Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VStG §16;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des W F, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 13. April 2016, VGW- 001/060/4020/2015-5, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien),
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 11. Februar 2015 wurde der Revisionswerber ua. wegen der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Tatbestand Glücksspielgesetz (GSpG) im Tatzeitraum 3. Juni 2014 bis 21. November 2014 für schuldig erkannt; es wurden über ihn zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 1.000,-- (sowie zwei Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ua. die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab und berichtigte den bezughabenden Spruch des Straferkenntnisses insofern, als die Tatzeit auf "1.11.2014 bis 21.11.2014" eingeschränkt und näher bezeichnete Wortfolgen dieses Spruchpunktes präzisiert wurden (Spruchpunkt I.). Dem Revisionswerber wurde ein Kostenbeitrag zu den Kosten des mit Spruchpunkt I. erledigten Beschwerdeverfahrens in der Höhe von insgesamt EUR 400,-- vorgeschrieben (Spruchpunkt III.). Weiters sprach das VwG aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichthof nicht zulässig sei.
3 Gegen die Spruchpunkte I. und III. des genannten Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Mit den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, sowie vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, liegt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes vor. Von dieser ist das VwG im Revisionsfall nicht abgewichen.
8 Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH vom 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C- 347/09, Rn. 83 f; vom 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff, vom 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff, sowie vom 28.2.2018, Sporting Odds, C-3/17, Rn. 28, 62 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof in den zitierten Erkenntnissen vom 16. März 2016 und vom 11. Juli 2018 durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung auch nachgekommen.
9 Zum Vorbringen des Revisionswerbers, wonach das für die Verwaltungsgerichte anzuwendende Amtswegigkeitsprinzip der in Art. 6 EMRK normierten Unparteilichkeit des erkennenden Gerichtes widerspreche, genügt es, auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2017, E 3282/2016, zu verweisen. Darin hat der Verfassungsgerichtshof einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK verneint. Soweit Art. 47 GRC als anzuwendende Norm in Betracht kommen könnte, vermögen die Revisionsausführungen ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C-685/15, stehen darüber hinaus die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen.
10 Die Revision behauptet in ihrem Zulässigkeitsvorbringen auch einen Verstoß gegen § 44a Z 3 VStG, da die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe "nicht unzweideutig" zum Ausdruck komme. Diesem Vorbringen ist insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass gegen die Aufteilung einer Ersatzfreiheitsstrafe in Tage und Stunden keine Bedenken bestehen zu entgegen, dass die konkret verhängte Ersatzfreiheitsstrafe nicht als mehrdeutig erkannt werden kann. Eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht vor.
11 Soweit sich die Revision gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, war sie daher mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.
12 Hinsichtlich der in Spruchpunkt III. des bekämpften Erkenntnisses vorgeschriebenen Kosten für das Beschwerdeverfahren erweist sich die Revision jedoch als zulässig und berechtigt, weil das VwG in diesem Punkt - wie der Revisionswerber im Zulässigkeitsvorbringen zutreffend aufzeigt - von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nicht zulässig, dem Beschuldigten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wenn das Verwaltungsgericht eine Änderung zu seinen Gunsten (§ 52 Abs. 8 VwGVG) vorgenommen hat. Eine solche Änderung liegt auch dann vor, wenn das Verwaltungsgericht den von der Strafbehörde erster Instanz angenommenen strafbaren Tatbestand einschränkt. Das ist u.a. dann der Fall, wenn der Tatzeitraum im Unterschied zur erstinstanzlichen Entscheidung eingeschränkt und damit der Unrechtsgehalt zugunsten des Beschuldigten verringert wird (vgl. etwa VwGH 28.2.2018, Ra 2017/17/0770).
14 Dem VwG war es daher schon aufgrund der vorgenommenen Tatzeiteinschränkung versagt, dem Revisionswerber den Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (vgl. zuletzt etwa VwGH 8.6.2018, Ra 2017/17/0926, mwN).
15 Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
16 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
17 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 und 4 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 20. August 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170221.L00Im RIS seit
13.09.2018Zuletzt aktualisiert am
29.10.2018