TE Vwgh Beschluss 2018/8/9 Ra 2017/22/0071

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Veröffentlicht am 09.08.2018
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §56;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
NAG 2005 §46 Abs1 Z2;
VwGVG 2014 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des A S in V (K), vertreten durch Dr. Philipp Lettowsky, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Getreidegasse 50, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 24. Februar 2017, 405- 11/36/1/4-2017, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg die Beschwerde des Revisionswerbers, eines kosovarischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 24. November 2016, mit dem sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen wurde, als unbegründet ab.

Das Verwaltungsgericht führte begründend im Wesentlichen aus, der im Kosovo lebende Revisionswerber habe am 14. September 2016 im Wege der Österreichischen Botschaft Skopje den gegenständlichen Antrag auf Familienzusammenführung mit seinen in Österreich lebenden Wahleltern gestellt. Die belangte Behörde habe den bei ihr am 21. Oktober 2016 eingelangten Antrag nach Veranlassung der notwendigen Ergänzungen, Vornahme der erforderlichen Ermittlungen und Gewährung des Parteiengehörs - zu Recht - mit Bescheid vom 24. November 2016 abgewiesen, weil der Revisionswerber im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt auf Grund der zwischenzeitigen Vollendung des 18. Lebensjahrs (am 3. November 2016) nicht mehr minderjährig und daher kein Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG gewesen sei. Auf die vom Revisionswerber (weitläufig) behauptete Säumigkeit der mit der Sache befassten Behörden komme es hier nicht an. Entgegen dem Beschwerdevorbringen sei die Erteilung des Aufenthaltstitels auch nicht zum Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten gewesen, zumal von einem gemeinsamen Familienleben nicht ausgegangen werden könne (der Revisionswerber habe noch nie länger als höchstens drei Wochen mit den Wahleltern bei deren dreimal im Jahr stattfindenden Besuchen im Kosovo zusammengelebt und diese noch nie in Österreich besucht, vielmehr führe er ein Familienleben mit den leiblichen Eltern und Geschwistern) und auch keine sonstigen Umstände vorlägen, die auf eine - über ein bei nahen Verwandten übliches Naheverhältnis hinausgehende - besonders intensive Bindung zu den Wahleltern schließen ließen.

Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig sei.

2.2. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in der ein Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bzw. ein Abweichen von einer solchen Rechtsprechung behauptet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird jedoch nicht aufgezeigt.

3.1. Der Revisionswerber macht zusammengefasst im Wesentlichen geltend, die mit der gegenständlichen Sache befassten Behörden seien säumig gewesen bzw. hätten Verzögerungen zu verantworten. So hätten sich die Vertretungsbehörden mehrfach für unzuständig erklärt, den Antrag erst nach anwaltlicher Intervention entgegengenommen und erst Wochen später an die belangte Behörde übermittelt; die belangte Behörde wiederum habe nicht erforderliche Aufträge erteilt und nicht notwendige Ermittlungen durchgeführt. Durch diese Säumigkeit bzw. Verzögerungen sei letztlich die Erteilung des Aufenthaltstitels vor Eintritt der Volljährigkeit verhindert worden, was nicht zu Lasten des Revisionswerbers gehen könne.

3.2. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gefolgt, wonach die Eigenschaft als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde vorliegen muss. Besteht sie zwar - wie hier - zum Zeitpunkt der Antragstellung, geht aber vor der Entscheidung (etwa) durch Erreichen der Volljährigkeit verloren, so ist die besondere Erteilungsvoraussetzung der Eigenschaft als Familienangehöriger im aufgezeigten Sinn nicht mehr gegeben (vgl. ausführlich VwGH 14.12.2010, 2008/22/0882; siehe ferner 13.11.2012, 2011/22/0074; u.a.).

3.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner bereits ausgesprochen, dass grundsätzlich bei Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung eine Abwägung nach Art. 8 EMRK nicht vorzunehmen ist, jedoch in bestimmten Konstellationen zur Erzielung eines der EMRK gemäßen Ergebnisses der Begriff "Familienangehöriger" von der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abzukoppeln ist. Besteht also in solchen besonderen Konstellationen ein aus Art. 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Familiennachzug, so ist der betreffende (nicht bereits im Inland aufhältige) Angehörige gleichwohl als Familienangehöriger erfasst (vgl. neuerlich VwGH 2011/22/0074; siehe auch 11.2.2016, Ra 2015/22/0145).

Eine besondere Konstellation, in der ausnahmsweise ein Anspruch auf Familiennachzug aus Art. 8 EMRK abzuleiten ist, wurde vorliegend vom Revisionswerber nicht geltend gemacht (vgl. VwGH 30.7.2015, Ro 2014/22/0028, mwN). Die diesbezügliche Abwägung durch das Verwaltungsgericht steht mit den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entwickelten Kriterien im Einklang, wonach in der Regel das Zusammenleben Voraussetzung für eine Beziehung ist, die einem Familienleben gleichkommt, ausnahmsweise aber auch andere Faktoren als Nachweis dafür dienen können, dass eine Beziehung beständig genug ist, um faktische "familiäre Bindungen" zu schaffen (vgl. eingehend VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0125, mwN). Diesbezügliche Umstände sind jedoch fallbezogen - wie das Verwaltungsgericht ohne Rechtsirrtum erkannte - nicht zu sehen.

3.4. Was die vom Revisionswerber behaupteten Versäumnisse bzw. Verzögerungen der mit der Behandlung seiner Sache befassten Behörden betrifft, so sind diese jenen besonderen Konstellationen, in denen nach der aufgezeigten Rechtsprechung ausnahmsweise der Begriff "Familienangehöriger" von der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abgekoppelt und ein aus Art. 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Familiennachzug gewährt wird, in keiner Weise gleichzuhalten.

Das diesbezügliche Vorbringen ist daher jedenfalls nicht geeignet, eine Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels herbeizuführen. Die Frage, inwieweit die erhobenen Vorwürfe überhaupt als stichhältig zu erachten wären, kann hier dahingestellt bleiben.

4. Insgesamt wird daher keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 9. August 2018

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220071.L00

Im RIS seit

12.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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