Index
E1E;Norm
12010E056 AEUV Art56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 27. Dezember 2017, LVwG-412405/6/Gf/Mu, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Bezirkshauptmannschaft Perg; mitbeteiligte Partei: A L in T, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 14. August 2017 wurde die Mitbeteiligte der Verletzung der Mitwirkungspflicht durch Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 5 letzter Fall iVm § 50 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren nach § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Begründend traf das LVwG zur zur Beurteilung der Vereinbarkeit von Regelungen des Glücksspielgesetzes mit Art. 56 AEUV ausführliche Feststellungen und gelangte nach umfangreicher Auseinandersetzung mit der vorgebrachten Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes in rechtlicher Beurteilung zum Ergebnis, dass das in den §§ 3 ff GSpG normierte System des Glücksspielmonopols deshalb in Art. 56 AEUV keine Deckung finde und somit dem Unionsrecht widerspreche, weil es nicht auf einem durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) anerkannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses - wie etwa dem Spielerschutz und der Suchtvorbeugung oder der Kriminalitätsbekämpfung - basiere, sondern primär der Sicherung einer verlässlich kalkulierbaren Quote an Staatseinnahmen diene. Darüber hinaus seien die konkrete Ausgestaltung des Monopolsystems und die den staatlichen Behörden zur Abwehr von Beeinträchtigungen dieses Monopols gesetzlich übertragenen Eingriffsermächtigungen insbesondere mangels der gänzlich fehlenden Notwendigkeit einer vorhergehenden richterlichen Ermächtigung jeweils unverhältnismäßig.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen (BMF). Die Mitbeteiligte und die belangte Behörde erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung; die Mitbeteiligte beantragte darin Kostenersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Soweit in der Amtsrevision zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, das LVwG sei von näherer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zur Beurteilung der Unionsrechtskonformität abgewichen, ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass eine Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG grundsätzlich der Überwachung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes und nicht ausschließlich der Überwachung der Einhaltung des in den §§ 3 und 4 GSpG normierten Glücksspielmonopols dient. Sinn und Zweck einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG ist es, einen Sachverhalt festzustellen, der die Beurteilung ermöglicht, ob die Bestimmungen des GSpG und nicht nur jene das Glücksspielmonopol des Bundes betreffenden Bestimmungen eingehalten werden (vgl. VwGH 19.12.2016, Ra 2016/17/0038, mwN).
6 Eine Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols des Bundes und eine etwa daraus folgende Unanwendbarkeit der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen des GSpG, insbesondere der sich darauf beziehenden Strafbestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG würde daher nicht zwangsläufig die Rechtswidrigkeit einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG und ein unionsrechtlich begründetes Anwendungsverbot des § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG bewirken (vgl. dazu VwGH 30.6.2017, Ra 2017/17/0205). Fragen der Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des GSpG stellen sich daher im vorliegenden Verfahren nicht, weshalb ein Abweichen des LVwG von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung der Unionsrechtskonformität im hier vorliegenden Zusammenhang keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen vermag (VwGH 28.6.2018, Ra 2018/17/0066, mwN).
7 Eine Abweichung der Entscheidung des LVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Unbeachtlichkeit der Beurteilung der Unionsrechtswidrigkeit in Verfahren gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG wird vom BMF nicht geltend gemacht (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2016/17/0302, 0303). Insofern wird daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
8 Hinsichtlich des Vorbringens, es liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil das LVwG entgegen der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe, obwohl die Parteien nicht verzichtet hätten, ist die Revision jedoch zulässig und berechtigt.
9 Das LVwG hat im vorliegenden Fall keine mündliche Verhandlung durchgeführt und dies im angefochtenen Erkenntnis auch nicht begründet.
10 Zur Rechtsfrage der Verhandlungspflicht gleicht der Revisionsfall, dem auch vorliegend der Vorwurf einer Übertretung des GSpG zugrunde liegt, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2018, Ra 2017/17/0703, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses (Rn. 13 bis 21) verwiesen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof eine Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß dem im Hinblick auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung in einem Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 44 VwGVG bejaht, weil nicht alle Verfahrensparteien auf die Durchführung der Verhandlung verzichtet haben, nachdem die mitbeteiligte Partei in ihrer Beschwerde eine solche beantragt hatte und auch die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 bzw. Abs. 4 VwGVG nicht vorgelegen sind.
11 Indem das LVwG auch im gegenständlichen Fall die Durchführung der mündlichen Verhandlung unterlassen hat, erweist sich das angefochtene Erkenntnis als rechtswidrig infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
12 Der Mitbeteiligten steht bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG kein Anspruch auf Kostenersatz zu.
Wien, am 20. August 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170072.L00Im RIS seit
12.09.2018Zuletzt aktualisiert am
29.10.2018