davor zurück, anstrengende Arbeiten durchzuführen. In Österreich habe er einen großen Freundschaftskreis aufgebaut und achte die hiesigen Gepflogenheiten. Vor dem Hintergrund der guten Integration in Verbindung mit der langen Aufenthaltsdauer hätte eine positive Entscheidung getroffen werden müssen. Er habe die Kopie eines indischen Reisepasses sowie einer Geburtsurkunde vorgelegt. Er habe am behördlichen Verfahren mitgewirkt und aus Eigenem mit der indischen Botschaft Kontakt aufgenommen. Eine Rückkehrentscheidung stelle aus den angeführten Gründen einen Widerspruch zu Artikel 8 EMRK dar. Es widerspreche den Beweismitteln, dass der BF seinen Aufenthalt überhaupt nicht dazu genutzt hätte, sich in Österreich zu integrieren. Eine Interessensabwägung im Sinne des Artikel 8 EMRK hätte zugunsten des BF ausgehen müssen. Er verfüge über eine ortsübliche Unterkunft. Im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels könne er sich selbst erhalten. Negative Faktoren seien nicht ersichtlich.

Vor dem BVwG wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 15.05.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der sich Folgendes ereignete:

"R: Warum haben Sie bislang das Bundesgebiet nicht verlassen, obwohl gegen Sie eine rechtskräftige Ausweisung besteht?

BF (in gebrochenem Deutsch): Ich bin schon sehr lange hier. Früher war ich in Baden in der Schule, später bin ich nach Wien gekommen.

R: Seit wann sind Sie in Österreich?

BF (auf Deutsch): Seit 2002.

R: Gehen Sie einer Arbeit nach?

BF (auf Deutsch): Nein, ich bin nur Zeitungszusteller.

R: Auf welcher Basis machen Sie das, was bekommen Sie dafür für ein Entgelt, sind Sie da unselbstständig beschäftigt?

BF (auf Deutsch): Unselbstständig, nicht selbstständig.

R: Haben Sie einen Arbeitsvertrag?

BF (auf Deutsch): Nein.

R: Haben Sie einen sonstigen Vertrag, auf welcher Basis beruht Ihre Beschäftigung?

BFV: Es beruht auf einen Werkvertrag.

R: Mit wem haben Sie diesen Werkvertrag abgeschlossen, für wen arbeiten Sie?

BF (in gebrochenem Deutsch): Mein Onkel ist dort Chefleiter, er hat mir diese Beschäftigung verschafft.

R: Welchen Aufenthaltsstatus hat Ihr Onkel?

BF (auf Deutsch): Er ist bereits Österreicher.

R: Was verdienen Sie mit Ihrer Tätigkeit als Zeitungszusteller?

BF (auf Deutsch): Manchmal 500 manchmal 700.

R: Leben Sie auch bei Ihrem Onkel?

BF (auf Deutsch): Nein.

R: Haben Sie Kontakt mit Ihrem Onkel?

BF (in gebrochenem Deutsch): Ja, mit dem Onkel, den zwei Kindern auch.

R: Wie oft sehen Sie Ihren Onkel bzw. seine Kinder?

BF (teilweise auf Deutsch): Jeden Tag am Nachmittag. Die Kinder sehe ich einmal in zwei Wochen

R: Unterstützt Sie Ihr Onkel auch?

BF: Ja.

R: Inwiefern?

BF (in gebrochenem Deutsch): Manchmal wenn ich Geld brauche, borgt er mir Geld.

R: Wo wohnen Sie derzeit?

BF (auf Deutsch): 10. Bezirk, Tyrnauer Gasse 4/15.

R: Was ist das für eine Wohnung?

BF (auf Deutsch): Normale Mietwohnung.

R: Sind Sie der Hauptmieter oder leben Sie dort in Untermiete?

BF (auf Deutsch): Untermiete.

R: Wer wohnt aller in dieser Wohnung.

BF (in gebrochenem Deutsch): Mit einem Kollegen.

R: Wie groß ist die Wohnung?

BF: 92 qm, es ist eine 2-Zimmer-Wohnung mit Bad, Küche, Toilette.

R: Haben Sie schriftliche Unterlagen dazu, einen Mietvertrag?

BF: Das hat der Mitbewohner, er ist der Hauptmieter, sein Name ist Baljeet SINGH.

R: Welchen aufenthaltsrechtlichen Status hat dieser Baljeet SINGH?

BF: Befristete Aufenthaltserlaubnis.

R: Falls Ihnen ein Aufenthaltstitel gewährt wird, hätten Sie die Möglichkeit legal zu arbeiten?

BF: Ja.

R: Was könnten Sie arbeiten?

BF (auf Deutsch): Ich kann kochen, ich habe schon gekocht. Ich habe bei in einer Sandwichfirma bereits mitgeholfen und Sandwiches vorbereitet.

R: Haben Sie eine arbeitsrechtlichen Vorvertrag?

BF: Ich kann einen derartigen Vertrag hinsichtlich dieser Sandwichfirma vorlegen.

BFV gibt bekannt, dass ein derartiger Vertrag innerhalb von zwei Wochen vorgelegt wird.

R: Welche Kurse haben Sie bisher besucht und welche besuchen Sie derzeit, Deutschkurse?

BF: Ich habe sechs Monate einen Kurs bei der Volkshochschule absolviert, dann habe ich A1 und A2 abgeschlossen. Den A2-Kurs habe ich schriftlich nicht bestanden, mündlich schon.

R: Warum haben Sie den schriftlichen Test nicht nachgeholt, warum haben Sie nicht weitere Kurse besucht?

BF (in gebrochenem Deutsch): Die sechs Monate habe ich bei der Caritas einen Kurs besucht, danach musste ich immer für die Kurse bezahlen, dann hatte ich immer weniger Geld zur Verfügung.

R: Haben Sie vor demnächst einen Deutschkurs zu besuchen?

BF (in gebrochenem Deutsch): Ich habe einen Termin am 17. des nächsten Monats, einen Prüfung zu wiederholen.

R: Können Sie Unterlagen dazu vorlegen?

BF: Ich habe noch keine Bestätigung, sie haben gesagt, wenn ich bezahle, dann bekomme ich auch eine schriftliche Bestätigung.

BFV: Eine Anmeldebestätigung wird innerhalb von zwei Wochen vorgelegt.

R: Wer von Ihrer Familie lebt derzeit noch in Indien?

BF (in gebrochenem Deutsch): Nur mit dem Vater, nicht mit anderen Personen. Ich weiß nur über meinem Vater Bescheid, über meine anderen Familienmitglieder weiß ich nicht, wo die sind.

R: Welche anderen Familienmitglieder gibt es noch?

BF: Meine Mutter ist schon gestorben. Ich habe drei Schwestern, die alle in Indien wohnhaft sind, aber wo, weiß ich nicht.

R: Sie haben bei einer Einvernahme angegeben, dass Sie einen Bruder haben, von Schwestern ist keine Rede.

R: Ich habe damals ein Familienfoto vorgelegt, eine Art "Lebensmittelkarte", darauf ist die ganze Familie zu sehen.

R: Wo ist dieses Foto?

BF: Das ist im Akt. Das war viel später, voriges Jahr.

BFV kündigt an, eine Kopie dieser Karte zu schicken.

R: Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Haben Sie ein soziales Engagement, helfen Sie mit?

BF: Ich schaue fern zu Hause in meiner Freizeit, am Sonntag gehe ich in den Sikh-Tempel. Ich gehe Fußballspielen am Prater.

R: Mit wem spielen Sie Fußball, sind das auch österreichische Freunde oder sind das nur Inder?

BF (auf Deutsch): Österreicher auch.

R: Sind diese Österreicher auch Freunde, treffen Sie sich mit diesen, wie heißen diese?

BF (auf Deutsch): Die heißen Josef, Günter, Alex, Amrinder.

R: Sie sind einmal strafgerichtlich verurteilt worden, warum?

BF: Es hat einen Streit gegeben, in diesem Streit hat man mich auch verurteilt, da ist ein Spiegel kaputt geworden.

R: Es war Sachbeschädigung.

BF: Die Geldstrafe von 108 Euro habe ich mittlerweile beglichen.

R: Sind Sie krankenversichert?

BF: Da ich nicht legal arbeite, habe ich derzeit keine Möglichkeit, bei der Caritas bin ich versichert.

R: Sie sind bei der Caritas versichert, wie meinen Sie das?

BF: Zweimal war ich beim Arzt und musste 36 Euro bezahlen. Ich habe keine E-Card und bin nicht versichert. Die Caritas unterstützt mich auch, wenn ich krank bin.

BFV: Ein Versicherungsdatenauszug wird binnen zwei Wochen vorgelegt.

R an BFV: Haben Sie noch Fragen an den BF?

BFV: Nein.

R: Haben Sie außer dem Onkel und seine Kinder keine anderen Verwandten in Österreich?

BF: Gute Freunde, aber keine Verwandten oder Familienangehörigen.

Erörtert und zum Akt genommen wird das LIB der Staatendokumentation zu Indien, Beilage A.

R: Wollen Sie dazu Stellung nehmen?

BFV: Nein."

In der Folge legte der BF einen "arbeitsrechtlichen Vorvertrag" sowie eine Urkunde, aus der sich seine Eltern und seine Geschwister entnehmen lassen, vor.

3. Feststellungen:

Der BF ist indischer Staatsangehöriger. Sein Vater und seine Geschwister halten sich nach wie vor in Indien auf, seine Mutter ist mittlerweile verstorben.

Der BF reiste im Oktober 2002 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der letztlich mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25.01.2007 abgewiesen wurde.

Im Bundesgebiet hält sich ein Onkel des BF auf, der mittlerweile Österreicher ist. Der BF hat mit diesem regelmäßig Kontakt, er wird vom Onkel gelegentlich finanziell unterstützt. Weiters sieht er die Kinder des Onkels ca. einmal in zwei Wochen. Er verfügt im Bundesgebiet über einen Freundeskreis, darunter sind auch österreichische Staatsbürger.

Der BF lebt in einer 92 m² großen Zwei-Zimmer-Wohnung, gemeinsam mit dem Hauptmieter der Wohnung, im 10. Wiener Gemeindebezirk.

Er ist auf Werkvertragsbasis als Zeitungszusteller tätig, er bringt dabei zwischen 500 und 700 Euro ins Verdienen. Weiters verfügt der BF über einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag, wonach er ab September 2018 eine unbefristete Vollzeitbeschäftigung aufnehmen könnte.

Der BF versteht gut und spricht gebrochen Deutsch, er hat am 21.08.2014 die ÖSD-Prüfung A1 Grundstufe Deutsch 1 bestanden. Am 30.11.2015 legte er die Prüfung ÖSD-Zertifikat A2 ab, wobei er jedoch den schriftlichen Teil nicht bestand.

Am 20.02.2009 wurde der BF wegen §§ 15, 125 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagsätzen zu je 2 Euro verurteilt. Der BF hat mittlerweile die Strafe beglichen.

4. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des Bundesamtes und des BVwG.

Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen Angaben im Vorverfahren sowie im gegenständlichen Verfahren vor dem Bundesamt, im Beschwerdeverfahren und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie der vorliegenden Reisepasskopie.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, zu seiner Erwerbsfähigkeit und zu seiner Berufserfahrung in Österreich sowie zu seinen Sprachkenntnissen ergeben sich aus den plausiblen und glaubhaften Angaben des BF im Verfahren, sowie den diesbezüglich vorgelegten Urkunden. Zweifel am festgestellten Sachverhalt bestehen nicht.

Auch sein Verhalten und sein in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gemachter Eindruck bestätigten sein diesbezügliches Vorbringen.

5. Rechtliche Beurteilung:

Anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, BGBl I. Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu Spruchteil A):

Zur Rückkehrentscheidung:

Ob eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, ergibt sich aus § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG. Dieser lautet:

"Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie des Verfassungs- und Verwaltungs-gerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfSlg. 18.224/2007, 18.135/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der VwGH feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua gg Lettland, Nr. 60654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Der Aspekt der Bindungen zum Heimatstaat steht in direkter Beziehung zur Integration im Bundesgebiet: Je länger der Aufenthalt im Gastland, desto stärker wird der Verlust an Bindungen zum Heimatland sein. Mit der Abnahme von Bindungen zum Herkunftsstaat wird in der Regel auch der Integrationsgrad im Bundesgebiet zunehmen. [...] (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 858 f.).

Vor dem Hintergrund der in § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG normierten Integrationstatbestände, die zur Beurteilung eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sind, ist in der gegenständlichen Rechtssache der Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF nicht durch die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen gerechtfertigt. Dies aus folgenden Gründen:

Der VwGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass ein über zehnjähriger, überwiegend rechtmäßiger inländischer Aufenthalt, mag dieser auch auf asylrechtliche Bestimmungen zurückzuführen sein, den persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet ein großes Gewicht verleihen kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25.09.2009, 2007/18/0538, mwH). Bei einer solchen, dermaßen langen Aufenthaltsdauer wird regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich und damit der Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung auszugehen sein (vgl. dazu etwa VwGH vom 30.08.2011, 2008/21/0605, mwN). Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden ausnahmsweise Ausweisungen auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen, so etwa in dem dem Erkenntnis vom 10.05.2011, 2011/18/0100, zugrunde liegenden Fall, in dem der Beschwerdeführer trotz eines Aufenthaltes von elfeinhalb Jahren zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides weder familiäre Anknüpfungspunkte noch relevante integrationsbegründende Umstände (etwa Deutschkenntnisse oder berufliche Integration) nachgewiesen hatte (vgl. VwGH 20.03.2012, 2011/18/0256).

Der BF hält sich mittlerweile seit nahezu 16 Jahren im Bundesgebiet auf, sodass die obzitierte Judikatur betreffend den langen Inlandsaufenthalt anzuwenden ist. Selbst im angefochtenen Bescheid wird zugestanden, dass gewisse Integrationsschritte, wie das Erlernen der deutschen Sprache und ein Bekannten- und Freundeskreis vorhanden sind, außer Zweifel stünden. Den Feststellungen lässt sich entnehmen, dass der BF in einer ortsüblichen Unterkunft wohnt, dass er als Zeitungszusteller tätig ist, er über einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag verfügt, er die deutsche Sprache recht gut versteht und sie auch gebrochen spricht, er hier über einen Onkel verfügt, mit dem er regelmäßig in Kontakt steht, er zudem einen Freundeskreis hat, sodass letztendlich im Hinblick auf die Judikatur zum langen Inlandsaufenthalt, die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen und die öffentlichen Interessen an der Einhaltung, der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, denen grundsätzlich nach der Judikatur ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die geringfügige strafrechtliche Verurteilung aus dem Jahre 2009 ist nicht (mehr) maßgeblich, zumal seitdem bereits viele Jahre verstrichen sind (vgl. VwGH 26.03.2015, 2013/22/0284). Es kann entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid dem BF die Missachtung melderechtlicher Vorschriften nicht in ausschlaggebender Weise zur Last gelegt werden, war doch der BF den allergrößten Teil seines Aufenthaltes ordnungsgemäß gemeldet, ist er im Rahmen des gelinderen Mittels seiner diesbezüglichen Meldepflicht bei der zuständigen Polizeiinspektion ebenso nachgekommen. Es kann insgesamt betrachtet nicht erkannt werden, dass ungeachtet des mittlerweile nahezu 16-jährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins integrationsbegründender Merkmale gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden könnten, zumal entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid sich aus dem Umstand, dass sich der BF hinsichtlich eines Heimreisezertifikates nicht mit der Botschaft in Verbindung gesetzt habe, jedenfalls bis zum Inkrafttreten der Bestimmungen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2017 keine Verletzung der Mitwirkungspflicht ableiten lässt (VwGH 28.08.2012, 2011/21/0209).

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zwar grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa VfGH 01.07.2009, U992/08 bzw. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216; 26.06.2007, 2007/01/0479; 16.01.2007, 2006/18/0453; 08.11.2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; 22.06.2006, 2006/21/0109; 20.09.2006, 2005/01/0699), im gegenständlichen Fall überwiegen aber aufgrund der dargestellten Umstände in einer Gesamtabwägung aller Umstände dennoch die privaten bzw. familiären Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung, für die sich in der vorliegenden Konstellation keine begründeten Rechtfertigungen erkennen lassen (vgl. VwGH 22.02. 2005, 2003/21/0096; vgl. ferner VwGH 26.03. 2007, 2006/01/0595, sowie VfSlg 17.457/2005).

Insgesamt kann im Falle des BF von einer ausreichenden Integration ausgegangen werden. Von einem Fehlen jeglicher Integration und dem Vorliegen eines dahingehenden Ausnahmefalls, welcher eine Rückkehrentscheidung nach einem derart langjährigen, zu einem Teil rechtmäßigen Aufenthalt als zulässig erscheinen lassen würde, kann im Falle des BF, wie oben aufgezeigt, nicht ausgegangen werden.

Da somit das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des BF im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt, war in Erledigung der Beschwerde die angefochtene Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien für auf Dauer unzulässig zu erklären.

Zur Aufenthaltsberechtigung:

Gemäß § 54 Abs. 1 AsylG werden Drittstaatsangehörigen folgende

Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt:

1. "Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt;

2. "Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt;

3. "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind diese Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

§ 7 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 idgF, lautet:

(1) Die Integrationsvereinbarung dient der Integration rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassener Drittstaatsangehöriger (§ 3 Z 3) und zielt darauf ab, sie zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich zu befähigen. Im Rahmen dieser Vereinbarung sind Drittstaatsangehörige verpflichtet, Kenntnisse der deutschen Sprache sowie der demokratischen Ordnung und der daraus ableitbaren Grundprinzipien zu erwerben. Der Bund gewährt nach Maßgabe des Gesetzes (§ 14) eine Kostenbeteiligung.

(2) Die Integrationsvereinbarung besteht aus zwei aufeinander aufbauenden Modulen:

1. das Modul 1 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und der Vermittlung der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung;

2. das Modul 2 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung auf dem Sprachniveau B1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und der vertieften Vermittlung der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung.

(3) Die näheren Bestimmungen zu den Inhalten der Module 1 und 2 der Integrationsvereinbarung hat der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres durch Verordnung festzulegen.

§ 9 IntG lautet:

(1) - (3) ...

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

(5) ...

(6) Die Behörde kann von Amts wegen mit Bescheid feststellen, dass der Drittstaatsangehörige trotz Vorliegen eines Nachweises gemäß Abs. 4 Z 1 oder 2 das Modul 1 der Integrationsvereinbarung mangels erforderlicher Kenntnisse gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 nicht erfüllt hat.

(7) ...

§ 11 Abs. 2 Integrationsgesetz lautet:

" (2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig."

Die Übergangsbestimmung gemäß § 81 Abs. 36 NAG lautet:

"(36) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren."

Da bloß eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG beantragt wurde, zumal nur die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 vorliegt, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG (lediglich) eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen, insbesondere der Abwägung des Privat- und Familienlebens, auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung zu Fragen des Art. 8 EMRK wurde bei den Erwägungen unter Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur des VwGH zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des BVwG auf die inhaltlich weitgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung, Deutschkenntnisse, Erwerbstätigkeit,
Interessenabwägung, Privatleben, Rückkehrentscheidung auf Dauer
unzulässig, strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W202.1236376.3.00

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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