TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/14 W169 2187478-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.08.2018
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Entscheidungsdatum

14.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2187478-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2017, Zl. 1108276402-160372862, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 11.03.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.03.2016 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprache Punjabi spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an und habe von 2002 bis 2014 die Grundschule besucht. In Indien würden die Eltern des Beschwerdeführers leben. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass er in Indien eine Beziehung mit einem Mädchen gehabt habe und diese hätte heiraten wollen. Ihre Familie sei dagegen gewesen, da sie reicher als jene des Beschwerdeführers gewesen sei. Sie habe gewollt, dass der Beschwerdeführer die Beziehung beende. Da er das nicht getan habe, sei er einmal geschlagen worden. Der Beschwerdeführer habe aber weiterhin Kontakt mit seiner Freundin gehabt und sei deswegen von ihrer Familie mit dem Tod bedroht worden. Da sie sehr reich und mächtig gewesen sei, habe der Beschwerdeführer Angst bekommen und beschlossen, Indien zu verlassen.

2. Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 10.01.2017 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges im öffentlichen Verkehr, obwohl er nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkerberechtigung gewesen sei, eine Geldstrafe in der Höhe von 365,- Euro verhängt.

3. Am 12.01.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab er an, dass er der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre. Er habe in Indien zwölf Jahre die Schule besucht, sei ledig, kinderlos und gesund. Der Beschwerdeführer habe bis zur Ausreise gemeinsam mit seinen Eltern in seinem Heimatort im Punjab im Elternhaus gelebt und in der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet. Die wirtschaftliche Situation sei gut gewesen. Die Eltern des Beschwerdeführers würden auch weiterhin im Herkunftsstaat leben und habe er weitere Verwandte in Form von Onkeln und Tanten, die ebenfalls im Punjab wohnhaft seien. Der Beschwerdeführer habe alle zwei bis drei Tage telefonischen Kontakt zu seinen Angehörigen.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):

" (...)

LA: Würden Sie nun bitte alle Ihre Gründe für die Asylantragstellung hier in Österreich ausführlich darlegen? Aus welchen Gründen verließen Sie das Heimatland? Was war Ihrer Meinung nach der zuletzt ausschlaggebende Grund für Sie zu flüchten? Warum stellen Sie einen Asylantrag?

VP: Ich hatte eine Freundin in Indien, deshalb hatte ich eine Auseinandersetzung mit ihrer Familie. Sie haben mich mit dem Umbringen bedroht, deshalb habe ich mein Land verlassen.

LA: Was für Probleme hatten Sie mit der Familie Ihrer Freundin?

VP: Sie waren nicht mit der Beziehung einverstanden. Ich wollte Sie heiraten.

LA: Wie heißt Ihre Freundin, wann ist sie geboren und wo lebt diese?

Anm.: VP lacht.

VP: XXXX , sie lebt in der Stadt Amritsar. Ihr Geburtsdatum kenne ich nicht, sie ist ca. 20 Jahre alt.

LA: Seit wann führen Sie eine Beziehung mit Amanjoot?

VP: Ich weiß es nicht genau. Seit 2 Jahren ca.

LA: Was für Problem gab es konkret, die Sie zur Ausreise veranlasst haben? Erzählen Sie detailliert davon.

VP: Sie haben mir verweigert ihre Tochter zu treffen, sie wollten nicht, dass ich sie heirate.

LA: Woher wissen Sie das?

VP: Meine Freundin hat es mir erzählt, dass sie das nicht will. Zwei Mal gab es auch eine Auseinandersetzung zwischen mir und ihrem Bruder.

LA: Was ist bei der Auseinandersetzung passiert?

VP: Wir haben gestritten miteinander.

Anm.: VP lacht.

LA: Wann haben Sie mit dem Bruder gestritten?

VP: Das weiß ich nicht mehr.

LA: Was genau ist vorgefallen, wie hat sich der Streit ereignet?

VP: Er sagte mir, dass ich seien Schwester nicht mehr anrufen soll und sie in Ruhe lassen. Sonst ist nichts vorgefallen.

LA: Hat der Bruder Ihrer Freundin sonst noch etwa zu Ihnen gesagt?

VP: Nein, sonst nichts.

LA: Hatten Sie mit anderen Familienmitgliedern auch Kontakt, außer mit dem Bruder?

VP: Nur mit dem Bruder. Auf Nachfrage gebe ich an, dass dieser XXXX heißt.

LA: Gab es außer diesen beiden genannten mündlichen Auseinandersetzungen mit dem Bruder Ihrer Freundin sonst noch persönliche Probleme oder Vorfälle?

VP: Nein, das war alles.

LA: Hatten Sie Kontakt zu Ihrer Freundin, obwohl diese gegen die Beziehung waren?

VP: Ja.

LA: Weshalb hatte die Familie Ihrer Freundin etwas gegen die Beziehung?

VP: Das weiß ich nicht, das haben sie nicht gesagt.

LA: Was war Ihrer Meinung nach der zuletzt ausschlaggebende Grund für Sie zu flüchten?

VP: Das war wegen der Bedrohung. Sie haben gesagt, dass wenn ich meine Freundin nicht in Ruhe lasse, sie mich umbringen werden.

LA: Wer hat das gesagt?

VP: Der Bruder meiner Freundin.

LA: Wann war das?

VP: Bei einer der beiden Auseinandersetzungen.

LA: Wie viel Zeit ist zwischen den beiden Auseinandersetzungen vergangen?

VP: Der erst Streit mit dem Bruder war ca. 5-6 Monate vor meiner Ausreise und der zweite streit ca. 2 Monate vorher.

LA: Führen Sie noch eine Beziehung mit Amanjoot?

VP: Nein.

LA: Wann haben Sie die Beziehung beendet?

VP: Wir haben keinen Kontakt mehr. Ich habe mein Handy auf der Flucht verloren und sie hatte auch keines mehr, ihre Familie hat es ihr nach meiner Auseinandersetzung mit dem Bruder weggenommen.

LA: Woher wissen Sie, dass Ihrer Freundin ihr Handy von ihrer Familie weggenommen wurde?

VP: Ich weiß es nicht, aber ich vermute es, weil sie mich nicht mehr angerufen hat.

LA: Seit welcher Auseinandersetzung hatten sie keinen Kontakt mehr zu Ihrer Freundin?

VP: Das weiß ich nicht mehr....nach der zweiten glaube ich.

LA: Gingen Sie zur Polizei wegen der Auseinandersetzungen mit dem Bruder Ihrer Freundin?

VP: Nein.

LA: Warum nicht?

VP: Es ist nichts Schlimmes vorgefallen.

LA: Hatten Sie noch weitere Fluchtgründe?

VP: Das war alles, was passiert ist.

LA: Wurden Sie von staatlicher Seite bedroht oder verfolgt?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit bzw. Religionszugehörigkeit Probleme in der Heimat?

VP: Nein.

LA: Hätten Sie damals die Möglichkeit gehabt, sich im Heimatland wo anders hinzubegeben, um sich den angegebenen Übergriffen/Problemen/Schwierigkeiten zu entziehen? bzw. haben Sie das schon erwogen / versucht - z.B. in ein anderes Gebiet bzw. bestünde diese Möglichkeit jetzt?

VP: Nein, ich habe einfach beschlossen das Land zu verlassen.

LA: Hätten Sie in Indien bleiben können, da Sie ohnehin keinen Kontakt mehr zu Ihrer Freundin hatten?

Anm.: VP zuckt mit den Schultern.

VP: Vielleicht.

LA: Warum haben sie sich zur Ausreise entschieden?

VP: Ich wollte mir eine bessere Zukunft aufbauen.

(...)".

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Verwandten habe. Er lebe in einem Flüchtlingslager und von der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer mache in Österreich keine Kurse oder sonstige Ausbildungen, habe auch keinen Deutschkurs besucht und sei auch nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. In seiner Freizeit bleibe er in seinem Zimmer und habe indische Freunde gefunden, mit denen er Zeit verbringe.

Am Ende der Einvernahme verzichtete der Beschwerdeführer auf die Aushändigung der Länderberichte zur aktuellen Situation in Indien und die Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Unabhängig davon würde dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Fall einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der nicht langen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und wurde nach Wiedergabe der Fluchtgründe insbesondere ausgeführt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen großen Teil seiner Aussagen nicht zur Kenntnis genommen und nur "selektiv, in tendenziöser Weise die Aussagen herausgeklaubt" habe, die der Argumentation des Bundesamtes zuträglich seien. Der Beschwerdeführer habe genaue Zeit- und Ortsangaben gemacht und gehe aus dem Protokoll hervor, dass die heimischen Behörden dem Beschwerdeführer gegenüber schutzunwillig oder schutzunfähig gewesen seien und überdies eine innerstaatliche Fluchtalternative für den Beschwerdeführer, trotz des mangelnden Meldewesens, nicht möglich sei. Auch sei das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht hinreichend behandelt worden. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht die Sprache Punjabi. Im Herkunftsstaat lebte er bis zur Ausreise im Elternhaus im Punjab, wo er zwölf Jahre die Grundschule besuchte und in der familieneigenen Landwirtschaft tätig war, die auch weiterhin existiert. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Er wurde niemals von staatlicher Seite bedroht oder verfolgt. Überdies steht dem Beschwerdeführer in Indien eine innerstaatliche Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Österreich und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er lebt in einem Flüchtlingsheim und hat nur indische Freunde. Der Beschwerdeführer macht keine Kurse oder sonstige Ausbildungen, besucht auch keinen Deutschkurs und ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Im Herkunftsstaat leben nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers, sowie zahlreiche weitere Verwandte (Onkeln und Tanten). Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem telefonischem Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Er steht im erwerbsfähigen Alter, ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 10.01.2017 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges im öffentlichen Verkehr, obwohl er nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkerberechtigung war, eine Geldstrafe in der Höhe von 365,- Euro verhängt.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

-

NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Relevante Bevölkerungsgruppen

Die Verfassung verbietet Diskriminierung auf Basis von Rasse, Geschlecht, Invalidität, Sprache, Geburtsort, Kaste oder sozialen Status. Die Regierung arbeitet mit unterschiedlichem Erfolg an der Durchsetzung dieser Bestimmungen (USDOS 13.4.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016).

Quellen:

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 23.12.2016

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 7.12.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Pracitces 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 28.12.2016

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Indien, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8E633C2F61937CFE7189E5065CD31B93/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Wirtschaft_node.html, Zugriff 23.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 28.12.2016

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2014):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 29.12.2016

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

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FH - Freedom House (3.10.2013): Freedom on the Net 2013 - India, http://www.ecoi.net/file_upload/3714_1380802722_fotn-2013-india.pdf, Zugriff 9.1.2017

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HT - Hindustan Times (8.8.2016): National Population Register project now a Rs 4,800-crore sinkhole, http://www.hindustantimes.com/india-news/national-population-register-project-now-a-rs-4-800-crore-sinkhole/story-xwmSEA3NwijJFoOpxYe3dN.html, Zugriff 9.1.2017

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International Business Times (2.2.2015): One Billion Indians To Have UID Numbers By Year-End As India Seeks To Boost Social Security,

http://www.ibtimes.com/one-billion-indians-have-uid-numbers-year-end-india-seeks-boost-social-security-1802126, Zugriff 9.1.2017

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UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance India:

Background information, including actors of protection, and internal relocation,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/402790/cig_india_background_2015_02_04_v2_0.pdf, Zugriff 29.12.2016

Rückkehr

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.8.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Seine Staatsangehörigkeit und seine Herkunft erscheinen auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft.

Die Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat sowie die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten hat, keine Kurse, Ausbildungen und keinen Deutschkurs besucht hat, nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation ist, nur indische Freunde hat, in Kontakt zu seiner Familie im Herkunftsstaat steht und gesund ist, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.01.2017.

Dass über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von 365,- Euro aufgrund einer Verwaltungsübertretung verhängt wurde, ergibt sich aus der im Akt aufliegenden Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 10.01.2017.

Dass der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer niemals von staatlicher Seite bedroht oder verfolgt wurde, beruht ebenfalls auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.01.2017.

Die Beurteilung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer Bedrohung durch die Familie seiner Freundin nicht glaubhaft sei, ist zutreffend, zumal die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers, wie schon das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zu Recht festgestellt hat, zum einen widersprüchlich und sehr vage und zum anderen logisch nicht nachvollziehbar waren.

So gab der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt nach seinen Fluchtgründen an, dass er der Aufforderung der Familie seiner Freundin, die Beziehung zu dieser zu beenden, nicht nachgekommen und aus diesem Grund einmal geschlagen worden sei. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erwähnte der Beschwerdeführer aber mit keinem Wort eine etwaige physische Auseinandersetzung mit der Familie seiner Freundin. Vielmehr gab er dort mehrmals nachgefragt an, dass es zwei mündliche Auseinandersetzungen mit dem Bruder seiner Freundin gegeben habe, bei welchen aber nichts passiert sei. Ebenso erwähnte der Beschwerdeführer im Laufe seiner Einvernahme zu keinem Zeitpunkt den in der Erstbefragung genannten Grund der Familie seiner Freundin, weshalb sie gegen die Beziehung gewesen sei. So schilderte er in seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dass die Familie seiner Freundin reicher gewesen sei als jene des Beschwerdeführers und deshalb gegen die Beziehung gewesen sei. Dem widersprechend gab der Beschwerdeführer auf die Frage des Leiters der Amtshandlung in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, weshalb die Familie der Freundin gegen die Beziehung gewesen sei, an, dass er dies gar nicht wisse und diese das auch nicht gesagt hätte.

Zudem gestalteten sich die Angaben des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Verfolgungsgründen auch sehr vage. Befragt nach seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nur lapidar an, dass er aufgrund seiner Beziehung Probleme gehabt habe, weil er von der Familie seiner Freundin mit dem Umbringen bedroht worden sei und er deshalb das Land habe verlassen müssen. Konkrete Ausführungen hierzu blieben vorerst aus. Erst nach mehrmaliger Nachfrage erwähnte der Beschwerdeführer, dass es auch zu zwei Auseinandersetzungen mit dem Bruder seiner Freundin gekommen sei. Doch selbst dann unterließ es der Beschwerdeführer, konkrete und detaillierte Antworten auf die Frage, was genau bei den Auseinandersetzungen passiert sei, zu geben und beschränkte sich seine diesbezügliche Erläuterung auf: "Wir haben gestritten miteinander:". Danach gefragt, wann der Beschwerdeführer mit dem Bruder seiner Freundin gestritten haben will, gab er an, dass er das nicht mehr wisse. Erneut danach gefragt, was genau vorgefallen sei, wiederholte der Beschwerdeführer seine detailarmen Aussagen und führte hierzu an: "Er sagte mir, dass ich seine Schwester nicht mehr anrufen soll und sie in Ruhe lassen. Sonst ist nichts vorgefallen.". Die abschließende Frage, ob der Bruder seiner Freundin noch etwas zu ihm gesagt hätte, verneinte der Beschwerdeführer. Erst zu einem späteren Zeitpunkt seiner Einvernahme danach gefragt, was das fluchtauslösende Ereignis gewesen sei, führte der Beschwerdeführer schließlich an, dass es eine Drohung gegeben habe, wonach sie ihn umbringen würden, wenn er seine Freundin nicht in Ruhe lasse. Konkrete Ausführungen zur Todesdrohung blieben in der gesamten Befragung aber aus. In diesem Zusammenhang ist ferner anzumerken, dass es logisch nicht nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer zwar auf Nachfrage das fluchtauslösende Ereignis - die Drohung - nennen kann, jedoch nicht in der Lage ist, anzugeben, wann diese erfolgte und ob diese Drohung gegen den Beschwerdeführer bei der ersten oder zweiten Auseinandersetzung mit dem Bruder seiner Freundin ausgesprochen wurde.

Überdies ist, wie im Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Recht festgehalten, nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer sich nicht an die Behörden seines Landes gewandt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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