TE OGH 2018/8/23 12Os62/18m

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Veröffentlicht am 23.08.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bager N***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Reza S***** sowie über die Berufung des Angeklagten Bager N***** gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Jugendschöffengericht vom 22. März 2018, GZ 25 Hv 9/18p-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Reza S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche Mitangeklagter enthält, wurde Reza S***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 1. Jänner 2018 in L***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Bager N*****, Alireza H***** und einem bislang unbekannten Mittäter (§ 12 StGB) mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) sowie unter Verwendung einer Waffe Mosrumiah T***** fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldbörse samt 95 Euro Bargeld, ein Mobiltelefon im Wert von 110 Euro sowie eine silberne Armkette im Wert von ca 300 Euro mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Bager N***** dem Mosrumiah T***** ein Messer vor die Brust hielt, ihn mit der anderen Hand im Halsbereich packte, festhielt und ihn aufforderte, „Gibst du alles, was hast du. Wir haben gerade eine gepackt, siehst du Messer ist blutig. Wenn du nicht gibst, ich steche dich. Wenn du Polizei siehst, hast du uns nix gesehen, sonst bekommst du Probleme“, während ihn Alireza H*****, Reza S***** und der bislang unbekannte Täter gemeinsam durchsuchten und auf ihn mehrmals mit dem Fuß eintraten oder dem Knie einschlugen, wobei Alireza H***** die Geldbörse und Reza S***** das Mobiltelefon aus seiner Hosentasche zogen und Bager N***** ihm anschließend mit dem Messer noch die silberne Armkette herunterriss.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Reza S*****, der keine Berechtigung zukommt.

Weshalb die Konstatierung, wonach die beiden weiteren Angeklagten und der unbekannt gebliebene Mittäter Mosrumiah T***** Schläge und Tritte versetzten, seine Taschen durchsuchten und ihn an den Armen festhielten sowie Handy und Geldtasche wegnahmen, nachdem Bager N***** ihn mit einem noch blutigen Messer bedroht hatte (US 5), aus objektiver Sicht mit Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall; vgl RIS-Justiz RS0117995) behaftet sein sollte, bringt die Rüge nicht nachvollziehbar zur Darstellung. Ebenso wird nicht klar, welcher weiteren Beleuchtung insbesondere der subjektiven Tatseite des Beschwerdeführers es bedurft hätte, gingen die Tatrichter doch unmissverständlich von bewusstem und gewolltem Zusammenwirken an der Raubtat unter Verwendung eines Messers durch den Erstangeklagten Bager N***** aus (US 5 f).

Dass die Verwendung eines Messers auch von seinen Mittätern, also auch vom Nichtigkeitswerber, billigend in Kauf genommen wurde, hat das Tatgericht dem Einwand fehlender Feststellungen (dSn Z 10) zuwider zweifelsfrei als erwiesen angenommen (US 5 f) und überdies entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) aus den Angaben des Zeugen Mosrumiah T***** und auf diesen fußend aus dem äußeren Tathergang erschlossen (US 10).

Welcher weiterer Konstatierungen es angesichts der Urteilsannahme, dass Bager N***** unmittelbar vor dem Raub in der Lage war, Samir S***** mit dem verwendeten Messer eine noch fast drei Monate nach der Tat deutlich sichtbare Stichverletzung oberhalb des Handgelenks zuzufügen (US 4), zur „Eignung des Messers als Waffe im Sinn des § 143 StGB“ (zum funktionellen Waffenbegriff vgl RIS-Justiz RS0093928, RS0115124) bedurft hätte, macht der Einwand eines insoweit vorliegenden Rechtsfehlers mangels Feststellungen (Z 9 lit a, dSn Z 10) nicht deutlich.

Die von der Beschwerde überdies sinnentstellend aus dem Kontext gelöste Aussage des Mosrumiah T*****, wonach Bager N***** ihn vorerst verbal und mit dem Messer bedroht habe und dann auch seine Freunde hergekommen seien und ihn festgehalten hätten (ON 55 S 18), steht dem festgestellten Geschehnisablauf (US 5) nicht begründungsbedürftig entgegen, sodass die behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht vorliegt. Im Übrigen verwirklicht auch derjenige schweren Raub nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB, der – wie hier – in Kenntnis der Verwendung einer Waffe an der weiteren Gewaltanwendung und auch an der Sachwegnahme mitwirkt (Eder-Rieder in WK2 StGB § 143 Rz 14, vgl auch § 142 Rz 54).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Bager N***** wurde überdies mehrerer Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 1. Jänner 2018 in L***** Samir S***** am Körper an sich schwer zu verletzen versucht, indem er

1./ ihn mit einem Messer in den linken Unterarm stach, wodurch dieser eine einen Zentimeter lange Stichverletzung erlitt;

2./ ein weiteres Mal mit dem Messer ausholte und gegen dessen Hand bzw Arm hinstach, wobei er Samir S***** nicht verletzte, weil dieser die Hand bzw den Arm wegzog.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO bleibt anzumerken, dass die – wie hier zu I./1./ und 2./ (US 2 und 4 f) – wiederholte Verwirklichung des gleichen Tatbestands in kurzer zeitlicher Abfolge, also unter nur (neuerlich versuchter) quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) bei einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), als tatbestandliche Handlungseinheit aufzufassen ist. Durch ein solches, gegen ein Opfer gerichtetes (vgl demgegenüber RIS-Justiz RS0112161) Vorgehen verwirklicht der Täter den betreffenden Tatbestand aber nur einmal (RIS-Justiz RS0120233 [T2]; RS0127374; Ratz in WK² StGB Vor §§ 28-31 Rz 89), womit die hier erfolgte Annahme zweier Verbrechen der Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 StGB rechtlich verfehlt ist.

Dies bietet jedoch keinen Anlass für eine amtswegige Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO. Stellt nämlich einerseits der aufgezeigte Subsumtionsfehler per se keinen Nachteil im Sinn der genannten Bestimmung dar (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23), so ist andererseits dem durch die – von diesem ausgelöste – aggravierende Wertung des Zusammentreffens von drei Verbrechen (US 11) hergestellten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen (13 Os 149/07x mwN; RIS-Justiz RS0090885; jüngst 12 Os 111/15p). Dabei besteht keine dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende Bindung des Oberlandesgerichts an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS-Justiz RS0118870).

Textnummer

E122579

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00062.18M.0823.000

Im RIS seit

10.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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