TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/10 W171 2202688-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.08.2018
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Entscheidungsdatum

10.08.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1

Spruch

W171 2202688-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Algerien, gegen die weitere Anhaltung aufgrund des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.04.2018, Zl: XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF abgewiesen und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1.1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF) reiste illegal in Österreich ein und stellte am 03.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am 17.02.2016 wurde der BF von einem Landesgericht rechtskräftig zu einer teibedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt.

Am 13.09.2016 wurde der BF weiters von einem Landesgericht rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) vom 22.03.2016 wurde der Antrag auf Internationale Schutz negativ beschieden und erwuchs dieser Bescheid am 20.04.2016 in Rechtskraft. Gegen den BF wurde am 09.05.2017 eine seit 01.06.2017 rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot in der Dauer von acht Jahren erlassen.

1.4. Der BF wurde in weiterer Folge bereits dreimal in Verwaltungsverwahrungshaft bzw. Schubhaft genommen, musste jedoch auf Grund der damaligen Weigerung der algerischen Botschaft, ein Heimreisezertifikat für ihn auszustellen, bzw. auf Grund eines Hungerstreikes wieder entlassen werden.

1.5. Am 14.04.2018 wurde der BF neuerlich festgenommen und am 15.04.2018 im Vorfeld der Verhängung der gegenständlichen Schubhaft einvernommen. Hiebei gab er an, keine Dokumente zu besitzen und auch keine besorgen zu können. Er sei auch nicht aus Eigenem zu seiner Botschaft gegangen um einen Reisepass zu erhalten. Er habe am Tage seiner Festnahme ausreisen wollen und zuvor auf einem Markt in Wien gearbeitet. Die genaue Adresse seiner Unterkunft sei ihm nicht bekannt und besitze er aktuell Euro 305,90. Er wolle keine wahrheitsgetreuen Angaben zu Familienangehörigen machen. Der BF bestätigte, dass sein Bruder in Österreich gewesen sei. Schließlich erklärte der BF, er sei Tunesier und könne im Falle seiner Freilassung dementsprechende Dokumente besorgen.

1.6. Am 15.04.2018 verhängte das BFA den gegenständlich zugrundeliegenden Schubhaftbescheid und führte aus, gegen den BF bestehe eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot und sei sein Asylantrag rechtskräftig abgewiesen worden. Seitens der Behörde sei davon auszugehen, dass der BF abermals untertauchen und seinen illegalen Aufenthalt in Österreich weiterhin fortsetzen werde. Er habe in der Vergangenheit das Bundesgebiet nicht freiwillig verlassen, gehe im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, verhielt sich im bisherigen Verfahren unkooperativ, tauchte ohne Erfüllung einer Meldeverpflichtung unter und verfüge weder über einen ordentlichen Wohnsitz, noch sei dieser beruflich, sozial oder familiär im österreichischen Bundesgebiet verankert. Ausreichende Barmittel, um seinen Aufenthalt zu finanzieren, habe der BF weiters nicht und sei er bereits in der Vergangenheit massiv straffällig geworden. In einer Zusammensicht dieser Faktoren gehe die Behörde daher von Fluchtgefahr aus und sei die Verhängung eines gelinderen Mittels im konkreten Fall nicht ausreichend sicher, um eine Außerlandesbringung des BF sichern zu können. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit und der Notwendigkeit der Schubhaft habe ergeben, dass die privaten Interessen an der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung und des Fremdenwesens hintanzustehen habe.

1.7. Am XXXX wurde der BF neuerlich der algerischen Delegation zur Erlangung eines Heimreisezertifikates vorgeführt. Da der Bruder des BF zuvor bereits als Algerier identifiziert wurde, schien die nochmalige Überprüfung der Staatsangehörigkeit des BF angezeigt.

1.8. Am 04.07.2018 wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF erneut bei der algerischen Botschaft urgiert.

1.9. Am 02.08.2018 legte das BFA den gesamten Verfahrensakt dem BVwG zur Entscheidung nach § 22 a Abs. 4 BFA-VG hinsichtlich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer über die gesetzliche Dauer von vier Monaten dauernden Schubhaftfortführung vor. Mit gleichzeitig überreichter Stellungnahme wurde näher ausgeführt, dass im vorliegenden Fall weiterhin Fluchtgefahr sowie Haftfähigkeit des BF bestehen würden. Aufgrund der üblichen Dauer der Überprüfungen seitens der Algerischen Botschaft könne mit einer Entscheidung über die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF jedoch nicht vor Ende September 2018 gerechnet werden. Aufgrund der bestehenden Fluchtgefahr und der gegebenen Verhältnismäßigkeit möge die Verlängerung der laufenden Schubhaft über die Viermonatsgrenze überprüft werden.

1.10. Am 06.08.2018 wurde der BF zu seinen persönlichen Verhältnissen sowie zu seiner Situation in Schubhaft befragt. Im Rahmen dieser Befragung wurden keine wesentlichen Änderungen der Haftrahmenbedingungen bzw. des Gesundheitszustandes ermittelt. Er habe nach Beendigung seines vorangegangenen Hungerstreiks bereits wieder an Gewicht zugenommen und sei die Schubhaftbetreuung in Ordnung. Er sei bereit, die Abschiebung abzuwarten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Allgemein:

1.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 15.04.2018 in Schubhaft. Die gesetzliche Viermonatsfrist läuft am 15.08.2018, die gerichtliche Entscheidungsfrist am 16.08.2018 ab.

1.2. Der gegenständliche Schubhaftbescheid wurde bisher durch den BF nicht in Beschwerde gezogen. Eine Änderung wesentlicher Umstände seit der seinerzeitigen Verhängung der Schubhaft hat sich im Verfahren nicht ergeben.

1.3. Ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer liegt aktuell nicht vor. Es ist jedoch davon auszugehen, dass für den BF ein derartiges Zertifikat ausgestellt werden wird. Eine Identifizierung des BF als Algerier ist sehr wahrscheinlich.

1.4. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vor gegeben.

Gesundheitszustand:

2.1. Der BF befand sich in der Vergangenheit mehrmals im Hungerstreiks. Es bestand jedoch immer Haftfähigkeit. Er ist aktuell ebenfalls haftfähig.

Effektuierbarkeit der Außerlandesbringung (Prognose):

3.1. Der Bruder des BF ist bereits als Algerier identifiziert worden. Es ist daher davon auszugehen, dass auch der BF in naher Zukunft als Algerier identifiziert und ein Heimreisezertifikat ausgestellt wird. Mit einer Entscheidung hierüber ist jedoch nicht vor Ende September 2018 zu rechnen.

3.2. Nach Erlangung eines Heimreisezertifikates scheint eine zeitnahe Außerlandesbringung des BF zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung sehr wahrscheinlich.

Sozialer/familiärer Aspekt:

4.1. Die beruflichen, familiären oder sonstigen sozialen Verhältnisse des BF in Österreich haben sich seit dem Beginn der Schubhaft bzw. seit der Bescheiderlassung nicht verändert.

Öffentliche Interessen:

5.1. Der BF hat in der Vergangenheit mehrmals gegen verwaltungsrechtliche Verbote verstoßen und ist auch bereits zweimal strafgerichtlich verurteilt worden. Er hat bisher das Land nicht freiwillig verlassen und ist daher illegal in Österreich. Die Rückkehrentscheidung ist weiterhin durchsetzbar.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.: Die Angaben über den Verfahrensgang und die hiezu ergangenen Feststellungen beziehen sich auf die Angaben im vorliegenden behördlichen und gerichtlichen Akt. Unter Heranziehung der Bestimmungen zur Fristenberechnung gemäß § 32 AVG ergibt sich, dass der Ablauf der Viermonatsfrist auf den 15.08.2018 fällt. Das Ende der gerichtlichen Entscheidungsfrist ist daher der 16.08.2018.

Zu. 1.2.: Dem BVwG wurde bisher keine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 15.04.2018 übermittelt.

Zu 1.3.: Aufgrund der Information des BFA im Rahmen der abgegebenen Stellungnahme vom 02.08.2018 ergibt sich, dass der Bruder des BF bereits als Algerier identifiziert worden ist. Es ist daher als sehr wahrscheinlich anzusehen, dass auch der BF nunmehr seitens der Algerischen Botschaft mit Hilfe der Daten aus dem Verfahren des Bruders ebenso identifiziert werden wird können. In weitere Folge ist daher auch davon auszugehen, dass für den BF danach zeitnah ein Heimreisezertifikat ausgestellt wird.

Zu 1.4.: Aus einer Überprüfung der formalen Grundlagen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung eine durchsetzbare und rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt.

Zu 2.1.: Aus dem Akt ergibt sich kein Hinweis dafür, dass der Beschwerdeführer haftunfähig sein könnte. Der BF hat diesbezüglich auch in der Befragung vom 06.08.2018 keine Anhaltspunkte geliefert. Aus der Anhaltedatei ergeben sich ebenso keine diesbezüglichen Hinweise. Aufgrund eines vorhergehenden Hungerstreiks wurde der BF in der Vergangenheit regelmäßig einer ärztlichen Untersuchung unterzogen und die Haftfähigkeit des BF wiederholt geprüft.

Zu 3.1. und 3.2.: Aufgrund des Berichtes des BFA im Rahmen der Aktenvorlage vom 02.08.2018 ergibt sich glaubwürdig, dass im gegenständlichen Fall von einer Entscheidung über die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF bis etwa Ende September zu rechnen sein wird. Es sind im gerichtlichen Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die vermuten lassen würden, dass eine Abschiebung des BF nach Ausstellung eines Heimreisezertifikates nicht zeitnah erfolgen könnte.

Zu 4.1.: Die Feststellungen zu 4.1. ergeben sich im Wesentlichen aus einem Vergleich der seinerzeitigen bescheidmäßig festgestellten familiären, beruflichen und sozialen Verhältnisse des BF mit den nunmehr vorliegenden Verhältnissen. Die Behörde stellte seinerzeit fest, dass beim BF erhebliche Fluchtgefahr anzunehmen gewesen, die Verhängung der Schubhaft verhältnismäßig und auch ultima ratio gewesen sei. Eine sonstige inzwischen eingetretene soziale bzw. berufliche Integration hat auch das gegenständliche Verfahren nicht ergeben, sodass in diesem Punkt keine Änderung der Beurteilung vorzunehmen war. Derartiges wurde auch vom BF selbst in der Einvernahme vom 06.08.2018 nicht behauptet.

Zu 5.1.: Gegen den BF bestehet eine Rückkehrentscheidung und stellt sich daher auch in Hinblick auf die zwei strafgerichtlichen Verurteilungen klar dar, dass sich der BF an Regeln bzw. Verbote im Inland nicht hält. Das Gericht konnte daher im gegenständlichen Fall weiterhin von einem erhöhten öffentlichen Interesse an einer gesicherten Außerlandesbringung des BF ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A.:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

3.1.2. Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008)

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

3.1.3. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen soll, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung über die gesetzlich vorgesehene Viermonatsfrist hinaus, weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse zeigt sich, dass diesbezüglich keine Veränderungen seit der Bescheiderlassung des BFA bzw. seit dem Beginn der Schubhaft am 15.04.2018 eingetreten sind. Darüber hinaus hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass der BF auch weiterhin nicht selbsterhaltungsfähig ist. Im Zuge der durchzuführenden Abwägung bleibt daher festzuhalten, dass berücksichtigungswürdige soziale Bindungen in Österreich weiterhin nicht vorliegen.

Das Verfahren hat in keiner Weise ergeben, dass der BF aufgrund seiner gesundheitlichen Situation durch die Inhaftierung einer unzumutbaren (unverhältnismäßigen) Belastung ausgesetzt wäre, zumal er auch diesbezüglich keine anderslautenden Angaben in der Einvernahme am 06.08.2018 gemacht hat.

Aufgrund der dem Gericht vorliegenden Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl lässt sich aus derzeitiger Sicht erkennen, dass im vorliegenden Fall eine zügige Außerlandesbringung nach Erlangung eines Heimreisezertifikates geplant ist. Das Gericht geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand durchaus möglich, und auch innerhalb der gesetzlichen Höchstfristen realistisch erscheint. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft, einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Dabei wird abermals eine Prognoseentscheidung hinsichtlich einer zeitnahen Effektuierung der Außerlandesbringung des BF durchzuführen sein. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass eine Fortsetzung der Schubhaft durch Überschreitung der Viermonatsfrist des § 80 FPG weiterhin verhältnismäßig und notwendig ist. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung auch die Voraussetzungen für eine nunmehr über die Viermonatsfrist hinausgehende Schubhaft weiter vorliegen.

3.2.0. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat. Das BFA hat die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und das Bundesverwaltungsgericht teilt die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung vom 15.04.2018.

Zu Spruchpunkt B. - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt A. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Amtswegigkeit, Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft,
Haftfähigkeit, mangelnder Anknüpfungspunkt, Mittellosigkeit,
Schubhaft, Sicherungsbedarf, strafrechtliche Verurteilung,
Überprüfung, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit,
Verwaltungsübertretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W171.2202688.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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