Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.
Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Pflegschaftssache des behinderten Helmut H*****, infolge Revisionsrekurses des Kuranden Helmut H*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 10. August 1984, GZ 13 R 544/84-71a, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 28. März 1984, GZ 3 P 239/80-66, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Helmut H***** wurde mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 15. 12. 1982, 22 L 1006/80, wegen Geisteskrankheit beschränkt entmündigt. Gemäß Art X Z 3 Abs 1 SachwalterG steht er einer Person gleich, der nach § 273 Abs 3 Z 3 ABGB ein Sachwalter bestellt worden ist.
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 20. 5. 1983 (ON 37) wurde pflegschaftsbehördlich angeordnet, Helmut H***** auf die Dauer eines Jahres, und zwar bis 2. 5. 1984, in der geschlossenen Anstalt ***** in ***** anzuhalten. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Unterbringung des Kuranden in einer geschlossenen Anstalt in seinem Interesse und zum Schutz der Gesellschaft deswegen notwendig erscheine, weil er in seiner Sozialanpassung völlig gestört sei. Er leide an einem schizophrenen Defektzustand mit Antriebsstörungen, Anpassungsschwierigkeiten, ängstlich depressiver Stimmungslage und Neigung zu aggressiven Kurzschlusshandlungen. Er sei suicidgefährdet und allein nicht existenzfähig, sodass sein Verbleib in einer offenen Gemeinschaft nicht haltbar sei.
Während in der Folge der Kurand in mehrfachen Schreiben an das Pflegschaftsgericht seine Entlassung aus der geschlossenen Anstalt zu erreichen versuchte, stellte sich der Sachwalter auf den Standpunkt, dass im Gesundheitszustand des Kuranden keine Besserung eingetreten sei, die eine Entlassung rechtfertigen würde. Helmut H***** bedürfe nach wie vor einer umfassenden Aufsicht und Pflege, wie sie üblicherweise nur in einer Anstalt vermittelt werden könne; außerhalb einer geschlossenen Anstalt vermöge er nicht zu existieren (ON 59).
Mit Beschluss vom 28. 3. 1984 (ON 66) wurde durch das Erstgericht die Anhaltung des Kuranden in der geschlossenen Anstalt ***** in ***** bis auf weiteres pflegschaftsbehördlich genehmigt. Das Erstgericht stellte aufgrund eins Gutachtens des Sachverständigen Prim. Dr. Weiser vom 22. 3. 1984 fest, dass es sich bei dem Kuranden um eine primär psychopathische und intellektuell grenzbegabte Persönlichkeit handelt. Im Verlauf der späten Pubertät erkrankte er zusätzlich an einer schizophrenen Psychose von vorwiegend hebephrenem Typus. Diese Psychose führte zu einem sehr beträchtlichen Abbau der Persönlichkeit. Diesen Abbau hat zu einem Verlust der Anpassungsfähigkeit an jegliche Gemeinschaft, des logischen Denkvermögens, der Kritik, des Eigenantriebs und der affektiven Schwingungsfähigkeit geführt. Der derzeitige Zustand des Kuranden ist durch einen erheblichen Autismus, Hemmungslosigkeit, Sprunghaftigkeit, Reizbarkeit, unstetes und triebhaftes Verhalten und Aggressivität gekennzeichnet. Versuche der Resozialisierung sowohl innerhalb als auch außerhalb der Anstalt sind gescheitert. Auf sich allein gestellt oder in häuslicher Pflege könnte sich der Kurand selbst für kürzere Zeit nicht behaupten. Er kann daher nur in einer Institution wie dem ***** längere Zeit angepasst leben.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im Wesentlichen dahin, dass es auch nach Ablauf der zunächst angeordneten einjährigen Anstaltsunterbringung des Kuranden mit 2. 5. 1984 notwendig sei, ihn in seinem Interesse (Vermeidung der Verwahrlosung) und im Interesse der Gemeinschaft auf längere Sicht einer weiteren Anstaltsbetreuung zu unterwerfen (§ 49 KAG). Es sei daher die weitere Anstaltsunterbringung des Kuranden – nunmehr unbefristet – pflegschaftsbehördlich zu genehmigen.
Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs des Kuranden gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluss keine Folge. Es führte im Wesentlichen aus, die Unterbringung eines bereits Entmündigten bzw einer behinderten Person, für die zur Besorgung aller Angelegenheiten ein Sachwalter bestellt sei, in einer geschlossenen Anstalt könne vom Pflegschaftsgericht dann angeordnet werden, wenn der Zustand des Entmündigten (Behinderten) die Unterbringung in einer solchen Anstalt erfordere, wenn also eine solche Maßnahme zur Wahrung der eigenen Interessen des Behinderten (Selbstgefährlichkeit) oder zum Schutz anderer vor Gefährdung durch ihn (Gemeingefährlichkeit) notwendig sei. Die Anordnung der Unterbringung richte sich in einem solchen Fall nicht nach den durch das Sachwaltergesetz nicht außer Kraft gesetzten Vorschriften der Entmündigungsordnung über die Anhaltung in einer geschlossenen Anstalt, sondern es hätten die allgemeinen Normen des Außerstreitgesetzes zu gelten. Mangels Geltung des § 23 EntmO in einem solchen Fall sei eine Fristbestimmung nicht erforderlich. Das Gericht habe vielmehr im Rahmen seiner Fürsorgepflicht in angemessenen Zeitabständen zu prüfen, ob das Wohl des Pflegebefohlenen die Aufhebung oder Änderung der Sachwalterschaft und somit auch den Fortbestand der Anhaltung in der geschlossenen Anstalt erfordere. Der Erfolg eines Antrags, die Anhaltung in einer geschlossenen Anstalt aufzuheben, setze eine Änderung der Voraussetzungen voraus, die zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Anhaltung geführt hätten. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus den getroffenen Feststellungen, dass bei dem Kuranden eine Änderung der Voraussetzungen, die zu seiner Anhaltung in der geschlossenen Anstalt geführt hätten, nicht eingetreten sei, dass also nach wie vor zur Wahrung seiner Interessen und auch im Interesse der Gemeinschaft die weitere Anstaltsbetreuung notwendig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Kuranden mit dem erkennbaren Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass seine weitere Unterbringung in der geschlossenen Anstalt pflegschaftsbehördlich nicht genehmigt werde.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Revisionsrekurs ist unzulässig.
Die selbständige Rechtsmittellegitimation des Kuranden ist zwar zu bejahen, weil nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dem Kuranden ein selbständiges Einschreiten im Pflegschaftsverfahren ohne Beistand zugebilligt werden muss, wenn durch den von ihm bekämpften Beschluss eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Interessen möglich ist (EvBl 1969/127; EvBl 1970/84; 8 Ob 525/81; 8 Ob 531/83 uva). Dies trifft im Falle einer Entscheidung über seine Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt sicher zu.
Der Revisionsrekurs des Kuranden ist auch nicht schon nach § 24 Abs 3 EntmO unzulässig, weil diese Vorschrift nur für die im Anhaltungsverfahren gefassten Beschlüsse und nicht für die über einen Entmündigten bzw Behinderten von dem hiefür zuständigen Pflegschaftsgericht (vgl SZ 40/83 ua) gefällten Entscheidungen gilt, auf die § 24 EntmO nicht Bezug nimmt (7 Ob 681/83 ua).
Wohl aber ergibt sich die Unzulässigkeit des vorliegenden Rechtsmittels aus § 16 Abs 1 AußStrG. Nach dieser Gesetzesstelle findet gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichts nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof statt.
Das Vorliegen der Rechtsmittelgründe der Nichtigkeit und der Aktenwidrigkeit wird vom Kuranden nicht behauptet; dafür ergibt sich auch aus der Aktenlage kein Anhaltspunkt.
Im Übrigen ergibt sich die Befugnis der Vorinstanzen zu der von ihnen getroffenen Anordnung aus den Vorschriften der §§ 282 und 216 Abs 2 ABGB. Die Frage allerdings, unter welchen Voraussetzungen die Anhaltung eines Entmündigten (bzw nunmehr eines Behinderten, dem ein Sachwalter bestellt worden ist) in einer geschlossenen Anstalt verfügt werden kann, ist im Gesetz nicht ausdrücklich gelöst, sodass das Gericht im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden hat (7 Ob 681/83). Eine Überschreitung dieses Ermessens ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Es liegt daher auch der im § 16 Abs 1 AußStrG normierte Rechtsmittelgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit nicht vor. Soweit der Kurand in seinem Revisionsrekurs darzutun versucht, dass er gesund und nicht anhaltungsbedürftig sei, versucht er nur die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen zu bekämpfen; dies ist aber im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG nicht möglich.
Da somit keiner der in dieser Gesetzesstelle normierten Rechtsmittelgründe vorliegt, musste der außerordentliche Revisionsrekurs des Kuranden zurückgewiesen werden.
Textnummer
E122624European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00611.840.1004.000Im RIS seit
14.09.2018Zuletzt aktualisiert am
14.09.2018