Entscheidungsdatum
20.08.2018Norm
AVG §19 Abs2Spruch
W183 2168558-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Erika PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Äthiopien, vertreten durch RA Dr. Herbert POCHIESER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2018, Zl. XXXX , betreffend eine Ladung zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG i.V.m. § 19 Abs. 2 AVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
II. Der Antrag auf Kostenersatz wird gemäß § 28 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 VwGVG zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 07.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.08.2018 abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.02.2018 als unbegründet abgewiesen.
2. Mit Beschluss vom 24.04.2018 bewilligte der Verwaltungsgerichtshof die Verfahrenshilfe für die außerordentliche Revision.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Ladungsbescheid vom 26.04.2018 wurde der BF aufgefordert, in einer näher genannten Regionaldirektion des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl persönlich zu erscheinen. Als Gegenstand der Amtshandlung wurde wie folgt angeführt: "Gegen Sie besteht eine durchsetzbare Ausreiseentscheidung". Der Bescheid führt weiters Datum, Zeit und Ort sowie die mitzubringenden Dokumente an. Für den Fall des Nichtbefolgens der Ladung werden die zwangsweise Vorführung, das Zwangsmittel des Festnahmeauftrags (§ 34 BFA-VG) und die Schubhaft gem. § 77 Abs. 4 FPG angeführt. Als Rechtsgrundlage wird § 19 AVG genannt.
Dieser Bescheid wurde dem BF am 30.04.2018 zugestellt.
4. Mit Schriftsatz vom 28.05.2018 erhob der BF durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte darin im Wesentlichen vor, dass die Androhung freiheitsentziehender Maßnahmen einen Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit darstellen würde. Es wäre eine Verhältnismäßigkeitsprüfung anzustellen. Zu berücksichtigen sei, dass der BF erst kürzlich Vater geworden sei. Als Grund für die Vorladung werde lediglich angeführt, dass gegen den BF eine durchsetzbare Ausreiseentscheidung vorliege. Aus dieser Scheinbegründung sei aber kein Anlass für die Erlassung eines Ladungsbescheides ersichtlich. Der Umstand, dass eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliege, sei seit der Entscheidung des BVwG bekannt und lasse sich nicht erkennen, was der tatsächliche Gegenstand der aktuellen Amtshandlung sei solle. Eine Verfahrenshilfe sei vom VwGH bewilligt worden. Bei einer umfassenden Gesamtbetrachtung sei kein Zweck ersichtlich, der nicht anders erreicht werden könnte. Gemäß § 34 Abs. 2 Z 1 BFA-VG könne ein Festnahmeauftrag auch nur erlassen werden, wenn der Fremde einer Ladung nicht Folge geleistet hat. Der Bescheid sei schließlich auch nicht begründet und wurde es unterlassen, Spruch und Rechtsmittelbelehrung in einer dem BF verständlichen Sprache zu übersetzen. Vor der Bescheiderlassung seien keinerlei Ermittlungsschritte unternommen worden. Betreffend § 34 BFA-VG habe es die Behörde unterlassen, die konkrete Gesetzesbestimmung zu nennen. Ein Verfahrenskostenersatz gebühre in Analogie zum Maßnahmenbeschwerdeverfahren. Es werden daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die ersatzlose Behebung des Bescheides und Kostenersatz beantragt.
5. Mit Schriftsatz vom 29.05.2018 (eingelangt am 01.06.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der angefochtene Ladungsbescheid gibt als Gegenstand der Amtshandlung wie folgt an: "Gegen Sie besteht eine durchsetzbare Ausreiseentscheidung".
Als Rechtsgrundlage wird ausschließlich § 19 AVG genannt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten, unstrittigen Verwaltungsunterlagen. Insbesondere relevant ist der angefochtene Ladungsbescheid. 3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 51/2012, erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
3.2. Zu A)
3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Im gegenständlichen Fall ist die Rechtmäßigkeit eines Ladungsbescheides zu prüfen, weshalb § 19 AVG relevant ist, der wie folgt lautet:
§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.
(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
(3) Wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Eine einfache Ladung erfolgt durch Verfahrensanordnung.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu der im gegenständlichen Fall insbesondere relevanten Voraussetzung des § 19 Abs. 2 AVG, den Gegenstand der Amtshandlung anzugeben, ergibt sich, dass ein Ladungsbescheid u. a. auch eine kurze und deutliche Bezeichnung eines konkreten Gegenstandes der Amtshandlung zu enthalten hat (VwGH 18.06.2008, 2007/11/0189; 18.12.2007, 2007/11/0191; 26.02.1991, 90/04/0309; 28.03.1980, 2850/79, 0290/80). Die Behörde hat sich einer Ausdrucksweise zu bedienen, die zweifelsfrei klar macht, welche Amtshandlung ihr vorschwebt (VwGH 28.06.2001, 2001/11/0134). Damit soll dem Geladenen die Möglichkeit gegeben werden, sich genügend auf den Gegenstand der Ladung vorzubereiten (VwGH 18.12.2007, 2007/11/0191; 23.10.2001, 2000/11/0342; 26.02.1991, 90/04/0309; 28.03.1980, 2850/79). Bei der Beurteilung der Frage, ob die ladende Behörde den Gegenstand der Amtshandlung ausreichend bezeichnet hat, ist nach der Ansicht des VwGH auch darauf abzustellen, ob sich der Geladene im Hinblick auf die übrigen Geschehnisse - etwa auf Grund früheren Schriftverkehrs oder der Einholung einer diesbezüglichen Auskunft - bzw. auf vorangegangene Erledigungen über den Gegenstand der Amtshandlung im Klaren ist (VwGH 15.07.2011, 2010/11/0099; 09.06.1995, 95/02/0054). Vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar2 § 19 Rz 14.
3.2.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall ergibt sich, dass - wie auch in der Beschwerde zu Recht gerügt wird - die Bezeichnung des Gegenstandes der Amtshandlung lediglich die Feststellung einer dem BF aufgrund der Erlassung der Rückkehrentscheidung bereits ohnehin bekannten Tatsache ist. Weshalb das persönliche Erscheinen des BF vor der belangten Behörde nun aber erforderlich ist, erschließt sich aus der Wortfolge "Gegen Sie besteht eine durchsetzbare Ausreiseentscheidung" nicht. Auch ist den vorgelegten Verwaltungsunterlagen nicht zu entnehmen, dass dem BF aufgrund eines weiteren Schriftverkehrs der Gegenstand der Amtshandlung bekannt sein müsste. Zweck der Angabe eines Gegenstandes ist - wie sich aus der Judikatur des VwGH ergibt - die Möglichkeit der Vorbereitung des Geladenen auf die Amtshandlung. Diese Vorbereitungen müssen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zielorientiert erfolgen können, weshalb es nicht ausreicht, dass der Geladene Mutmaßungen über den Gegenstand der Amtshandlung anstellt und sich in unterschiedlichster Weise vorbereitet. Im gegenständlichen Fall ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass es sich bereits dem Wesen nach nicht um die Angabe eines Gegenstandes iSd § 19 Abs. 2 AVG, welcher allenfalls einer Konkretisierung bedürfte, handelt, sondern um die bloße Feststellung einer allen Beteiligten bekannten Tatsache. Aufgabe der Behörde wäre es aber gewesen, einen klaren Gegenstand der Amtshandlung anzugeben, welcher dem BF eine zielorientierte Vorbereitung ermöglicht hätte.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt somit abschließend zu dem Ergebnis, dass dem angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit i.S.d. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anzulasten ist und der angefochtene Ladungsbescheid daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG i.V.m. § 19 Abs. 2 AVG ersatzlos zu beheben war.
3.2.3. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Da dies im gegenständlichen Fall gegeben ist, sah das Bundesverwaltungsgericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab.
3.2.4. Das Bundesverwaltungsgericht hält schließlich fest, dass es im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht für einen Kostenersatz keine Rechtsgrundlage gibt. Das VwGVG sieht lediglich im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (§ 35 VwGVG) einen Kostenersatzanspruch vor. Mangels materienspezifischer Sonderregelung ergibt sich auch aus § 74 Abs. 2 AVG, welcher aufgrund § 17 VwGVG für die Verwaltungsgerichte anwendbar ist, kein Kostenersatzanspruch. Der Antrag auf Ersatz der Kosten des Verfahrens war daher gemäß § 28 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 VwGVG zurückzuweisen.
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter Punkt 3.2. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im Hinblick auf den mangelnden Kostenersatz ist die Rechtslage als eindeutig zu bezeichnen (vgl. VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053), weshalb auch aus diesem Grund keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Amtshandlung, ersatzlose Behebung, Konkretisierung, Kostenersatz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W183.2168558.2.00Zuletzt aktualisiert am
13.09.2018