TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/20 W154 2200032-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2018
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Entscheidungsdatum

20.08.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs1
VwG-AufwErsV §1
VwGVG §35

Spruch

W 154 2200032-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Kracher als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2018, IFA-Zahl: 1090116507/180752422 (SIM), sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 09.08.2018 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 09.08.2018 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 1 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 09.08.2018 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG i.V.m. § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (BF) ist afghanischer Staatsangehöriger, seine Identität steht nicht fest. Er reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 06.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2 Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Behörde abgewiesen, dem BF wurde weiters subsidiärer Schutz und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht gewährt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt und ein Einreiseverbot in der Dauer von acht Jahren ausgesprochen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

1.3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.06.2018 wurde die Beschwerde des BF als unbegründet abgewiesen und eine Ausreisefrist von 14 Tagen gewährt.

1.4. Der BF wurde zweimal nach dem Suchtmittelgesetz strafrechtlich verurteilt und musste eine 3-monatige Haftstrafe verbüßen.

1.5. Der BF hat zweimal eigenmächtig die ihm zugewiesene Grundversorgungsstelle verlassen und ist einmal untergetaucht, das andere Mal hat er die Haft angetreten, ohne die Behörden davon zu informieren.

1.6. Der BF hat nach Ablauf der Ausreisefrist das Bundesgebiet nicht verlassen.

1.7. Der BF wurde am 27.06.2018 anlässlich einer Zufallskontrolle in Wien festgenommen. Mit Mandatsbescheid vom 28.06.2018, Zahl 1090116507-180604962, wurde über den BF Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Gegen den Mandatsbescheid, die Schubhaftnahme und die Anhaltung in Schubhaft erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.07.2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab, stellte jedoch fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorgelegen seien. Festgestellt wurde dabei, dass die Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Schubhaftbescheides zu Recht davon ausgegangen sei, dass der BF im Bundesgebiet weder sozial noch familiär noch wirtschaftlich integriert, mittellos und nicht in der Lage gewesen sei, seinen Unterhalt auf legale Art sicher zu stellen und ihm auch keine gesicherte Unterkunft zur Verfügung gestanden sei, an der er sich für die Behörden im Verfahren zu seiner Abschiebung bereithalten hätte können. Auf Grund der öffentlichen mündlichen Verhandlung hätte jedoch festgestellt werden können, dass der BF im Bundesgebiet familiär integriert sei, er durch seinen Onkel unterstützt werde und ihm auch eine gesicherte Wohnmöglichkeit zur Verfügung stehe, wo er für die Behörden auch greifbar sei. Die öffentliche mündliche Verhandlung habe weiters ergeben, dass der BF nunmehr bereit sei, sich den Behörden zur Verfügung zu halten und sich dem Verfahren zu seiner Außerlandesbringung nicht entziehen werde.

1.8. Am 08.08.2018 wurde der BF im Rahmen einer Schwerpunktaktion von Sicherheitskräften angehalten und dessen illegaler Aufenthalt in Österreich festgestellt.

1.9. Nach Durchführung einer mündlichen Einvernahme am 09.08.2018 wurde über den BF mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF in Folge persönlich zugestellt.

1.10. Gegen den Mandatsbescheid, die Schubhaftnahme und die Anhaltung in Schubhaft erhob der Rechtsvertreter des BF Beschwerde und begründete diese unter Zugrundelegung des schriftlich ausgefertigten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.07.2018, GZ W197 2200032-1/14E, im Wesentlichen mit dem Nichtvorliegen von Fluchtgründen und der Unverhältnismäßigkeit der Haft. Der Rechtsvertreter beantragte, den Bescheid zu beheben, die bisherige Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung nicht vorlägen. Weiters wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die Einvernahme des namhaft gemachten Onkels, sowie Kosten- und Barauslagenersatz beantragt.

1.11. Das BFA legte die Akten mit Beschwerdevorlage vom 13.08.2018 vor und erstattete eine Stellungnahme. In dieser wurde wie folgt ausgeführt:

"Der Verfahrensgang zum Fremden ist unbestritten und hält er sich rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Gegen den Fremden besteht eine Rückkehrentscheidung in Rechtskraft II. Instanz.

Die Anordnung von Schubhaft erweist sich daher als im Grunde zulässig.

Bestritten wird in der Beschwerde, dass sich die Anordnung von Schubhaft den Umständen nach als zulässig erwiese, wozu die folgende Stellungnahme ergeht.

Die Behörde geht davon aus, dass zum Fremden zum jetzigen Zeitpunkt ein Sicherungsbedarf erheblichen Ausmaßes besteht.

Der RV des BF übersieht, dass der Fremde im Bundesgebiet nicht nur auf sozialschädliche Art und Weise straffällig geworden war, sondern weiter, dass auch die behauptete Unterkunftnahme durch die bescheiderlassende Referentin akribisch überprüft worden war.

Den Ansprüchen einer minutiösen Einzelfallprüfung kam die Behörde in Ansehung der im Akt dokumentierten Vorgänge jedenfalls nach.

So gab der BF in der ns Einvernahme vom 09.08.2018 selbst an, immer nur dann bei seinem Onkel zu nächtigen, wenn dieser Nachtdienst versehe.

Wenn der RV des BF nun in seiner ggst Beschwerde auf das Erkenntnis des BVwG vom 16.07.2018 verweist, kann dem seitens der Behörde nur beigepflichtet werden.

Durch den erkennenden Richter war festgestellt worden, dass der BF bei seinem Onkel Unterkunft genommen hatte.

Der BF selbst hat dies nun in seiner letzten ns Einvernahme empfindlich eingeschränkt - die Tatsache, dass er immer nur dann sich in der Wohnung des Onkels aufhält, wenn dieser im Nachtdienst ist, impliziert, dass er eben nicht dort Unterkunft genommen hat, sondern sich dort nur sporadisch aufhält.

Wenn der BF sich aber nur sporadisch bei seinem Onkel aufhält, so kann von einer Greifbarkeit des BF an dieser Adresse nicht gesprochen werden.

Der RV des BF ist sich offenbar dieses Widerspruches bewusst, weshalb nun der "unterkunftgebende" Onkel im Rahmen einer mndl Verhandlung gehört werden soll, damit dieser bestätige, dass der BF nach einer allfälligen Entlassung bei ihm Unterkunft nehmen könnte.

Damit wird gleichsam durch den RV selbst eingeräumt, dass der BF bis dato bei seinem Onkel eben nicht Unterkunft genommen hat.

Genau von diesem Umstand war der BVwG aber bereits im Juli 2018 ausgegangen, allein hat der BF nachweislich und eingestandener Weise eben nicht bei seinem Onkel Unterkunft genommen.

Der zum Fremden sohin grundsätzlich bestehende Sicherungsbedarf wird in einer Gesamtschau gem. § 76/2a FPG durch die erwiesene Straffälligkeit weiter zu seinem Nachteil gewichtet.

Die durch den RV behauptete Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft kann ha somit nicht nachvollzogen werden - es existiert mannigfache Judikatur des BVwG und VwGH, im Zuge welcher bei gleichgelagerten Sachverhalten Schubhaft jedenfalls als verhältnismäßig angesehen wurde.

Wenn in der Beschwerde moniert wird, die Behörde habe "keine ersthafte Prüfung der Fluchtgefahr" vorgenommen, so erweist sich dies nach Akteneinsicht schlicht als aktenwidrig.

Der Sicherungsbedarf zum Fremden besteht auch weiterhin in einem solchen Ausmaß, dass die Anwendung eines gelinderen Mittels - allenfalls in der Form einer Meldeverpflichtung - mit Sicherheit kein geeignetes Mittel darstellt, um die Greifbarkeit des BF zu sichern.

Im Einklang mit der Judikatur des BVwG ist tatsächlich von einer steigenden Fluchtgefahr auszugehen, wenn dem BF der Termin der Außerlandesbringung bekannt ist und dieser näher rückt.

Die Ausstellung eines HRZ wurde durch das Konsulat bereits zugesagt.

Zum jetzigen Zeitpunkt kann die Behörde jedenfalls zu Recht von der zeitnahen Möglichkeit einer tatsächlichen Außerlandesbringung ausgehen. Eine begleitete Außerlandesbringung ist bereits für den 19.09.2018 terminlich fixiert worden."

Darüber hinaus beantragte die belangte ‚Behörde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die als Feststellungen formulierten Punkte im Sachverhalt werden der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

1.2. Festgestellt wird, dass die Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Schubhaftbescheides zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der BF im Bundesgebiet weder sozial noch familiär noch wirtschaftlich integriert, mittellos und nicht in der Lage ist, seinen Unterhalt auf legale Art sicher zu stellen und dem BF auch keine gesicherte Unterkunft zur Verfügung steht, an der er sich für die Behörden im Verfahren zu seiner Abschiebung bereithalten wird.

1.3. Auf Grund der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 10.07.2018 wird festgestellt, dass der BF im Bundesgebiet familiär integriert ist, er durch seinen Onkel unterstützt wird und ihm auch eine gesicherte Wohnmöglichkeit zur Verfügung steht, wo er für die Behörden auch greifbar ist und der BF auch bereit ist, sich den Behörden zur Verfügung zu halten und sich dem Verfahren zu seiner Außerlandesbringung am 19.09.2018 nicht entziehen wird.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde, der erhobenen Beschwerde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts, dabei insbesondere der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 10.07.2018 und dem schriftlich ausgefertigten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.07.2018.

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 10.07.2018 ist - wie in der schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.07.2018 ausgeführt - überzeugend hervorgekommen, dass sich der BF künftighin dem Verfahren zu seiner Außerlandesbringung nicht entziehen wird und er sich an der Wohnung seines Onkels beziehungsweise seiner bisherigen Wohnung den Behörden bereithalten wird. Auf Grund der öffentlichen mündlichen Verhandlung hat das Bundesverwaltungsgericht erkannt, dass die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft als unverhältnismäßig anzusehen war und hat spruchgemäß festgestellt, dass zum Zeitpunkt jener Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlagen.

Der belangten Behörde ist es im gegenständlichen Verfahren nicht gelungen, die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zu widerlegen, wenn sie vermeint, der BF hätte sich nur sporadisch bei seinem Onkel aufgehalten und sei sohin für die Behörde nicht greifbar gewesen. Weder aus dem verfahrensgegenständlichen Bescheid noch aus der erstatteten Stellungnahme vom 13.08.2018 ist hervorgekommen, dass der BF gegen behördliche Anordnungen, die seine Greifbarkeit für die Behörde in Zweifel ziehen hätte können, verstoßen hätte. Der Behörde ist es sohin nicht gelungen, solche Änderungen im Verhalten des BF aufzuzeigen, die es notwendig gemacht hätten, in der vorliegenden Entscheidung von den im Erkenntnis vom 16.07.2018 getroffenen Feststellungen abweichen zu müssen.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt I. (Bescheid vom 09.08.2018 und Anhaltung in Schubhaft):

1. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

2. Wie aus der schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.07.2018, GZ W197 2200032-1/14E, hervorgeht, war nach den getroffenen Feststellungen auf Grund der öffentlichen mündlichen Verhandlung die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft unverhältnismäßig. Wie sich im gegenständlichen Verfahren ergeben hat, ist nicht hervorgekommen, dass der BF seit der damaligen Anhaltung in Schubhaft gegen behördliche Anordnungen, die seine Greifbarkeit für die Behörde in Zweifel ziehen hätte können, verstoßen hätte. Der Behörde ist es nicht gelungen, solche Änderungen im Verhalten des BF aufzuzeigen, die es notwendig gemacht hätten, in der vorliegenden Entscheidung von den im Erkenntnis vom 16.07.2018 getroffenen Feststellungen abgehen zu müssen. Daran vermag auch der konkrete Abschiebungstermin des BF am 19.09.2018 nichts zu ändern, zumal dieser bereits im Vorverfahren festgestanden ist.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Anordnung der Schubhaft in dem vorliegenden Fall als rechtswidrig.

3. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114).

Ebenso war daher die Anhaltung des BF in Schubhaft von 09.08.2018 bis 20.08.2018 für rechtswidrig zu erklären.

Zu Spruchpunkt II. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

2. Da der BF aktuell in Schubhaft angehalten wird, war auch über die Fortsetzung der Schubhaft innerhalb einer Woche abzusprechen.

Nach dem oben Gesagten erweist sich auch die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft als rechtswidrig.

3. Es war daher auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft nicht vorliegen.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Verfassungsgerichtshof hat (in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013) unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Da im gegenständlichen Fall der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchpunkt III. (Kostenbegehren):

Der BF begehrte den Ersatz seiner Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da der BF vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Zu Spruchpunkt IV. (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. und II. zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.

Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen.

Aufgrund der nunmehr eindeutigen Rechtslage, die Frage des Kostenersatzes betreffend, war die Revision aber auch diesbezüglich des Spruchpunktes III. nicht zuzulassen.

Schlagworte

Familienangehöriger, Kooperation, Kostenersatz, Rechtswidrigkeit,
Schubhaftbeschwerde, strafrechtliche Verurteilung, Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W154.2200032.2.00

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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