TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/15 97/13/0188

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Veröffentlicht am 15.12.1999
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Index

21/03 GesmbH-Recht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §198;
BAO §224 Abs1;
BAO §248;
EStG 1972 §93;
EStG 1972 §95;
GmbHG §15;
GmbHG §18;
GmbHG §35;
KStG 1966 §8 Abs1;
KStG 1988 §7;
KStG 1988 §8;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/13/0189

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerden der B Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch (u.a.) Dr. Johannes Reich-Rohrwig, Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 3, gegen 1. den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IV) vom 23. Juni 1997, Zl. GA 11-89/2027/09, betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 1985 (erstangefochtener Bescheid), und 2. der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. Juni 1997, Zl. GA 11-89/2027/01/09, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 1985 (zweitangefochtener Bescheid),

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. zu Recht erkannt:

Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am Stammkapital der Beschwerdeführerin war u.a. deren Geschäftsführerin W mit 20 % beteiligt. Nach den Sachverhaltsfeststellungen im erstangefochtenen Bescheid aktivierte die Beschwerdeführerin in der Bilanz für das Jahr 1985 eine gegen W bestehende Verrechnungsforderung in der Höhe von S 456.726,81, weil diese einige im Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin befindliche Sparbücher an sich genommen habe. In der Beantwortung eines telefonischen Vorhaltes des Finanzamtes vom 18. April 1988 habe die Beschwerdeführerin bekannt gegeben, die unter dem Forderungskonto verbuchten Sparbücher dienten der Verrechnung mit der ehemaligen Geschäftsführerin W. Da diese plane, ihre Gesellschaftsanteile an der Beschwerdeführerin zu verkaufen, würden die Verhandlungen betreffend eine Kompensation des Verrechnungskontos noch andauern. Das Finanzamt sei im Rahmen einer Berufungsvorentscheidung von den (später) am 17. Juni 1988 eingereichten berichtigten Steuererklärungen ausgegangen, habe jedoch wegen der fehlenden Verzinsung der Verrechnungsforderung diese mit 7,5 % verzinst und zuzüglich einer Kapitalertragsteuer im Ausmaß von 25 % als verdeckte Gewinnausschüttung dem erklärten Verlust (Anm.: erklärter Verlust aus Gewerbebetrieb insgesamt S 1,072.895) außerbilanzmäßig hinzugerechnet. Der Verlust aus Gewerbebetrieb sei demnach mit -S 1,030.076,-- ermittelt worden. Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, auf Grund eines Geschäftsführerwechsels Anfang 1986 seien von W einige Sparbücher noch nicht übergeben worden. Weil sich W auf einem längeren Auslandsaufenthalt befinde und zum Bilanzierungszeitpunkt die genauen Ertragszinsen nicht vorgelegen seien, habe über die Verzinsung der Verrechnungsforderung keine Absprache getroffen werden können. Daher seien die Guthabenstände dieser Sparbücher abzüglich einiger noch nicht abgerechneter Reisekosten interimsmäßig gebucht worden, wobei diese Beträge W nicht zur Entnahme zur Verfügung stünden. Bei Rückkehr von W würden die Sparbücher dem nunmehrigen Geschäftsführer ausgehändigt und die Zinsen nachgebucht. Wirtschaftlich liege "nicht im Mindesten eine verdeckte Gewinnausschüttung vor". Mit Vorhalt vom 28. Oktober 1988 habe das Finanzamt um Bekanntgabe ersucht, was von der Beschwerdeführerin unternommen worden sei, um das auf den Sparbüchern befindliche Firmengeld von W zurückzuerhalten. Dazu sei mit Eingabe vom 9. Dezember 1988 mitgeteilt worden, die Verhandlungen mit W über die endgültige Verrechnung der von ihr verlangten Spesenersätze bzw. Gesellschaftsanteile hätten noch keiner Lösung zugeführt werden können. Sollte bis zum vereinbarten Verhandlungstermin am 31. März 1989 keine Einigung erzielt werden, werde die Angelegenheit einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden. In einer weiteren Vorhaltsbeantwortung vom 21. November 1990 habe die Beschwerdeführerin angegeben, dass es nicht im Firmeninteresse sei, W wegen der ausstehenden Sparbücher zu belangen. Dies sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass W auf Grund ihrer hervorragenden Kontakte für weitere Vermittlungstätigkeiten notwendig sei und eine Verrechnung eines Projektes im Irak noch nicht stattgefunden habe. In einem Schriftsatz vom 20. März 1995 habe die Beschwerdeführerin schließlich ausgeführt, dass W bis zum heutigen Tag keinerlei Sparbücher an die Beschwerdeführerin retourniert habe. Da sie sich weiterhin nicht in Österreich aufhalte, sei sie in ihrer Abwesenheit als Geschäftsführerin von der Generalversammlung abberufen und ihre Anteile seien kaduziert worden. In der Folge seien ihre Gesellschaftsanteile an der Beschwerdeführerin zum Preis von S 60.000,-- verkauft worden, wobei dieser Betrag gegen die offene Verbindlichkeit verrechnet und der offene Rechnungsbetrag als Aufwand für lästige Gesellschafter verbucht worden sei.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung "Folge", änderte jedoch den erstinstanzlichen Bescheid des Finanzamtes ab, wobei der Spruch des angefochtenen Bescheides den Hinweis enthält, die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe seien am Ende der folgenden Entscheidungsgründe zu entnehmen und bildeten einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Im erstangefochtenen Bescheid sah die belangte Behörde die verdeckte Gewinnausschüttung nicht mehr in einer fehlenden Verzinsung verwirklicht, sondern in der Ausschüttung des gesamten Forderungsbetrages in Höhe von S 456.726,81 im Jahr 1985. Stelle die Beschwerdeführerin - so die nähere Begründung im erstangefochtenen Bescheid - der Gesellschafter-Geschäftsführerin Gelder ohne schriftliche Vereinbarung und ohne einen bestimmten oder auch nur annähernd bestimmbaren Rückzahlungstermin zur Verfügung, und würden auch keine Sicherheiten sowie Zinsen vereinbart, sei die Ernstlichkeit der Rückzahlungsabsicht in Frage zu stellen. Im Beschwerdefall seien von der Beschwerdeführerin Sparbücher im Wert von mehr als S 456.726,81 an W übergeben worden. Während in der Eingabe vom 9. Dezember 1988 noch gerichtliche Schritte zum Erhalt der Sparbücher angekündigt worden seien, seien mit Rücksicht auf das bestehende Naheverhältnis der Beschwerdeführerin zur Gesellschafter-Geschäftsführerin sehr spät nur unzureichende Schritte gesetzt worden, um die ausstehenden Sparbücher rückzufordern. Die durch Klagsverzicht bzw. unzureichende Einbringungsmaßnahmen bewirkte verdeckte Gewinnausschüttung liege auf gesellschaftsrechtlicher Ebene begründet. Der Forderungsbetrag sei nicht nur interimsmäßig, sondern auf Dauer der Gesellschafter-Geschäftsführerin zur Verfügung gestellt worden. Damit sei die gegen W ausgewiesene Verrechnungsforderung in Höhe von S 456.726,81 für das Jahr 1985 wertzuberichtigen und zugleich als verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 1 KStG 1966 wiederum außerbilanzmäßig den Einkünften aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen. Nach der am Ende der Entscheidungsgründe dargestellten Berechnung ergab sich lt. angefochtenem Bescheid ein negativer Betrag an Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von insgesamt S 1,072.895,-- (zu versteuerndes Einkommen und Steuer damit "0").

In der Begründung des zweitangefochtenen Bescheides, mit dem die Haftung für Kapitalertragsteuer im Umfang der von der belangten Behörde angenommenen verdeckten Gewinnausschüttung zur Vorschreibung gelangte, verwies die belangte Behörde auf die Entscheidungsgründe des erstangefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und - zum zweitangefochtenen Bescheid in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

1. Zur Zurückweisung hinsichtlich des erstangefochtenen Bescheides:

Mit dem erstangefochtenen Bescheid kam es - ausgehend von einem negativen Einkommen von S 1,072.895,-- - zu keiner Vorschreibung an Körperschaftsteuer für das Jahr 1985. Der im angefochtenen Bescheid als Einkommen gemäß § 8 KStG festgestellte Betrag von S 1,072.895,-- entsprach wegen der betragsmäßigen Identität der aus dem Titel der verdeckten Gewinnausschüttung erfolgten Hinzurechnungsbeträge und der aufwandsmäßig berücksichtigten Beträge der Abschreibung der Verrechnungsforderung und der Dotierung der Rückstellung für Kapitalertragsteuer genau jenem Betrag, der sich auf Grund der am 17. Juni 1988 eingereichten (berichtigten) Steuererklärung der Beschwerdeführerin ergeben hätte (dort ausgewiesener Betrag der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ebenfalls -S 1,072.895,--). Entgegen der in der Replik zur Gegenschrift von der Beschwerdeführerin vertretenen Meinung erwuchs auch nicht die "Aufstellung der Bemessungsgrundlage", sondern die Bemessungsgrundlage selbst in Rechtskraft. Da weiters der Körperschaftsteuerbescheid keinen Grundlagenbescheid für den Haftungsbescheid betreffend Kapitalertragsteuer bildet (vgl. z.B. Bauer/Quantschnigg, KStG 1988, Tz 59 zu § 8, mwN), kann die Beschwerdeführerin durch den erstangefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt sein.

Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 51) VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

2. Zur Aufhebung des zweitangefochtenen Bescheides:

Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 1 KStG 1966, die auch zur gegenständlichen Vorschreibung an Kapitalertragsteuer führte, an die ehemalige Geschäftsführerin und Gesellschafterin W wäre nur dann zulässig, wenn hinsichtlich der strittigen Sparbücher eine mit der subjektiven Absicht der Vorteilsgewährung verbundene Zuwendung dieser Beträge im Jahr 1985 erfolgt wäre. In diesem Punkt ist aber der erstangefochtene Bescheid (auf den der zweitangefochtene Bescheid verweist) nicht tragfähig begründet. So ist selbst dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nur zu entnehmen, dass sich W die Sparbücher zurückbehalten habe (in den Vorhaltsbeantwortungen vom 9. Dezember 1988 und 21. November 1990 ist dazu auch ausdrücklich davon die Rede, dass diese Zurückbehaltung zur Sicherstellung von Forderungen seitens der W erfolgt sei). Die zur Begründung der verdeckten Gewinnausschüttung herangezogenen Bescheidaussagen, die Gelder bzw. die Sparbücher seien von der Beschwerdeführerin an W "zur Verfügung" gestellt oder dieser "übergeben" worden, finden in der Aktenlage keine Deckung. Dem erstangefochtenen Bescheid lässt sich auch keine Sachverhaltsfeststellung dahingehend entnehmen, dass die Beschwerdeführerin bereits im Jahr 1985 ein Verhalten gesetzt hätte, das einem Verzicht auf die Rückforderung der Sparbücher gleichgekommen wäre. Wenn in der Beschwerde betont wird, die Entnahme der Sparbücher sei von den anderen Gesellschaftern (der Generalversammlung) der Beschwerdeführerin "weder vor noch nach der Entnahme weder ausdrücklich noch stillschweigend genehmigt" worden, vielmehr habe die Geschäftsführerin unter Missbrauch ihrer Verfügungsmacht die Sparbücher widerrechtlich an sich genommen (es sei auch zu keinem "Klagsverzicht" gekommen), ist festzuhalten, dass eine im Innenverhältnis die Gesellschaft schädigende Handlung eines Minderheitsgesellschafters, auch wenn dieser dabei in Ausnützung seiner Eigenschaft als Organ (Geschäftsführer) der Gesellschaft handelt, für sich allein noch keine Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung rechtfertigt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1999, 96/15/0018).

Der zweitangefochtene Bescheid erweist sich damit in der Vorschreibung einer Haftung für Kapitalertragsteuer aus dem Titel der verdeckten Gewinnausschüttung als mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben. Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte nach § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. Dezember 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997130188.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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